Synagoge ist „der Leuchte des Exils“ gewidmet
von Bernd Funke

„Toll, einfach fantastisch“ fühle er sich, strahlt Manuel Herz. Der Architekt, der vor elf Jahren Wettbewerbssieger war, ist die Unruhe in Person. Nur noch etwas mehr als eine Stunde trennt ihn von der Erfüllung seines Traums, der Einweihung „seiner“ Synagoge, die später als Jahrhundertprojekt gelobt werden soll. „Kedusha“ hat Herz in den Himmel der Mainzer Neustadt geschrieben. Eindrucksvoll hüllt grün-blaue Keramik das sprechende Bauwerk ein, das der traditionsreichen Jüdischen Gemeinde Mainz neue Heimat werden soll.

Monsignore Klaus Mayer, „Vater“ der Chagall-Fenster in der alten Reichskirche St. Stephan und engagierter Vermittler zwischen Christen und Juden, findet verbindende Worte: „Ein großer Tag für Mainz und für die Jüdische Gemeinde.“ Genau 98 Jahre zuvor hat der jüdische Großvater des katholischen Geistlichen, Bernhard Meier, als Vorsitzender der damaligen Jüdischen Gemeinde Mainz die 1938 von den Nazis in Brand gesteckte Synagoge mit eingeweiht. Nun steht der Enkel vor der Eingangstür, die in hebräischen Buchstaben den Namen der Synagoge trägt: „Meor Hagola - Beth Knesset Magenza“. Erinnerung an den großen Mainzer Gelehrten Gerschom ben Jehuda (960 bis 1028), der den Beinamen „Meor Hagola“, Leuchte des Exils trug. Manuel Herz zeigt dem aus Düsseldorf angereisten Rabbiner Julian-Chaim Soussan, wie der später die Mesusa am rechten Türpfosten anzubringen hat.

In der Synagoge ist die Nervösität nachgerade greifbar. Herren, die ohne Kopfbedeckung erscheinen, werden mit einem speziell für diesen Anlass angefertigten Kippa, der kleinen kreisförmigen Kopfbedeckung, versorgt. „Magenza“ (so der jüdische Name des mittelalterlichen Mainz) steht darauf und das Datum: 3. September 2010, was nach jüdischem Kalender der 24. Elul des Jahres 5770 ist. Unter den Besuchern fällt eine Dame besonders auf: Vidosava Kozak von der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden hat sich in die Flagge Israels gehüllt und schwenkt zudem ein Fähnchen mit dem blauen Magen David, dem Davidsstern: „Ich strahle nur, mein Herz ist überglücklich.“

Es ist 9.50 Uhr, als Manuel Herz eine brennende Kerze gleich neben dem noch leeren Thoraschrein abstellt. Von diesem Feuer wird Stella Schindler-Siegreich, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mainz, mit verhülltem Haupt später das Ner Tamid, das Ewige Licht, entzünden, das an die Feuersäule erinnern soll, der die Israeliten bei ihrer Wanderung durch die Wüste Siani folgten.

„Gib uns Frieden, Allmächtiger“, intoniert der Chor „Chorale Juive de France“ mit seinem stimmgewaltigen Kantor Raphael Cohen - und die Gäste der Einweihungsfeier erheben sich von ihren Plätzen. Verdiente Gemeindemitglieder tragen drei mit Rimonim, an Granatäpfel erinnernde silberne Aufsätze, geschmückte und eine bekronte Thorarolle in den Gebetsraum. Das Licht im 26 Meter hohen Turm bricht sich in den unzähligen hebräischen Buchstaben an den golden scheinenden Wänden, die an manchen Stellen Gebetstexte freigeben. Die Träger umrunden die Bima, das Vorlesepult, bevor Rabbiner Soussan die Thora, Grundlage des jüdischen Glaubens, in den Thoraschrein, den Aaron ha Kodesch, stellt. Und dann ertönt das Widderhorn, das Schofar. Und sein Klang erfüllt den Raum, den Herz in der Form jenes biblischen Signalhorns gebaut hat.

Schließlich der Schlüssel, den Architekt Herz der Vorsitzenden der Gemeinde übergibt: „Ich hoffe, er öffnet uns allen den Weg in eine glückliche Zukunft“, wünscht Stelle Schindler-Siegreich. In die entlässt Rabbiner Soussan Gemeinde und Gäste mit dem Birkat Kohanim, dem Priestersegen. „Es segne dich der Ewige und behüte dich....Der Ewige wende sein Antlitz dir zu und gebe dir Frieden.“ Und als habe der Chor nur auf dieses Stichwort gewartet, setzt er (völlig ungeplant) ein in ein fröhliches „Schalom alejchem“, „Friede sei mit euch“. Nicht wenige klatschen und singen mit. Es geht auf Schabbat zu. „Masel Tov“ hört Stella Schindler-Siegreich wohl dutzende Mal. Und viele wünschen ihr und der Gemeinde schon „Gut Schabbes“ und „Schabat Schalom“ für den ersten Schabbat im neuen Zuhause.

Wiesbadener Kurier, 4.9.2010

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