Toleranz oder Verachtung?
Friedrich II. und die Juden
von Klaus-Peter Lehmann

Der preußische König Friedrich II. (1740-1787) wird oft für seine von tolerantem Geist getragene Religionspolitik gerühmt. Bei seinem Regierungsantritt erklärte er, in seinem Staat könne jeder nach seiner Fasson selich werden. Die Auseinandersetzung darüber, ob der Preußenherrscher als Philosophenkönig ein Vorbild für aufgeklärte Politik abgab oder als zynischer Despot ein Vorbild für rücksichtslose Machtpolitik war, dauert bis heute an. Friedrichs Judenpolitik mag Licht auf diese Frage werfen.

Die wirtschaftliche Unterdrückung der Juden
Das 1750 von Friedrich erlassene Revidirte General-Privilegium und Reglement vor die Judenschaft im Königreiche Preussen  atmet nichts von tolerantem Geist. Der Graf Mirabeau nannte es ein Gesetz eines Kannibalen würdig.
Das Reglement verfolgte vier Ziele, die Vermehrung der Juden zu verhindern; sie von Berufen auszuschließen, die Christen ausübten; sie durch Vermehrung und Erhöhung von Sonderabgaben finanziell auszupressen; die restriktive Überwachung der Kultgemeinden.
Folgende Maßnahmen wurden dafür ergriffen. Juden durften nur zwei, zeitweise nur ein Kind ansetzen. Überzählige mussten außer Landes ziehen. Das Reglement bestimmte, dass kein Jude ein bürgerlich Handwerck treiben soll. Juden durften nur die Tätigkeiten ausüben, für die es keine christlichen Zünfte gab. Die Summe der abzuführenden Schutzgelder erhöhte sich für die brandenburgische Judenschaft von 3000 Talern im Jahr 1700 auf 25000 Taler im Jahr 1768. Hinzu kamen willkürlich festgelegte Heiratsgelder, Rekrutengelder, Silberlieferungen, Kalender- und Kirchengelder u.v.a.m.

Die religiöse Schmähung der Juden
Überaus entehrend waren die Einmischungen nicht nur in die Finanzen der jüdischen Gemeinden, sondern besonders die rigorosen Eingriffe in ihren Kult. Weil das Gebet Alenu Leschabbeach angeblich christenfeindliche Passagen enthalten sollte, wurde der Text unter behördlicher Aufsicht geändert. Die Juden wurden gezwungen, den veränderten Text zu sprechen, schließlich sogar laut in deutscher Sprache. Diese Vorschrift wurde ins Reglement übernommen. Außerdem wurden die Synagogen-Gottesdienste regelmäßig von Inspektoren überwacht, um angebliche Schmähungen der christlichen Religion zu unterbinden.
Friedrich II. war ein unverhohlener Judenverächter. Für ihn waren die Juden eine abergläubische, schwache und grausame Nation.  (1)  Zwar beruhen nach Friedrich alle Religionen auf unsinnigen Grundgedanken. Es ist unmöglich, dass ein Mensch mit gesundem Verstand, wenn er einmal dieses Problem zu durchdenken beginnt, den Irrtum nicht erkennt… Die Juden gehören von allen diesen Glaubensrichtungen der gefährlichsten an, denn sie beeinträchtigen den Handel der Christen, und sie sind unnütz für den Staat. Wir brauchen dieses Volk, um in Polen einen bestimmten Handel zu treiben, es muß aber vermieden werden, daß die Zahl an Juden steigt. Man muß sie auf eine bestimmte Zahl von Köpfen beschränken, ihren Handel einengen, verhindern, daß sie Unternehmungen im großen machen, und darauf sehen, daß sie nur Kleinhändler bleiben.  (2) 

Die Toleranz des Alten Fritz
Zur religiösen Herabwürdigung und wirtschaftlichen Einschnürung der Juden kam auch ihre kulturelle Behinderung. Die Aufnahme des berühmten Freundes von Lessing und seines Vorbilds für Nathan den Weisen, des jüdischen Aufklärungsphilosophen Moses Mendelssohn in die Berliner Akademie der Wissenschaften verhinderte Friedrich II. höchstpersönlich.
Wie obiges Zitat aus dem politischen Testament Friedrichs verdeutlichen mag, war sein Toleranzgedanke verzerrt durch seinen religiösen Zynismus  (3)  und seine Verachtung der Juden. Kein anderer durchschaute das besser als Gotthold Ephraim Lessing. Er schrieb 1769 an seinen Freund Nicolai in Berlin:
Sagen Sie mir ja nichts von Ihrer Berlinischen Freiheit. Sie reduziert sich einzig und allein auf die Freiheit, gegen die Religion so viel Sotisen zu Markte zu tragen, als man will. Lassen Sie einen Berliner auftreten, der für die Rechte der Untertanen und gegen die Aussaugung und den Despotismus seine Stimme erheben wollte, und Sie werden bald die Erfahrung haben, welches Land bis auf den heutigen Tag das sklavischste Land von Europa ist.
Es ist leider nur ein Gerücht, dass Friedrich die Folter abgeschafft habe. Für Mordanschläge, Landesverrat und Majestätsbeleidigung blieb sie bestehen. Außerdem kehrte sie in Geheimverordnungen über die sogen. Lügenstrafe in die Vernehmungszimmer zurück. Das Erprügeln von Aussagen wurde gängige Praxis. Unter verändertem Namen und in anderer Form wurde praktisch weiter gefoltert.

 

(1) Brief aus dem Jahr 1739
(2) Politisches Testament 1752
(3) In dem Vorwort zum Abriss der Kirchengeschichte von Fleury schreibt Friedrich über die Religion, daß der Mensch für den Irrtum geschaffen sei,…die Welt von den Vorurteilen des Aberglaubens durchdrungen und die Wahrheit daher nicht für den Menschen geschaffen ist… Was gewönne man dabei, einem Menschen, der in der Täuschung glücklich ist, die Augen zu öffnen?

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ImDialog. Evangelischer Arbeitskreis für das christlich-jüdische Gespräch in Hessen und Nassau
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