Die Koffer sind ausgepackt
Die «Geschichte der Juden in Deutschland von 1945 bis zur Gegenwart» ist ein Standardwerk
von L. Joseph Heid

Die alliierten Truppen fanden bei ihrem Einmarsch in Deutschland im Frühjahr 1945 noch etwa 15.000 Juden außerhalb der Konzentrationslager vor. Eine kleine Gruppe von deutschen Juden wurde lebend aus Konzentrationslagern befreit. Ihnen allen war ein Gedanke gemeinsam: die sofortige Auswanderung. Dennoch fiel gerade ihnen die Aufgabe zu, die jüdischen Gemeinden neu zu gründen, eine Aufgabe, die zunächst den Zweck hatte, die Überlebenden zu sammeln und zu versorgen. Die neuen Gemeinden gaben diesen den ersten materiellen und sozialen Halt, die Möglichkeit zu einem Neuanfang und manchem auch die Chance zu einer Wiederannäherung an das Judentum. In den ersten Nachkriegsjahren war die jüdische Bevölkerung nicht nur demographisch äußerst heterogen, sie war auch organisatorisch uneinheitlich. Die Neuorganisation der Gemeinden und Landesverbände war spontan, ursprünglich ohne klare Konzeption und unkoordiniert.

Die jüdischen Gemeinden in Deutschland nach 1945 stellten von ihrer Zusammensetzung der Nach-Schoa-Zeit her im wesentlichen eine Gemeinschaft der der Massenvernichtung entronnenen, zufällig überlebenden, ungewollt als Displaced Persons (DPs) in der Bundesrepublik gestrandeten osteuropäischen Juden dar. An eine langfristige Niederlassung von Juden auf der mit einem «Cherem», einem Bann belegten «blutgetränkten Erde Deutschlands» war anfangs nicht zu denken. Mit dazu beitrugen Ereignisse, die, retrospektiv betrachtet, nachgerade unfassbar erscheinen: Mit dem 9. Mai 1945 war der manifeste Antisemitismus aus den deutschen Köpfen keineswegs verschwunden, ganz im Gegenteil. Wie wir aus Untersuchungen wissen, feierte der Antisemitismus nach 1945 fröhliche Urständ.

Auschwitz, die Juden und der Antisemitismus

Auschwitz, die Juden und der Antisemitismus bleiben nach 1945 auch weiterhin ein zentraler Angel- und Bezugspunkt deutscher Kultur, deutscher Politik, der deutschen Gesellschaft insgesamt – ein beständiges Gefühl. Selbst nach Auschwitz ist der Antisemitismus in der Bundesrepublik nicht obsolet geworden. Mehr noch, nie war der Antisemitismus in Deutschland heftiger als unmittelbar nach Kriegsende, der sich nicht zuletzt gegen die vorübergehend bis zu 200.000 osteuropäischen DPs in verschiedenen deutschen Lagern richtete, die, auf ihre Weiterwanderung nach Palästina wartend, scheinbar durch die Besatzungsmächte mit Privilegien ausgestattet waren, während die deutsche Bevölkerung eigener Wahrnehmung nach Not litt.

Viele Begegnungen zwischen Juden und Deutschen drehten sich um Nahrungsmittel. DPs, die, wie die übrige Bevölkerung auch, ihre Zuteilungen durch Schwarzmarkthandel zu ergänzen suchten, gerieten in das Visier der Polizei. Bei einer Razzia in einem Stuttgarter DP-Lager, bei der sich die Insassen widersetzten, wurde Schmul Dancyger von der Polizei erschossen. Die besondere Tragik an diesem Fall war, dass Dancyger, ein Auschwitz-Überlebender erst am Abend zuvor seine Frau und seine Kinder wiedergefunden hatte. Ergebnis der Razzia war die Beschlagnahmung einiger illegal gehaltener Hühner.

Die aus Jahrzehnten vor 1933 stammende Unterscheidung von deutschen Juden und Juden aus Osteuropa gewann im öffentlichen Bewusstsein jetzt erneut Aktualität. Unverblümt zeigte sich der Antisemitismus in allen möglichen gesellschaftlichen Bereichen, ohne dass er entsprechend geächtet wurde. Anders, mit dem vom Psychoanalytiker Zvi Rex stammenden und von Henryk M. Broder in Umlauf gesetzten Satz ausgedrückt: Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen. Kurz: Antisemitismus in Deutschland gab und gibt es weiterhin nicht trotz, sondern wegen Auschwitz, weil die Täter und deren Erben permanent an ihre Untaten und zugleich an ihr Versagen erinnert werden.

Schändungen jüdischer Friedhöfe, Beschimpfungen und Misshandlungen jüdischer Überlebender waren in den Gründungsjahren der Bundesrepublik alles andere als eine Seltenheit. Im Sommer 1949 gingen Polizisten in München gewaltsam gegen eine Demonstration jüdischer DPs vor. Vier Tage vor den Bundestagswahlen schreckten sie nicht einmal davor zurück, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen.

Virulenter altneuer Antisemitismus

Der virulent altneue Antisemitismus, der in dem Freispruch des «Jud-Süß»-Regisseurs Veit Harlan und den Synagogenschmierereien in Köln und anderswo ab 1959 seinen vorläufigen Höhepunkt erlebte, führte dazu, dass sich die Juden in Deutschland ins Private zurückzogen, was Dan Diner zutreffend als «abwesende Anwesenheit» beschreibt. Daran ändert auch nichts, dass es einige wenige prominente Juden gab, die aus Emigration und Exil den Weg nach Deutschland zurückfanden wie Artur Brauner, Fritz Kortner oder Therese Giehse aus dem Bereich Theater und Film, Josef Neuberger, Herbert Weichmann, Hermann Axen oder Albert Norden in West- bzw. Ostdeutschland als Politiker bzw. Politbüromitglieder, Anna Seghers, Arnold Zweig, Hans Meyer oder Alfred Kantorowicz als Schriftsteller bzw. Literaturwissenschaftler, Max Horkheimer und Theodor W. Adorno als Sozialwissenschaftler, um nur einige Beispiele zu nennen.

Juden in Deutschland waren eine Gemeinschaft, die in den Nachkriegsjahren sprichwörtlich auf gepackten Koffern saß und erst Jahrzehnte später in zunehmendem Maße bereit war, sich mit der Realität der Bundesrepublik zu arrangieren und die bewiesen hat, an der deutschen Gesellschaft in all ihren Verästelungen gleichberechtigt und selbstverständlich zu partizipieren, wenn auch unter Bedingungen, die bis heute als «Nicht-Normalität» zu charakterisieren sind. Mit dem Jahr 1933 war die deutsch-jüdische Weggemeinschaft ein für alle Mal zu Ende gegangen, daran ist nichts zu ändern. Wenn sich dennoch nach dem Holocaust jüdisches Leben in Deutschland wieder entwickelte, dann war dies bei den Betroffenen stets begleitet von Schmerz und Schuldgefühlen. Davon berichtet ein von Michael Brenner herausgegebenes Kompendium, das als Autoren die Besten aufbietet, was das komplexe Thema erfordert: Neben dem Herausgeber sind das Dan Diner, Norbert Frei, Lena Gorelik, Constantin Goschler, Atina Grossmann, Anthony Kauders, Tamar Lewinsky und Yfaat Weiss – ein internationales Autorenteam, allesamt ausgewiesen auf ihrem jeweiligen Spezialgebiet. Zu Recht darf man den vorliegenden Band als Standardwerk bezeichnen, das die Gesamtbreite jüdischer Existenz in Deutschland von 1945 bis in die Gegenwart abbildet.

Waren die ersten vier Jahre nach der Schoa bei den in Deutschland lebenden Juden in erster Linie auf die Sicherung der Existenz gerichtet, erkannten die inzwischen schon etwas konsolidierten Gemeinden bei Gründung der Bundesrepublik im Jahre 1949 die Notwendigkeit, im neuen Staat eine zentrale Repräsentanz zu schaffen, um ihre Interessen nicht allein ausländischen Hilfsorganisationen und der Jewish Agency zu überlassen. So kam es zur Gründung des Zentralrats der Juden in Deutschland als Dachorganisation aller Jüdischen Gemeinden. Hauptaufgabe des Zentralrats war die Teilnahme an der Entschädigungs-Gesetzgebung. Aus den Mitteln der Rückerstattung wurden die Gemeinden finanziell unterstützt.

Die zweite Phase der jüdischen Nachkriegsgeschichte

Mit der Gründung des Zentralrates begann die zweite Phase der jüdischen Nachkriegsgeschichte in Deutschland, die ihren Abschluss in den «Wiedergutmachungsgesetzen» fand. Dies war zugleich ein Motiv einer Rückwanderung von deutschen Juden in zahlenmäßig bescheidenem Rahmen, eine Entwicklung, die bis 1960 anhielt und durch einen sich wieder deutlich bemerkbar machenden neuen Antisemitismus gestoppt wurde.

Durch die Remigration in den fünfziger Jahren stieg die Mitgliederzahl der Jüdischen Gemeinden von 15.000 im Jahre 1955 auf 21.000 im Jahre 1959. Infolge der antisemitischen Vorkommnisse, die sich bundesweit vor allem in Friedhofsschändungen niederschlugen, wuchs die jüdische Bevölkerung nur sehr langsam und pendelt sich 25 Jahre lang stabil auf knapp 30.000 Personen ein. Die Gesamtzahl der jüdischen Bevölkerung in Deutschland betrug bis Anfang der 1980er Jahre konstant etwa 40.000 Personen. Die Zuwanderer setzen sich aus jüngeren Israelis und jüdischen Flüchtlingen aus Osteuropa zusammen, die zumeist in der Folge politischer und sozialer Krisen wie dem Aufstand in Ungarn oder dem Prager Frühling ihr Land verließen. Darüber hinaus kamen mehrere hundert Juden aus dem Iran.

Seit den 1970er Jahren machte sich eine distanziertere und ignorantere Haltung gegenüber Juden bemerkbar, die sich vor allem in der sogenannten politischen Kultur niederschlug. Stichworte hierfür sind Filbinger, Bitburg, die Jenniger-Rede, die Faßbinder-Kontroverse oder Helmut Kohls Wort von der «Gnade der späten Geburt». Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass sich Juden in der Bundesrepublik Deutschland von Anfang an mit einem latenten wie manifesten Antisemitismus konfrontiert sahen.

Das Verhältnis zwischen der jüdischen Minorität in Deutschland zu Staat, anderen Religionsgemeinschaften, kurz, der Umgebungsgesellschaft gegenüber ist nach wie vor von der nationalsozialistischen Vergangenheit bestimmt. Die sozialen Beziehungen zwischen der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik und der jüdischen Minderheit werden auch knapp siebzig Jahre nach Stilllegung der Verbrennungsöfen in den Vernichtungslagern noch immer geprägt von einer starken Befangenheit der Nichtjuden und von der Zurückhaltung vieler Juden. So merkwürdig es klingt: Für Juden und für Deutsche ist die Erinnerung an Auschwitz – bei allen Unterschieden der Wahrnehmung und Empfindung – in zentraler Weise traumatisierend, und somit ist ein «normales» Verhältnis zueinander nicht möglich. Die Anwesenheit von Juden gilt als Beweis für die Überwindung dieser Vergangenheit. Das Wachsen der jüdischen Gemeinden in Deutschland wird von offizieller Seite begrüßt, ja wohlwollend gefördert. Bundes- und Landesregierungen stellen den jüdischen Gemeinden kontinuierlich finanzielle Mittel für kulturelle und soziale Zwecke zur Verfügung.

«Prüfstein der Demokratie»

In der Bundesrepublik Deutschland ist den Juden sehr früh eine wesentliche Funktion in der staatsideologischen Arbeit zugefallen. Um diesen Auftrag zu erfüllen, musste es in Deutschland eine jüdische Präsenz geben, mussten jüdische Gemeinden am Leben erhalten werden. Sie stellen das moralische Alibi dafür dar, dass die Bundesrepublik innerhalb der Völkerfamilie als ein demokratisch zuverlässiger Partner angesehen wird. Das Verhältnis zu den Juden war und ist der Prüfstein der Demokratie. Der deutsche Staat trat als Garant jüdischer Unversehrtheit auf. So wie das Bekenntnis zur Demokratie wurde das Bekenntnis zu den Juden innen- wie außenpolitisch erwartet.

Im Gegensatz zu dem offensichtlichen Desinteresse der politisch Verantwortlichen bis Anfang der 1950er Jahre, jüdisch-materiellen Ansprüchen zu entsprechen, hat sich das Bild seitdem gewandelt: individuelle Wiedergutmachung an einzelne Opfer wurde ebenso geleistet wie eine im Luxemburger Abkommen geregelte an den Staat Israel. Synagogen wurden wiederaufgebaut – sogar dort, wo keine Juden mehr leben. Ungeachtet der kleinen Zahl der in der Bundesrepublik lebenden Juden ist ihre soziale und politische Relevanz eine zu beobachtende Tatsache.

Die realpolitische Konzessionsbereitschaft gegenüber – berechtigten – jüdischen Ansprüchen wie auch die unleugbare Monstrosität des Judenmords hat lange dazu geführt, dass öffentliche Instanzen in der Bundesrepublik gerade am Beispiel der Juden immer wieder zu verdeutlichen suchten, wie sehr sich Deutschland von den nationalsozialistischen Verbrechen abgekehrt habe. Was den Versöhnungsdialog betrifft, spielten die Juden eine funktionale, aber auch zwiespältige Rolle, weil sie weniger als reale Personen denn als idealisierte Juden betrachtet wurden und weiterhin werden.

Das Bewusstsein, stellvertretend für alle ermordeten Juden als das Symbol der jüdischen Opfer schlechthin zu gelten, ist jedoch für die Juden in Deutschland nicht nur eine psychische Bürde, sondern auch die mehr oder weniger bewusste Legitimation dafür, überhaupt in Deutschland leben zu können. Ambivalente Gefühle vieler Juden Deutschland gegenüber sind nach wie vor verbreitet, wenn auch mit abnehmender Tendenz.

Während die jüdischen Gemeinden in Deutschland – bedingt durch die gegebene Altersstruktur, Auswanderungen junger Juden nach Israel, Amerika oder ins benachbarte europäische Ausland – über vierzig Jahre lang kontinuierlich geschrumpft waren und abzusehen war, dass jüdisches Leben in Deutschland in nicht allzu ferner Zukunft großflächig aussterben und nur noch vereinzelt in Großgemeinden wie Berlin, Frankfurt am Main, München und Düsseldorf weiter existieren würde, trat durch die starke Zuwanderung von Jüdinnen und Juden aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion seit Anfang der 1990er Jahre unter Anwendung des sogenannten Kontingentflüchtlingsgesetzes eine völlig neue Entwicklung ein und hat eine Vielzahl von neuen Gemeinden entstehen lassen. In den moralisch aufgeladenen Debatten im Bundestag nach der Wende hatte sich gezeigt, dass die Abgeordneten in dem zu treffenden Beschluss über die Zukunft der jüdischen Einwanderungswilligen eine Art Prüfstein für das wiedervereinigte Deutschland sahen. Ein breiter politischer Konsens in dieser Frage wurde erreicht, wobei die Erinnerung an die historische Verantwortung und die Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland ausschlaggebend waren.

Es klingt beinahe wie ein historischer Treppenwitz, dass sich die Zuwanderer aus Osteuropa ausgerechnet Deutschland als neue Heimat, zuweilen auch als Zufluchtsstätte vor antisemitischen Umtrieben, die es in der Sowjetunion und den ihr nachfolgenden Einzelstaaten auch weiterhin gibt, ausgesucht und Deutschland zur drittgrößten jüdischen Gemeinschaft in Westeuropa gemacht haben. Dass die Zuwanderung ihren Ausgang ausgerechnet am 9. November 1989, dem Fall der Berliner Mauer, nahm, dem 51. Jahrestag des Novemberpogroms des Jahres 1938, mag man als eine Laune der Geschichte werten. Das Judentum in Deutschland ist die einzige jüdische Gemeinschaft außerhalb Israels, die wächst.

Genau betrachtet, ist nur eine kleine Minderheit der heutigen Juden Deutschlands «deutsch». Das zeigt schon ein flüchtiger Blick auf Geographie und Demographie der bundesdeutschen Juden. Bis zur Wiedervereinigung waren rund 80 Prozent der damals bundesdeutschen Juden osteuropäischer Herkunft: die Überlebenden der NS-Vernichtungsmaschinerie und ihre Nachfahren. Von den heute etwas über 100.000 Gemeindejuden stammt die große Mehrheit aus der Sowjetunion, ebenfalls etwa 80 Prozent. Da knapp weitere 100.000 nicht oder nicht mehr Gemeindemitglieder sind, gilt: Die bundesdeutschen Juden haben nahezu allesamt osteuropäische Wurzeln.

In den 1980er Jahren regte sich etwas in der jüdischen Gemeinschaft: Juden begannen damit, sich in allen möglichen Gesellschaftsbereichen bemerkbar zu machen, wurden wahrgenommen, eine Entwicklung, die bis in die Gegenwart anhält. Das gilt auch für die innerjüdische Entwicklung, die durch einen wachsenden Pluralismus gekennzeichnet ist.

In Deutschland ist ein neues Judentum «erstanden», ein Judentum, das sich – anders als das Judentum vor 1933 – dezidiert als jüdisch versteht und positioniert. Worin aber genau das Jüdische am neuen Judentum besteht oder bestehen soll, darüber herrscht offenbar noch Unklarheit. Ist es mehr jüdische Situation als jüdisches Sein? Entsteht über die Generationen hinweg, bedingt durch die erhebliche Zuwanderung russischer «Nationalitätsjuden» eine völlig neue jüdische Situation und möglicherweise auch ein völlig neues jüdisches Sein?

Sechzig Jahre lang sind die Juden in Deutschland vergeblich gegen eine Zukunft angerannt und haben sich an der Opferrolle orientiert, an die man sich viele Jahrzehnte gewöhnt hatte. Juden in Deutschland werden nicht umhinkommen, zukunftsorientierte Ansprechpartner für die Umgebungsgesellschaft zu sein, Juden, die nicht nur eine Rechnung mit der Vergangenheit begleichen wollen, sondern sich in bester jüdischer Tradition auseinandersetzen mit den Anforderungen des Lebens – nicht des Todes. So oder so, das jüdische Spektrum hat sich erweitert – kulturell und religiös. Neue Infrastrukturen sind entstanden, auch solche, die von den religiösen Richtungen weitgehend unabhängig sind. Dafür symbolisch stehen mag das Umschlagfoto, das die Eingangspforte der neuen 2001 eingeweihten Synagoge in Dresden mit seinem kunstvoll ornamentierten goldenen Magen David zeigt, den der Dresdner Feuerwehrmann Alfred Neugebauer nach dem Novemberpogrom 1938 gerettet hatte.

Der Rezeption über jüdisches Leben in der Bundesrepublik haftet stets ein Hang zum Pädagogisieren an. Das mag der Vergangenheit geschuldet sein. Als im November 2011 die ARD-«Tatort»-Kommissare einen Mord in der neuen Münchner Synagoge aufzuklären hatten, bekamen die Fernsehzuschauer gleich einen «Grundkurs Judentum» mitgeliefert. Der «Tatort» trug den bezeichnenden Titel «Ein ganz normaler Fall». Das war sehr prononciert formuliert und war von der «objektiven» Wirklichkeit weit entfernt: Ein ganz normaler Fall, resümiert Michael Brenner denn auch folgerichtig, scheint die deutsch-jüdische Beziehungsgeschichte auch siebzig Jahre nach Auschwitz immer noch nicht zu sein.

«Jüdische Zeitung», November 2012

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