Gottesgeschenk, Menschenrecht und Markenartikel
Am 22. März war Weltwassertag: Probleme rund um trinkbares Wasser sind alltäglich
von Aram Babilon

Zu Anbeginn, da Gott Himmel und Erde schuf - die Erde war damals noch Tohuwabohu, und Finsternis lag auf Tehom, der Urflut, und ein Gottessturm bewegte sich über dem Wasser - da sprach Gott: Es werde Licht ... Tag eins.

Da sprach Gott: Es werde ein Gewölbe inmitten der Wasser und es scheide zwischen Wasser und Wasser! Und Gott machte das Gewölbe und schied zwischen dem Wasser unterhalb des Gewölbes und dem Wasser oberhalb des Gewölbes. Und es geschah so. Und Gott rief dem Gewölbe zu: Himmel! Und es wurde Abend, wurde Morgen: Tag zwei.

Da sprach Gott: Es sammle sich das Wasser unterhalb des Himmels an einem Ort und es werde sichtbar das Trockene! Und es geschah so. Und Gott rief dem Trockenen, der Jabbaschah, zu: Erde! Und dem Sammelort der Wasser rief er zu: Meere! Und Gott sah, dass es gut war. Und es wurde Abend, wurde Morgen: Tag drei.

In Paul Bariés sprachlich vorzüglicher Übersetzung der Hebräischen Bibel, 1987 in Frankfurt vorgestellt, fällt ins Auge: Die ersten drei Schöpfungstage waren erfüllt mit Wasser, der Urflut, die zum Kreislauf der Meere und Himmelsgewölbe wurde und schließlich auf trockenen Böden auch dem menschlichen Leben Raum gab. Im 2. Kapitel des Buches Bereschit heißt es: «Und ein Wasserdunst stieg von der Erde auf und tränkte die ganze Oberfläche des Erdreichs, da formte Gott den Menschen aus Staub und Erdreich.»

Der Staub war jedenfalls mit Wasser angerührt. Die biblische Weisheit schließt nicht aus, dass Menschen mit Fleisch und Blut - je nach Alter - auch heute noch zu etwa 36 bis 75 Prozent aus Wasser bestehen. Dicke Frauen speichern übrigens am wenigsten, Babies am meisten Wasser. Im Schnitt verbrauchen Menschen täglich 2,4 Liter, aber nur etwa die Hälfte trinken sie. 0,3 Liter entnehmen sie der Feuchtigkeit von Speisen. 0,9 Liter sind Oxidationswasser, das beim Stoffwechsel im Körper entsteht.

Aus den biblischen Berichten wird überdies nicht deutlich: Wasser als Quelle des menschlichen Lebens ist Mangelware. Der meerblaue Planet ist zwar zu zwei Dritteln mit Salzwasser bedeckt. Aber nur 2,5 Prozent der weltweiten Wasservorräte sind ohne Aufbereitung trinkbar, und nur ein knappes Prozent ist uns zugänglich. Allerdings bekommen wir Bewohner des Planeten ein höchst unterschiedliches Maß an klarem Wasser ab.

Trinkwasser ist ein Menschenrecht

Allerdings hat jeder Mensch auf diesem Planeten das Recht auf sauberes und trinkbares Wasser. Dieses Menschenrecht haben die Vereinten Nationen (UNO) am 28. Juli 2010 in einer Resolution ohne Gegenstimmen anerkannt. Der Antrag zur Resolution 64/292 war von Bolivien mit 33 Unterstützer-Staaten in die Vollversammlung eingebracht worden. 122 von 163 anwesenden Ländern unterstützten den Vorschlag, immerhin 41 enthielten sich, darunter die USA und andere hochentwickelte Länder, die möglicherweise Kosten der Umverteilung auf sich zukommen sahen. Der ärmere Teil der Welt stimmte geschlossen für die Aufnahme des Rechts auf Wasser und auf sanitäre Anlagen in den Katalog der Menschenrechte. Deutschland gehörte zu den eindeutigen Befürwortern.

Die Versorgung der gesamten Menschheit mit dem wichtigen Lebensmittel hat die UNO damit aber keinesfalls sichergestellt. Das UN-Umweltprogramm hat errechnet, das 884 Millionen Menschen auf dem Erdball nicht oder nur völlig unzureichend mit Trinkwasser versorgt sind. Noch schlechter ist die Abwasserentsorgung: Nach Schätzungen der UNO verfügen rund 2,5 Milliarden Menschen über keine Toiletten mit Wasserspülung, ihre Siedlungen über keine Kläranlagen.

Die Erklärung der Menschenrechte und damit der Anspruch auf klares Wasser gelten für alle 192 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, sie sind aber völkerrechtlich nicht bindend und einklagbar, sondern haben nur eine - allerdings hohe - symbolische Bedeutung.

Das Hauptproblem ist, um auf die Schöpfungsgeschichte zurückzukommen, die ungleiche Verteilung des sauberen Wassers auf dem Globus, sei es als Niederschlag in den Wolken des Himmels, als Quell- und Brunnenwasser in den Tiefen der Erde oder in den Weiten der Meere. Die Forderung nach sauberem Regenwasser für alle Länder der Welt mutet dabei absurd an: Sollte sie an den Schöpfer-Gott gerichtet sein oder wer sollte die Wolken hindern, grenzüberschreitend weiterzuziehen?

In Israel ist wieder Wasser in Sicht

Fliegt man allerdings vom Zeit zu Zeit vom nationalen Airport Tel Aviv nach Eilat am Roten Meer, betrachtet man aus der Luft eine Landkarte, die sehr wohl aufzeigt, wie die unterschiedliche Verfügung über Wasser ganze Landschaften prägen kann. Aus den Grau- und Brauntönen der kargen Wüstenlandschaften leuchten mit klaren rechteckigen und runden Segmentgrenzen die Zonen der Bewässerung auf, in denen Zitrusfrüchte und Gemüse gedeihen. Der Jordan dagegen gleicht einer von Jahr zu Jahr magerer werdenden grünen Schlange; das Tote Meer trocknet zusehends aus.

Nach einer mehrjährigen Trockenzeit begann das Jahr 2013 in Israel und den Nachbarländern mit einer Sensation: Regen und Schnee brachten in den ersten Januartagen die doppelte Menge der im Winter üblichen Niederschläge. Im Norden Israels prasselten stürmisch bis zu 200 Milliliter Regen auf jeden Quadratmeter der ausgedörrten Böden, im Jordantal waren es immer noch 150 Milliliter - ein ungewöhnlich reicher Regenertrag, wie er seit 1948 nur viermal gemessen wurde, nämlich anfangs der Jahre 1965 und 1968, 1991 und 1995.

2013 sorgte nun eine sehr kalte Luftströmung aus Sibirien an der Ostseite des Hochs «Xerxes» dafür, dass sich im östlichen Mittelmeerraum ein kräftiges Tief ausbildete, das sich in den Ebenen ausregnete und in den Bergen als Schnee zu Boden fiel: Am Ölberg in Jerusalem konnten die Kinder Schlitten fahren und einen Monat später konnte Alex Kusher, Chef der israelischen Wasserbehörde, die Rücknahme von Handlungsvorschriften für den Wasserverbrauch in Israel verkünden, die in den zurückliegenden sieben mageren Wasserjahren erlassen worden waren. Auch für ihn gab es keinen Zweifel, dass die starken Regenfälle zum Jahresbeginn entscheidenden Anteil daran hatten, dass der See Genezareth als das wichtigste Süßwasserreservoir Israels deutlich gestiegen ist. Mit einem Pegelstand von 210,4 Metern unter dem Meeresspiegel hatte sich die Seefläche im Februar auf den höchsten Stand seit 2006 gehoben. Ab einem Wasserstand von 213,2 Metern wird der Verbrauch des Seewassers eingeschränkt. Sinkt der Pegel unter die für die Wassergesundheit kritische Grenze von 214,4 Metern, muss der Verbrauch als Trinkwasser verboten werden.

Palästinenser beklagen ungleiche Verteilung

Es liegt nahe, dass der Chef der Wasserbehörde nicht nur froh ist, weil sich die Schleusen des Himmels öffneten. Das Ende der Wasserknappheit führt er auch auf die Leistungen der israelischen Wasserwirtschaft zurück, wozu - im Verbund mit bundesdeutschen Firmen und Behörden - auch ein verstärkter Ausbau der Meerwasserentsalzung zählt.

Eine palästinensische Sichtweise der Problematik stellte das «Palestine News Network» im August letzten Jahres dar. Der Netzdienst erklärte, dass nach dem zweiten Osloer Abkommen den palästinensischen Bewohnern des Westjordanlandes für den privaten Haushaltsverbrauch 65 Liter zustehen, jüdischen Siedlern dagegen 300 Liter. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfehle eine tägliche Wassermenge von 100 Litern pro Person. Ergänzende Brunnen dürfen laut diesem Bericht von Palästinensern bis zu 150 Meter in die Tiefe gebohrt werden, israelische Siedler dürfen bis zu 600 Meter tief das Grundwasser anzapfen. Es sei absehbar, so heißt es, dass die Brunnen der Palästinenser kein Wasser mehr fördern, wenn es von den Siedlern abgegraben und verbraucht wird.

Allerdings beschreibt der Bericht auch ein Beispiel, wie sparsam mit Wasser umgegangen werden kann: «Eine in Zone C befindliche Farm namens „Tent of Nations", die bereits 1916 gegründet wurde, blieb von ständigen Abrissbescheiden für ihre Zisternen bisher ebenfalls nicht verschont. Die Farm ist mittlerweile von fünf israelischen Siedlungen umringt und ihre Besitzer kämpfen stetig vor Gericht gegen die Abrissbescheide und für das Fortbestehen des Hofes. Mit der Wasserknappheit gehen sie mit großer Ideenvielfalt um. Das einzige ihnen zugängliche Wasser ist Regenwasser, welches im Winter gesammelt und das ganze Jahr über in Zisternen gespeichert wird. Auf die Frage, was sie alles unternehmen, damit das Wasser über das Jahr hinweg ausreicht, antwortete einer der freiwilligen Mitarbeiter: «Wasser sparen, Wasser fangen, Wasser wiederverwenden.» Der Besitzer ging mehr ins Detail: «Es gibt einfache Mittel, wie eine frisch bewässerte Stelle mit trockener Erde zu bedecken, damit nichts verdunstet. Weiter bauen wir hauptsächlich Pflanzen an, die wenig Wasser brauchen, wie Mandelbäume zum Beispiel. Alles was viel Wasser braucht, haben wir um die Duschen herum gepflanzt. Dann haben wir eine Komposttoilette eingerichtet und ich arbeite gerade an einer natürlichen Kläranlage, in der das Abwasser durch Steine und Sand gefiltert wird und am Ende zum Bewässern genutzt werden kann.»

Das Tote Meer soll gerettet werden

Auf rund zehn Milliarden Dollar schätzt die Weltbank die Kosten zur Rettung des Toten Meeres, das als tiefster Punkt der Erdoberfläche gilt und jährlich noch einen Meter tiefer absackt, sodass sich auch die Fläche des Sees immer weiter reduziert. Schon jetzt stehen Hotels an der israelischen Küste einige hundert Meter vom Ufer entfernt. Der Wasserzufluss vom Jordan ging auf etwa ein Zehntel der früheren Menge zurück, weil dem Rinnsal zu viel Wasser entzogen wird. Zugleich stieg die Verschmutzung des Wassers stetig. Das hat dazu geführt, dass ständig mehr Grundwasser von den drei Anrainern Israel, Palästina und Jordanien in das niedrigere Meer abfließt.

Vor diesem Hintergrund wurden nun Pläne entwickelt jährlich etwa zwei Milliarden Kubikmeter Wasser aus dem Roten Meer in das Tote Meer einzuleiten. Das Gefälle des Wassers auf dem 180 Kilometer langen Weg zu seinem 420 Meter tiefer gelegenen Ziel soll zur Stromproduktion genutzt werden, um das Wasser zu entsalzen und trinkbar zu machen.

Dem Projekt stehen allerdings noch zahlreiche ökonomische und ökologische Fragen entgegen, die zunächst geklärt werden müssen: Unbekannt ist beispielsweise, wie sich die Mischung von zwei Wassersorten aus sehr unterschiedlichen Meeren auswirken wird. Unklar ist zudem, ob sich das Verbrauchsverhalten der Jordanier stark verändern und damit eine neue Dimension von  Wasserbedarf wecken würde. Niemand weiß auch, ob nicht ein Leck in der Wasserleitung zu einer Versalzung des Grundwassers führen könnte, was am Ende den Trinkwasservorrat noch weiter einschränken würde. Gravierend ist aber auch der Mangel, dass das «Symbol des Friedens», wie das Projekt gegenüber potentiellen Geldgebern wie der Weltbank gern genannt wird, noch keinen Frieden zwischen Israel und Palästina symbolisieren kann. Im Gegenteil: Solange die Zweistaatenlösung nur eine vage Aussicht ist, kann niemand den Palästinensern eine sichere und faire Teilhabe in Aussicht stellen.

Wenn alle Brünnlein fließen...

Der Kampf um eine gerechte Verteilung der knappen Ressource Wasser geht immer wieder an die Substanz dieses natürlichen Rohstoffs. Für die Bewohner der Länder Westasiens steht die wirtschaftliche Existenzgrundlage ganzer Landstriche auf dem Spiel. Selbst für den privaten Wohlstand und die Lebensqualität vom Trinkwassergebrauch bis zum Swimmingpool auf dem regelmäßig gesprengten Rasen ist die Verteilung des Wassers entscheidend, mehr noch als die Ölexporte der reichen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens. Denn goldene Wasserhähne haben wenig Wert, wenn kein Wasser daraus fließt.

In Deutschland und den meisten Regionen Europas sieht das dank anderer Klimazonen völlig anders aus. Wasser ist so reichlich vorhanden, dass der weitaus größte Teil über Flüsse und Ströme über die Landesgrenzen außer Landes oder direkt ins Meer abfließt. Das Trinkwasser, das in bundesdeutschen Haushalten aus dem Hahn fließt, gilt dabei als eines der besten der Welt. Selbst im ehemals dreckigen «Ruhrpott» liefern die Talsperren des Sauerlandes und ergiebige Grundwasserbrunnen ein Spitzenwasser, das nicht nur zur Herstellung von Gerstensaft verwendet wird, sondern auch in klarem Zustand getrunken wird. Aus Brunnen in Fußgängerzonen wie aus dem Hahn in der Badewanne - viele Wasserfreunde trinken das Nass aus der Leitung lieber als das abgestandene Stille Wasser aus der PET-Flasche im Laden um die Ecke.

Doch auch im wasserreichen Abendland toben seit Wochen heftige Wortgefechte um das reine Wasser. Die Europäische Union steht im Verdacht, die vertraute Qualität der Trinkwasserversorgung durch die öffentlichen Wasserwerke der Privatisierung preisgeben zu wollen. Das Bürgerbegehren «Wasser ist ein Menschenrecht» hat bereits mehr als eine Million Menschen dazu animiert, per Internet-Petition der Vermarktung des Trinkwassers entgegenzutreten.

Der Deutsche Bundestag konnte sich dagegen einem Antrag der Grünen und der «Linken» nicht anschließen, in dem es hieß: «Wasser ist ein lebensnotwendiges, öffentliches Gut, von dessen Nutzung niemand ausgeschlossen werden darf. Die EU-Kommission will mit einer Konzessionsrichtlinie den Druck auf die Kommunen, die Wasserversorgung zu privatisieren erheblich erhöhen. Dagegen gibt es eine bisher sehr erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative. Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, diese Konzessionsrichtlinie abzulehnen und jetzt, wie in der Zukunft die Wasserprivatisierung zu verhindern.» Die christliche Union und die wirtschaftsliberale FDP stimmten dagegen. Die SPD nahm den kleineren Parteien übel, dass sie mit dem Antrag vorgeprescht waren und enthielt sich.

Kein Tag wie jeder andere

Die Idee, am Weltwassertag über das fruchtbare Nass zumindest einmal im Jahr kollektiv nachzudenken, ist erst 20 Jahre alt. Am 22. März war es wieder soweit und der Stoff, für den man chemisch gesehen nur zwei Wasserstoffatome und ein Sauerstoffatom benötigt, stand wieder einmal im Mittelpunkt des Interesses.

Dass Wasser eine bemerkenswerte chemische Verbindung ist, zeigen schon kindliche Experimente, die zeigen, dass es sich im Winter auch zu tragfähigem Eis und essbarem Schnee verfestigen kann und im Kochtopf bei 100 Grad in die Luft verdampft.

Die Bedeutung, der symbolische und der praktische Wert des Wassers für den Menschen prägen das ganze Leben. Im Mittelpunkt vieler jüdischer Gemeinden findet sich nicht nur die Synagoge, sondern auch das rituelle Tauchbad der Mikwe, gefüllt mit Quellwasser oder reinem Wasser aus tiefem Grund. Das Untertauchen ist beides zugleich: Reinigendes Bad und Symbolisches Bad, praktischer und gesunder Lebensvollzug für den Einzelnen insbesondere dort wo es um Fruchtbarkeit und Weitergabe des Lebens geht. Zugleich wegweisend zum Urbeginn der Schöpfung für die Gemeinde.

Dem widerspricht nicht, dass andere Menschen nur den Nutzwert der Ware Wasser in den Vordergrund stellen, auf das sie ein Recht haben, weil es Schluck für Schluck ein Teil ihrer selbst wird. Und das gilt nur für das Trinkwasser. Wie viel mehr wäre zu sagen über Mineralwasser, Heilwasser, Tafelwasser auf dem Tisch, über Süßwasser, Meerwasser, Salzwasser und Brackwasser in den Landschaften, über Reinstwasser, demineralisiertes Wasser, destilliertes Wasser, Prozesswasser in Labors und Betrieben, über Nutzwasser und Abwasser in Haushalten und Betriebsstätten, über Regenwasser, Grundwasser und Oberflächenwasser von oben und unten.

Jüdische Zeitung, April 2013

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