"Tu deinen Mund auf für die Stummen…!“
Arbeitshilfe zum 75-jährigen Gedenken an die Pogromnacht 1938.
Biblische Impulse und liturgische Bausteine für einen Gottesdienst.

Wenige Tage nach der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 begann Helmut Gollwitzer seine Predigt in Berlin-Dahlem mit den Worten: „Liebe Gemeinde! Wer soll denn heute noch predigen? Wer soll denn heute noch Buße predigen? Ist uns nicht allen der Mund gestopft an diesem Tage? Können wir heute noch etwas anderes, als nur schweigen? Was hat nun uns und unserem Volk und unserer Kirche all das Predigen und Predigthören genützt, die ganzen Jahre und Jahrhunderte lang, als dass wir nun da angelangt sind, wo wir heute stehen, als dass wir heute haben so hereinkommen müssen, wie wir hereingekommen sind? […] Was muten wir Gott zu, wenn wir jetzt zu ihm kommen und singen und die Bibel lesen, beten, predigen, unsere Sünden bekennen, so, als sei damit zu rechnen, dass er noch da ist und nicht nur ein leerer Religionsbetrieb abläuft! Ekeln muss es ihn doch vor unserer Dreistigkeit und Vermessenheit. Warum schweigen wir nicht wenigstens?“ [Helmut Gollwitzer, Zuspruch und Anspruch. Predigten, München 1954, 36f.]

Schweigen aus Scham, nicht gehört zu haben auf die biblische Aufforderung „Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.“ (Spr 31,8) Dieses widerständige Wort hatte Dietrich Bonhoeffer als klares Handlungskriterium an unser Kirche-Sein geknüpft. Wir haben es nun als Proprium für den Gottesdienst anlässlich des 75-jährigen Gedenkens an die Pogromnacht gewählt. Von dieser Aufforderung her haben wir drei weitere biblische Texte ausgewählt, die wir als mögliche Predigttexte für den Gottesdienst vorschlagen. Sie alle drehen sich um das Thema Widerstand und Zivilcourage: Ex 1,15-22; Mk 14,66-72 und Eph 6,10-17.

Wir hoffen, mit dieser Arbeitshilfe [Download unter www.ekir.de/christen-juden] einen Impuls für die weitere Etablierung des drittletzten Sonntags im Kirchenjahr als kirchlichen Gedenktag für das Novemberpogrom von 1938 zu setzen. Der Ruf zur Zivilcourage und zum Widerstand gegen Unrecht ist die einzig mögliche Antwort, die wir auf die Schrecken der Ereignisse damals (und seither) geben können.

Düsseldorf, Hannover, München, im Juli 2013
Sylvia Bukowski, Ursula Rudnick und Volker Haarmann

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ImDialog. Evangelischer Arbeitskreis für das christlich-jüdische Gespräch in Hessen und Nassau
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