Das Oslo-Abkommen
Geplatzte Träume 
 von Inge Günther

Zwanzig Jahre nach dem Osloer Abkommen lässt der Nahost-Frieden auf sich warten. Kann man von dem Abkommen lernen? Zumindest eines: Ein israelisch-palästinensischer Frieden bedarf Courage, Rückhalt im Volk und Druck von außen.

Es war ein euphorischer Moment, damals vor zwanzig Jahren. Nicht nur in nahezu jedem israelischen und palästinensischen Haushalt lief der Fernseher, um die Live-Übertragung aus Washington zu verfolgen, wo ihre Führer am 13. September 1993 auf dem Rasen vor dem Weißen Haus eine gemeinsame Prinzipienerklärung, das erste Osloer Friedensabkommen, unterzeichneten. Auch die Welt schaute gebannt zu, als Yassir Arafat und Yitzhak Rabin ermuntert von dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton sich nach jahrzehntelangem, blutigem Nahost-Konflikt die Hand reichten.

Erst vier Tage zuvor war überhaupt publik geworden, dass es einen Durchbruch in Verhandlungen gab, die monatelang in einem Chalet bei Oslo völlig abgeschirmt von der Öffentlichkeit geführt worden waren. Selbst die Amerikaner erfuhren die Sensation erst in letzter Minute.

Norwegen hatte den Vermittler gespielt 

Nicht sie, sondern das kleine Norwegen hatte erfolgreich den Vermittler gespielt. Ari Rath, seinerzeit Chefredakteur der „Jerusalem Post“, hat noch die Szene vor Augen, als der norwegische Außenminister Jorgen Holst mit dem gespannt erwarteten Schreiben von PLO-Chef Arafat im israelischen Premierbüro eintraf. In dem Brief erkannte die Palästinensische Befreiungsorganisation Israels Recht auf Existenz in Frieden und Sicherheit an und gelobte Verzicht auf Terror und Gewalt. Dann las Rabin seine Antwort vor, in der Israel die PLO als Alleinvertreterin der Palästinenser bei Friedensgesprächen offiziell akzeptierte, und setzte seine Unterschrift drunter. „Als er den Stift aus der Hand legte“, erinnert sich Rath, „spendeten sogar die versammelten Journalisten Applaus.“

Auch unter den Palästinensern flogen die Hoffnungen hoch, auf staatliche Unabhängigkeit, auf ein Ende der Besatzung. Als im Herbst 1994 Arafat, die Symbolfigur Palästinas, nach über 27 Jahren im Exil in den Gazastreifen einzog, war der Jubel riesig. Dennoch gab es von Beginn des Osloer Prozesses an skeptische Stimmen, die auf die Mängel des Abkommens und seiner Folgeverträge verwiesen. Weder eine Zwei-Staaten-Lösung noch ein klarer Zeitrahmen waren darin definiert.

Ausgemacht war nur, dass 65 Prozent des Gazastreifens sowie die palästinensischen Städte im Westjordanland, rund drei Prozent des Gebiets, vollautonom werden sollen. Der Rest des Landes blieb ganz oder teilweise unter israelischer Kontrolle. Die eigentlichen Knackpunkte wie Jerusalem, Flüchtlinge und Siedlungen hatte man vertagt und vagen Endstatusverhandlungen binnen fünf Jahren überlassen.

Der Geschmack von Unabhängigkeit 

Arafat hatte sich mit dem Osloer Prozess nicht zuletzt selbst retten wollen. Anders wäre er kaum aus der internationalen Isolation gekommen, in die er sich Anfang der neunziger Jahre mit seiner Parteiergreifung für den irakischen Diktator Saddam Hussein manövriert hatte. Jedenfalls ging der Siedlungsbau auf besetztem Gebiet weiter, und bald drehte sich wieder die Gewaltspirale.

Uri Savir, der das israelische Verhandlungsteam geleitet hatte, ist dennoch bis heute überzeugt, dass „die Osloer Abkommen das Bestmögliche waren, was die Führer Israels und der Palästinenser ohne Assistenz von außen erreichen konnten“. Tatsächlich gäbe es ohne „Oslo“ keine palästinensische Selbstverwaltung und auch keinen Präsidenten.

Nur endet deren Entscheidungsbefugnis oft am nächsten israelischen Checkpoint. „Oslo hat uns den Geschmack von Unabhängigkeit gegeben“, meint ein enttäuschter Palästinenser. Er hatte in Deutschland studiert, kehrte aber nach dem Friedensabkommen in seine Heimat zurück. „Doch es war eine Illusion und diente lediglich dem Konfliktmanagement.“

Gescheitert ist „Oslo“ allerdings durch gezielte Sabotage der Kompromissgegner auf beiden Seiten. Dazu gehörten nicht nur Militante, etwa von der Hamas, die mit Bombenanschlägen den Friedensprozess aus der Spur brachten. Auf die Frage, was falsch lief, hat der israelische Friedensarchitekt Jossi Beilin, eine sarkastische Antwort übrig. „Ich würde abraten, Premier Rabin zu ermorden.“ Das Attentat vom 4. November 1995, verübt von einem rechtsextremen jüdischen Studenten, gilt als äußerst folgenreich. Wenn Rabin nicht erschossen worden wäre, Beilin ist sich da „zu 99 Prozent“ sicher, „hätten wir einen dauerhaften Frieden erreicht“.

Kann man von „Oslo“ lernen? Zumindest eines: ein israelisch-palästinensischer Frieden bedarf Courage, Rückhalt im Volk und Druck von außen. Bei den aktuell laufenden Verhandlungen gibt es von allem zu wenig.

Frankfurter Rundschau, 12.9.2013

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