Zur Eskalation der Gewalt in Nahost
von Michael Volkmann

Es war zu erwarten, dass die Hamas Israel wieder angreifen würde. Wozu sonst war sie in den vergangenen Jahren vom Iran wieder mit Raketen aufgerüstet worden? In den Oslo-Verträgen war zwischen PLO und Israel völkerrechtlich verbindlich geregelt worden, dass die Palästinensischen Autonomiegebiete entmilitarisiert bleiben sollten. Die Hamas lehnt diese Verträge ab. Sie erkennt den Staat Israel nicht an. Israel wird seit dem Beginn der Intifada 2000 aus dem Gazastreifen mit Raketen beschossen, ungeachtet der Beendigung der Intifada durch Präsident Abbas nach Arafats Tod. Aus diesen Gründen wird die Hamas von der EU als Terrororganisation eingestuft. Über die kriminelle antisemitische Energie der Hamas gibt die Bundeszentrale für Politische Bildung Auskunft: http://www.bpb.de/politik/extremismus/islamismus/36358/antisemitismus-in-der-charta-der-hamas.

Der Iran hat auch die libanesische Hisbollah mit geschätzten 50.000 Raketen aufgerüstet und damit gegen die UN-Resolution 1701 verstoßen. Schließlich unterstützt der Iran die Isis, die mittlerweile ein Drittel des syrischen Territoriums kontrolliert und die Christen im Nordirak (Mossul) vor die Wahl gestellt hat, zum Islam überzutreten oder innerhalb von Stunden zu verschwinden, wenn sie am Leben bleiben wollten. Auf dem Weg zur islamischen Weltrevolution ist der erste Feind des Iran, den er  zerstören will, Israel. Der Iran und seine Verbündeten wollen mit aller Macht eine Zweistaatenlösung zwischen Israel und PLO hintertreiben.

Wie schon in den früheren offenen Konflikten mit der Hamas sieht sich Israel einem Feind gegenüber, der das internationale Recht verachtet und verletzt. Die Hamas ist seit ihrer Machtübernahme in Gaza verantwortlich für über 10.000 Raketen auf die israelische Zivilbevölkerung. Sie gräbt Tunnel unter der Grenze hindurch auf israelisches Gebiet, um dort Terroranschläge oder Entführungen durchzuführen – ihre Kämpfer sind kriegsrechtswidrig in israelische Uniformen verkleidet. Sie lagert Raketen und andere Waffen in Wohnvierteln, Schulen, Moscheen, Krankenhäusern und sogar-UN-Gebäuden und macht sie durch diese Rechtsverstöße zu legitimen militärischen Zielen. Solches Verhalten gilt als Kriegsverbrechen. Die Hamas als Regierungsmacht von Gaza ist verantwortlich für kriegsvölkerrechtswidrige Raketenabschüsse in unmittelbarer Nähe zu Krankenhäusern, Moscheen, Schulen und Wohnvierteln, die diese zu legitimen militärischen Zielen machen. Die Hamas, die mittlerweile den dritten Krieg mit Israel provoziert hat, tut nichts zum Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza, vielmehr missbraucht sie diese als menschliche Schutzschilde für ihre Waffenlager. Wenn Israel die Zivilbevölkerung vor einem Angriff warnt, hindert die Hamas sie an der Flucht. „Israel nutzt sein Raketensystem, um die Menschen zu beschützen. Hamas benutzt die Menschen, um seine Raketen zu beschützen.“ (Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, in: Jüdische Allgemeine 24.7.14 http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/19787). Die Krieger der Hamas tragen keine Uniform und sind somit als Kombattanten nicht erkennbar, auch das ein Rechtsverstoß. Die Aggressivität der Hamas hat die Israelis dazu gezwungen, Millionen in die Einrichtung bzw. Verstärkung von Luftschutzräumen zu investieren. Auch die Raketenangriffe der Hamas gegen den zivilen Luftverkehr in Israel sind ein eklatanter Rechtsverstoß. Während vermutet wird, dass prorussische Separatisten in der Ostukraine ein malaysisches Verkehrsflugzeug versehentlich abgeschossen haben, zielt die Hamas tatsächlich erklärtermaßen in voller Absicht mit Raketen auf zivile Verkehrsflugzeuge. Solange sie keine lenkbaren Raketen hat, wird sie kaum treffen. Aber legt man ihr jetzt nicht das Handwerk, wird sie auch solche Waffensysteme vom Iran erhalten und einsetzen.

Wer, wie ich oft höre, den Nahostkonflikt in gespielter Naivität auf einen Kampf eines Schwächeren gegen einen Stärkeren reduziert, lässt diese rechtliche Seite genauso unbeachtet wie die geostrategischen Weltmachtambitionen des Iran.

Der israelische Militärschlag hat zum Ziel, Raketen, Tunnel und weitere Infrastruktur der Hamas zu zerstören. Die Hamas soll handlungsfähig bleiben, weil es in Gaza nur noch radikalere, aber keine gemäßigtere politische Alternativen gibt. Israel war nicht interessiert an diesem Krieg. Israel stimmte jedem durch Ägypten vermittelten Waffenstillstand zu und hielt ihn ein, auch wenn die Hamas ihn brach. Israel akzeptiert jedoch nicht die Bedingungen, die die Hamas mit einem Waffenstillstand verknüpft. Denn die Hamas will freie Hand bei der Wiederaufrüstung des Gazastreifens und seinem Ausbau zu einer Festung. Dann wäre der nächste noch schlimmere Krieg jetzt schon vorausprogrammiert.

Israel investiert mehr als jede andere Armee in den Schutz der betroffenen Zivilbevölkerung. Vor Angriffen wird mit Flugblättern, telefonisch oder mit Warnschüssen gewarnt. Manche Angriffe, die Zivilisten gefährden würden, werden abgebrochen. Das zeigt Wirkung: während die internationalen Truppen in Afghanistan vier Mal so viele Zivilisten wie Kombattanten töteten, ist das Verhältnis im Fall Israels etwa 1:1. Die Versorgung der Zivilbevölkerung in Gaza mit Wasser, Energie, Lebensmitteln, Medikamenten, Treibstoff u. a. wird durch Israel aufrechterhalten. Das sind Standards, die in keiner anderen der zahlreichen Auseinandersetzungen im Nahen Osten Anwendung finden. Jeder andere gegenwärtige Krieg auf der Welt ist verheerender, vor allem weil die Kämpfe kein Ende finden in Syrien, im Irak, in der Ukraine und in andern Ländern. In keinem anderen Krieg kann man noch einzelne Tote zählen, es sind zu viele und die Weltöffentlichkeit interessiert sich nicht für sie. Avi Primor sagte am 22.7. in der Tagesschau: „Wenn unser Ziel die Bevölkerung gewesen wäre, hätte es bislang nicht 500 Tote gegeben, sondern mindestens 50.000. Und das ist noch eine Untertreibung.“ (http://www.tagesschau.de/ausland/israel-gaza-primor-100.html). Aber Israel handelt anders als seine Feinde und seine Nachbarn. Dennoch wird all das vergessen, wenn der Nahostkonflikt wieder in eine heiße Phase eintritt, und Israel wird mit Forderungen konfrontiert, die niemand erfüllen kann, die niemand anders überhaupt erfüllen will. Überall auf Plätzen, in Bahnhöfen und an anderen öffentlichen Orten läuft der Nachrichtenticker mit den neuesten Zahlen, wie die Hamas sie meldet, ungeprüft.

Nur eine Fußballweltmeisterschaft oder ein Verbrechen von der Ungeheuerlichkeit des Abschusses der malaysischen Passagiermaschine Flug MH 17 kann die Nahostfixierung der Medien noch durchbrechen.

Ich höre immer wieder, dass es auch gemäßigte Hamas-Vertreter gebe. Es ist offensichtlich, dass der möglicherweise gemäßigtere politische Flügel der Hamas vom militärischen Flügel dominiert wird. Pragmatische Politik hat in der Hamas gegen das Primat der Gewaltanwendung keine Chance. Die Frage ist, was für eine Perspektive den Menschen im Gazastreifen noch helfen kann. Diese vielleicht:

Die 28 Außenminister der EU fordern die Entwaffnung aller terroristischer Gruppen in Gaza: http://www.israelnetz.com/sicherheit/detailansicht/aktuell/eu-aussenminister-fordern-entwaffnung-der-hamas-88752/#.U9DJakrwDIU. Das würde tatsächlich zur Deeskalation beitragen. Die Hamas weist diese Forderung zurück: http://www.israelnetz.com/sicherheit/detailansicht/aktuell/hamas-fuehrer-lehnt-eu-forderung-ab-88761/#.U9DJukrwDIU.

In der Frankfurter Rundschau wurde am 2. Juni 2014 das Buch des Journalisten Marc Engelhardt „Heiliger Krieg, heiliger Profit“ rezensiert. Engelhardt konnte sieben Jahre lang den islamistischen Terror in Ostafrika studieren. Rezensent Thomas Schmid, Politik-Autor der FR, schreibt über den Buchautor Marc Engelhardt: „Er zeigt, dass sich hinter dem politischen Islamismus ein System organisierter Kriminalität verbirgt, das sich als radikale religiöse Bewegung drapiert. Die Führer der Islamisten mögen gläubig sein oder auch nicht, vorrangig geht es ums Geschäft.“  Die verschiedenen Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft, der „Mutter“ aller Islamisten, sind demnach in erster Linie kriminelle Organisationen zur Profitmaximierung ihrer Anführer, vergleichbar der Mafia. Engelhardt empfiehlt, ihre Finanzierungsquellen auszutrocknen. Hier die Rezension: http://www.fr-online.de/literatur/marc-engelhardt--heiliger-krieg--heiliger-profit-mafioese-strukturen,1472266,27319882.html.

In „Ölbaum online“ Nr. 65 vom 15.1.2013 gebe ich unter Punkt 5. die Zusammenfassung eines Vortrags von Dan Shueftan über  die nationale Sicherheit Israel wieder. Nachdem ich ihn wieder gelesen habe, empfehle ich ihn erneut zur Lektüre, um die gegenwärtige Lage besser zu verstehen: http://www.agwege.de/fileadmin/mediapool/einrichtungen/E_pfarramt_christen_juden/Oelbaum_online/65-130115.pdf.

aus Ölbaum Nr. 79 vom 25.7.2014

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