Die Verheißung Jesu von der Tischgemeinschaft mit Abraham und Sara (Mt 8.11f)
von Bertold Klappert

Wie über eine Türschwelle tritt man mit dem folgenden ersten und grundlegenden Satz des Mt-Evangeliums in das Neue Testament ein: „Genealogie des Messias Jesus, der Sohn Davids, der Sohn Abrahams“ (Mt 1,1). Es folgt eine Genealogie von dreimal 14 Generationen, die von Abraham bis Joseph, den genealogischen Vater Jesu, dreimal die Davidszeit (delath waw daleth) verheißungsgeschichtlich abschreitet

1. Jesus – Davidide und Siegel der Propheten

Jesus – der Sohn Davids: Der jüdische Neutestamentler David Flusser, hat in seinem Aufsatz „Familien vom Haus Davids in der Zeit Jesu“(1986) darauf hingewiesen, daß es, wie archäologische Funde zeigen, im letzten Jahrhundert des Zweiten Tempels jüdische Familien gab, die ihren Stammbaum auf David zurückführen konnten. Dabei präfigurieren die in dem Stammbaum Mt 1,1-17 genannten und aus den Völkern stammenden Frauen (Thamar Rahaba,Ruth , Baaatsehba) nicht die Völkerwallfahrt zum Zion, sie weisen auch nicht auf den Plan JHWHs hin, „das Gottesvolk aus Israeliten und Nichtisraeliten zu schaffen“, wie W. Grundmann, Leiter des Eisenacher Institutes zur Entjudung der Bibel während der Nazi-Diktatur in altbekannter antijüdischer Tradition behauptet (Das Evangelium nach Matthäus 1972). Sondern sie erzählen von dem Eintritt von Proselytinnen in das Volk Israel, die diese in vollem Sinn zu Jüdinnen und zu einem Teil des Volkes I s r a e l macht , aber nicht „zum Gottesvolk“ aus Juden und Heiden, wie wiederum Grundmann will. Auch haben, wie Flusser weiter berichtet, die römischen Herrscher Vespasian, Domitian und Trajan noch im ersten Jahrhundert n.Chr. „die davidische Königsfamilie (in Gestalt der Nachkommen Jesu) so gründlich verfolgt, daß kein einziger Nachfahre mehr übrigbleiben sollte“. So kann angenommen werden, daß auch die Jesus-Genealogie nicht einfach frei erfunden wurde, sondern historisch glaubhaft ist (so J. Jeremias). Genealogische Aussagen sind für die Bibel nicht beliebig, dürfen in ihrer Bedeutung nicht minimiert oder generalisiert werden, wie in der
theologisch-antijüdischen Tradition durchgängig geschehen ist und bis heute geschieht.

Die israelitisch-jüdische Genealogie in der Hebräischen Bibel, im Judentum und im Neuen Testament ist nicht alles (Röm 2,28f), wie die Berufungsgeschichte des Messias Jesus, seine Berufung durch den Heiligen GEIST JHWHs zeigt. Aber ohne Genealogie wird die Geschichte des Messias Jesus für Israel und alle Völker spiritualisiert: genauer „generalisiert“! Denn der Logos wurde nicht abstrakt „Mensch“, sondern jüdisches Fleisch (K.Barth KD IV 1,161; J.Denker, Das Wort wurde jüdisches Fleisch 1994).

Auch D. Flusser schreibt in seinem seine früheren Thesen korrigierenden Vorwort zur russischen Übersetzung seines „Jesus“-Buches (1990): „Wenn es stimmen sollte, daß Jesus ein Nachkomme des König Davids gewesen ist, dann war er darin kein weißer Rabe“, also kein Einzelner. Es ist dabei nach Ps 72,17-19 die Bestimmung des David-Sohnes Salomo, den Segen Abrahams in die Völkerwelt zu bringen: „In ihm/durch ihn sollen gesegnet werden und sich glücklich preisen alle Völker“. Das ist ein Hinweis auf 1.Mose 12, 3f. Daher ist es auch nach dem Neuen Testament die Bestimmung des David-Sohnes Jesus, den Segen Abrahams zu allen Völkern zu bringen (Mt 3,17; 28,28,19; Lk 1,26. 37. 73)

Der jüdische Jesus ist zugleich das Siegel der Propheten: Wiederum hat Flusser in mehreren Aufsätzen über das „messianische Selbstbewußtsein Jesu“ (1980/1986) darauf hingewiesen, daß Jesus sich „als die Krone und das Siegel der Prophetie“ verstanden hat. Das hat zuerst der Kirchenvater Tertullian so formuliert, indem er Jesus als „Siegel der Propheten“ bekannte (C.Colpe, Das Siegel der Propheten 1989). Diese neutestamentlichen und frühkirchlichen Bekenntnis-Traditionen hat Muhammad gekannt und dann auf sich selbst als den „letzten Propheten“ übertragen. Nach der Wiedereinweihung des Tempels (Chanukka) durch die Makkabäer „verwahrten sie die Steine beim Tempelberg, b i s  e i n  P r o p h e t  k o m m e n  und verkündigen würde, was man damit tun solle“ (1.Makk 4,46). Das ist Flusser zufolge eine Parallele zu Mt 11,13-14. Dort sagt Jesus, daß „alle Propheten und die Tora bis zur Zeit Johannes (des Täufers) prophezeit haben“. Mit dem Kommen Jesu als Siegel der Propheten bricht das „Königtum Gottes“ (basileia tou theou; M. Buber) im Sinne der „sich realisierenden Eschatologie“ anfangsweise durch: „Jesus ist der einzige uns bekannte antike Jude, der nicht nur verkündet, daß man am Rande der Endzeit steht, sondern gleichzeitig, daß die neue Zeit des Heils schon begonnen hat“(D.Flusser).

2. Der Anfang der Realisierung der Abraham-Verheißung

In einer prophetischen Vision verkündigt Jesus: „V i e l e werden kommen von Osten und Westen und mit Abraham (und Sara), mit Isaak und Jakob (von GOTT geladen) zu Tische liegen. Aber die (fundamentalistischen) ‚Söhne des Reiches’ werden ausgeschlossen werden“ (Mt 8,11f). Die Tischgemeinschaft gehört zentral zur Verkündigung Jesu, zu seinem Pesachmahl wie zu den Mahlen des Auferstandenen mit seinen Jüngern und Jüngerinnen (O.Hofius, Jesu Tischgemeinschaft mit den Sündern 1967; J.Jeremias: Die Abendmahlsworte Jesu 4.Aufl 1967; Fr. Mußner: „Das Wesen des Christentums ist gemeinsam essen“, in: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, 1991, 131-145). Damit greift Jesus auf die prophetische Verheißung der Völkerwallfahrt „aller Völker“ (Jesaja 4,2f; Micha 4,1f; 1.Mose 12,3) zum Zion (Jes 2; Micha 4), aber auch auf die eschatologische Tischgemeinschaft der Versöhnung „aller Völker“ mit Israel, das JHWH erwählt hat und „Nachkomme Abrahams, meines (JHWHs) Freundes ist auf dem Berg Zion (Jes 25,6-8; 1,Mose 12,3) zurück. Dieses von Jesus erwartete messianische Mahl wird aber entscheidend eine Tischgemeinschaft mit Abraham und Sara sein.

Damit greift Jesus noch hinter die Mose-Tora auf die Ethik Abrahams zurück: Abraham lud die drei Boten Gottes zu sich, um sie mit Sara zu bewirten (1.Mose 18,3). Auch nach jüdischer und muslimischer Tradition hatten Abraham und Sarah ihr Zelt nach allen vier Seiten auf, um den durstig und hungrig Vorüberziehenden Wasser zu geben und sie mit Speise zu bewirten. Nach dem Hebräerbrief werden die aus Rom geflohenen und vom römischen Kaiser verfolgten und bedrängten Christen aufgefordert, wie Abraham und Sarah den Verfolgten und Fremden Gastfreundschaft zu gewähren: „Die Liebe zu denen, die euch Fremde sind, vergeßt nicht; denn so haben manche, ohne es zu wissen, Engel beherbergt“ (Hebr 13,2 mit Verweis auf Gen 18,1-16). Nach 1.Mose 18,25 übt Abraham Widerstand sogar gegen JHWH selbst, protestiert er gegen GOTTes Absicht, unschuldiges Menschenleben in Sodom zu vernichten, protestiert er also, um einzelne Menschen in Sodom zu retten, indem er an JHWH die kritische Frage stellt: „Der Richter (JHWH) der ganzen Erde, sollte der nicht selbst Recht üben?“ So folgt Abraham einer umfassenden Weisung der Tora noch vor der Tora-Gabe JHWHs durch Mose am Sinai: Israel und die Völker der Welt sollen um Abrahams willen gesegnet werden, „weil Abraham auf meine Stimme gehört und gehalten hat, was ich ihn halten hieß: meine Vorschriften, meine Gebote, Satzungen und Weisungen“ (1.Mose 26,5). An diesem Maß der Tora Abrahams noch vor der Sinai-Tora in der Richtung auf Liebe und Gerechtigkeit, auf Gastfreundschaf für die Fremden und Ernährung der Hungernden und Tränken der Durstenden, schließlich auf das Kämpfen mit Gott um die Rettung eines einzelnen Menschenleben werden alle Nachkommen Abrahams auch von Jesus, dem messianischen Abraham-Sohn, gemessen werden.

Tischgemeinschaft mit Abraham und Sara ist auch im Blick auf eine andere, heute ebenfalls brennende Frage sehr konkret. Die verheißene Tischgemeinschaft mit Abraham schließt nämlich immer auch die Landfrage ein. Wie verhält sich die Verheißung und Gabe des Landes an Israel, von der die Bibel schon in den Abraham-Verheißungen spricht, zu dem Recht der bereits im Lande lebenden Stämme und der umliegenden Völker, zusammen mit Israel in Nachbarschaft, Gerechtigkeit und Frieden zu leben? So erzählt die Abraham-Geschichte davon, daß Abraham mit dem Amoriter Mamre und seinen Brüdern Eschkol und Aner in einer Bundespartnerschaft lebt: „Diese waren Abrams Bundesgenossen“ (1.Mose 14,13; vgl. Fr. Crüsemann in seinem den Satz von Dabr Emet „Christen können den Anspruch des jüdischen Volkes auf das Land Israel respektieren“, 2000, noch verschärfenden Aufsatz, in: Juden und Christen im Gespräch über „Dabru emet-Redet Wahrheit“ 2005, 155-180).

Das 1.Mosebuch erzählt weiter, daß Abraham, die Sarah an den Harem Abimelechs preisgibt, um sein eigenes Leben zu retten. Abraham ist dann überrascht und muß von der Gottesfurcht, dem Mordverbot und der humanen Sexualethik des Philisterkönigs Abimelech von Gerar lernen, indem er bekennt: „Ich dachte: Sicher gibt es keine Gottesfurcht an diesem Ort, und so werden sie mich um meiner Frau willen umbringen. Und Abimelech sprach: Sieh, mein Land steht dir offen. Wo es dir gefällt, da laß dich nieder. Da tat Abram Fürbitte bei Gott und Gott heilte Abimelech, seine Frau und seine Mägde“ (1.Mose 20,11.15.17).

Die Segensgeschichte der Völker mit Abraham, aber auch umgekehrt und genauso wichtig Abrahams mit den umliegenden Völkern kommt schließlich erst da zu ihren Ziel, wo - wie Abraham von der noachidischen Ethik des Abimelech, so auch nun - Abimelech von der Verheißungs- und Segensgeschichte Abrahams lernt: „Da fragte der (Abraham-Erbe) Isaak sie (nämlich Abimelech, Achusat und den Heerführer Pichol): Warum kommt ihr zu mir, wo ihr mich doch haßt und mich von euch weggeschickt habt. Sie sagten: Wir haben mit eigenen Augen gesehen, daß JHWH/der HERR mit dir ist. Und so dachten wir es soll ein Vertrag/Bund zwischen uns beschworen werden, daß du uns nichts Böses tust wie auch wir dir nichts (Böses) getan, sondern auch dir nur Gutes getan haben und dich in Frieden haben ziehen lassen, bist du doch der Gesegnete JHWHs/ des HERRN“ (1.Mose 26,27-29).

Weiter ist in der Landfrage zu bedenken: Nach den Richter- und Josua-Büchern hat JHWH, der GOTT, den 12 Stämmen Israels das Land gegeben. Aber in der Negativ-Liste von Richter Kp 1 sind die 12 Stämme Israels noch nicht im „Besitz des Landes“, das de facto durch andere Völker bewohnt wird (A. Alt). Der Satz „Gott hat Israel das Land gegeben“ ist richtig, aber man kann ihn verschieden lesen und mißbrauchen. Was aber heißt das? Ich kann den Satz „Gott hat Israel das Land gegeben“

a) so lesen: „Gott hat I s r a e l exklusiv das Land und keinem anderen Volk gegeben“. So werde ich diesen Satz nur fundamentalistisch und mit gewaltsamen Konsequenzen mißverstehen und zelotisch und militärisch exekutieren können Aber das will JHWH nicht! Denn JHWH, der GOTT Israels, ist ein Gott auch „aller Völker“ und als solcher ein GOTT der Gerechtigkeit und Liebe.

Deshalb muß man den Satz auch b) wie folgt lesen: „Gott hat Israel das Land als Lehen g e g e b e n“. Er kann diesem Volk - davon erzählen das Richterbuch, aber auch besonders das Deuteronomistische Geschichtswerk (Dt - 2.Könige 25; noch während der Exilszeit 560f)) und die Klageliedern des Jeremia (unmittelbar nach 587), ja die ganze Hebräische Bibel, - das Land wieder - wenn auch wegen der nicht zuletzt auch im Messias Jesus (Mt 5,5) und im Neuen Testament (Mt 2,20;19,28) Hebr 11.9) bestätigten Landverheißung nicht endgültig - nehmen. Und er tut es dann, wenn es Israel an Gottesliebe, Völkerliebe, Menschenliebe, dazu an Gerechtigkeit und Recht mangeln läßt (Jes 1,21-27).

Der entscheidende Grund ist aber c) noch höher, nämlich theozentrisch zu verankern. JHWH ist nämlich nicht exklusiv der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs (Ex 3,14f), sondern er ist auch und gleichwesentlich der Gott der Hagar, des Ismael und aller Völker (1.Mose 12,3; 16.17.25). Deshalb muß der Satz entscheidend so gelesen werden: „GOTT, der Gott Israels, Ismaels und der Völker gibt und hat Israel das Land gegeben“.

Aber nicht nur das. Sondern Folgendes ist in der christlichen Exegese dieses Jesus-Wortes in der Auslegung der Jesus-Verheißung durchgängig übersehen worden: Jesus prophezeit a) zunächst die messianische Erneuerung des Zwölf-Stämme-Volkes Israel-Judentum, die in Jesu Tischgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern beginnt (Mt 9,10-13), die aber intentional auch die Sammlung der Diaspora Israels mitumfaßt (Mt 24,31; 19,28). Jesus meint aber von der Abraham-und Sara-Verheißung her auch die Völker des „Ostens“, die „kommen werden“ (Mt 11,5), und damit b) auch die Erfüllung der umfassenden Verheißungen für Hagar und Ismael und für das Zwölf-Stämmevolk der Ismaeliten (Gen 16,10f; 17,20; 25,12-18). Die Abraham-Verheißung ergeht c) schließlich darüber hinaus an „alle Völker“ (1.Mose 12,3; Mt 28,19). Die Abraham- und Sara-Verheißung ist folglich dreifach, sie meint die Verheißung einer Nachbarschaft verschiedener von JHWH-GOTT, vom „HERR-Gott“, erwählter und gesegneter Religionen in versöhnter Verschiedenheit.

Sie kann deshalb nur in diesen drei Dimensionen überhaupt verstanden werden: a) Sie umfaßt „das Abraham-Sarah-Isaak-Jakob-Zwölf-Stämmevolk“ Israel-Judentum bis heute.- b) Sie umfaßt ebenso eindeutig und nicht weniger bedeutungsvoll „das Hagar-Ismael-12 Stämmevolk der Muslime“ bis heute.- c) Sie umfaßt schließlich die Verheißung für das „Ökumenische Gottesvolk aus allen Völkern“ und die Völker der Welt und ihre Religionen bis heute.

Diese dreifache Unterscheidung der Dimensionen innerhalb der Abraham-Verheißung wird auch im Neuen Testament beibehalten, was leider von der christlichen Exegese durchgängig vergessen worden ist.

a) Jesus ist als „Sohn Abrahams“ der messianische Repräsentant des Volkes Israel (Mt 1,1), was sich auch darin zeigt, daß Jesus nach seiner Berufung zum messianischen Propheten (Mt 3,17) sofort 12 Jünger als Repräsentanten und Regenten der messianischen Wiederherstellung ganz Israels beruft (Mt 4,18-22; 19,28). Buber hat vom „Messianismus der Richterzeit“ als einer messianischen Hoffnung im Judentum gesprochen. Das aber bedeutet: Man kann Jesus, den Sohn Davids und endzeitlichen Propheten nicht ohne Israel-Judentum haben.

b) Jesus wird in seiner Berufung zum messianischen Propheten zugleich zum Knecht/Ebed JHWH berufen: „Siehe mein Knecht/Diener, den ICH halte/stütze, mein Erwählter, an dem meine Seele (Wohl-)Gefallen hat. Ich habe meinen Geist (bleibend) auf ihn gelegt, damit er das Recht zu den Völkern hinausträgt“ (Jes 42,1f; Mt 3,16f; 11,4: 12,15-21). Der weitere Zusammenhang dieser Weisung und Verheißung Jes 42,1-12 hat auch Kedar (Jes 42,11) im Blick: „Juble Wüste und ihr Bewohner von Kedar. Die Felsenbewohner sollen/werden jubeln“. Kedar ist der zweitgeborene Sohn Ismaels (1.Mose 25,13b). Kedariter siedeln im nordwestlichen Arabien (Calwer Bibellexikon = CBL I 726). In der griechischen Übersetzung (LXX) werden die „Felsenbewohner“ mit „Petra“, der Hauptstadt der Nabatäer, identifiziert (CBL II 1020; W.Zimmerli, Ezechiel, Biblischer Kommenntar XIII 655f)). Mit dem Namen „Nabatäer“ wird, auch der rabbinischen Tradition zufolge, auf Nebajoth, den erstgeborenen Sohn Ismaels (1.Mose 25,13a), verwiesen. Das Nabatäerreich erreichte in der Zeit Jesu unter König Aretas IV (9 v.Chr - 40 n.Chr.) eine Ausdehnung bis nach Hegra im Süden (vgl. Gal 4,25) und Aufsicht über Damaskus im Norden (2.Kor 11,32). Jesus ist den Weg zu den arabischen Nabatäern, der infolge seiner durch die Abraham-Verheißung von Gen 12ff und die Prophetie von Jes 42,1-11 bestimmten Berufung (Mt 3,17) offen gewesen wäre, de faco nicht gegangen. Jesus verheißt aber nach Mt 11,5, daß die Völker „kommen werden von O s t e n , um mit Abraham und Sarah zu Tische zu sitzen“ Wer ist damit wohl anders gemeint als die östlichen Nabatäer? (vgl zu dem Themenkreis der Ismaeliten über den Kommentar von C.Westermann , Genesis, hinaus die Stellen von der Genesis bis zu den Nabatäern in dem Aufsatz von Gregor Geiger „Ismael. Diachroner Versuch einer Lokalisierung“, Gedenkschrift für M-Görg, hg. v. S. J. Wimmer und G. Gafus. „Vom Leben umfangen. Ägypten, das Alte Testament und das Gespräch mit den Religionen“, 2014, 59-73) - Erst Paulus, der „Knecht des Messias Jesus“ (Röm 1,1), ist diesen Weg dann in die nabatäische „Arabia“ (Gal 1,17f) gegangen (vgl. 2. Kor 11,32). Schließlich Jesu Sendung ist von der mehrdimensionalen Abraham-Sara-Verheißung her nicht nur auf das Israel-Volk und das Israel-Land begrenzt (so die These von A. Alt und J. Jeremias) und auch nicht nur verheißungsgeschichtlich auf die Ismaelnachkommen der Nabatäer und Kedariter bezogen.

c) Jesus überschreitet nämlich bei der Begegnung mit der syrophönizischen Frau (Mt 15,21-27) die Grenze des Israel-„Landes der Verheißung“ (Mt 2,12; Hebr. 11,9) in das Land Phönizien mit den Städten Tyrus und Sidon, die in neutestamentlicher Zeit zur römischen Provinz Syrien gehörten (CBL II 1312). Jesus überschreitet also , wie Elia (1.Kön 17,9) und dem Weg der Abraham-Verheißung folgend, die jüdisch-israelitischen Grenzen hin zu den Völkern der Welt.

Im Gespräch Jesu mit der syrophönizischen Frau (Mt 15,21-28) geht es dabei nicht um das feministisch-exegetische Anliegen, daß Jesus erst durch diese Begegnung für andere Völker jenseits eines angeblich exklusiv-heilsegoistischen Judentums geöffnet werden müßte. Diese ökumenische Offenheit auf die Völker hin besaß Jesus nicht nur als Jude und als Glied seines in seiner Partikularität mehrheitlich immer universal auf die Völker bezogenen Judentums (L. Baeck: The Task of Progressive Judaisme in the Post-War-World; in: Leo-Baeck-Werke Bd 5, hg A. H. Friedlander und B. Klappert, 2002, 65-71). Diese inklusive Offenheit hatte Jesus schon durch seine prophetische Berufung erhalten (Mt 3,17). Der bei der Berufungsstimme (bath kol) angespielte Text Jes 42,1-4 bezieht sich nämlich auch und zentral auf die Aufgabe des Knechtes JHWHs, „das Recht JHWHs in die Völkerwelt zu tragen“, worauf Baeck in seinem weitgehend vergessenen Werk „Das Evangelium Jesu als Urkunde der jüdischen Glaubensgeschichte“ (1938!) aufmerksam gemacht hat. Jesus geht es in seiner Weigerung gegenüber der syrophönizischen Frau, der Bitte um die Heilung ihrer Tochter nachzukommen, zunächst darum, der Frau aus der Welt der Völker die durch die Abraham- und Sara-Verheißung aufgegebene Unterscheidung zwischen Juden und Völkern, präziser: den Unterschied zwischen der JHWH-Offenbarung an das ersterwählte Israel-Jakob-Volk einerseits und die Einbeziehung auch der von Israel unterschiedenen Völker andererseits deutlich zu machen ( Mt 15,24; Mk 7,27). Beide, Israel und die Völker, sollen durch die Abraham-Verheißung gesegnet werden, beide sind aufeinander bezogen, beide sind aber zu unterscheiden und in ihrer Unterschiedenheit nicht zu nivellieren oder zu generalisieren.

So heilt Jesus schließlich auf den Wegen der Segensverheißung Abrahams und Saras die schwerkranke Tochter der Frau aus der Welt der Völker, wie er das beim Heilen „der verkrümmten Frau am Sabbat“ (Lk 13,10-17) bereits im Israel-Land ebenfalls mit Berufung auf Abraham und Sara und ihren Segen getan hatte: „Diese aber eine Tochter Abrahams, die der Satan volle achtzehn Jahre in Fesseln gehalten hatte, mußte sie nicht am Sabbat von dieser Fessel losgebunden werden?“ (13,6). Der Jerusalemer Talmudgelehrte und Flusser-Freund Shmuel Safrai hat auf diesen Zusammenhang zwischen dem Abraham-Segen und dem Heilen Jesu mündlich öfters aufmerksam gemacht.

Was in der Begegnung Jesu mit der syrophönizischen Frau (CBL II 1312) beginnt und sich andeutet, erfolgt erst recht seit Jesu Auferweckung. Nun überschreitet der Messias Jesus ben David mit dem sog. „Missionsbefehl“ (Mt 28,19) das Israelland in Richtung auf „das Volk aus aller Welt Zungen“ (Luther, eg 125,1), das ökumenische Gottes-„Volk aus den Völkern für Seinen (JHWHs) NAMEN“ (Apg 15,14). Deshalb muß präziser gesagt werden: Die Weisung zur Sendung, dh. „der Jünger- und Lehrbefehl“ des auferweckten Messias Jesus muß immer in dieser dreifachen Dimension verstanden werden und  d i a l o g i s c h  d i f f e r e n z i e r e n d  ausgeführt werden. Jesu doppelte Weisung hat innerhalb des Judentums ihre Parallele in dem doppelten Auftrag der „Sprüche der Väter“: „Stellt viele Schüler auf und zieht einen Zaun um die Tora “ (Pirke Avoth I 1). Diese Weisung bezieht sich jetzt durch den Auftrag des messianischen Menschensohnes Jesus auch auf den Bereich „aller Völker“ (Mt 28.16-20; 1.Mose 12,3).

Auch Paulus ist in seinem WEG gemäß der dreidimensionalen Abraham-Verheißung a) zunächst und zuerst, wie die Apostelgeschichte berichtet, immer in die Synagogen zu seinem Volk Israel-Judentum gegangen (Apg. 13,14; 14,1; 17,1 u.ö.). b) Danach ging Paulus in die Arabia zu den Nabatäern (Gal 1,17f). Dazu hat ihn die verheißungsgeschichtliche Weisung des mehrfachen Abraham-Segens geführt: „Die Araber (= Nabatäer) waren nach 1 Mo 25,13 (vgl 28,9) Nachkommen des erstgeborenen Abrahamsohnes Ismael und somit die nächsten Verwandten Israels, dazu auch geographisch Nachbarn der Juden in Palästina; sie sollten wieder zum Gott Israels zurückfinden (vgl. Jer 12,14-17)“ (O.Betz, S.Kim; M.Hengel CBL II 1020) Von der zu Shavuoth-Pfingsten von Petrus gepredigten Joel-Verheißung der „Ausgießung des Geistes auf  a l l e s  Fleisch“ (Apg 2,17) muß die Entstehung des Islam im 7. Jahrhundert als  e i n  „Zeichen des Geistes“ (Kuschel, Juden, Christen, Muslime 2007) und Muhammad als e i n Prophet (W.Zimmerli, C.Westermann) verstanden werden. c) Schließlich geht Paulus wiederum der Abraham-Verheißung entsprechend zu den Völkern der Welt. Er streitet im Römerbrief „allen Samen“ Abrahams (Röm 4,16a). Er ergänzt, daß Abraham „unser a l l e r Vater“ ist, also sowohl der Vater Israels auch der Vater uns von aus den Weltvölkern (Römer 4,16b).. Dabei ist der mündliche Hinweis von Jeremias wichtig, daß das hebräisch KOL (vgl Kohelet 7,16-19; vgl. in der Amida 1. Abraham-Beracha: Schöpfer des Al l l s =Mt 11,25:„Schöpfer des Himmels und der Erde“) oft mit „alle beide“, also differenzierend übersetzt werden muß. Das ist für das Verstehen der Theologie des Römerbriefs und des dort zugrundliegenden Duals „Israel und alle Völker“ von entscheidender Bedeutung.

Paulus verweist mit Gen 17,5 darauf, daß Abraham „Vater vieler Weltvölker“ ist (Röm 4,17). Er kämpft mit Röm 4 - nach dem sprachlich immer wiederholten „nicht nur, sondern auch“ (ou monon alla kai) und also nach dem Motto „nicht nur für die Juden, sondern auch für die Völker der Welt“ - gegen eine exklusiv-fundamentalistische Abraham-Exegese in ultra-orthodoxen Kreisen des damaligen Judentums (Röm 4; Fr. Mußner, „Thema Abraham“, in: ders., Die Kraft der Wurzel, 1987,32ff, 32, vgl. 59ff). Damit ist die Unterscheidung von „genealogisch“ und „spirituell“ auch für den Paulus des Römerbriefes selbstverständlich mitgesetzt. Die Abraham gegebene mehrdimensionale Verheißung lenkt den Weg des Paulus, den er zunächst und immer wieder in die Synagogen des Judentums und danach zuerst in die nabatäische Arabia geht, um dann konsequenter- und verheisungsgeschichtlicherweise über Rom bis nach Spanien an die damaligen „Grenzen der (Völker-)Welt“ (Röm 15,24) gehen zu wollen. Paulus folgt damit nicht nur dem Drohspruch Johannes des Täufers mit seiner Drohung gegen judaistischen Exklusivismus, JHWH könne sich auch aus den Steinen der Wüste spirituelle Nachkommen Abrahams und der Sara erwecken (Mt 3,9), sondern er bezieht sich in Röm 4,17 auch auf die 2. Beracha des 18.Gebetes „Geburoth, Machttaten“, derzufolge Gott mächtig ist, „Tote zum Leben zu erwecken“ und deshalb auch mächtig ist, aus den Völkern „spirituelle Abrahamsöhne und spirituelle Sara-Töchter“ zu erschaffen Daraus folgt aber: Auch Paulus hat sich in seinen Wegen an die mehrfachen Dimensionen und Sequenzen der Abraham-und Jesaja-Verheißung (Apg 26,17f = Jes 42,6-8) gehalten, wie M. Hengel/A.M.Schwemer, Paulus zwischen Damaskus und Jerusalem. Die unbekannten Jahre des Apostels“(1998) und Otto Betz im Anschluß an diese Forschungen überzeugend gezeigt haben.

Was wir bei Paulus zu lernen haben, das gilt auch im Hinblick auf die Erwähnung der „Kreter und A r a b e r“ in der Pfingstgeschichte nach Acta 2,11. Klaus Haacker teilt mir brieflich mit, daß mit den Kretern als „Inselbewohnern“ das westliche Ende der damals bewohnten Erde einerseits und mit den Arabern als den „Wüstenbewohnern“ der Osten als der andere Teil der bewohnten Erde (vgl Jer 2,10-11: Jes 52,10-12; 60,5-9; Ps 72,10) andererseits bezeichnet werde. Mit der zusammenfassenden Nennung der „Kreter und Araber“ werden die zum Shavuoth-Pfingst-Fest nach Jerusalem kommenden Völker der jüdischen Diaspora noch einmal zusammengefaßt, „ob sie nun zur Inselwelt oder zum Wüstenbereich, zum Westen oder zum Osten gehören“. Damit wird erneut nicht nur an die alle Weltvölker einbeziehende Universalität der von Petrus zitierten Joelverheißung (Acta 2,17f), sondern auch an die konkrete Dreidimensionalität der Abraham- und Sarah-Verheißung (Acta 3,13) erinnert. Kommen Araber als jüdische Proselyten zum Shavuoth-Fest, dem Fest des Gedenkens an die Gabe der Sinai-Tora, nach Jerusalem, dann sind sie, die als Araber bereits unter der der Hagar und dem Ismael gegebenen  S e g e n s verheißung stehen, durch die Proselytentaufe nun auch in den Bereich der Abraham- und Isaak-E r w ä h l u n g  getreten. Als solche konnnten sie eine Brücke zwischen Israel einerseits und den Arabern der Wüste anderseits bilden. Diese Brückenfunktion zwischen den Juden im Staat Israel und den arabischen Palästinensern der Westbank leuchtet heute in der Gestalt der 20% zählenden arabischen Israelis und der arabischen Christen in Israel wieder als Möglichkeit auf, wofür der arabische Israeli, Pfarrer in Nazareth und Dozent am Bible College in Bethlehem, Dr. Yohanna Katanacho, in seinem Buch „The land of Christ“ (2012) jüngst wieder plädiert hat.

3. Zur genealogischen und spirituellen Abraham- und Sarah-Gemeinschaft

Abraham, so hat J. Magonet einmal formuliert, ist nicht nur im Blick auf die Vergangenheit, sondern auch im Blick auf die Zukunft „von unauslotbarer Tiefe“ und Weite. Das zeigt sich auch an der Frage der genealogischen und spirituellen Abraham-und Sara-Gemeinschaft. Es gibt eine weltweite genealogische und spirituelle Abraham-Hagar-Ismaelgemeinde der islamischen Umma wie es auch eine weltweite genealogische und spirituelle Abraham-Sara-Isaak-Gemeinde gibt.

Die hier im Anschluß an Martin Hengel und Otto Betz vertretene These wird aber gerne besonders im Blick auf den Islam mit folgenden, freilich wenig überzeugenden Argumenten bestritten: Gegen eine verheißungsgeschichtliche Sicht der Araber, speziell der arabischen Nabatäer und Kedariter in der arabischen Wüste, nicht nur im Alten Testament, sondern auch im Neuen Testament, speziell bei Jesus, bei Paulus und in der Apostelgeschichte spreche z.B. die Art und Weise, wie Paulus in Gal 4,21ff argumentiere. Dort werde die in Arabien erlassene Tora mit Blick auf Hegra/Hagar niedriger gewertet als die dem Volk Israel am Sinai gegebene Tora. Die Entstehung des Islam im 7. Jahrhundert gerade in Arabien und also auch der Islam wären nach den theologischen Kriterien des Paulus als negativ zu beurteilen.

Demgegenüber ist aber festzuhalten: Paulus geht - der Dreidimensionalität der Abrahamverheißung von Gen 12 (Isaak-Israel; Hagar-Ismael und die Völkerwelt) folgend - n a c h  seiner Sendung zu Israel, dh. zu den synagogalen Juden in Damaskus, Gal 1,17f zufolge nicht sogleich zu de Weltvölkern, sondern in die nabatäische Arabia. Dort scheitert schließlich seine Sendung, wie wir von Paulus aus 2.Kor 11,32f erfahren: „In Damaskus ließ der Ethnarch/Statthalter des (nabatäischen) Königs Aretas die Stadt der Damaszener bewachen, um sich meiner (gewaltsam) zu bemächtigen. Und ich wurde durch ein Fenster in einem Korb durch die Sadtmauer herabgelassen und entkam so seinen (gewalttätigen) Händen“.

Das aber bedeutet: Nur von diesem schlußendlichen Scheitern der nabatäischen Araber-Sendung des Paulus her sind seine einseitig negativen Aussagen in Gal 4,21ff allererst zu verstehen und auch in ihrer theologischen Begrenzung zu bewerten, was in den einschlägigen Kommentaren zur Stelle meistens übersehen wird: Gal 4,21ff spiegelt nämlich des Paulus  n e g a t i v e  Erfahrungen im nabatäischen Petra und in der an der Grenze des Nabatäerreiches liegenden arabischen Stadt Hegra. Solche negativen Aussagen hat Paulus im Blick auf die entsprechenden Auseinandersetzungen mit dem judaistischen Zelotismus nicht zurückgenommen, wie seine scharfe Abrechnung in Phil 3,5-8 nicht mit dem Judentum, aus dessen Stamm Benjamin sich Paulus selbst zurechnet, sondern mit dem judaistischen Zelotismus. Dennoch bleiben trotz dieser negativen Erfahrungen im Blick auf Israel die übergreifenden positiven Verheißungen bestehen, wie die Kapitel Römer 9-11 eindeutig zeigen.

Die negativen Ausführungen des Paulus auch über die Tora in Gal Kp 3 und 4 und die Identifikation der nabatäischen „Islamisten“ it den zelotischen „Judaisten“ ist erst verständlich, wenn man sich vor Augen hält: Paulus wurde von beiden verfolgt. Dennoch bleiben die Verheißungen über Israel-Judentum und über Hagar-Ismael- Leute auch für Paulus weiterhin gültig. Was für die Paulus verfolgenden gewalttätigen „Judaisten“ in Galatien gilt, die Paulus nie einfach mit dem Judentum, aus dem er selbst stammt, identifiziert hat (vgl.Fr. Mußner; Theologische „Wiedergutmachung“ am Beispiel der Auslegung des Galaterbriefes, in: Die Kraft der Wurzel,1987.55-64), gilt also vice versa auch für die ihn verfolgenden radikalen „islamistischen“ Nabatäer. Solche negativen Erfahrungen mit zelotischen „Islamisten“ können und dürfen aber die über Hagar und Ismael ergangenen positiven und universalen Abraham-Verheißungen des Alten Testaments nicht aufheben, wie auch die Verfolgung durch die zelotischen Judaisten die Verheißung über ganz Israel (Röm 11,26f) nicht aufheben konnte und bis heute nicht ungültig machen kann. Hier übergreift die Weite und bleibende Gültigkeit der Abrahamverheißung und der in die messianische Zukunft geöffnete weite Raum alttestamentlicher Verheißungen das Scheitern des Apostels in seiner Sendung in die nabatäische Arabia. Die an Hagar und Ismael ergangenen Verheißungen in der Linie der Segensgeschichte Abrahams und der Sara sind also angesichts des Scheiterns des Paulus in der Arabia weder erledigt noch außer Kraft gesetzt, sondern werden erst im 7. Jahrhundert ihre anfangende und vorläufige Erfüllung in der Sendung Muhammads und der Entstehung der weltweiten islamischen Umma finden.

Gegen die hier vorgetragene These der bleibenden Geltung der biblischen Hagar-und Ismaelverheißungen für die ökumenische Umma der Muslime von Nordafrika und Afrika bis nach Indonesien wird weiter, wenn auch wiederum wenig überzeugend, von Exegeten und Archäologen Folgendes eingewandt: Was hat denn der Islam mit Ismael und der ihm und Hagar im Alten Testament geltenden Verheißungen zu tun? So wird gefragt. Die meisten islamischen Völker, die Arabisch sprechen oder sich auf Muhammad in Afrika und Asien berufen, seien doch nur zu einem geringen Teil genealogische Nachkommen des Wüstenvolkes der Araber und damit Muhamads und seines Clans. Nachkommen des Wüstenvolkes der Araber seien die afrikanischen und die indonesischen Muslime genealogisch überhaupt nicht!

Demgegenüber ist wiederum festzuhalten, daß es neben der  g e n e a l o g i s c h e n  Nachkommenschaft Abrahams und Muhammads auch eine  s p i r i t u e l l e  gab und gibt, auf die sich die afrikanischen und asiatischen Völker berufen und derzufolge sie auch ethisch dem Koran entsprechend handeln. Will man wirklich den 85% Muslimen in dem 250 Mio-Staat Indonesien erklären, daß sie sich illegitim auf die Verheißungen an Hagar und Ismael und illegitim auf Muhammad und den Koran beriefen? Und wie will man umgekehrt dann weiterhin mit Paulus bekennen, daß wir als ChristInnen uns durch den Messias Jesus auf die Abraham-Isaak-Verheißungslinie beziehen dürfen und auf dieser Linie auch ethisch handeln sollen. Obwohl wir genealogisch keine Juden sind und durch die Taufe auch nicht werden, sind wir dennoch Paulus zufolge  s p i r i t u e l l e  Abraham-, Sara- und Isaak-Nachkommen (Gal 3,28f; Röm 4) bzw. wir sollen das nach dem Holocaust erst wieder glaubwürdig werden.

Alle genealogisch bestimmte Abraham- und Sara-Gemeinschaft muß ihrer Bestimmung nach durch den Geist GOTTes auch spirituell geprägt sein. Und eine Beschneidung am Fleisch, was für Israel und den Islam nach Gen 17 gilt, muß der prophetischen Botschaft zufolge (Ez 36,26f) immer durch eine Beschneidung am Herzen durch den Geist charakterisiert sein und ethisch in menschenfreundlichem Tun bezeugt werden. Demgegenüber ist spirituell gelebte und durch die Proselyten- wie Christen-Taufe erlangte Abraham- und Sara-Gemeinschaft nicht genealogisch bestimmt und steht dennoch in der Segensgeschichte Abrahams, wie Paulus in Röm 4 im Blick auf die Völkerwelt ausgeführt hat. Umgekehrt gilt aber auch: Das ökumenische Gottesvolk aus allen Völkern, das durch den Abraham-Sohn und Messias Jesus mit der Abraham-, Sara- und Isaak-Verheißung verbunden ist (Mt 1,1), darf sich gegenüber der auch genealogisch bestimmten Geschichte des jüdischen Volkes und der islamischen Umma nicht gleichgültig, ja diese verleugnend oder, weil angeblich primitiv und vorneuzeitlich, verachtend, verhalten. Denn man kann den Christus Jesus der Völker ohne den auch genealogisch verorteten davidischen Messias Jesus aus und für Israel nicht haben wollen oder behalten wollen, wie der genealogische Stammbaum Jesu in Mt 1,1-16 einerseits am Anfang und die Sendung an die Völkerwelt in Mt 28,16-20 am Ende des Evangeliums deutlich machen.

Mein damaliger Wuppertaler Lehrer Wolfhart Pannenberg antwortete mir nach seinem Referat, zu dem ich ihn als damaliger Rektor der Kirchlichen Hochschule nach Wuppertal eingeladen hatte und in welchem ich ihn um eine Einführung in die drei Bände seiner Systematischen Theologie gebeten hatte, auf mein Reden vom „Gott Israels“ in provozierender, freilich seinem universalgeschichtlichen Ansatz durchaus entsprechender Weise: „Der Gott der Christenheit ist doch kein jüdischer Stammesgott!“. Ich habe ihm damals widersprochen mit der These: „Der Gott der Christenheit ist zuerst und bleibend der GOTT der Abstammungsgemeinschaft Israels und als solcher auch der Gott der Völker wie auch der Sohn Gottes zuerst und bleibend der jüdische Messias Jesus ist und als solcher auch der Befreier der Völker. Meine Antwort lag und liegt bis heute auf der Linie meines anderen Berliner Lehrers Helmut Gollwitzer, der in seiner Einführung in die Evangelische Theologie „Befreiung zur Solidarität“ (1978) schrieb: Gottes mit der Berufung Abrahams begonnenes Rettungswerk „beginnt mit der Stiftung ener menschlichen Gruppe, und zwar nicht einer Gesinnungsgemeinschaft, sondern einer Abstammungsgemeinschaft, eines Clans. Ein alter Spruch lautet: Christianus fit, Judaeus nascitur. Christ wird man, als Jude wird man geboren“ (129). Wie Abraham für jüdisches Denken wirkungsmächtig ist und bleibt, zeigt Schalom Ben-Chorin in einem Beitrag einen Tag nach dem Jom Kippur von 1989, wenn er über dem Geschenk der Gerechtigkeit durch JHWH an Abraham (Gen 15,6; Röm 4,3.5.9.11.13.22; Gal 3,6; Jak 2,23) dessen Unrechtshandeln und dessen Wirkungsgeschichte  b i s  h e u t e  nicht unterschlägt: „Noch ungerechter beträgt er (Abraham) sich gegenüber Hagar, die er mit ihrem, seinem Sohn Ismael, in die Wüste jagt, eine Untat, die sich bis heute (!) rächt. Es sind ja die Söhne der Hagar, die Araber, die mit den Söhnen der Sara, den Juden, in blutigem Konflikt einander begegnen“ (Theologia Judaica II; 1992).

Wie man freilich es wagen kann, in einem ökumenisch orientierten und dem Dialog mit den Religionen verpflichteten Zeitalter wie dem unseren nicht nur theologisch, sondern auch praktisch-ethisch, einem nur spirituell lebenden und also nicht genealogisch abstammenden Abraham-, Sara-, Hagar-, und Ismael-Volk innerhalb der weltweiten muslimischen Umma die Abraham- und Sara-Gemeinschaft bzw. die Berufung auf Hagar und Ismael wegen einer in der Tat nicht vorhandenen genealogischen Abstammung abzusprechen, wird rätselhaft bleiben müssen. Und wie man es verantworten kann, zB den 85% Muslimen innerhalb des 250Mio zählenden indonesischen Volkes das Muslimsein in der Nachfolge Muhammads und des Korans zu bestreiten, wird ebenfalls ein Rätsel der so theologisch fahrlässig, eurozentrisch eng und ökumenisch verantwortungslos argumentierenden sog. „Fachgelehrten“ bleiben müssen.

Meine Ausführungen sind in ihrer gesamtbiblischen Argumentation nicht biblizistisch-fundamentalistisch mißzuverstehen. Verheißungen, wie hier die biblischen Abraham- und Sara-Verheißungen, werden schon im Alten Testament nicht zeitlos verstanden, sondern bekommen besonders während und nach dem Exil eine neue und aktuelle Bedeutung (W. Zimmerli, E. Blum). Sie werden im Neuen Testament, dann in der Reformation und heute besonders im Zeitalter der Ökumene und des Dialoges der Religionen in der Ökumene aktuell. Diese Verheißungen wandern in neue Situationen und Kontexte ein und erschließen auch für die HörerInnen im Kontext ihrer neuen Erfahrungen neue Dimensionen und Horizonte der jeweiligen Verheißungen. Das hat Leo Baeck nach den Leidenserfahrung des Holocaust in seinem in seinem Todesjahr 1956 geschrieben Aufsatz „Judentum, Christentum und Islam“ mit seinem Plädoyer für eine versöhnte Verschiedenheit und verschiedene Sendung der drei Religionen an die Welt der Völker überaus eindrücklich geschildert und den Abrahamitischen Religionen für die Zukunft zur Aufgabe gemacht.

Diese Erschließung neuer Horizonte einerseits und die Verschmelzung mit den Erfahrungen der jeweiligen HörerInnen andererseits hat H. G. Gadamer 1960 in seinem bahnbrechenden Werk „Wahrheit und Methode“ als Horizontverschmelzung bezeichnet. Eine Horizontverschmelzung rechnet mit einem Erfahrungsgewinn von Traditionen in neuen Kontexten und angesichts neuer Herausforderungen in der Geschichte. Eine solche beginnt bereits inneralttestamentlich, setzt sich rabbinisch und innerneutestamentlich besonders bei Jesus und Paulus fort und wiederholt sich schließlich im 7. Jahrhundert mit der Berufung Muhammads und der Muslime auf Abraham, Hagar und Ismael.

Sie wird heute im ökumenischen Zeitalter in der Wiederentdeckung der Mehrdimensionalität der Abraham- und Sara-Verheißung wieder relevant. In neuen Herausforderungen (challenge) werden neue Dimensionen der alten Verheißungen erkannt (response). Darin spiegeln sich aber nicht nur neue historische Kontexte und aktuelle Herausforderungen der HörerInnen im Sinne der Gadamer’schen Hermeneutik. Darin dokumentiert sich vielmehr , daß Abraham nach Mt 8,11 eine Gestalt nicht nur der Vergangenheit, sondern der verheißenen Zukunft weltweiter und versöhnter Tischgemeinschaft Israels und der Völker mit ihm und Sara ist: „Sie werden kommen von Osten und Westen und mit Abraham und Sara zu Tische sitzen“ . Darin spiegelt sich aber entscheidend die Lebendigkeit des in neue Zeiten und Horizonte mitwandernden „lebendigen Gottes“ (H.-J.Kraus, S. Kreuzer), des Gottes Abrahams , Saras, Isaaks , Hagars und Ismaels.

4. Die fundamentalistische Preisgabe der Abraham-Sarah-Verheißung

Man kann und wird sich von der Abraham-Verheißung und ihrem umfassenden Segen immer dann bestimmt ausschließen, wenn man die dreifache Segensverheißung an Abraham und Sarah bestreitet.

a) Matthäus hat trotz des theologisch gewichtigen genealogischen Stammbaums Jesu (Mt 1,1-17) dennoch die Abraham-Sohnschaft und Sara-Tochterschaft nicht exklusiv auf das genealogische Volk Israel-Judentum beschränkt. Denn durch die aus den Völkern stammenden Großmütter wie Bathseba, Ruth und Rahab kündigt sich bereits geheimnisvoll das Hinzukommen aller Völker in die Abraham- und David-Genealogie an Deshalb überliefert Matthäus von Johannes dem Täufer den Gerichts-Spruch an die zelotischen oder exklusiv denkende und handelnden Fundamentalisten: „Meint nicht, ihr könntet sagen, wir haben Abraham zum Vater (und Sara zur Mutter). Denn ich sage euch: GOTT kann dem Abraham (und der Sara) aus diesen Steinen Kinder erwecken“(Mt 3,9; Joh 8,37-39).

Wie Johannes der Täufer, so hat auch Jesus in der Verheißung der universalen Tischgemeinschaft „aller Völker“ mit Abraham (1.Mose 12,3; Mt 8,11) die exklusiv denkende und gewaltsam handelnde Zeloten-Gruppe mit der Selbstzeichnung „Söhne des Reiches“ (Mt 8.12), von der Teilhabe an dieser Abraham-Verheißung ausgeschlossen. Das war damals die zelotische Richtung des „Judaismus“ innerhalb des Judentums, - heute vertreten zB durch die „Bene Berak“, „die Söhne des Blitzes“, deren Mitglieder sich exklusiv als die einzigen Erben der Abraham-Verheißung mißverstehen, oder wiederum heute die gefährlich mit dem Feuer spielenden „Getreuen des Tempelberges“, die selbst durch „einen messianischen Aktivismus verführt“ andere „ zu einem messianischen Aktivismus verführen“ und damit die Warnung der Weisen Israels vergessen: „Bedrängt nicht das Ende!“ (Schalom Ben-Chorin, Theolgia Judaica II 1992,159-162). Jesus sagt über sie alle „Aber ‚die Söhne des Reiches’ wird JHWH, der GOTT, in die äußerste Finsternis hinauswerfen“.

Solange dieser „judaistische“ Fundamentalismus“ die bleibende Erwählung des Judentums so exklusiv mißversteht, solange er heute durch illegale Landenteignungen Straftaten gegen internationales Völkerrecht in der Westbank verübt und auch durch die militärische Überreaktion im Gaza-Krieg gewaltätig handelt, bleibt auch dieser mit seinen widerrechtlichen Landenteignungen im Land Palästina von der Segens-Verheißung Abrahams und der Sara ausgeschlossen. Zu diesem Mißverständnis, sich exklusiv als die einzigen Abraham-Erben zu verstehen, ist die radikale Kritik und Selbst-Kritk am „Judaismus“ (nicht am Judentum!) schon damals durch Paulus zu vergleichen (Gal 1,14; Phil 3, 2ff; Röm 4). - Daß es sich in Mt 8,12 um eine radikale Kritik Jesu nicht am Judentum als solchem, sondern nur gegen einen zelotischen Judaismus innerhalb des Judentums handelt, ist immer wieder bestritten worden. So lautet das Urteil von W.Grundmann, der während der Nazi-Diktatur in Eisenach das Institut zur Entjudung der Bibel und des christlichen Gesangbuches mit vielen sog. „Fachkollegen“ geleitet hat: Die Söhne des Reichs oder des Königtums Gottes, die von Jesus in die äußerste Finsternis befördert werden, „sind die Israeliten; sie hat sich Gott zum Bundesvolk erwählt“. Das Gerichtswort Jesu meine also das ganze Bundesvolk Israel natürlich mit Ausnahme der in Mt 8,11 genannten Väter Israels: Abraham, Isaak und Jakob. Denn nur „mit den Vätern Israels werden die Glaubenden aus allen Völkern vereint“. Das Fazit Grundmanns lautet: „Die Härte des Drohwortes (Jesu) hat keine Parallele...; Kein Rabbi und kein Apokalyptiker hat eine solche Aussage gewagt“, das jüdische Volk als ganzes vom Endheil auszuschließen (Das Evangelium nach Matthäus, Berlin 1972, 253). Dabei übersieht Grundmann in antijüdischer Tradition weiter, daß die Tradition der Völkerwallfahrt zum Zion (Jes 49,12; Micha 4,1-7, Mal 1,11) in der prophetischen Botschaft immer mit der Wiederherstellung ganz Israels (Jes 49,6) verbunden ist. Deshalb meint auch das von Jesus angesagte Mahl mit den Vätern nicht nur ein „Völkermahl“, sondern zuerst ein „Israelmahl“, d.h. auch die in Jes 25,6-9 angekündigte Verheißung: eines Mahles der Versöhnung der Völker mit Israel.

b) Auch der Islam verfällt dem Islamismus, solange seine Anhänger den Dschihad nicht als den inneren Weg des Herzens zum barmherzigen Gott (Mouhanad Khorchide, Scharia – der mißverstandene Gott, 2013), sondern „dschihadistisch“ mißverstehen, terroristisch praktizieren und sich dadurch von der umfassenden Segensverheißung für das Ismael-Volk ausschließen. Der Islam schließt sich auch solange von der weitausgreifenden Hagar- und Ismaelverheißung in 1.Mose 16,10 und 17,20 aus, als er zB. in seiner Auslegung der Abraham-Verheißung in Sure 3,65-67 Abraham exklusiv für den ersten Muslim und nicht als Gestalt umfassender Verheißung  v o r  und  f ü r  Judentum, Christentum und Islam würdigt und damit als kritischen Maßstab für alle drei Abraham-NachfolgerInnen nicht bestehen läßt, sondern beseitigt (K.-J. Kuschel, Juden, Christen, Muslime 2007). So handelt der Islam in Palästina „islamistisch“, solange die Hamas wie im letzten Gaza-Krieg die Bevölkerung Israels mit mehr als 3.000 Raketen beschießt, in Gaza die Wohnunge nicht der reichen Funktionäre, sondern der armen Bevölkerung mit Raketen gegen Israel bestückt und damit nicht nur die Bevölkerung Israels, sondern auch die eigene Bevölkerung mit einem Genozid terrorisiert. Deutliches Kennzeichen eines unislamischen Islamismus ist auch, wenn die in Berlin gegen den Gaza-Krieg Israels demonstrierenden Muslime rufen: „Hamas, Hamas – Juden ins Gas!“

c) Auch das „Christentum aus allen Völkern“, das „ökumenische Gottesvolk aus allen Völkern“ verkommt zum „Christianismus“ und schließt sich damit von der Segensverheißung an Abraham für alle Völker aus, solange es zB. den Glauben Abrahams auf die reformatorische Erkenntnis der „iustificatio impii sola fide“, der Gerechtmachung allein im Glauben, reduziert und damit Abraham zum ersten protestantischen Christen erklärt (M. Luther). Das hat nicht nur Luther damals so getan, sondern das ist bis in die sog. „Fachexegese“ des 20. Jhdt.s so behauptet worden. Nach G.Kleins Exegese hat Paulus „den Abbau der jüdischerseits prätendierten Abrahamssohnschaft und die Reklamation Abrahams als des ausschließlichen (!) Ahnherrn der Christen zum Ziel“. Für Paulus soll damit gelten soll, „daß es außerhalb der christlichen Gemeinde keine Abrahamssohnschaft gibt“ (zit bei Mußner, Die Kraft der Wurzel 59). Wird Paulus auf diese Weise zum ersten reformatorischen Christen, so wird damit gleichzeitig das Judentum auf einen im Kern sog. „gesetzlichen Judaismus“ und der Islam auf einen im Kern sog. „terroristischen Islamismus“ reduziert. Das hat wiederum zur Folge, daß das Judentum und der Islam von der dreidimensionalen Abraham-Verheißung beider Testamente ausgeschlossen werden (Martin Luther, Gegen Juden und Türken, 1519-1542; während der Nazidiktatur vom Verlag der Bekennenden Kirche wieder nachgedruckt 1936/1939).

Dennoch bleibt festzuhalten: Alle drei Formen der religiösen Entartungen und Pervertierungen stehen mit den drei genannten Religionen jeweils auch in einem nicht zu leugnenden Zusammenhang: a) der zelotische „Judaismus“ (Gal 1,14) damals in der Verfolgung messianischer Juden durch Paulus und in der Anstiftung zu den sinnlosen Aufständen gegen Rom und bis heute in den illegalen jüdischen Landbesetzungen und zelotischen Landenteignungen, in der Westbank, b) der imperiale „Christianismus“ seit Konstantin über die „Kreuzzüge“, über M. Luthers maßlose und haßerfüllte Ablehnung der Juden und Türken, über den moralischen Bankrott der Kriegseuphorie und Kriegspredigten in den Kirchen im ersten Weltkrieg, gegen die nur Karl Barth 1914 friedens-theologisch und –ethisch aufgestanden ist, bis zum amerikanisch-fundamentalistischen Christianismus eines vom Alkoholdurst zum Öldurst neubekehrten und wiedergeborenen G. Busch und seines von Billy Graham religiös legitimiertenRaubkrieg gegen den Irak mit mehr als 150.000 Ermordeten, noch mehr körperlich und psychisch Verstümmelten mit der Folge der Zerstörung des dortigen ältesten Christentums und c) der „terroristische Islamismus“ im Fernen Osten in der Gestalt der allmählichen Arabisierung (Gus Dur) bzw genauer Vahabisierung Indonesiens durch Saudi-Arabien, im Nahen Osten in Gestalt der theokratischen und menschenmörderischen IS, im Iran in dem verknöcherten theokratischen Staatsislam, der das unterdrückerische Schah-Regime beerbte, nachdem vorher die Demokratie unter Mossadek durch den amerikanische CIA beseitigt worden war, in Afrika in Gestalt des Boku Haram, die im Norden Nigerias für einen Gottesstaat mordet, in Europa der Salafismus. Deshalb dürfen diese drei Religionen sich nicht einfach von deren Mißbrauch und Funktionalisierung distanzieren: Zelotischer „Judaismus“ hängt mit dem Judentum genauso zusammen wie imperialer „Christianismus“ mit dem Christentum und terroristischer „Islamismus“ mit dem Islam.

Natürlich ist es innerhalb der verschiedenen Religionen für deren Glaubende schmerzhaft, sich dem fundamentalistisch-terroristischen Potential ihrer Religionen zu stellen und nach den Gründen für deren illegitime Funktionalisierung zu forschen. Deshalb war und ist es auch falsch, daß der deutsche Innenminister Thomas de Maziere nach den Pariser Anschlägen auf die Redaktionsmitglieder von Charlie Hebdo 2015 formulierte: „Der islamistische Terrorismus hat mit dem Islam nichts zu tun!“. Warum und inwiefern denn nicht? Man darf im Sinne der Pressefreiheit auch den Propheten wie Jesus und Mose karikieren. Man darf, was seitens des Christentums leider viel zu wenig geschieht, im Namen der Religionen diese Karikaturen als nicht hinnehmbar kritisieren. Man darf aber den Verfassern solcher Karikaturen nicht mit der Ermordung drohen.

Solange sich die drei Abrahamischen und Abrahamitischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam, von der Abraham- und Sarah-Verheißung (Gen 12-25) her genealogisch und geistig-spirituell verstehen und von daher auch praktisch-ethisch in der Welt für mehr Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung gemeinsam handeln (Louis Massignon, Samil Balic, Avdoldjavad Falatuir, Navid Kermani) werden solche fundamentalistischen Fehlentwicklungen nicht den Kern der jeweiligen Geschwisterreligionen bestimmen, verderben und am Ende in Fäulnis übergehen lassen. Alle Fundamtalismen aus allen drei Religionen sind vielmehr deren terrorostischer und Taliban-artiger Mißbrauch.

So gibt es auch eine unbiblische fundamentalistische Land-Ideologie aller drei Religionen, durch welche sich diese ebenfalls von der Abraham- und Sara-Verheißung ausschließen. Das hat seine Bedeutung im Blick auf die Landverheißungen der Bibel: Wenn a) zelotische und messianische Juden behaupten und anhand von Ez 37 zu begründen versuchen, daß die Wiedergewinnnung des Landes Israel und die Errichtung des Staates Israel die inhaltliche und zeitliche Voraussetzung, d.h. der erste Schritt für die anschließende geistlich-nationale und spirituelle Erneuerung Israels in einem zweiten Schritt seien, als wenn beides nicht parallel verlaufen und die Rechtmäßigkeit des Landbesitzes nicht durch Gerechtigkeit, Recht und Frieden ausgewiesen werden müßte, dann schließen sie sich fundamentalistisch von der umfassenden Abraham-Verheißung aus. Wenn b) fundamentalistisch-christianistische Kreise wie die Christian Embassy/Jerusalem und die amerikanischen Fernsehprediger wie Jerr Falwell die Wiederherstellung von „Großisrael“ mit der „auf ewig ungeteilten Hauptstadt Jerusalem“ und unter der Eliminierung der Plästinenserfrage und eines Palästinenserstaates zur Voraussetzung der Wiederkunft ihres ideologisierten und christianistischen Christus machen, dann schließen sie sich ebenfalls von der mehrdimensionalen Abraham-Verheißung aus. Wenn c) ein dschihadistischer Islamismus auf die endgültige und letzendliche Vernichtung des Staates Israel und der Vernichtung seiner Bürger hinarbeitet, weil es innerhalb der islamischen Umma und Ökumene und der geschlossenen islamischen Länderkette von Nordafrika bis nach Indonesien kein jüdisches Land und keinen Staat Israel geben darf, wie islamische Professoren der Al Quds-Universität/Jerusalem auf Nachfrage hin eindeutig sagen, dann schließen sich auch diese Fundamentalisten von der umfassenden Abraham- und Hagar-Ismael-Verheißung aus.

Das ist die Bedeutung der abrahamisch-prophetischen Vision von der endzeitlichen messianischen Tischgemeinschaft aller mit Abraham, wie sie der endzeitlich-messianische Prophet und Messias Jesus nach Matthäus 8,11f in seiner für „alle Völker“(1.Mose 12,1-3) segensreichen Prophetie uns, den drei Religionen Judentum, Christentum und Islam, aber auch allen anderen Religionen der Völkerwelt mitgegeben und aufgegeben hat.

Literatur
G.E. Lessing: Nathan der Weise (1789)
J. W. von Goethe über Muhammad und den Islam im West-östlichen Divan (1819)
A. Parlindungan: Frieden statt Mauern. “Al Quds“ (Jerusalem) im muslimischen Verständnis als Zeichen der Hoffnung auf Frieden im Heiligen Land, 2014
Sylvia Bukowski : Predigt über Hagar und Ismael in der arabisch-baptistsichen Gemeinde in Nazareth, 20013
Yohanna Katanacho : Ismael-Exkurs in seinm Buch „The Land of Christ“, Bethlehem 2012
Thomas Naumann, Art, Ishmael. Chrstianity, in:Encyclopedia of the Bible and its Reception, ed.Choon-Leong Seow and Hermann Spiekermann, Berlin/New York (2014; dort weitere Literatur von Naumann und anderen Autoren)
Hans Georg Gadamer, Wahrheit und Methode 1960

Prof. Dr. Bertold Klappert, ist seit 1974 Professor für gesamtbiblische Theologie an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel und Mitglied im Ausschuss „Christen und Juden“ in der EKiR. Vortrag auf einem Symposion in Abrahms-Herberge in Beit Jala/Palästina April/Mai 2015

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