Redaktion: Hans-Georg Vorndran

BlickPunkt.e Nr. 2 / April 2016

 

Klaus-Peter Lehmann
Über den ewigen Hass gegen die Juden

1. Thema: Ewiger und grundloser Hass
Der 2000 Jahre alte Hass auf die Juden trägt das Erscheinungsbild einer Irrationalität, die tiefere Abgründe erahnen lässt als die Ablehnung anderer Fremder.  (1)  Der Antisemitismus ist ubiquitär. Auch wo keine Juden leben, wird er angetroffen. Der Antisemitismus ist epochenübergreifend. Antike, Mittelalter und Neuzeit prägte er seine Fratze auf. Der Antisemitismus ist in seiner  Feindschaft  maßlos. Schon die frühe christliche Verteufelung der Juden stellte ihre Zugehörigkeit zur Menschheit in Frage und zielte unausgesprochen auf ihre Vernichtung wie später der biologische Rassismus, für den die Juden parasitäre Volksverderber sind. Mit der Endlösung der Judenfrage beschlossen die Nationalsozialisten die Auslöschung der Juden. Die innere Neigung des Antisemitismus zur Grenzen-, Zeit- und Maßlosigkeit macht ihn zu einem Phänomen von angemaßter Ewigkeit, das auf die Vernichtung der Juden zielt.
Ewigkeit hat keinen Grund. Der ewige Judenhass bezeugt seine eigene Grundlosigkeit. Er bekennt sich zur Amoralität. Das werden wir an den Hass-Ideologen der deutschen antinapoleonischen Befreiungskriege zeigen. Auch die monströsen Wahnideen von einer jüdischen Weltbedrohung bzw. Weltherrschaft in Mittelalter und Neuzeit indizieren mit ihrer exzessiven Besessenheit die Maß- und Grundlosigkeit des Antisemitismus.  (2)
Wir weisen deshalb abschließend auf die Erkenntnis des jüdischen Religionsphilosophen Hermann Cohen hin, der hervorhob, dass der Hass keinen Grund im menschlichen Gemüt hat, weswegen der Talmud ihn zur eigentlichen Todsünde erklärt habe.

2. Erste Monstrosität: Die Erklärung der Juden zu Gottesmördern in der Antike
Schon sehr früh hat sich unter den Christen eine Auslegung des neutestamentlichen Zeugnisses verbreitet, die die Juden pauschal als Christusmörder ansah und verurteilte. Sie seien deshalb als Bundesvolk Gottes enterbt, sie hätten die biblischen Schriften nicht verstanden, die Jesus  Christus als Erlöser der Welt geweissagt hätten. Die Juden  legten die Schriften auch messianisch aus, aber nicht christologisch.
Unter den wechselnden Bedingungen von staatlicher Verfolgung und Anerkennung lud sich diese im Kern rein theologische Konkurrenz kirchlicherseits zu einer machtpolitischen auf. Die christlichen Theologen widersprachen nicht nur der jüdischen Auslegung des Alten Testamentes. Sie behaupteten, mit der Ermordung Christi hätten die Juden ihre Blindheit gegenüber der Wahrheit gezeigt. Als Gottesstrafe seien ihr Tempel zerstört und sie selber vertrieben worden. Ihre Heimatlosigkeit sei der Fluch, der ihnen gebühre. Verdientermaßen habe Gott sie zu einer leidvollen Existenz verurteilt und die Christen berufen, seinen Zorn an den Juden zu vollstrecken.  (3) 
Uns interessiert an dieser sich früh entwickelnden Judenfeindschaft die ungeheuerliche moralische Selbstermächtigung der Christen zu Vollstreckern des angeblichen Gotteswillens, zur Ausübung unkontrollierter, d.h. konkret pogromhafter Gewalt an den Juden. Hier spielen der Ausschließlichkeitsanspruch der Kirche, die Wahrheit in Christus erkannt zu haben, die Behauptung, anstelle der Juden erwählt worden zu sein und der Vorwurf, dass die Juden Christus, das unschuldige Lamm, gemordet hätten, eine zentrale Rolle. Diese Anklage gegen die Juden rückte immer mehr ins Zentrum des Glaubens und auch der Anspruch sie spürbar zu bestrafen. Damit wurde die Vorstellung der Heiligkeit von Gewalt wiedereingeführt.  (4) 
Gegen diese Vorstellung wendet sich die Bibel mit der unbeschönigten Erzählung der Ermordung Abels durch Kain, des Brudermordes, mit dem für sie die Geschichte der Menschheit beginnt, dem unfassbaren, aber realen Bruch mit ihrer Erschaffung zur Brüderlichkeit. Die neutestamentliche Rede vom Lamm Gottes impliziert denselben ethischen Realismus. Beide Erzählungen stehen in dem übergeordneten Kontext der Verheißungsgeschichte, an deren Ende die durch den jüdischen Messias im Frieden auf Erden versöhnte Menschheit steht. Der Verlust dieses Zusammenhanges isoliert die Geschichten und führt im Falle der Passion Jesu zur Viktimisierung seiner Person, zur Anklage gegen die Juden und den Anspruch auf ihre Bestrafung. Die endemischen Karfreitagspogrome zeigen, wie sehr der Judenhass in die Mitte des Glaubens gerückt war.
Im dogmatischen Horizont der Inkarnationslehre lief die Anklage gegen die Juden auf Gottesmord hinaus. Damit war ihnen alles zuzutrauen. Zu amoralischen Ungeheuern erklärt, waren die Juden prinzipiell vogelfrei.  (5)  Der antisemitische Wahn konstituierte sich schon  in der Antike.

3. Zweite Monstrosität: Die dogmatische Diabolisierung der Juden im Mittelalter
Das 4. Laterankonzil, im November 1217 von Papst Innozenz III. einberufen, nimmt in der Geschichte des Antisemitismus einen herausragenden Platz ein. Es beschloss eine umfangreiche antijüdische Gesetzgebung. Sie verbot, Juden wichtige Ämter zu übertragen. Sie dekretierte, dass alle Juden in der Öffentlichkeit eine sichtbare Kennzeichnung zu tragen haben, z.B. ein farbiges Stück Stoff oder einen spitzen Hut. Diese umfassende gesellschaftliche Diskriminierung fiel zusammen mit der Erhebung der Wandlungslehre zum Dogma. Damals grassierten Erzählungen von Hostienwundern und jüdischen Hostienschändungen. Die Koinzidenz von diskriminierender Kleiderverordnung und Dogmatisierung der Transsubstantiationslehre war nicht zufällig. Die Erhebung der Hostie zum Leib des Herrn im materiellen Sinne legitimierte alle Hostienlegenden und erklärte die angeblichen Schändungen von Hostien durch Juden zu Teufelswerk. Die Transsubstantiationslehre impliziert also eine Entschränkung des antisemitischen Wahns. Denn in ihrem Licht bedeuteten die angeblichen jüdischen Hostienschändungen die Wiederholung des Christusmordes und damit einen bedrohlichen Angriff auf den Bestand des christlichen Kollektivs, das sich konstituiert durch die Teilnahme am Messopfer, die durch den Verzehr der Hostie substantielle Teilhabe an der Sakralität Christi verleiht. Der Verzehr der Hostie konstituiert das christliche Kollektiv, die angebliche Hostienschändung will es zerstören.  (7)
Der antijüdische Wahn des Mittelalters hatte noch andere Gesichter, die Ritualmordlegenden, die Talmudverbrennungen, die Anschuldigung, die Brunnen vergiftet und die Pest geholt zu haben. Alle Phänomene bilden ein wahnhaftes Syndrom. Aber nur der Zusammenhang von Hostienschändung und Transsubstantiationslehre eröffnet den Blick in die Abgründe des Wahns. Die Juden wurden nicht wie unliebsame Fremde auf die Stufe von Tieren gestellt, nicht bestialisiert, sondern diabolisiert, verteufelt.  (6)  Juden galten nicht nur als minderwertige Kreaturen, sondern als aktive Gegenspieler Gottes waren sie die Inkarnation der alle Christen bedrohenden teuflischen Bosheit.  (8) 

4. Dritte Monstrosität: Die säkulare Verteufelung der Juden in der Neuzeit

a) Die Hasspoeten der Romantik
Und wenn sie winselnd auf den Knien liegen,/Und zitternd Gnade schrein,/Lasst nicht des Mitleids feige Stimme siegen,/Stoßt ohn Erbarmen drein“, dichtete der Romantiker Theodor Körner zurzeit der Befreiungskriege gegen Napoleon. Erbarmungslose Vernichtungspoetikund über jede Moral sich ausdrücklich erhebende Tiraden von bekennenden Franzosenhassern waren damals en vogue: Der Hass auf die Franzosen glühe als die Religion des teutschen Volkes, als ein heiliger Wahn in aller Herzen  (9)  Den Hassdemagogen ging es darum, einen fanatischen Furor gegen die Besatzer anzuheizen. Bei vielen paarte sich ihre blutrünstige Germanomanie mit Fremden- und  Judenhass.
In den Schriften Hartwig von Hundt-Radowskys findet sich das gesamte Arsenal eines antisemitischen Vernichtungswillens. Unabänderlich sei der verbrecherische Volkscharakter der Juden, ihre grenzenlose Böswillgkeit: Der Teufel ist barmherziger als die Juden, schreibt erin seinem Judenspiegel  (10)  Das jüdische Ungeziefer habe sich durch unvergleichliche Skrupellosigkeit, immense Geldvermögen und internationale Verschwörungen zu den Herren der Welt aufgeschwungen. Die Juden seien immer darauf aus, die Christen zugrunde zu richten, nicht allein das Fleisch der Christen wollen die Israeliten; nicht allein ihr Blut wollen sie aussaugen; auch ihre Seele wollen sie verschlingen. Deshalb sollten sie vollständig ausgerottet werden: Am besten wäre es, man reinigte das Land ganz von dem Ungeziefer. Nach der Abhaltung eines peinlichen Gerichtes sollten alle umgebracht werden. Oder man verfrachte sie auf türkisches Gebiet, wo sie von den Muslimen aufgerieben, ganz von der Erde vertilgt würden.
Dem germanischen Wesen drohe gegenwärtig größte Gefahr durch das Ungeziefer der Franzosen und Juden, phantasierte Ernst Moritz Arndt: Verflucht sei die Humanität und der Kosmopolitismus.. jener allweltliche Judensinn, den ihr uns preist als den höchsten Gipfel menschlicher Bildung.
Johann Gottlieb Fichte betrachtete bereits in der Abhandlung über die französische Revolution (1793) die Juden als Staat im Staat und sah nur das Mittel, ihnen ihr heiliges Land zu erobern und sie alle dahin zu schicken, um das Urvolk der Deutschen zu schützen.Denn ihr Staat sei intolerabel, weil er auf den Hass des ganzen menschlichen Geschlechtes aufgebaut ist. Fichte wendete sich gegen das Gefasel von zuckersüßen Worten von Toleranz und Menschenrechten und Bürgerrechten... ihnen Bürgerrecht zu geben, dazu sehe ich wenigstens kein Mittel, als das, in einer Nacht ihnen alle Köpfe abzuschneiden und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine jüdische Idee sey.  (11) 
Die antinapoleonische Bewegung im besiegten Preußen und anderen deutschen Ländern gebar ein monströses weltanschauliches Gebilde aus germanomanischem Größenwahn, eliminatorischem Hass auf Franzosen und Juden, bekenntnishaften Absagen an jederart von Mitmenschlichkeit und einer enthemmenden Ausrottungsterminologie.

b) Die Verwissenschaftlichung des romantischen Judenhasses zum Rassenantisemitismus
In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts erstarkte der Antisemitismus in Deutschland. Er ergriff immer weitere Bereiche der Gesellschaft. Ausgrenzung von Juden prägte das Verbands- und Vereinsleben. Die sog. Judenfrage wurde zu einem der beherrschenden Themen in der Öffentlichkeit. Es entstand eine neue „Wissenschaft“, die Rassentheorie. Die Ersetzung von vulgären Ausdrücken wie Judenfresser durch das gebildet klingende Antisemitismus verlieh dem Judenhass einen gesellschaftsfähigen Mantel. In der rassenbiologischen Hierarchie nahmen die Juden immer den verächtlichen Platz der Parasiten ein. Sie galten als die minderwertigste Rasse, die zu keiner der Gesellschaft dienlichen Tätigkeit zu gebrauchen sei, weil das ihrem gemeinen, egoistischen Charakter widerspreche. Sie seien nur darauf aus, das Volk auszusaugen und deshalb wie Ungeziefer zu behandeln. Der pseudowissenschaftliche Rassenantisemitismus war eine wichtige Umformung des wahnhaften Judenhasses seit der Antike. Sie war der entscheidende ideologische Schritt, um bei entsprechenden machtpolitischen Voraussetzungen die alten mörderischen Vernichtungsphantasien in die politische Tat des umfassend geplanten, industriellen Völkermordes umsetzen zu können.

5. Das Syndrom des wahnhaften Antisemitismus im christlichen Abendland
Der romantische Judenhass und seine Verwissenschaftlichung im rassenbiologischen Antisemitismus lassen sich umstandslos als die neuzeitliche säkulare Einkleidung der  Diabolisierung der Juden verstehen im Unterschied zu ihrem christlichen Gewand im Mittelalter. Es handelt sich um das Weiterleben desselben Hasses unter veränderten ideologischen Prämissen und weltanschaulichen Rahmenbedingungen. Die Produzenten von Aberglauben und mythischen Wahngebilden hatten nach der Aufklärung alles andere als ausgedient. Die mittelalterliche Verteufelung der Juden setzte sich fort den Hassparolen der Romantik, wuchs sich zum pseudowissenschaftlichen Rassismus aus, trieb seine giftige Lügenblüte in den Protokollen der Weisen von Zion  (12)  und vollendete sich praktisch in Auschwitz.
Im sogen. christlichen Abendland war also von Anfang an eine von Hass getriebene Entmenschlichung der Juden am Werk, die sie immer zu diabolischen Phantomen, zu einer tödlichen Bedrohung der ganzen Gesellschaft dämonisierte, sei es als Gottesmörder, Teufelsgenossen, Parasiten am Volkskörper, giftiges Ungeziefer oder boshafte Weltbeherrscher. Dieser Judenhass ist insofern ewig, weil es sich um ein epochenübergreifendes Phänomen handelt, das die antike Sklavenhaltergesellschaft, den mittelalterlichen Feudalismus und den neuzeitlichen Kapitalismus durchzieht, als Komplex durchgehend erhalten bleibt und immer die ideologische Garderobe der jeweiligen Epoche benutzt. Der neuzeitliche nationale und rassistische Judenhass ist nicht aufgrund seiner angeblich irreligiösen Gestalt  (13)  etwas anderes, sondern er ist aufgrund der Identität im Kern (die Diabolisierung der Juden) das Fortleben desselben Wahns in säkularem Gewand. Die gemeinsame Diabolisierung der Juden macht die verschiedenen historischen Gesichter des Antijudaismus zu einem die Zeiten übergreifenden ideologischen Wahn. Insofern kann man vom ewigen Antisemitismus sprechen.
Seinen Ausgang nahm dieser Hasskomplex von der kirchlichen Selbstermächtigung zum neuen Bundesvolk, das die Juden als Gottesvolk angeblich enterbt hat. Diese Selbsterhöhung war grundlos, weil sie exegetisch nicht zu begründen war.  (14)  Die im Mittelalter von der Kirche inszenierten Streitgespräche zwischen Rabbinern und christlichen Theologen waren deshalb auch nie freie Diskussionen, sondern eine Art Schauprozesse Christi, die in öffentlichen Verbrennungen talmudischer Schriften und Pogromen kulminierten. Es handelte sich um machtgestützte Inszenierungen, um die kirchliche Überlegenheit, ihren Wahrheitsanspruch, dem sich das Judentum konstant verweigerte, öffentlich zu manifestieren. Hier sollte bewiesen werden, was nicht bewiesen werden kann und bei Nichtzustimmung der Juden, dem einzigen biblischen Volk auf der Welt, immer im Schatten des Anzuzweifelnden bleibt. Die kirchliche Position, sie sei das neue biblische  Bundesvolk, war in sich ohne Halt und deshalb von vornherein unhaltbar, ein leerer Wahn. Wollte sie sich dennoch behaupten, so konnte das nur mithilfe politischer Macht geschehen. Deshalb führte das Festhalten daran zu einem Machtk(r)ampf, in denWahneines in sich ohnmächtigen und machtgestützten Judenhasses. Die ständige Bedrohung, die das für alle Juden bedeutete, machte ihr Leben im Abendland äußerst prekär. Zumal sich die Christen als das neue heilige Volk dazu ermächtigt sahen, Gottes Zorn an den Juden zu vollstrecken. Heiliger Wahn (Arndt) und heilige Gewalt (Girard) bilden seit der Stigmatisierung der Juden als Gottesmörder die treibende Kraft des abendländischen Antisemitismus.
Man kann in den antijüdischen Exzessen des Mittelalters eine Art rauschhafte Selbstbestätigung der Kirche in ihrem haltlosen, wahnhaften Selbstanspruch gegenüber dem jüdischen Volk sehen.  Wegen ihrer inhaltlichen Leere entwickelt die wahnhafte Selbsterhöhung über die Juden einen Wiederholungszwang, um sich in Machtexzessen und Demütigungen selbst zu bestätigen. So hat sich der Judenhass im Abendland mit einer inneren Eigendynamik entfaltet und als ein epochenübergreifendes irrationales Phänomen konstituiert, das in den historischen Diskurs, der das Profil einer Epoche rational, d.h. aus ihren ökonomischen und sozialen Verhältnissen erklären will, nicht vollständig eingeht. Der Antisemitismus geht zwar in die Strukturen einer Epoche ein, aber er entspringt ihnen nicht.
Neben dem grundlosen Hass  und der wahnhaften Selbsterhöhung gehört zum Phänomen des ewigen Antisemitismus der Aspekt der legitimierten heiligen Gewalt. Selbstermächtigung, Verteufelung und Hass führen unausweichlich zur Rechtfertigung zügelloser Gewalt gegen die Juden und zur Etablierung eines Sündenbockmechanismus, nach dessen Logik die Juden für alle beliebigen gesellschaftlichen Übel haftbar gemacht werden. Das gemeinsame Einschlagen auf den Sündenbock „reinigt“ die Gesellschaft, d.h. sie einigt sich auf einen angeblichen Schuldigen und verdrängt im rituellen Einschlagen auf ihn nach den wirklichen Ursachen der Missstände zu fragen. Das führt selbstredend in den Kreislauf eines gewalttätigen Wiederholungszwanges, der sich, der inneren Logik der Diabolisierung folgend, in der Vernichtung der Juden vollendet.

6. Das Fortleben des antisemitischen Wahns in den arabischen Ländern
Wie statistische Erhebungen belegen, sind antijüdische Vorurteile weltweit verbreitet. Man darf von einem universalen latenten Antisemitismus ausgehen. Doch in keiner Region durchdringt der Antisemitismus das ganze Leben so tief wie zurzeit in den arabischen Ländern. Wahnhafte Vorstellungen über die Juden sind dort seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in allen gesellschaftlichen Bereichen anzutreffen.
Die arabischen Reaktionen auf den Eichmann-Prozess bezeugten unverhohlenen Antisemitismus. Einen wirklichen Segen habe Eichmann der Menschheit mit der Ermordung der 6 Mio Juden erwiesen, und sein Werk werde noch mit der Liquidierung der verbliebenen 6 Mio vollendet werden.  (15)  Nach der Niederlage Ägyptens im 6-Tage-Krieg mit dem Pamphlet von Sayyid Qutbs 'Unser Kampf gegen die Juden' überschwemmt. Dieses Machwerk verdreht Mohammeds Krieg gegen die jüdischen Stämme Arabiens zur Wahnidee von einer jüdischen Weltmacht, die den Islam von Anfang an vernichten wollte.
'Mein Kampf' ist in Ägypten, Syrien und der Türkei ein Bestseller. In Kairos Buchläden liegt das Buch offen aus, oft unter der Rubrik 'Politische Wissenschaften'. Die türkische Übersetzung von 'Mein Kampf' erschien 2004 und war ein Jahr danach auf Platz 4 der Bestsellerliste.  Ähnliches gilt für die 'Protokolle der Weisen von Zion'. Sie sind dem Namen und auch dem Inhalt nach allgemein bekannt. Seit den 90er Jahren erscheinen jedes Jahr Neuauflagen der Protokolle, sei es in Syrien, Ägypten oder Libanon. Die 'Protokolle der Weisen von Zion' und der damit verbundene Glaube an die jüdische Weltverschwörung ist keine Randerscheinung, sondern eine feste Konstante im Bewusstsein ganzer Nationen und ein leitendes Motiv ihrer Politik.  (16)  In der arabischen Bevölkerung sind Wahnideen en vogue wie, die Juden würden ein Erdbeben planen, um die Al Aqsa-Moschee in die Luft zu sprengen oder sie würden Pillen entwickeln und verkaufen, um alle Araber impotent zu machen. Der Holocaust wird allgemein geleugnet oder infrage gestellt. Auch dass die Juden ihn selber inszeniert hätten, wird behauptet. Die Medien, Zeitungen wie Fernsehen sind voll von Antisemitismen, die den Glauben an die jüdische Weltverschwörung ständig nähren. Institutionen und Familien erziehen zum Hass auf die Juden.  (17)

7. Stimmen gegen den Wahn

a) Saul Ascher
Wir kennen nur wenige Stimmen, die vor dem nationalsozialistischen Völkermord auf dieses hassgeladene Wahnsyndrom warnend hingewiesen haben. Beide lebten im 19. Jahrhundert und sprachen aus dessen Horizont. Es handelt sich um Saul Ascher (1767-1822) und Heinrich Heine (1797-1856).
Die Stimme des jüdischen Literaten Ascher richtete sich gegen den grassierenden religiösen und nationalistischen Antisemitismus der Zeit. Zum damals bekannten Außenseiter machte ihn seine Kritik an Fichte, dem er rassistischen Antisemitismus vorwarf (1794). Seine berühmtere Streitschrift Die Germanomanie. Skizze zu einem Zeitgemälde erschien 1815. Eine Gruppe Burschenschaftler, die 1817 auf der Wartburg den 300. Jahrestag der Reformation und den Sieg über Napoleon in der Leipziger Völkerschlacht von 1813 feierte, warf unter dem Motto Ehre, Freiheit, Vaterland und dem begleitenden Sinnspruch Wehe über die Juden, so da festhalten an ihrem Judenthum und wollen über unser Volksthum und Deutschthum spotten und schmähen in die Flammen. Ascher bekämpfte die feindliche Gegenüberstellung von Judentum und Deutschtum. Er definierte nationale Zugehörigkeit allein über das Gesetz, wandte sich gegen jede Identitätsmystik und setzte sich vehement für die Gleichberechtigung der Juden unter der bürgerlichen Verfassung ein.
Was beabsichtigen die Fanatiker in dem Eifer ihrer Germanomanie? Wozu die Anregung zu einem Kreuzzuge gegen alles Undeutsche oder Ausländische? Soll Deutschland das Beispiel zur Zwietracht und zum Nationalhass aufstellen?, fragte Ascher 1815. Worte von geschichtlicher Klarsicht. Er hatte die Vision von einer Nation, die das Beste aller Zeitalter und Völker in sich vereinigt. 1818 reagierte er auf die Verbrennung seiner Streitschrift und fragte, ob sie die Germanomanie verbrannten, weil ich darin behauptete, daß jeder Mensch ebenso organisiert wie der Deutsche, daß das Christentum keine deutsche Religion sei, dass Deutschland nicht vorzugsweise den Urdeutschen zum Wohnsitz ausgewiesen ist... Hatte ich denn etwa nicht recht zu folgern, dass diejenigen, die das Gegenteil lehren, von Vorurteil, Egoismus und Habsucht besessen sind. Saul Ascher erkannte sehr deutlich die Besessenheit des aufkommenden deutschen Nationalismus, seine aggressive und wahnhafte Selbsterhöhung gegen alles Jüdische und Fremde.(18)

b) Heinrich Heine
Mit einer geradezu prophetischen Warnung beschließt Heine seine Religion und Philosophie in Deutschland. Sie spricht in ihrer visionären Weitsicht für sich: So wird der Naturphilosoph dadurch furchtbar sein, daß er die dämonischen Kräfte des altgermanischen Pantheismus beschwören kann, und daß in ihm jene Kampflust erwacht, die wir bei den alten Deutschen finden, und die nicht kämpft, um zu zerstören, noch um zu siegen, sondern bloß um zu kämpfen. Das Christentum – und das ist sein schönstes Verdienst – hat jene brutale, germanische Kampflust einigermaßen besänftigt, konnte sie jedoch nicht zerstören, und wenn einst der zähmende Talisman, das Kreuz, zerbricht, dann rasselt wieder empor die Wildheit der alten Kämpfer, die unsinnige Berserkerwut, wovon die nordischen Dichter soviel singen und sagen. Jener Talisman ist morsch, und kommen wird der Tag, wo er kläglich zusammenbricht. Die alten steinernen Götter erheben sich dann aus dem verschollenen Schutt, und treiben sich den tausendjährigen Staub aus den Augen, und Thor mit dem Riesenhammer springt endlich empor und zerschlägt die gotischen Dome... Der deutsche Donner ist freilich auch ein Deutscher und ist nicht sehr gelenkig, und kommt etwas langsam herangerollt; aber kommen wir er,  und wenn Ihr es einst krachen hört, wie es noch niemals in der Weltgeschichte gekracht hat, so wisst: der deutsche Donner hat endlich sein Ziel erreicht. Bei diesem Geräusche werden die Adler aus der Luft tot niederfallen, und die Löwen in der fernsten Wüste Afrikas werden die Schwänze einkneifen, und sich in ihren königlichen Höhlen verkriechen. Es wird ein Stück aufgeführt werden, wogegen die französische Revolution wie eine harmlos Idylle erscheinen möchte. Jetzt ist es freilich ziemlich still: und gebärdet sich auch dort der Eine oder der Andere etwas lebhaft, so glaubt nur nicht, diese würden einst als wirklich Akteure auftreten. Es sind nur die kleinen Hunde, die in der leeren Arena herumlaufen und einander anbellen und beißen, ehe die Stunde erscheint, wo dort die Schar der Gladiatoren anlangt, die auf Tod und Leben kämpfen sollen.  (19)
Heine und Ascher erkannten die Brandgefährlichkeit des monomanen Wahns in der Germanomanie. Heine sieht darüber hinaus sein historisches Heranwachsen in der deutschen Religion und Philosophie. Beide erscheinen wie Kassandra, deren weitsichtige Worte an der blindwütigen nationalen Bewegung der Deutschen und am tief sitzenden Antisemitismus des 19. Jahrhunderts ungehört abprallten.  (20) 
Neben die Denkwürdigkeit, dass es offenbar nur Juden waren, die den mörderischen Wahn, der sich im Abendland zusammenbraute, erkannten, kommt eine weitere zu stehen, dass nur die jüdische Bibelauslegung über die Grundlosigkeit des Hasses reflektiert hat.

8. Die Unbedingtheit des Ethischen im jüdischen Denken

a) Die Grundlosigkeit des Hasses
Hermann Cohen hat darauf hingewiesen, dass das alttestamentliche Gebot der Feindesliebe  (21)  durch einen Begriff vertieft wird, welcher geeignet die psychologische Beseitigung der Feindschaft zu ermöglichen. Es ist der Begriff des „grundlosen Hasses“. Der grundlose Hass sei eine Sünde wie Götzendienst, Blutschande und Mord, seinetwegen sei der zweite Tempel zerstört worden, schreibt der Talmud (Joma 9b). Cohen: Haß ist immer grundloser Haß. Er wendet sich dagegen, den Hass unter die im Menschen liegenden Seelenkräfte zu rechnen. Denn erst mit der Ausschließung des Hasses aus dem Inventar der menschlichen Seelenkräfte bahnt sich der Seelenfriede und der Weltfriede an. Für den Seelenfrieden und die Hoffnung auf Frieden bedarf der Mensch Zuversicht, dass der Völkerhaß ausgetilgt werde aus dem Kulturbewußtsein der Menschheit... Der Pessimismus wurzelt in dem psychologischen Irrgedanken, dass der Haß eine wirtschaftliche Ordnungskraft im Haushalt der Natur wäre, wie der Kampf ums Dasein, der unzählige Keime ausrottet, um sie aus dem Wettkampf auszuschalten.. Wir weisen die Analogien zwischen dem Reich der Natur und dem der Sittenwelt als Irrlichter zurück. Der Hass ist der Widerspruch gegen den Seelenfrieden und den Weltfrieden. Der Mensch suche den Frieden und jage ihm nach und das Gespenst des Hasses wird vor ihm in ein Nichts verschwinden. Der Friede ist die Seelenkraft, welche alle Gespenster, die die Sittlichkeit, die Reinheit der Seele bedrohen, verscheucht und zunichte macht. Der Pessimismus ist ein solches Gespenst des Rationalismus und des Idealismus.  (22) 
Mit der Rede von der Grundlosigkeit des Hasses sagt Cohen, dass er keine Ursache habe, die ihn entschuldigen würde. Dagegen sei er eine rein ethische Verfehlung. Dementsprechend lesen wir 3Mose 19,17: Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen. Recht zurechtweisen sollst du deinen Nächsten, dass du nicht seinetwegen Sünde tragest. Der Hass ist ein reines Phänomen mitmenschlicher Verantwortung, auch in dem Sinne, dass ein jeder für den Hass seines Nächsten Verantwortung trägt. Wenn nicht verhält er sich zu seinem Nächsten nicht als Mitmensch, sondern als Nebenmensch. Sich nicht für den anderen verantwortlich fühlen ist der Anfang des Hasses in deinem Herzen. So ist das Anhalten zur Zurechtweisung gemeint: den Nächsten ins Rechte weisen.  (23) 

b) Das ewige Gegenüber: Der mörderische Grund der sogen. Kulturen und die jüdische Ethik
Der französische Kulturanthropologe René Girard (1923-2015) hat darauf hingewiesen, dass quasi jeder Kulturgründung eine mörderische Bluttat an einem für den Zusammenhalt der Kultur geopferten Sündenbock zugrunde liege, die in Wiederholungsritualen  (Opferriten) unbewusst revitalisiert wird und in mythischen Gründungslegenden versteckt zum Ausdruck kommt. Allein die biblische Tradition, Judentum und Christentum, habe mit der Opferreligion und dem Sündenbockdenken gebrochen und zu einem ethischen Realismus gefunden.  (24)  Der ethische Realismus der jüdischen Bibel, die die Menschheitsgeschichte mit einem Brudermord beginnen lässt, ist einzigartig im Umfeld von Völkern, die den Beginn ihrer Geschichte in Mythen vernebeln, bis heute.  (25) 
Ein Zufall? Die jüdische Bibel erkennt die Grundlosigkeit des Hasses und blickt auf die sogen. Kulturgeschichte der Menschheit mit einer einmaligen ethischen Nüchternheit. Ohne den Versuch einer beschönigenden Augenwischerei beginnt für sie die Kulturgeschichte mit einem Brudermord  (26)  und setzt sich in der Spur dieses Anfangs fort. Beides gehört zusammen. Erst dort, wo der Mord in Beziehung zur Gottesebenbildlichkeit des Menschen, also als eine Untat an der Menschheit gesehen wird, gilt sein Verbot apodiktisch, kategorisch oder absolut und nicht relativ, d.h. als nützlich für die Selbsterhaltung oder die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung. Erst dort gibt es Ethik und nicht nur Biologie oder Soziologie. Erst dort, wo die Ethik rein von Utilitarismus ist, können der Hass  und der Mord als letztlich grundlos erkannt werden.
Mit ihrem ethischen Realismus legt die jüdische Bibel den Finger auf den Schandfleck jeder Kulturgründung, auf die mörderische Gewalt ihrer Etablierung, die sie mit einem heroischen und tugendhaften Selbstbild zu verwischen sucht. Wohl wissend legt sie die Antwort auf das dem Hass zugrunde liegende ethische Problem in die sich selbst beantwortende Frage des Brudermörders Kain: Soll ich meines Bruders Hüter sein? (1Mose 4,9). Damit hält sie selbst und den anderen Kulturen einen einen universal gültigen Spiegel vor. Der Mörder, der Hasser weiß, was er seinem Mitmenschen schuldet. Er mordet trotzdem, also bewusst.
Hat das Judentum deshalb so viel Hass auf sich gezogen? Wegen seiner die Mitmenschlichkeit  nicht ausblendenden realistischen Weltsicht? Wegen seines ganz nüchternen nach Gerechtigkeit fragenden Denkens? Wegen seines unmythologischen Verhältnisses zur Gewalt in der Geschichte der Menschen? Die Bibel kennt keine heilige Gewalt, d.h. keine Gewaltverherrlichung. Gerade dem erwählten Volk sind egozentrische Selbststilisierung und mythologische Selbsterhöhung fremd geblieben! Das von der Thora nüchtern gemachte Volk können die Mythen der Heidenvölker nicht beeindrucken. Insofern  hält das jüdische Volk den anderen Völkern allein durch seine Existenz als des ewig anderen Volkes einen Spiegel vor, der ihren Selbstanspruch ständig in Frage stellt. Daran werden sie sich immer wieder reiben. Erst die Umkehr der Völker zur Ethik der Thora wird allen Hass überwinden und den erhofften Schalom, den Frieden auf Erden bringen (Jes 2,2-5; Mi 4,1-4; Lk 2,14).

  1. Wie W. Laqueur, Gesichter des Antisemitismus, 2006 gehen wir von einem Phänomen aus, das von der Antike bis heute sein Unwesen treibt, und weil es nur sein Gesicht verändert, epochenübergreifend mit einem Begriff bezeichnet werden sollte. So stellt sich aber zwingend die Frage nach dem Wesen der Kontinuität. Wir finden sie aufseiten der Antisemiten in einem Wahn, der, wie wir am Ende unseres Aufsatzes vermuten, immer vergeblich gegen das Judentum anrennen wird.
  2. Gegenwärtig sind vor allem die arabischen Länder von einem unverschleierten wahnhaften Antisemitismus erfasst: Hitlers Mein Kampf ist in jedem Buchladen erhältlich; der Holocaust wird geleugnet; die Protokolle der Weisen von Zion finden Jahr Jahr neue Auflagen; es wird zum Hass auf die Juden erzogen.
  3. Dieser Gedanke lebte bis in die jüngste Vergangenheit: Wenn ich mich der Juden erwehre, vollbringe ich das Werk des Herrn (Hitler).
  4. R. Girard, Die verkannte Stimme des Realen, München 2005, S. 127
  5. Rechtlich waren die Juden zwar Reichsbürger. Schutzherr und Appellationsinstanz war für sie der Kaiser. Der aber war politisch zu schwach und oft auch wenig interessiert, für gerechtere Verhältnisse zu sorgen. Antisemitische Einstellungen und Pogrome lagen außerhalb seiner Einflussmöglichkeiten. Hier wirkte allein der Klerus.
  6. L. Poliakov, Humanität, Nationalität, Bestialität, in: Hrg. E. Weber, Jüdisches Denken in Frankreich, Frankfurt a.M., 1994, S.141
  7. K. P. Lehmann, Der Born des Antisemitismus, Katholische Messtheologie und lutherische Gesetzeslehre weisen den Weg in eine antijudaistische Ökumene, Materialdienst Ev. Ak Kirche und Israel in Hessen und Nassau, Nr. 3, 1998, S. 2-11
  8. Die Juden sind unser Unglück ist die säkularisierte Variante desselben Wahns, der in der Neuzeit nicht verschwand, sondern nur sein Kleid wechselte. Denn genau besehen hat das „böse Unglück“ als böses Schicksal dieselben Auswirkungen wie das Wirken des Teufels.
  9. E. M. Arndt. Andere namhafte Hassprediger waren Fr. L. „Turnvater“ Jahn, J. G. Fichte, H. v. Kleist, H. v. Hundt-Radowsky. Einige Zitate: Ich will den Hass, brennenden und blutigen Hass (Arndt); Mit dem blutigen Schwert der Rache zusammenhauen (Jahn). H. v. Kleist sprach aus, was die Entfesselung des Hasses voraussetzt, die Verneinung jeder moralischen Bindung: So verlasst, voran der Kaiser, Eure Hütten, eure Häuser, Schäumt, ein uferloses Meer, Über diese Franken her!... Wer, in unzählbaren Wunden, Jener Fremden Hohn empfunden, Brüder, wer ein deutscher Mann, Schließe diesem Kampf sich an!... Dämmt den Rhein mit ihren Leichen;... Eine Lustjagd, wie wenn Schützen Auf die Spur dem Wolfe sitzen! Schlagt ihn tot! Das Weltgericht fragt euch nach Gründen nicht (Germania an ihre Kinder, Sämtliche Werke, München 1962, S. 903f).
  10. Der Judenspiegel fand schnell weite Verbreitung, er erschien unter dem sprechenden Pseudonym Christian Schlagehart angeblich in Würzburg, dem ersten Ort der Hep-Hep-Krawalle 1819.
  11. Fichte, Werke Bd. 6, S. 149ff. Die Zitate ohne Quellenangabe in diesem Absatz 4a sind entnommen: C. Staas, „Ich will den Hass“, Die Zeit, 2.10.13, S. 18 oder den Internet-Artikeln „Vordenker des Holocaust“ und „Einheit durch Reinheit“ (Zeit Online) oder „Antisemitismus bei Fichte – Kulturkritik.net“.
  12. K. P. Lehmann, Urteil statt Vorurteil. Heute: Protokolle der Weisen von Zion, Blickpunkt.e Nr. 3, 2009
  13. Eine saubere Unterscheidung von religiösem Antijudaismus und politische motiviertem Antisemitismus ist ist auch phänomenologisch nicht möglich, weil sich in der Neuzeit religiöse und säkulare Motive immer wieder mischen.
  14. Genau genommen war der Judenhass auch in seiner christlichen Gestalt im strengen Sinne nie religiös oder christlich. Denn er hatte sich in der stur festgehaltenen falschen Auslegung der Schrift, die ja nur der Selbstermächtigung dienen konnte, von seiner religiösen Grundlage, eben der Schrift, schon getrennt. Auch wenn die historische Entstehung dieses Phänomens kaum je präzise wird nachgezeichnet werden können, eins muss aber mit Sicherheit geschehen sein: Irgendwann muss der Wille zur Selbstermächtigung den Willen zur exegetischen Einsicht besiegt haben. Das ist der Punkt des Sündenfalls der Kirche, in dem alles historisch Folgende potentiell beschlossen liegt.
  15. Die Zeitungen in Damaskus, Beirut, Kairo und Jordanien verhehlten weder ihre Sympathie für Eichmann noch ihr Bedauern, dass er „sein Geschäft nicht zu Ende geführt habe.
  16. C. Matussek, Der Glaube an eine „jüdische Weltverschwörung“. Eine Rezeption der „Protokolle der Weisen von Zion“ in d.er arabischen Welt, Münster 2012, S. 117
  17. K. P. Lehmann, Antisemitismus in arabischen Ländern, Blickpunkt.e 5/2013; Islamischer Antisemitismus, a.a.O., 5/2009; Die Muslimbruderschaft, a.a.O., 1/2013
  18. Zu Saul Ascher vgl. A. Thiele, Gegen den ewigen deutschen Hass, Die Zeit 5.11.2015, S. 19
  19. Heinrich Heine, Sämtliche Schriften, Hrg. K. Briegleb, Bd. 5, S.639f
  20. K. P. Lehmann, über Antisemitismus im 19.Jahrhundert: Romantik, Liberalismus, Konservatismus und Rassenantisemitismus, s. Blickpunkt.e Nr. 3-6, 2014
  21. Entsprechend dem Schlussverfahren des Kal Vachomer erblickt die rabbinische Exegese in der Anweisung, den verirrten Esel deines Feindes diesem zurückzubringen (2Mose 23,4), das implizite Gebot der Feindesliebe. Vgl. a. Spr 25,21; Röm 12,20).
  22. Hermann Cohen, Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums, 3. Aufl., Wiesbaden 1995, S. 521-524
  23. Mit dieser Sichtweise setzt sich Cohen deutlich von der zeitgleich aufblühenden Psychoanalyse und ihrer Kulturanthropologie ab. Während bei Cohen die Buße den Menschen zum ethischen Ich-Individuum emporhebt (a.a.O., S. 236), gibt es bei Freud nur ein Schuldbewusstsein, das sich der Angst vor der Autorität oder der Angst vor dem Über-ich verdankt (Sigmund Freud, Das Unbehagen an der Kultur, Hamburg 1953, S. 111, 114f) und deshalb die Folge eines Triebverzichts sei. Deutlich wird der Unterschied auch in dieser kurzen Gegenüberstellung. Freud: Ich meine, solange sich die Tugend nicht schon auf Erden lohnt, wird die Ethik vergeblich predigen (a.a.O., S. 127). Cohen: Der Lohn gehört in das verbotene Land der Eudämonie... Der Lohn der Pflicht ist die Pflicht... Es gibt keinen anderen Lohn als welcher in der unendlichen, unaufhörlichen Aufgabe der Sittlichkeit selbst besteht (a.a.O., S. 374).
  24. Girard, a.a.O., S. 124. Die Rückkehr des Christentums zu einer Opferreligion führe zwangsläufig in den Antisemitismus, der die Vorstellung von der Heiligkeit der Gewalt wiedereinführt. (Girard, a.a.O., S. 127).
  25. Dass der Gründungsmord der USA der Genozid an den Indianervölkern ist, wird ebenso ausgeblendet wie der mörderische Antisemitismus in der heute üblichen Rede von der Kultur des jüdisch-christlichen Abendlandes. Dagegen pflegen die Amerikaner den Mythos um die Gründergeneration und Europa sieht sich durch die Aufklärung als Hüter der Demokratie und der Menschenrechte.
  26. Genauer oder schlimmer noch: mit dem Mord an einem Menschen von gerechter Gesinnung. Abel brachte mit den Erstlingen seiner Schafen im Unterschied zu Kain eine rechte  Gabe dar, in der sich seine Gesinnung zeigt. Kain ergrimmt grundlos, weiß um seine drohende Verfehlung und ermordet Abel dennoch (1Mose 4,3-8).

 

Klaus-Peter Lehmann, Jg. 1946, studierte Theologie bei Gollwitzer und Marquardt und war bis zu seinem Ruhestand Pfarrer der Nordelbischen Kirche in Hamburg. Aktiv im jüdisch-christlichen Dialog mit zahlreichen Veröffentlichungen in kirchlichen Zeitschriften und Buchveröffentlichungen. Er lebt seit 2005 in Augsburg.

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