Redaktion: Hans-Georg Vorndran

BlickPunkt.e Nr. 2 / April 2016

 

Schritte auf dem Weg zu Gerechtigkeit und Frieden in Israel und Palästina
Eine Erklärung der Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland

Beschluss
1. Die Evangelische Kirche im Rheinland erinnert an ihre landessynodalen Beschlüsse, in denen die Solidarität mit dem Staat Israel und das Eintreten für seine Sicherheit seit vielen Jahrzehnten unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht wird. Allen Formen von Israelfeindschaft und Delegitimierung des Staates Israel tritt die Evangelische Kirche im Rheinland entschieden entgegen.

2. Sie erinnert zugleich an die völkerrechtlich verbindliche Beschlusslage, der zufolge ein in Sicherheit lebender Staat Israel und ein palästinensischer Staat in Frieden und Sicherheit nebeneinander bestehen sollen („Zwei-Staaten-Lösung“). Hierfür ist die Anerkennung auch der palästinensischen Eigenstaatlichkeit notwendig, die einen nachhaltig wirkenden Friedensprozess vorantreiben kann.

3. Die Evangelische Kirche im Rheinland fordert die Konfliktparteien auf, die Suche nach einer politischen Lösung auf dieser Grundlage zu intensivieren.

4. Sie wird in Gesprächen
a) mit der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihren Gliedkirchen,
b) mit ihren ökumenischen Partnern,
c) mit Gesprächspartnern aus dem Bereich der Politik und Diplomatie,
d) mit den jüdischen und muslimischen Gesprächspartnern in Deutschland
e) sowie mit den jüdischen und palästinensischen Gesprächspartnern in Israel und in Palästina

für notwendige Schritte in Richtung auf eine völkerrechtliche Anerkennung der palästinensischen Eigenstaatlichkeit durch die Bundesrepublik Deutschland eintreten.

Am 14. 1. 2016 mit großer Mehrheit von den 211 Landessynodalen (bei sechs Gegenstimmen und acht Enthaltungen) beschlossen.

 

Begründung
zu 1.
Die Evangelische Kirche im Rheinland hat sich schon lange in besonderer Weise für die Erneuerung ihres Verhältnisses zum Judentum eingesetzt. Dabei hatte immer wieder auch die politische Dimension des jüdisch-christlichen Verhältnisses, insbesondere in Bezug auf den Staat Israel, hohe Bedeutung. So gehörte die rheinische Synode 1965 zu denen, die die Bundesregierung dringend aufforderten, Israel das Angebot zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu machen.

Im rheinischen „Synodalbeschluss zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“ von 1980 wird die „Errichtung“ und 2005 wurde von der Synode ausdrücklich ergänzt, auch die „fortdauernde Existenz“ des Staates Israel als „Zeichen der Treue Gottes gegenüber seinem Volk“ verstanden und gedeutet (vgl. hierzu vor allem auch: Evangelische Kirche im Rheinland, Den rheinischen Synodalbeschluss zum Verhältnis von Christen und Juden weiterdenken, Düsseldorf 2008; EKiR, Diskussionsimpuls zur Lage in Israel/Palästina, Düsseldorf 2011). Damit wird weder der säkulare Staat Israel religiös überhöht, noch werden Gebietsansprüche oder Grenzen legitimiert. Wohl aber wird nach der versuchten Vernichtung des jüdischen Volkes in der Shoa die Existenz Israels als Grund zur Mitfreude am Überleben des von Gott erwählten Volkes benannt, der es bewahrt hat und bis heute bewahrt (vgl. zuletzt auch Evangelische Kirche in Deutschland, Gelobtes Land?, Hannover 2012, 105ff).

In allen Zusammenhängen wird die Evangelische Kirche im Rheinland auch weiterhin konsequent gegen jede Form von Antisemitismus und Israel-Feindschaft in unserer Gesellschaft einstehen.

zu 2.
Eine „Zwei-Staaten-Lösung“, in der der Staat Israel gemeinsam mit einem Staat Palästina existiert, ist seit dem sogenannten UN-Teilungsplan (Resolution 181) völkerrechtlich der Weg zu einem gerechten Ausgleich in der Region. Grundlage für die Differenzierung zwischen Israel und Palästina bleibt in den Friedensinitiativen bis heute eine Linie, die sich an den Vorkriegsgrenzen von 1967 orientiert. Angesichts der durch die Erfolglosigkeit bisheriger Verhandlungen und eine seit nunmehr fast 50 Jahren andauernde Siedlungspolitik entstandenen Realität wird die Umsetzbarkeit einer „Zwei-Staaten-Lösung“ verschiedentlich auch schon in Frage gestellt. Völkerrechtlich tragfähige Alternativen zeichnen sich bisher allerdings nicht ab und könnten auch in Zukunft nur von Israel und Palästina gemeinsam entwickelt werden. Nur Verhandlungen und Dialog zwischen den Konfliktparteien können den Weg zu einem gerechten Ausgleich bilden. Dafür ist es notwendig, dass Israel und Palästina als zwei Staaten miteinander verhandeln können. International anerkannte Eigenstaatlichkeit verpflichtet Israel und einen zukünftigen Staat Palästina auch auf die Verpflichtungen, die sich aus staatlicher Verfasstheit im Völkerrecht ergeben (z.B. Recht auf Selbstverteidigung, Artikel 51, sowie Verpflichtung zum Gewaltverzicht, Artikel 2 Nr. 4 der Charta der Vereinten Nationen).

Die Evangelische Kirche im Rheinland ist davon überzeugt, dass die Differenzierung zwischen israelischem und palästinensischem Staatsgebiet nicht zuletzt auch für Israels Zukunft als „jüdischer Staat“ (d.h. als Demokratie mit einer jüdischen Mehrheit und mit Schutz von Minderheiten) unerlässlich ist.

zu 4.
In intensivem Kontakt zu Jüdinnen und Juden und zu palästinensischen Gesprächspartnern bestärkte sich für die Evangelische Kirche im Rheinland die Überzeugung, dass die Eigenstaatlichkeit Palästinas völkerrechtlich und politisch ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu Gerechtigkeit und Frieden in der Region ist. Zuletzt hat sich dies in drei jüdisch-christlichen Workshops konkretisiert, die die Evangelische Kirche im Rheinland und die Evangelical Lutheran Church in Jordan and the Holy Land (ELCJHL) seit 2012 in Jerusalem und Bet Jalla gemeinsam mit jüdischen Gesprächspartnern vornehmlich aus Israel und den USA veranstaltet haben.

Die Evangelische Kirche im Rheinland sieht sich mit ihrem Anliegen, in der Bundesrepublik Deutschland notwendige Schritte auf dem Weg zur Anerkennung palästinensischer Eigenstaatlichkeit voranzutreiben, im Einklang mit der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Dezember 2014 zur Anerkennung der palästinensischen Eigenstaatlichkeit (2014/2964(RSP)), in der auch das EU Parlament „seine nachdrückliche Unterstützung“ bekräftigt für eine „Zwei-Staaten-Lösung auf der Grundlage der Grenzen von 1967 mit Jerusalem als Hauptstadt beider Staaten, bei der ein in Sicherheit lebender Staat Israel und ein unabhängiger, demokratischer, zusammenhängender und lebensfähiger palästinensischer Staat auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts und der uneingeschränkten Achtung des Völkerrechts in Frieden und Sicherheit nebeneinander bestehen.“

Text mit Aussprache hier
http://www.ekir.de/www/downloads/ekir2016ls_schritte-auf-dem-weg-zum-frieden.pdf

 

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