Redaktion: Hans-Georg Vorndran

BlickPunkt.e Nr. 5 / Oktober 2016

 

Katja Schmidtke
Kein Sockelheiliger
EKM will ihr Verhältnis zu Luthers Judenhass klären

In der neuen Dauerausstellung des Eisenacher Lutherhauses ist ein Kuriosum der Reformationsgeschichte zu bestaunen. In die Figurengruppe eines Altar-Flügels aus Großkromsdorf, der Anfang des 16. Jahrhunderts entstand, aber offensichtlich danach verändert worden ist, reiht sich neben dem Heiligen Nikolaus und dem Heiligen Wolfgang auch ein Gelehrter und Prediger mit unverkennbaren Gesichtszügen ein: Martin Luther. Noch zu dessen Lebzeiten wurde die sehr plastische Figur angefertigt.

Luther-Bild revidieren
Luther als Heiliger? Lange wurde der Mönch und Professor als Kirchenerneuerer ausschließlich verehrt. Dieses Erbe wirkt nach – »Das ist unsere Sozialisation, Luther als Sockelheiliger«, war auch von Synodalen auf der EKM-Frühjahrstagung zu hören. Offenbar hat es lange gedauert, sich von diesem Luther-Bild zu verabschieden; zumindest hat die Synode das Thema erst jetzt auf die Agenda gesetzt; auf Antrag der Synode des Kirchenkreises Erfurt. »Wir pflegen in Erfurt ein gutes Verhältnis zur jüdischen Gemeinde und haben uns damit auf unserer Kreissynode im November beschäftigt. Von unseren Synodalen kam der Vorschlag, dass dies auch die Landessynode tun möge«, berichtet Andreas Greim von der Erfurter Predigergemeinde. »Luther ist für uns kein Heiliger. Er ist ein Mensch aus Fleisch und Blut mit all seinen gottgeschenkten Begabungen, ebenso mit seinen Schwächen und seinem fehlerhaften Verhalten«, heißt es in dem Erfurter Papier. Dies sahen auch die EKM-Synodalen so und stimmten dem Antrag zu. Demnach soll sich die EKM öffentlich von Luthers Judenfeindlichkeit distanzieren, das Verhältnis von Christen und Juden umfassend würdigen und dazu Material für die Gemeindearbeit bereitstellen.

Arbeitsgruppen gebildet
Zu einer großen Aussprache im Plenum über Luthers dunkle Seite ist es im Kloster Drübeck nicht gekommen. In acht Arbeitsgruppen debattierten die Synodalen im Anschluss an einen Vortrag von Axel Töllner, Landeskirchlicher Beauftragter für christlich-jüdischen Dialog in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Bayern. Töllner betonte: »Luthers Blick auf die Juden ist kein Nebenthema seiner Theologie. Es ist ebenso wenig ein Nebenthema der anderen Reformatoren.« In dieser Deutlichkeit sei ihm das nicht bewusst gewesen, sagte selbst Antragsteller Andreas Greim. Auf der Synode hieß es nun: Dem Umgang mit diesem judenfeindlichen Erbe komme innerhalb der EKM eine besondere Bedeutung zu, schließlich ist sie die Kirche, auf deren heutigen Gebiet Luther lebte und wirkte.

Bildungsarbeit gefordert
Im Kernland der Reformation sei deshalb Bildungsarbeit wichtig, so einer der Vorschläge. Konkretes Material für die pädagogische Arbeit, vom Konfirmandenunterricht bis zum Seniorenkreis, wurde gefordert.
Die Vorschläge und Ideen der Synode werden nun von einer Arbeitsgruppe aus Synodalen und Mitgliedern des Beirats für den christlich-jüdischen Dialog der EKM ausgewertet. Sie bereiten eine Beschlussfassung vor, die im Herbst auf der Tagesordnung stehen wird. Dann hat das Reformationsjahr bereits begonnen.

Glaube und Heimat. Mitteldeutsche Kirchenzeitung, 17. 4. 2016

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