Informationen aus Israel

von Michael Krupp und Ulrich W. Sahm, Jerusalem

Interreligiöse Konferenz als Auftakt der Milleniumsfeiern
Als Auftakt zu den Milleniumsfeiern in Israel ist Ende November eine internationale Konferenz wichtiger Religionshäupter zuende gegangen. Die Konferenz, die das Thema "zu einem Weltfrieden" hatte, dauerte drei Tage und fand in der Villa Beit Gabriel am Südende des Sees Genezareth statt. Stargast war der Dalai Lama. Hauptveranstalter war die internationale Organisation "Jubillenium", eine Vereinigung, die am Beginn des neuen Milleniums den Frieden in der Welt durch größere Toleranz propagiert.

Unter den hundert ausgewählten Gästen aus dem Ausland waren Religionshäupter aus den verschiedenen Krisengebieten in der Welt, in der die Religion bisher eher ein Störfaktor auf dem Weg zum Frieden war, wie Bosnien, Irland, Israel, Palästina und Afrika. So nahmen an der Konferenz beispielweise aus Bosnien der Repräsentant der Moslems, Ifet Mustafic, das Haupt der orthodoxen Christen, Metropolit Nikolai, und der Präsident der jüdischen Gemeinschaft, Danilo Nicolic, teil. Den Vatikan vertrat der Direktor für den Interreligiösen Dialog der Milleniumsfeiern, Monsignore Michael Fitzgerald. Aus den Vereinigten Staaten nahm das Oberhaupt der amerikanischen Moslems, Imam Wallace Deen Muhammed, teil, aus Afrika der Erzbischof Mdumiso Harry Ngada.

Die Konferenz hatte in den Ruinen der byzantinischen Kirche von Kursi am östlichen Ufer des Sees begonnen, dem Ort, wo nach der Tradition Jesus einen Besessenen geheilt hatte, dessen böse Geister in eine Schweineherde gefahren waren. Das Programm der Tagung bestand vorwiegend aus öffentlichen Diskussionen in Gesprächsrunden zu Themen wie "politische Führerschaft in der Lösung religiöser und ethnischer Konflikte" und "Erziehung kommender Generationen für globale Toleranz und Respekt" und aus Arbeitsgruppen, wo im kleinen Kreis die Vorträge und Äußerungen der Redner nach Themen geordnet aufgearbeitet wurden.

Alle Redner betonten die Wichtigkeit des Friedens und versuchten, diesem Ziel mit Unterstreichung der Friedenselemente in allen Religionen näher zu kommen. Besondere Aufmerksamkeit erhielt eine Gesprächsrunde mit dem Dalai Lama, der sich verschiedenen Grass-roots Organisationen in Israel zur Verfügung stellte. Auf die Frage, warum denn die Religionen, die vorgeben, dem Frieden nachzujagen, so häufig Ursache für ernsthafte und gewaltsam ausgetragene Konflikte sei, sagte das Oberhaupt der tibetanischen Buddhisten, daß er darauf auch keine Antwort habe. Vielleicht hänge es aber mit einer fehlenden Toleranz bei vielen religiösen Menschen zusammen. Für einen jeden Menschen gebe es sicher nur eine Wahrheit, die er in seiner Religion finde, er müsse aber auch anerkennen, daß für die Menschheit im ganzen die Wahrheit vielfältig sei und viele Gesichter habe.

Er als Buddhist käme als Pilger mit großer Ehrfurcht an den See Genezareth und nach Jerusalem, wo viele jüdische Propheten und Jesus gewirkt hätten. Diese Traditionen hätten auch für ihn als Buddhist eine tiefe religiöse Bedeutung, durch die er sich geistig und geistlich bereichern lasse. Im Gegensatz zu vielen Gurus verzauberte der Dalai Lama seine Zuhörer durch seinen Humor, sein Lächeln und seine Bescheidenheit. Auf die Bitte einer der Leiterinnen einer israelischen Friedensgruppe, ihre Arbeit zu segnen, weil sie selbst manchmal so unsicher sei, antwortete der Dalai Lama ihr lachend, "seien sie nicht so optimistisch in Bezug auf die Kraft meines Segens".

Unter den vielen wichtigen Rednern war auch der Direktor des Interfaith Center der UN in New York, P.N. Jain Bawa. Die UN beteilige sich an der Konferenz, weil sie immer mehr einsehe, welche wichtige Rolle der Religion bei der Entstehung und Lösung von Konflikten in der Welt zukomme. Im August nächsten Jahres werde die UNO Religionshäupter aus aller Welt einladen, weil die UNO eine gute Plattform für einen solchen Austausch sein kann, denn schließlich sei die UNO als Vehikel für den Frieden gegründet worden.

Trotz aller hochgesteckten Ziele, Religionsoberhäupter für ein stärkeres Eintreten für einen globalen Frieden zu animieren, ging der religiöse Unfrieden in unmittelbarer Nähe der Konferenz, im benachbarten Nazareth, weiter, wo sich Christen und Moslems um den Bau einer Moschee neben der größten Kirche des Nahen Ostens, der Verkündigungskirche, streiten. Während der Konferenztage waren fast alle Kirchen in Israel und Palästina aus Protest gegen den Moscheebau geschlossen, während die Moslems Nazareths in einer feierlichen Zeremonie den Grundstein für den Bau der neuen Moschee legten.

Viele Teilnehmer fuhren am Ende der Konferenz weiter nach Amman, wo unter der Schirmherrschaft von König Abdulla am Wochenende die siebente "Worldconference on Religion and Peace" stattfindet. Auch hier sollte Stargast der freundliche Herr aus Tibet, der über 40 Jahre in Indien im Exil lebt, sein, die jordanische Regierung lud den Dalai Lama aber auf chinesischen Druck aus, denn China betrachtet Tibet als einen integralen Teil Chinas. In Israel wurde der Dalai Lama vom Sprecher des israelischen Parlaments, Avraham Burg, empfangen trotz der Proteste aus China und der Versuche des israelischen Außenministeriums, ein Affront gegen den völkerreichsten Staat der Welt zu vermeiden. (Michael Krupp)

Lokalverwaltungen: Judenmissionare nutzen die Not aus
Der Vorsitzende der Lokalverwaltungen in Israel, Adi Eldar, hat Mitte November Judenmissionare beschuldigt, die wirtschaftliche Not von russischen Neueinwanderern in den Entwicklungsstädten auszunutzen. Er forderte den israelischen Polizeiminister auf, gegen diese illegale Tätigkeit einzuschreiten, da damit das Antimissionsgesetz verletzt werde, das Konvertierungen unter Angebot materieller Vorteile unter Strafe stellt. Auch Oberrabbiner Lau beschuldigte die Regierung, zu lax mit dem Antimissionsgesetz umzugehen.

Im Nachtprogramm des israelischen Fernsehens wiederholte der Bürgermeiseter der galiläischen Entwicklngsstadt Karmiel die Anschuldigungen gegen die Judenmissionare, deren Zahl auf mehrere Hundert geschätzt wird. Einige Judenchristen wiesen diese Verdächtigungen gegen sie entschieden zurück. Zu ihnen kämen Menschen nur aus religiöser Überzeugung. Zuweilen nahm das Fernseh-Programm fast den Charakter einer Missionsveranstaltung an, gekontert durch den energischen Widerspruch einiger Rabbiner und jüdischer Antimissionsaktivisten. Der ehemalige Intendant des israelischen Fernsehens, Motti Kirschenbaum, bezeichnete in seinem Beitrag die Diskussion über die Judenmission in Israel als hysterich. Israel habe es als souveräner jüdischer Staat, der durch die Mission in keiner Weise bedroht sei, nicht nötig, in dieser Weise emotional zu reagieren. (Michael Krupp)
Israelischer Oberrabiner empfängt interreligiöse Vertreter
Der orientalisch-sefardische Oberrabbiner, Elijahu Bakshi Doron, hat eine Delegation der Israelischen Interreligiösen Vereinigung (Israel Interfaith Association) empfangen und mit ihr ein einstündiges Gespräch geführt. Es war dies das erste Zusammentreffen außerhalb einer ausländischen Gesandtschaft zwischen der 1958 gegründeten interreligiösen Gruppe und dem Oberrabbinat.

Der Oberrabbiner betonte, daß es um die Erhaltung und Aufrichtung des Friedens willen notwendig sei, daß Religionshäupter in der Welt zusammenarbeiten. Es gehe für ihn nicht um den Austausch religiöser Ideen, sondern um die Diskussion und Lösung praktischer Fragen, die die ganze Menschheit angehen. Aus diesem Grunde habe er auch Gesprächen mit Vertretern der palästinensischen Selbstverwaltung zugestimmt und der Aufrichtung eines interreligiösen Forums zwischen beiden Ländern.

Der Oberabbiner erklärte sich auch bereit, an einem ganztägigen Symposium im kommenden Monat teilzunehmen, das von der Interreligiösen Vereinigung und Religionshäuptern aus Südamerika durchgeführt wird.

Die Israel Interfaith Association ist 1958 von Martin Buber, Schalom Ben Chorin und anderen Persönlichkeiten des religiösen Lebens in Israel gegründet worden. Sie versucht, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen religiösen Gemeinschaften in Israel zu erreichen und zum Frieden beizutragen. Sie ist Mitglied beim Internationalen Rat von Juden und Christen, der seinen Sitz im Buberhaus in Heppenheim, Deutschland, hat. (Michael Krupp)
Vom Lokalzwist zum internationalen Konflikt: Streit um Bau einer Moschee in Nazareth
Der Streit um den Bau einer Moschee in Nazareth begann vor zwei Jahren als lokaler Zwist. Die israelische Regierung ließ eine öffentliche Schule aus türkischer Zeit abreißen, um Raum für einen Busparkplatz nahe der Verkündigungsbasilika zu schaffen. So sollten im Rahmen des Renovierungsprojektes "Nazareth 2000" die Verkehrsprobleme in der Stadt gelöst werden.

Kommunalpolitisch war Nazareth (25 % Christen, 75 % Moslems) gelähmt. Der direkt gewählte christlich-kommunistische Bürgermeister Ramez Geraisi hatte keine Mehrheit im Stadtrat, wo die islamische Liste die Überhand hatte. Radikale Moslems nutzten die Gelegenheit, den politisch machtlosen Bürgermeister zu "ärgern". Sie erklärten den freigewordenen Platz zur Heiligen Stätte, errichteten darauf ein Zelt und verweigerten dessen Räumung, solange dort nicht eine Riesenmoschee errichtet werde. Die Polizei mischte sich erst ein, als Moslems zu Ostern drei Tage lang ein Pogrom veranstaltet hatten. Eine Klärung der Eigentumsverhältnisse auf dem umstrittenen Platz wurde vor Gerichten ausgefochten. Die Verfahren zogen sich zwei Jahre hin, bis klar war, dass das Grundstück dem Staat gehöre.

Weder die Stadtverwaltung von Nazareth noch "die Christen" hatten also ein Verfügungsrecht. Der "Kompromiß", der den Islamisten die Errichtung einer "kleinen Moschee" erlaubte, war deshalb ein politischer Beschluß der israelischen Regierung unter Berücksichtigung der Kräfteverhältnisse, der eigenen Interesse und der politischen Wetterlage. Von nun an hob der Zwist zu einem internationalen Skandal ab, bei dem jede Partei eigene Interessen verfolgte, die mit Nazareth und mit der Moschee nicht mehr viel zu tun hatten.

Die islamistische Bewegung verfolgt mit einfacher aber klarer Ideologie ihre Ziele ohne Rücksicht auf Verluste, im wahrsten Sinne des Wortes. Für sie gehört alles Land in Palästina dem Islam und muß von Juden oder Christen "befreit" werden. Die Emotionen ihrer Anhängerschaft lassen sich am ehesten bei einem Grundstück entfachen, das Christen für ihre Zwecke beanspruchen und das "den Juden" gehört. Einer der Anführer der "Zeltmoschee" sprengte sich selber in die Luft, als vor einigen Wochen in Haifa und Tiberias Autobomben explodierten. Den Sprengstoff habe die islamistische Bewegung (Hamas) in den Autonomiegebieten geliefert. Trainiert wurde die Terrorzelle in Jordanien, von Islamisten, die ihre Unterstützung von Iran erhalten.

Nazareths Christen konnten keine Ansprüche auf das etwa 500 Meter von der Verkündigungsbasilika entfernte Grundstück stellen.. Die Aktion der Moslems empörte sie. Die Untätigkeit der Staatsbehörden erniedrigte sie. Ihr Bürgermeister war ohnmächtig. Der langwierige Rechtsweg brachte ihnen keine Befriedigung. Ihnen blieb nur ein Hilferuf an die Kirchenführer in Jerusalem und an das "christliche Gewissen" des Westens.

Patriarch Michel Sabach, 1935 in Nazareth geboren, studierte bei Bethlehem, als 1948 mit der Gründung Israels neue Grenzen gezogen wurden. Nach einer Intervention der Kirche, durfte der "Flüchtling" nach Nazareth zurückkehren, wo er 1955 ordiniert wurde. 1987 wurde er zum ersten palästinensischen Patriarchen gewählt. Sabach weigert sich, Hebräisch zu sprechen und ist ein unermüdlicher Kritiker Israels mit zum Teil antisemitischen Aussagen. Sabach nutzte den Streit in Nazareth um allein Israel alle Schuld zuzuschieben, ohne ein einziges böses Wort über die Islamisten zu sagen. Sabach gelang es, alle Kirchen Jerusalems, die orthodoxen wie die protestantischen Kirchen, hinter sich zu vereinen und sich selber zum Wortführer zu machen. Dabei steht die katholische Kirche in der traditionellen Hierarchie in Jerusalem unter der griechischen und der armenischen Kirche. Der von Sabach betriebene zweitägige Kirchenstreik hat auch seine Stellung im Vatikan gestärkt. Sabach steht Arafat nahe und kämpft gegen den Staat Israel für die "Sache der Palästinenser".

Der Vatikan hielt sich bis Dienstag zurück. Trotz der Mißstimmung wurde der geplante Besuch des Papstes weiter vorbereitet. Von Sabach ausgesprochene Drohungen, den Besuch abzusagen, wurden im Vatikan nur hinter vorgehaltener Hand und als sanftes Druckmittel ausgegeben. Der Vatikan ist über Israel verärgert, weil die israelische Regierung seit über zwei Jahren Gespräche über Steuererleichterungen für die Kirchen verschleppt und andere Punkte des "Staatsvertrages" nicht erfüllt. Erst nach der Grundsteinlegung und dem Erfolg des Kirchenstreiks veröffentlichte der Vatikan eine frontale Beschuldigung Israels, die dem Wortlaut der Äußerungen des Patriarchen Sabach bei einer Pressekonferenz einen Tag zuvor entsprechen. Der Vatikan nutzt den Streit, um sich als christlicher Wortführer bei künftigen Verhandlungen zu Jerusalem zu profilieren und die anderen Kirchen, vor allem die Griechen, auszuschalten. Die präzedenzlos scharfe Attacke gegen Israel nutzt dem Vatikan politisch, sich in der arabischen Welt beliebt zu machen, wo es gewiß mehr Christen in Not gibt als im Staat Israel.

Arafat und die Autonomieregierung nutzen den innerisraelischen Streit, um sich als "Hüter der Christen" darzustellen und ihren Einfluß auf die große arabische Minderheit in Israel (20 % der Bevölkerung) zu verstärken. Arafat erhofft sich internationale Unterstützung bei seinen Bestrebungen, Ostjerusalem (mit den Heiligen Stätten) den Israelis entreißen zu können und zur Hauptstadt seines künftigen palästinensischen Staates zu machen. Arafat benutzte den von ihm ernannten Mufti von Jerusalem, die Islamisten zur Mäßigung aufzurufen, ohne der "Einmischung" von außen bezichtigt zu werden. Arafat scheiterte jedoch bei dem Versuch, die Grundsteinlegung zu verschieben, gewann aber Pluspunkte auf dem arabischen und internationalen Parkett, als am Ende Israel als der alleinige "Übeltäter" bloßgestellt wurde.

Israel hat aus eigener Schwäche und aus Unkenntnis des Geflechts in der arabischen Gesellschaft auf ein schnelles Eingreifen in Nazareth verzichtet, vielleicht in der Hoffnung, dass die Bürger der Stadt ihre Zwiste am besten untereinander ausfechten sollten. Vor lauter "Toleranz" vergaß Israel seine Verpflichtung, als Ordnungsmacht aufzutreten und die Gesetze durchzusetzen. Ein sofortiger Abriß der Behelfsmoschee hätte Israel in den Ruf gebracht, gewaltsam gegen ein "Gotteshaus" vorzugehen. Die Islamisten wären jedoch in die Schranken gewiesen worden, die Christen wären nicht düpiert worden und der lokale Streit wäre nicht zum internationalen Konflikt mit nicht absehbaren Folgen für die empfindlichen Beziehungen zwischen Israel und dem Vatikan, dem jüdischen Volk und der katholischen Kirche ausgeartet. Israels Versuch, durch einen "Kompromiß" den Konflikt zu entschärfen, machte alles nur noch schlimmer. Politische Fehler und sträfliche Unkenntnis des Christentums, etwa die Annahme, dass der Papst alle Christen der Welt kontrolliert, hat Verärgerung bei den orthodoxen Kirchen ausgelöst. Durch das Bemühen, die "Moslems" - in Wirklichkeit aber nur die radikalen Islamisten - zu beschwichtigen, hat Israel die sonst eher gemäßigten Christen Israels in das Lager Arafats getrieben. Andererseits "wissen" die Juden, dass sie sich in einer muslimisch-arabischen Umwelt arrangieren müssen, während sie mit dem christlichen Westen in den vergangenen 2000 Jahren bis hin zum Holocaust fast nur "schlechte Erfahrungen" gemacht haben. Das mag die israelischen Politiker bewogen haben, die Forderung der Islamisten eher zu berücksichtigen als die Beschwerden der Christen.

Während die Islamisten einen großen Sieg erringen konnten, haben die Christen ihr Gesicht gewahrt, indem sie sich den Moslems auslieferten und "die Juden" zum Schuldigen machten. Israel ist durch die eigenen Fehler zum großen Verlierer geworden. "In der Zeltmoschee auf dem Vorplatz der Verkündigungsbasilika von Nazareth hat das jüdische Volk seinen historischen Zugriff auf Jerusalem verloren", formulierte ein Israeli. (Ulrich W. Sahm)
"Konrad Adenauer Friedenszentrum" eingeweiht
Altkanzler Helmut Kohl hat in Jerusalem den Grundstein zu einem "Konrad Adenauer Friedenszentrum" gelegt. Der Bau soll im Herbst 2000 abgeschlossen sein.

Jerusalems Bürgermeister Ehud Olmert (Likud) erinnerte an heftige Demonstrationen gegen den Besuch von Adenauer bei Israels Staatsgründer David Ben Gurion. Olmert habe an ihnen teilgenommen. Für ihn schließe sich ein Kreis, wenn er heute in Jerusalem den Grundstein zu einem Friedenszentrum auf den Namen jenes Kanzlers der sich um die Beziehungen zwischen Deutschen und Israelis nach der Schoah so verdient gemacht habe.

Altkanzler Helmut Kohl zitierte aus einer der ersten Regierungserklärungen Adenauers Die Verpflichtung Deutschlands für Israel sei einer der Grundpfeiler der deutschen Politik. Es sei bemerkenswert, meinte Kohl, dass Deutschland zum zweitwichtigsten Handelspartner Israels (nach den USA) geworden sei, nur 50 Jahre nach dem Holocaust. Kohl dankte dem 88 Jahre alten ehemaligen Bürgermeister Teddy Kollek für die Idee, das Friedens- und Begegnungszentrum neben dem Gästehaus Jerusalem dem ersten deutschen Nachkriegskanzler gewidmet zu haben.

Das Zentrum entsteht in dem vornehmsten Viertel Jerusalem. Dort steht das erste Gebäude, das Mitte vorigen Jahrhunderts außerhalb der alten Stadtmauern errichtet worden ist. Während der neunzehnjährigen Teilung Jerusalems verkam es zu einem Slum, weil es an der Grenze lag, wo ständig scharf geschossen wurde. Nach der Wiedervereinigung Jerusalems 1967 wurde Mischkenot in ein Künstler- und Intellektuellenviertel verwandelt.

Mit einem finanziellen Aufwand von über sechs Millionen Mark soll ein Kongresszentrum entstehen, "wo Natur- und Geisteswissenschaftler sich treffen und über die Ethik der Menschheit reden sollen". Deutsche Verlagshäuser, darunter der Axel Springer Verlag, Hoffmann und Campe sowie Frieder Burda stifteten erhebliche Summen für die Verwirklichung dieses Projekts. Die Deutsche Industrie, Daimler-Chrysler und Siemens, sowie die Länder haben große Summen zur Finanzierung zugesagt. Aber nach Angaben der "Jerusalem Foundation" fehlen immer noch Gelder für den Bau und für die spätere Inbetriebnahme des Zentrums. (Ulrich W. Sahm)
Goldene Kuppeln auf christlichem Wahrzeichen
Die goldene Kuppel des Felsendoms von Jerusalem hat wieder christliche Konkurrenz erhalten. Die sieben Zwiebeltürme der 1885 von Zar Alexander III über dem Garten Getsemane errichteten Maria Magdalena Kapelle wurden von grünen Juteplanen befreit. Hinter den Gerüsten kamen mit echtem Blattgold bedeckte Türme zum Vorschein.

Das rund 1,6 Millionen D-Mark teure Restaurierungsprojekt wurde durch katholische wie evangelische Privatspenden aus Deutschland und Österreich finanziert. Ebenso half die evangelische Kirche in Jerusalem und die "Gemeinde Gottes" aus dem süddeutschen Raum.

Früher leuchteten die Kuppeln der Magdalenenkirche und waren das sichtbarste christliche Wahrzeichen Jerusalems. Doch der Glanz verblich und das Gebälk wurde wegen einer falschen Behandlung des Daches mit hermetisch versiegelndem Regenschutz morsch. Seit zwei Jahren sind deutsche Expertenfirmen damit beschäftigt gewesen, den Dachstuhl zu rekonstruieren und die Zinkbleche auf den sieben Kuppeln mit echtem Blattgold zu überziehen. Hans Kellner aus München, einer der großen Experten der Welt für Golddächer, klebte 40.000 "Abziehbildchen" mit einer hauchdünnen Goldschicht auf die mit harzverkochtem Öl beschmierten Bleche. So klebt das 1/10.000 Milimeter dicke Goldblatt ganz von alleine auf dem Blech. Insgesamt wurden nur 8 Kilo Gold verarbeitet. Die größte Kuppel hat immerhin einen Umfang von 16 Metern.

Das Kirchlein, im Stile moskowiter Kirchen des 17. Jahrhunderts gebaut, gehört der "Russisch-Orthodoxen Kirche im Exil". Die hat ihren Sitz in New York und hieß früher "weißrussische Kirche". Sie hat sich von der "rotrussischen" orthodoxen Kirche nach der Revolution von 1917 abgespalten. 30 Nonnen aus aller Welt leben in dem angeschlossenen Kloster auf dem Ölberg.

In Jerusalem gibt es "rote" wie "weiße" russische Kirchen. Der Staat Israel hat nach seiner Gründung 1948 die Übergabe allen russischen Kirchenbesitzes an Moskau als Preis für die diplomatische Anerkennung durch die Sowjetunion zahlen müssen. Ostjerusalem stand damals unter jordanischer Herrschaft. Jordanien konnte nicht in gleicher Weise von den Sowjets unter Druck gesetzt werden. Deshalb blieben die russischen Kirchen in Ostjerusalem im Besitz der zarentreuen "Weißrussen". Nach 1967, als Israel Ostjerusalem eroberte, entstand eine diplomatisch delikate und bis heute ungelöste Lage, als nun in einer Stadt Kirchen von zwei bis heute verfeindeten russisch-orthodoxen Kirchen standen. In den palästinensischen Gebieten drohen den russischen Kirchen aus politischen Gründen Änderungen. Vor zwei Jahren sind palästinensische Polizisten in ein weißrussisches Kloster bei Hebron eindrungen. Die Nonnen wurden gewaltsam vertreiben und die Schüssel zu dem Gebäude wurden aus Tel Aviv angereisten Diplomaten der russischen Botschaft übergeben.

Zu den Kuriosa der Geschichte gehört auch die Tatsache, dass die Maria Magdalena Kirche auf dem Ölberg Jerusalems zur Diozöse Deutschland gehört und so unter der Verantwortung von Erzbischof Mark mit Sitz in München steht. (Ulrich W. Sahm)
Archäologen leugnen Bibelgeschichte
Die alttestamentliche "Geschichte" hat es nie gegeben. Darin sind sich die Archäologen in Israel nach siebzigjähriger mühseliger Suche einig. Eine entsprechende Schlagzeile auf der ersten Seite der Zeitung Haaretz stellt die "Wahrheit" der biblischen Geschichten in Frage: weder Erzvater Abraham noch den Auszug aus Ägypten hat es gegeben. Von der Eroberung des Heiligen Landes und Josua fehlt jegliche Spur. Die Könige David und Salomon waren bestenfalls kleine Stammesfürsten, falls es sie überhaupt gegeben hat. Alle Geschichten über die Entstehung des Volkes Israel, die Aufteilung in zwölf Stämme und die mächtigen Königreiche mit einer territorialen Ausweitung von "Dan bis Beer Schewa" gehören nach Meinung von Professor Zeev Herzog von der Tel Aviver Universität ins Reich der Legende. Die fieberhafte Suche israelischer biblischer Archäologen nach handfesten Spuren aus der mythologischen Entstehungszeit des Volkes Israel seien ergebnislos verlaufen.

In der Zeitung Haaretz füllt ein Artikel des Archäologen Herzog ganze drei Seiten in der Wochenendbeilage. Anderen Archäologen ist das Manuskript vorgelegt worden. "Im Prinzip hat Herzog Recht", behaupten bekannte Forscher der biblischen Epoche, darunter Magen Broschi, ein Experte für die Tote Meer Rollen, und Israel Finkelstein. Nur Professor Adam Zertal widerspricht, weil er auf dem Berg Ebal einen Altar gefunden habe, der in die Zeit des Josua datiert werden konnte und ihm so als "Beweis" für kultische Aktivitäten in frühbiblischer Zeit gilt.

Auch Politiker wurden zu diesen entmythologisierenden Feststellungen befragt. Der atheistische und linksliberale Erziehungsminister will diese Sicht der Geschichte den israelischen Schülern zugänglich machen. Eine ehemaliger Abgeordneter und Führer der frommen Siedlerbewegung hält diese wissenschaftlichen Erkenntnisse für "Luftgebilde". Der ultrarechtsgerichtete Politiker Rehabeam Zeevi hält die Bibel weiterhin für ein "Grundbuch des jüdischen Volkes" mit "Beweisen für unsere territorialen Ansprüche". Professor Ben Schlomo hält Archäologie für eine "ungenaue Wissenschaft". Die Geschichten vom Auszug aus Ägypten, ob erfunden oder nicht, gehöre zu den großen Mythen der Menschheit.

Professor Herzog berichtet, mit seiner Theorie bei Vorträgen vor Juden wie vor Christen im Ausland auf "erbitterten Widerstand" gestoßen zu sein. (Ulrich W. Sahm )
Palästinensische Laudatio auf Mossad Mann
In der Hagia Maria Sion Abtei auf dem Jerusalemer Zionsberg wurde Ende Oktober der "Mount Zion Award" an Schmuel Toledano und Assad Araidy verliehen. Der deutsche Botschafter, angesehene jüdische Professoren sowie Drusen, Moslems und ein griechischer Pope aus dem galiläischen Dorf Maghar, wo Assad Araidy Bürgermeister ist, waren anwesend.

Die Palästinenserin Sumaya Farhat-Nassar, Preisträgerin von 1997, war "schockiert" als man sie aufgefordert hatte, die Laudatio für Schmuel Toledano zu halten. Die "ganze Ambivalenz" habe sich ihr bei der Lektüre des Lebenslaufes von Toledano offenbart. Der 1924 in Tiberias geborene Israeli war Mitglied der Spionageabteilung "Haganah", der jüdischen Untergrundarmee vor der Staatsgründung 1948. Er habe in arabischen Dörfern Bomben gezündet. Die hätten dutzende Menschen getötet, und die Flucht von hunderttausenden Palästinensern bewirkt. "Die Hagana rettete viele jüdische Flüchtlinge, sie machte aber auch viele palästinensische Flüchtlinge", sagte Nassar. Später habe Toledano im Mossad gedient.

Nach "schlaflosen Nächten" habe Nassar sich Entschlossen, den ehemaligen Agenten und Politiker, der nach seiner Pensionierung in der interkonfessionellen Friedensarbeit aktiv geworden war, doch zu treffen. "Je mehr wir sprachen, desto näher kamen wir uns". Schmuel Toledano erhob sich und umarmte Sumaya Farhat-Nassar vor dem Altar.

Dalia Landau, Preisträgerin von 1995, hatte sich 1997 "als Israeli" geweigert, die Laudatio auf Sumaya Farhat-Nassar zu halten. "Ich war mir ihrer Liebe zu Israel nicht sicher. Das hinderte mich daran, offenherzig eine Lobrede über sie zu halten." Dalia Landau wandte sich nun direkt an Frau Nassar: "Verzeihen Sie mir. Für einen Juden ist es eine große Herausforderung, eine Laudatio auf einen Palästinenser zu sagen. Das zerreißt das Herz." Landau sagte dann einige Worte über den verdienten drusischen Lehrer und Bürgermeister von Maghar, Assad Araidy.

Der mit 10.000 Schweizer Franken dotierte Salberg-Preis wurde 1986 gestiftet und 1987 in der Benediktiner-Abtei zum ersten Mal verliehen. Er wird alle zwei Jahre am 28. Oktober verliehen, aus Anlaß der Veröffentlichung des Textes "Nostra Aetate" nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil.

Der 1996 in Essen geborene Seelsorger Wilhelm Salberg, Sohn eines jüdischen Vaters und einer christlichen Mutter, hat den Preis aus dem Erlös der von ihm in Hamburg geerbten Grundstücke gestiftet. Die Grundstücke hatten der Familie seines Vaters gehört. Elf von ihnen seien nachweislich in Auschwitz ermordet worden. (Ulrich W. Sahm)
Chaos am Grenzübergang nach Bethehem
Die fliegenden Händler mit geschmuggelten Zigaretten oder dampfenden Maiskolben sind auf der Zufahrtsstraße von Bethlehem zum Kontrollpunkt in Richtung Jerusalem vertrieben worden. Israelische Bulldozer vertiefen die Schlaglöcher im zerbröselten Teer. Berge von roten Pflastersteinen liegen schon bereit für einen handverlegten Straßenbelag. Auf Hochtouren versuchen die Israelis jetzt trotz palästinensischem Widerspruch den Grenzübergang etwas ansehnlicher zu gestalten, um den erwarteten 60.000 christlichen Pilgern zu Weihnachten den Anblick einer hässlichen militärischen Straßensperre zu ersparen. Israels Tourismusminister Amnon Lipkin-Schachak verspricht, dass Touristenbusse "durchgewunken" werden sollten. Den Soldaten sei angeblich eine entsprechende Anweisung gegeben worden.

Doch der Minister scheint noch nie das Verkehrschaos an dem Grenzübergang in der Rushhour beobachtet zu haben. Obgleich es drei mit Betonblöcken abgegrenzte Fahrbahnen für die Kontrolle durch gelangweilte Soldaten gibt, ist immer nur eine einzige Fahrbahn freigegeben. Wenig disziplinierte palästinensische Autofahrer glauben schneller zur Kontrolle vordringen zu können, wenn sie den Gegenverkehr durch gewagte Drehmanöver blockieren und sich mit den anderen wartenden Autos verkeilen. Zwischen Lastwagen, Taxis und Privatfahrzeugen sitzen da dann auch die Touristenbusse in der Blechlawine fest. Die meisten Autos, vor allem jene mit ausländischen oder gelben israelischen Kennzeichen werden ohnehin mit einem kaum erkennbaren Augenzwinkern oder einer winzigen Fingerbewegung "durchgewunken". Doch wenn ein volles Sammeltaxi mit zwölf "verdächtig" ausschauenden "Gastarbeitern" am Kontrollpunkt auftaucht, dann nützt auch die Weisung des Tourismusministers an die Soldaten nicht viel, die Busse durchzuwinken. Bis zu zwei Stunden kann es dauern, bis man die Straßensperre passiert hat, während viele palästinensische Gastarbeiter in Sichtweite der Soldaten "unkontrolliert" durch die Olivenhaine eilen oder über die Zäune springen.

Bisher stellte sich am Flughafen und an den Straßensperren heraus, dass der Tourismusminister keinerlei Befugnis hat, "Weisungen" an die Sicherheitsleute oder gar an die Soldaten zu erteilen. Denn sollte ein "Terrorist" übersehen werden oder eine Bombe unkontrolliert die Sperre passieren, dann würde gewiss nicht der Tourismusminister die Verantwortung übernehmen. Und wenn es um die "Sicherheit" geht, dann lassen sich die entsprechenden israelischen Behörden von niemandem Vorschriften machen, nicht einmal vom Tourismusminister, der bei den erwarteten Pilgern zum Jahr 2000 vor allem einen guten Eindruck hinterlassen will. (Ulrich W. Sahm)

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Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau
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