Tag des Judentums in Österreich
Christen besinnen sich gemeinsam auf ihre jüdische Wurzel

Liebe Brüder und Schwestern!

Der Ökumenische Rat der Kirchen in Östereich hat in seiner Vollversammlung am 21. Oktober 1999 den beiliegenden Text einstimmig angenommen. Er lädt alle christlichen Kirchen in Österreich ein, am 17. Jänner 2000 den Tag des Judentums zum ersten Mal in Österreich zu begehen. Einen Tag vor der Gebetswoche für die Einheit der Christen (18. bis 25. Jänner) mögen sich die Christen gemeinsam auf ihre jüdische Wurzel besinnen. Die jahrhundertelange Verfolgung der Juden durch Christen macht es notwendig, daß auf dem Weg der Buße und der Neubesinnung eine Haltung gegenüber den Juden heranreift, die dem Evangelium entspricht.

Der Tag des Judentums ist also ein Besinnungstag der Christen. Er steht ganz in der Tradition der 2. Europäischen Ökumenischen Versammlung 1997 in Graz und des Christentages 1999 in Österreich.

Wien, 23. Oktober 1999
Metropolit, Erzbischof Michael für den Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich
Univ.Prof Dr. G. Bodendorfer für den Koordinierungsausschuß für christlich-jüdische Zusammenarbeit-

Einführung
Am 17. Jänner 2000 begehen alle Kirchen in diesem Land erstmals den "Tag des Judentums". Mit dieser Feier greifen sie eine Initiative der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung auf, die 1997 in Graz stattfand. Das Datum ist bewusst gewählt. Vom 18. bis zum 25. Jänner läuft weltweit die "Gebetswoche für die Einheit der Christinnen und Christen". Doch vor aller Verschiedenheit der Kirchen untereinander steht das allen gemeinsame Fundament: unsere Verwurzelung im Judentum. Dies wollen wir uns an diesem Tag besonders ins Bewusstsein rufen. Der "Tag des Judentums" wird bereits seit langem von den Kirchen in Italien gefeiert. 1998 wurde er in Polen eingeführt.

Das Motto für den "Tag des Judentums" gibt der Apostel Paulus vor: "Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich" mahnt er im 11. Kapitel des Römerbriefs. Offensichtlich bestand schon in den ersten christlichen Gemeinden die Tendenz, sich über das Judentum erhaben zu fühlen. Später haben die Kirchen die Worte des Paulus vergessen. Anstatt ihre Wurzel, aus der sie leben und die sie trägt, zu pflegen, meinten sie, ohne sie auskommen zu können. Die theologische Verachtung des Judentums und in Folge die gesellschaftliche Abwertung seiner Gläubigen schuf über Jahrhunderte hinweg jenen Nährboden, auf dem das rassistische Gedankengut des Antisemitismus wachsen konnte. Erst seit der Katastrofe der Schoa (des Holocaust) hat in allen Kirchen ein Umdenken gegenüber dem Judentum begonnen. Seither werden wir uns der Schuld, die die Kirchen und ihre Vertreter auf sich geladen haben, immer deutlicher bewusst. Wir sind auf dem Weg, den spirituellen und theologischen Reichtum Israels als Fundament unseres eigenen Glaubens neu zu entdecken. Ein Beitrag dazu soll auch der "Tag des Judentums" in unseren Kirchen sein, den wir in Zukunft jedes Jahr feiern wollen.

"Die Wurzel trägt dich!" erinnert Paulus. So gesehen ist der christlich-jüdische Dialog das grundlegende Thema für unser Selbstverständnis als Christinnen und Christen, er ist elementar für die Identität der Kirchen. Er ist nicht von außen heran getragen, sondern jede Katechese redet von Juden, jede Predigt interpretiert jüdische Texte. Wer Psalmen betet, betet jüdische Gebete. Christinnen und Christen haben keinen beliebigen, sondern diesen bestimmten Wurzelgrund. Die Worte "Gott, Geist, Reich Gottes, loben, beten, Weisheit, Gerechtigkeit, Recht, Frieden" oder "Messias" sind konkret biblisch-jüdisch gefüllt. Gott hat es gefallen, Israel zuerst und bleibend anzusprechen. Die Worte und Namen "Abraham, Jakob, Mose, Hagar, Sarah, Miriam, Jerusalem, Zion, Halleluja, Hosanna" lassen sich nicht auswechseln. Doch diese unverwechselbaren Identitäten hatten von Anfang an nicht allein Bedeutung nur für das eigene Volk. Stets hatte die Offenbarung Gottes an Israel einen weiten Horizont: Das biblische Konzept der Schöpfung und der Vollendung der Welt ist universal auf die Völkerwelt ausgerichtet.

Heute wollen wir in Dankbarkeit das Geschenk feiern, das Gott uns mit Israel, seinem erwählten Volk, gegeben hat. Es geht im folgenden Gottesdienstvorschlag nicht darum, eine Feier mit jüdischen Elementen zu gestalten, auch nicht um ein Kennenlernen des Judentums. Wir wollen auf dem Boden unserer eigenen Traditionen eine positive Stellungnahme zur Heilsbedeutung Israels für uns als Kirchen, aber auch als Christin und Christ abgeben.

Dieser Gottesdienstvorschlag wurde im Namen des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des "Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit" erarbeitet. OStR Monika Heitz war Gymnasiallehrerin und ist Vertreterin der Altkatholischen Kirche im Vorstand des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Helmut Nausner ist Superintendent der Evangelisch-methodistischen Kirche und Sekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich. Dr. Alfred Raddatz ist als Mitglied der Evangelischen Kirche A.B. Vizepräsident des Koordinierungsausschusses und ist emeritierter Universitätsprofessor für Kirchengeschichte, christliche Archäologie und Kunst an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Dr. Markus Himmelbauer ist römisch-katholischer Theologe und Erwachsenenbildner. Er leitet das christlich-jüdische Informationszentrum in Wien.

Weitere Informationen zur christlich-jüdischen Verständigung, sowie Unterstützung für Projekte in Ihrer Gemeinde erhalten Sie beim:
Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit
Christlich-jüdisches Informationszentrum
Gentzgasse 14/ 5/ 1, 1180 Wien Telefon und Fax 01/ 4797376, E-mail: c-j.koo@t0.or.at
Interet:http://www.jcrelations.com/cjoesterreich

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