Die christlichen Kirchen des Heiligen Landes und ihre Rolle in Israel

von Markus Röhling

Der deutsche Besucher findet im Heiligen Land eine verwirrende Vielfalt von Konfessionen vor. Von den 160.000 einheimischen Christen (1,8 % der Gesamtbevölkerung) gehört der größte Teil der griechisch-orthodoxen, der griechisch- katholischen und der lateinischen (römisch-katholischen) Kirche an. Trotz ihrer Situation als Minderheit in einer muslimisch bestimmten arabischen Umgebung spielen die Christen eine wichtige wirtschaftliche, kulturelle und politische Rolle.

Während die christlichen Kirchen in Israel nach 1948 ein langsames aber stetiges Wachstum zu verzeichnen haben, ist die weitere Existenz der Gemeinden in der Westbank durch eine starke Emigration während der letzten Jahrzehnte gefährdet. Der Fortbestand dieser Gemeinden ist nur bei stabilen wirtschaftlichen und politischen Perspektiven durch ein endgültiges israelisch-palästinensisches Friedensabkommen gegeben. Daneben kommt es darauf an, daß sich die bisher vereinzelten Konflikte zwischen Muslimen und Christen nicht ausweiten.

1 Vorbemerkung
2 Die gegenwärtige Situation der Kirchen
2.1 Zahlenmäßiger Überblick
2.2 Die rechtliche Stellung der Kirchen und Religionen
2.3 Demographische und gesellschaftliche Situation
2.4 Das Verhältnis der Christen zu den Muslimen
3 Die Kirchen im einzelnen
3.1 Die griechisch-orthodoxe Kirche
3.2 Die griechisch-katholische Kirche (Melkiten)
3.3 Die römisch-katholische Kirche (Lateiner)
3.3.1 Die einheimischen lateinischen Christen
3.3.2 Die Politik des Vatikans
3.3.3 Unierte Kirchen
3.4 Die maronitische Kirche
3.5 Die lutherische Kirche
3.6 Die armenische Kirche
3.7 Die episkopale Kirche
3.8 Die baptistischen Kirchen
3.9 Die syrischen Kirchen
3.10 Die koptische Kirche
3.11 Die äthiopische Kirche
3.12 Kleinere Kirchen
3.13 Messianische Juden
3.14 Sogenannte ‹christliche Zionisten›
4 Zusammenfassung und Ausblick
5 Ausgewählte Literatur

1 Vorbemerkung

Die nachfolgende Darstellung soll einen Überblick über die im Heiligen Lande existierenden christlichen Kirchen und ihre Rolle im israelisch-palästinensischen Konflikt bzw. Friedensprozeß geben. Denn dem deutschen Besucher begegnen in Israel und Palästina nicht nur Juden und Muslime, sondern auch eine verwirrende Vielfalt von christlichen Kirchen, die weit über die ihm gewöhnlich bekannten römisch-katholischen und protestantischen (und vielleicht noch griechisch-orthodoxen) Kirchen hinausgeht. Diese Vielzahl von Kirchen verdankt ihre Existenz einerseits einer im Westen meist vergessenen jahrtausendealten Entwicklung christlicher Kirchen im Orient, andererseits dem Einfluß westlicher Mächte und Kirchen seit dem letzten Jahrhundert. Für alle Kirchen war und ist das Heilige Land ein unvergleichlicher Anziehungspunkt, der sie bestrebt sein läßt, dort präsent zu sein. Es sei noch bemerkt, daß die Grenzziehung von 1948 für die kirchliche Organisation im allgemeinen keine Rolle spielt und auch die Grenzen zu den Nachbarländern von untergeordneter Bedeutung sind. Entscheidend sind die seit der Antike historisch gewachsenen kirchlichen Grenzen. Am Ende mancher Abschnitte finden sich ausgewählte Internetadressen, die zur weiteren Information dienen können.

"Heiliges Land" bezeichnet in dieser Arbeit ein Gebiet, das mit dem bis 1948 bestehenden britischen Mandatsgebiet Palästina identisch ist. ‹Israel› bezeichnet den Staat Israel in den Grenzen vor 1967, mit ‹palästinensische Gebiete› werden die gegenwärtig von der palästinensischen Autonomiebehörde regierten oder von Israel besetzten Gebiete im Westjordanland und im Gazastreifen bezeichnet. Jerusalem wird angesichts der Tatsache, daß Christen in beiden Teilen der Stadt lebten und leben und die Statistiken eine Aufteilung der Zahlen auf West- und Ostjerusalem oft nicht möglich machen, getrennt aufgeführt.

2 Die gegenwärtige Situation der Kirchen
2.1 Zahlenmäßiger Überblick

Die Christen stellten 1997 im Heiligen Land 1,8 % der Gesamtbevölkerung von 8,8 Millionen (5,3 Millionen in Israel, 2,9 Millionen in den palästinensischen Gebieten und 0,6 Millionen in Jerusalem). Dabei ist der Anteil der Christen an der arabischen Bevölkerung Israels wesentlich höher (knapp 10 %) als ihr Bevölkerungsanteil in den palästinensischen Gebieten (1,2 %) und Jerusalem (2,2 %). Wichtigste christliche Zentren (Zahlen von 1994 oder 1995) sind Jerusalem (13.700), Bethlehem mit Beit Jala und Beit Sahour (21.000), Nazareth (21.000) und Haifa (14.789). Der größte Teil der gut 160.000 Christen lebt im Umkreis von Jerusalem sowie in Nazareth, Haifa und in den Dörfern des westlichen Galiläa. Etwa 36.000 Christen leben (1999) in der Westbank und im Gazastreifen, etwa 112.000 in Israel und etwa 14.000 in Jerusalem. Von den 126.100 Ende 1997 in Israel und Jerusalem registrierten Christen waren 104.600 arabischer Nationalität. Die restlichen 21.500 Christen verteilen sich auf Armenier, Kopten, Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion und aus Äthiopien und im Lande lebende Ausländer. Weitere 107.700 Einwohner waren als keiner Religion zugehörig klassifiziert. Bei ihnen handelt es sich zum größten Teil um Einwanderer ganz oder teilweise christlicher Abstammung aus der ehemaligen Sowjetunion, meist ohne religiöse Bindungen. Unter den insgesamt etwa 6 Millionen Palästinensern in Palästina und im Exil (Stand 1991) sind 430.000 (7,2 %) Christen.

Tabelle 1 versucht, einen Überblick über die Größe der Kirchen des Heiligen Landes zu geben.

Etwa gleich groß sind die griechisch-orthodoxe (54.300) und die griechisch-katholische Kirche (53.650). Drittgrößte Gruppe ist die lateinische Kirche (römisch-katholische Kirche; 26.000). Mit ihr unierte Kirchen sind die o. g. griechisch-katholische Kirche und die Maroniten (5.343) und andere, zusammen ca. 86.000 Rom unterstehende Christen. Des weiteren sind zu nennen: Armenier (2.100), Syrer (1.200), Kopten (787) und Protestanten (Lutheraner, Anglikaner und Baptisten; 5.420). Dazu kommen noch Angehörige anderer Konfessionen, darunter mehrere Tausend ‹messianische Juden› und zehntausende Christen, die seit 1990 mit der jüdischen Einwanderung aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion nach Israel gelangt sind. Auch mit der jüdischen Einwanderung aus Äthiopien sind tausende Christen ins Land gekommen. Schließlich halten sich noch mehrere Tausend christliche Ausländer vorübergehend in Israel und den palästinensischen Gebieten auf.

Internetadressen:
Christian Information Center: http://198.62.75.1/www1/ofm/cic/CICmain.html
Informationen der israelischen Botschaft in Deutschland: http://www.israel.de/blickpunkt/christen.html
Israelisches Statistikamt: http://www.cbs.gov.il
Palästinensisches Statistikamt: http://www.pcbs.org

2.2 Die rechtliche Stellung der Kirchen und Religionen

Grundlage der rechtlichen Stellung der Kirchen und Religionen in Israel und den palästinensischen Gebieten bildet weiterhin das Recht des osmanischen Reiches. Besonders deutlich wird dies im Bereich des Eherechtes. Eine zivilrechtliche Eheschließung ist weder in Israel noch in den palästinensischen Gebieten möglich. Verantwortlich für den Vollzug von Eheschließungen und Ehescheidungen sind vielmehr die verschiedenen offiziell anerkannten Religionsgemeinschaften und deren religiöse Gerichtshöfe. Während Ehen zwischen Christen verschiedener Konfession möglich und sogar recht häufig sind, ist die Eheschließung zwischen den Angehörigen verschiedener Religionen, für Personen ohne Religionszugehörigkeit (dies sind v. a. Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion) und bei Vorliegen religiöser Hindernisse nicht möglich. Eheschließungen im Ausland werden aber anerkannt, so daß zahlreiche Israelis zur Eheschließung ins Ausland fahren, v. a. nach Zypern.

Für die Rechte an den heiligen Stätten ist der Mitte des letzten Jahrhunderts von der türkischen Regierung festgelegte status quo entscheidend. Er erklärte die damals bestehende Situation für verbindlich und verbot jegliche zukünftige Änderung 5.der Rechte der verschiedenen Kirchen. Diese Regelung blieb auch unter der englischen, der jordanischen, der israelischen und der palästinensischen Regierung in Kraft. Trotzdem entstehen immer wieder Streitigkeiten zwischen den Kirchen um die Ausübung der bestehenden Rechte.

Grundsätzlich garantieren Israel und die palästinensische Autonomiebehörde die freie Religionsausübung und den freien Zugang der Gläubigen zu den heiligen Stätten. Praktisch wird das Recht der Christen zum Besuch der heiligen Stätten aber immer wieder durch Israel eingeschränkt, sei es durch die Nichterteilung von Reisegenehmigungen nach Jerusalem für Bewohner der palästinensischen Gebiete, sei es durch die Verweigerung von Visa für christliche Pilger aus nichtwestlichen Staaten. Eine Einschränkung des Rechts zur freien Religionsausübung droht in Israel durch Bestrebungen zur gesetzlichen Einschränkung christlicher Missionstätigkeit. Extreme Vorschläge in dieser Hinsicht wollten sogar den Vertrieb des Neuen Testaments verbieten.

2.3 Demographische und gesellschaftliche Situation
Trotz einer zahlenmäßigen Zunahme der christlichen Bevölkerung ist deren prozentualer Anteil an der Gesamtbevölkerung und an der arabischen Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten stetig zurückgegangen. Die Zahlenreihen in Tabelle 2 mögen dies verdeutlichen.

Dieser Rückgang der christlichen Präsenz ist eng mit der sozialen und ökonomischen Situation der Christen verknüpft. Die Christen sind meist besser ausgebildet und gehören der Mittelklasse an. Gründe hierfür sind die Gründung und Förderung christlicher Schulen durch westliche Institutionen seit dem letzten Jahrhundert sowie die traditionelle Dominanz in Handel, Bildungs- und Angestelltenberufen. Ihre bildungsmäßig und ökonomisch herausgehobene Stellung macht sie einerseits mobiler, andererseits sind sie besonders von ökonomischer Rezession oder Stagnation sowie von ungewissen politischen und wirtschaftlichen Zukunftsaussichten betroffen. Zusammen mit ihrem schwindenden Einfluß und der Zunahme islamistischer Strömungen hat das eine überdurchschnittliche Auswanderung der Christen, insbesondere der jüngeren, in westliche Länder zur Folge, eine Tendenz, die sich mehr oder weniger in der gesamten christlichen Bevölkerung des vorderen Orients zeigt. Durch die schwierige Situation während der israelischen Besatzung sind von dieser Auswanderung im wesentlichen die christlichen Kirchen in den palästinensischen Gebieten betroffen. War es während der Intifada zu einem neuen Hoch christlicher Auswanderung gekommen, so nahm diese Tendenz nach den Abkommen von Oslo zunächst ab. Das Stocken des Friedensprozesses hat die Bereitschaft zur Auswanderung aber wieder steigen lassen. Diese Bereitschaft hat wegen der Hoffnung auf einen baldigen Abschluß des Friedensprozesses bisher noch kaum zu einer tatsächlichen Auswanderung geführt. Bei einem mittel- oder langfristigen Scheitern des Friedensprozesses dagegen dürfte es tatsächlich zu einer stärkeren Auswanderung kommen. Das dürften auch die Bemühungen verschiedener Kirchen nicht verhindern können, ihren Mitgliedern wirtschaftliche und soziale Unterstützung zu geben, z. B. durch die Bereitstellung von Wohnungen und Arbeitsplätzen. Ein weiterer Faktor für die prozentuale Abnahme der Christen ist deren niedrige Geburtenrate.

Auch bei einem baldigen Abschluß des Friedensprozesses und einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung in den palästinensischen Gebieten wird die Situation der Christen schwierig bleiben. Denn die Mittelschicht, der zahlreiche Christen angehören, droht angesichts erstarkender Großunternehmer ihre traditionelle wirtschaftliche Position zu verlieren.

Tabelle 2
Die bevorzugte Stellung in ökonomischer und bildungsmäßiger Hinsicht hat zu einer überdurchschnittlichen Repräsentation der Christen im politischen Leben Israels und der Palästinenser geführt. Allerdings geht ihr Einfluß mit der zunehmenden Bildung und wirtschaftlichen Stärke der Muslime immer mehr zurück. Waren etwa in den 50er- und 60er-Jahren bis zu 4 von 8 arabischen Knessethabgeordneten Christen, so sind es in der 1999 gewählten Knesseth nur 2 von 13 Abgeordneten. Diese Entwicklung wird noch verstärkt durch die nachlassende Popularität säkularer und sozialistischer politischer Bewegungen, die das bevorzugte Betätigungsfeld der Christen waren und sind. Die gegenwärtig wohl bekanntesten politisch aktiven Christen sind auf palästinensischer Seite Hanan Ashrawi, Abgeordnete der palästinensischen gesetzgebenden Versammlung (Palestinian Legislative Council) und ehemalige palästinensische Ministerin für höhere Bildung, und auf israelischer Seite der Knessethabgeordnete Azmi Bishara, der 1999 auch für das Amt des israelischen Ministerpräsidenten kandidierte.

2.4 Das Verhältnis der Christen zu den Muslimen
Ihren Weg bis in die deutschen Medien fanden die Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen in Nazareth (Israel). Die Spannungen entluden sich im Streit um die Gestaltung eines Platzes für christliche Pilger auf Staatsland, der von Muslimen besetzt wurde, um dort eine Moschee zu errichten. Zu Ostern 1999 kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, die u. a. den Vatikan und die palästinensische Autonomiebehörde veranlaßten, sich einzuschalten.

Auch in zahlreichen Dörfern in Galiläa bestehen Spannungen zwischen den drei nichtjüdischen Religionen (Christen, Muslime und Drusen) vor Ort. Hinsichtlich der Christen in der Westbank fällt auf, daß von christlicher Seite stets der palästinensische Patriotismus der Christen und ihre Einheit mit den Muslimen betont wird. Gerade dies läßt darauf schließen, daß das Zusammenleben nicht immer so reibungslos verläuft, wie es gerne dargestellt wird und daß von muslimischer Seite gelegentlich die nationale Identität mit dem Islam verbunden wird. Die palästinensische Identität der Christen wird damit in Frage gestellt. Freilich existiert eine stete Spannung zwischen den Bestrebungen zu einer Nationalisierung der Kirchen und dem grundlegenden theologischen Konzept, daß Kirche übernational ist. Diese Spannung findet aber fast nur innerhalb der Kirchen ihren Ausdruck. In politischer Hinsicht haben die meisten Christen stets eine national-palästinensische Position vertreten, eine Erscheinung, die sich mit Beginn der Intifada noch einmal verstärkte und zu einem engen Schulterschluß zwischen christlichen und muslimischen Arabern in Opposition zur israelischen Besatzungsmacht führte. Seit Ende der Intifada und dem Beginn einer Teilautonomie für die Palästinenser treten die Spannungen wieder offener zutage.

Die Autonomieregierung demonstriert dagegen eine betont christenfreundliche Haltung. Die Christen verfügen in der gesetzgebenden Versammlung der Palästinenser über eine feste Anzahl für sie reservierter Mandate. Mit 6 von 88 Sitzen sind sie dort weit überproportional vertreten.

In Israel mit seiner jüdischen Bevölkerungsmehrheit ist die Situation dagegen eine ganz andere. Die Christen sind Minderheit in der Minderheit in einer säkulareren und nicht islamisch bestimmten Gesellschaft. Im ursprünglich mehrheitlich christlichen Nazareth und in manchen Dörfern sehen sich die Christen ebenfalls einer muslimischen Mehrheit gegenüber. In einer Stadt wie Haifa hingegen mit einer jüdischen Mehrheit kann der Islam kaum einen konformierenden Druck auf die Christen ausüben.

In den palästinensischen Gebieten gehören die Christen zu denen, die einen pluralistisch und säkular geprägten Staat anstreben. Dagegen ergab eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung finanzierte Umfrage im Frühjahr 1999, daß 79,8 % der Bevölkerung in dem zu errichtenden Staat eine Rechtsprechung auf der Grundlage des islamischen Rechts befürworten und nur 15,8 % für die Errichtung eines säkularen Rechtswesens sind (4,4 %: keine Antwort).

Zusammenfassend bleibt zu sagen, daß für viele Christen die Summe der vielen kleinen Anfeindungen und Benachteiligungen durch Muslime ein gewisses Gefühl der Unsicherheit in bezug auf eine mögliche zukünftige Radikalisierung und Ausweitung islamistischer Tendenzen erzeugt. Dieses Gefühl ist stärker in den palästinensischen Gebieten mit ihrer muslimischen Mehrheit als in Israel, wo ein beherrschender Einfluß des Islam aufgrund der jüdischen Bevölkerungsmehrheit unmöglich ist.

Übergriffe ultraorthodoxer Juden auf Christen hingegen sind dort nur eine vereinzelte Erscheinung in einer weitgehend säkularisierten Bevölkerung. Unter ihnen haben weniger die arabischen Christen als vielmehr die Angehörigen der freikirchlichen protestantischen Gruppierungen und messianische Juden zu leiden. Auch Repressionen seitens des Staates Israel betreffen v. a. diese protestantischen und messianischen Gruppen sowie Einwanderer aus Äthiopien und der ehemaligen Sowjetunion, die sich zu ihrem christlichen Glauben bekennen.

3 Die Kirchen im einzelnen
Die folgende Beschreibung beschränkt sich aus Raumgründen auf die größeren Kirchen (mehr als 500 Gemeindeglieder). Wenn im folgenden gewisse politische Tendenzen in den Kirchen erwähnt werden, so sind dies natürlich stets verallgemeinernde Aussagen. In allen Kirchen findet sich ein breites politisches Spektrum. Von einzelnen Ausnahmen abgesehen, sehen die Kirchen und ihre Amtsträger ihre Aufgabe nicht darin, selber politisch zu handeln, sondern darin, auf politische 9.und gesellschaftliche Mißstände und Ungerechtigkeiten öffentlich und vernehmbar hinzuweisen und so auf deren Beseitigung hinzuwirken.

Die gebotene Kürze zwingt zu zahlreichen Vereinfachungen und zur Weglassung ganzer Bereiche christlicher Aktivität, wie z. B. des umfangreichen Engagements im Bildungs- und Sozialwesen, das für Angehörige aller Religionen offen ist.

3.1 Die griechisch-orthodoxe Kirche
Das Jerusalemer Patriarchat der griechisch-orthodoxen Kirche kann den Anspruch erheben, der direkte Nachfolger der alten Kirche der ersten nachchristlichen Jahrhunderte zu sein. Sie besitzt wie die Lateiner und die Armenier Anrechte in der Grabeskirche und der Geburtskirche. Allerdings ist es immer wieder zu Sezessionen (der Syrer, der Maroniten und der griechisch-katholischen Kirche) und zur Mission durch andere Kirchen (der römisch-katholischen und der protestantischen Kirchen) gekommen. So ist die griechisch-orthodoxe Kirche zwar weiterhin die größte Glaubensgemeinschaft in Jerusalem und Umgebung, wegen des Übergewichtes der griechisch- katholischen Kirche im Norden Israels aber sind beide Kirchen im Heiligen Land heute etwa gleich groß und umfassen jeweils etwa ein Drittel der christlichen Bevölkerung.

Die gegenwärtige Situation der orthodoxen Kirche ist vom Konflikt zwischen den Gläubigen und dem Patriarchat geprägt. Greifbar wird dieser v. a. am Gegensatz zwischen dem höheren Klerus, der in der Synode und in der Bruderschaft vom Heiligen Grabe organisiert ist und der fast ausschließlich griechischer Herkunft ist (der niedere Klerus ist meist arabischer Herkunft), und den arabisch sprechenden Gemeindemitgliedern. Zugrunde liegt der Interessenkonflikt zwischen der Wahrung der Repräsentanz der gesamten orthodoxen Kirche an den heiligen Stätten und dem Wunsch nach Selbstbestimmung der einheimischen Christen. Während das tägliche Miteinander vielfach problemlos verläuft, kommt es durch Vermischung dieses Gegensatzes mit dem Kampf um eine nationale palästinensische Identität immer wieder zu öffentlich ausgetragenen Konflikten zwischen den Ortsgemeinden und dem Patriarchat. Zwar ist es in den letzten Jahrzehnten, v. a. während der jordanischen Herrschaft in Jerusalem, zu einem stärkeren Eingehen auf die Bedürfnisse der arabischen Gemeinden gekommen, doch sind damit die Forderungen der arabischen Gemeindeglieder nur teilweise erfüllt.

Konflikte entstehen immer wieder um Eigentumsstreitigkeiten zwischen Gemeinden und Patriarchat (insbesondere um Grundstücksgeschäfte des Patriarchats u. a. mit dem Staat Israel) sowie wegen der Forderung nach einem Patriarchen arabischer Herkunft. Die griechisch-orthodoxe Kirche ist die einzige der arabischen 10.Kirchen (also ohne Kirchen anderer Nationalität wie z. B. die Armenier), die noch kein Oberhaupt arabischer Abstammung hat.

In Israel ist die griechisch-orthodoxe Kirche auch für die Betreuung der christlichen Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion zuständig. Mit der großen jüdischen Einwandererwelle seit Ende der 80er Jahre kamen auch zehntausende Einwanderer nach Israel, die der Religion nach Christen sind. Mehrere Tausend von ihnen nehmen die Dienste der orthodoxen Kirche in Anspruch. An einigen Orten werden orthodoxe Gottesdienste in russischer Sprache abgehalten.

3.2 Die griechisch-katholische Kirche (Melkiten)
Die griechisch-katholische Kirche, auch als melkitische Kirche bezeichnet, hat ihren Ursprung im 17. und 18. Jahrhundert, als sie sich unter dem Einfluß Roms von der griechisch-orthodoxen Kirche abspaltete. Neben theologischen Gründen spielte auch die Spannung zwischen arabischen Gemeinden und griechischer Kirchenleitung eine Rolle. Der Klerus der griechisch-katholischen Kirche, einschließlich des Patriarchen von Antiochien, Jerusalem und Alexandrien (mit Sitz in Damaskus), ist seit jeher arabischer Herkunft. Während eine Abendmahlsunion mit der römisch-katholischen Kirche besteht und die Autorität des Papstes anerkannt wird, hat die Kirche ihren byzantinischen Ritus behalten und besitzt ein eigenes Kirchenrecht. Als mit Rom unierte Kirche kann sich die griechisch-katholische Kirche ideeller, materieller und politischer Unterstützung aus dem Westen erfreuen. Während die griechisch-katholische Kirche im Norden Israels die größte Glaubensgemeinschaft ist, ist sie in Jerusalem, das Sitz eines Patriarchalvikars ist, und seiner Umgebung gegenüber der griechisch-orthodoxen Kirche recht klein. In Israel leben 50.000, in den palästinensischen Gebieten 2.750 und in Jerusalem 900 griechisch-katholische Christen. Die griechisch-katholische Kirche ist im Heiligen Land heute etwa gleich groß wie die griechisch-orthodoxe Kirche.

3.3 Die römisch-katholische Kirche (Lateiner)
3.3.1 Die einheimischen lateinischen Christen
Die römisch-katholische Kirche, im allgemeinen als ‹lateinisch› bezeichnet, ist in Palästina seit den Kreuzzügen vertreten. Nach der Vertreibung der Kreuzfahrer übernahmen die Franziskaner (Kustodie des Heiligen Landes) die Sorge für die Rechte der römisch-katholischen Kirche an den heiligen Stätten. Um den franziskanischen Orden bildeten sich langsam auch kleine Gemeinden. Mit der Zunahme westlichen Einflusses im 19. Jahrhundert wurde 1847 zum ersten Mal seit den Kreuzzügen wieder ein lateinischer Patriarch in Jerusalem eingesetzt. Zugleich setzte man den pro11.testantischen Missionsbestrebungen katholische Initiativen entgegen, die zu einem raschen Wachstum der Gemeinden führten. Bis 1922 wurde die lateinische Kirche in Jerusalem und Umgebung zur zweitgrößten Kirche und ist es bis heute geblieben (knapp 14.000 Gläubige in Jerusalem und der Westbank). In Israel ist sie die drittgrößte Kirche nach der griechisch-katholischen und der griechisch-orthodoxen Kirche (12.000 Gläubige).

Die Arabisierung der lateinischen Kirche verlief relativ problemlos. Bereits Mitte dieses Jahrhunderts waren die meisten Priester des Patriarchats arabischer Herkunft. Ein lateinischer Patriarch arabischer Herkunft wurde mit Michel Sabbah erstmals 1988 ernannt. Trotzdem liegt damit die Verantwortung nicht allein in arabischen Händen, da die Ordensangehörigen bis heute meist westlicher Herkunft sind. Hier sind insbesondere die Franziskaner zu nennen, die weiterhin die Verantwortung für die heiligen Stätten und u. a. die Gemeinden von Jerusalem, Bethlehem und Nazareth haben. Wie in der griechisch-orthodoxen Kirche besteht hier ein Interessenkonflikt zwischen der Repräsentanz der weltweiten römischen Christenheit und den Bedürfnissen und Ansprüchen der einheimischen Christen.

3.3.2 Die Politik des Vatikans
Als eigenständiger Staat, durch seine diplomatischen Vertretungen und durch seinen Einfluß auf die römisch-katholischen Christen in aller Welt hat der Vatikan zweifellos den größten internationalen und politischen Einfluß von allen im Heiligen Lande vertretenen kirchlichen Organisationen. Zudem gehört der größte Teil der einheimischen Christen entweder zur lateinischen oder zu den mit Rom unierten Kirchen.

Hauptinteresse des Vatikans ist die Bewahrung und Zugänglichkeit der heiligen Stätten, insbesondere in Jerusalem, Bethlehem und Nazareth. Eng mit diesem Interesse verbunden ist der Schutz und die Unterstützung der einheimischen Christenheit. Deren Zukunft kann aber nur innerhalb und zusammen mit der gesellschaftlichen Umgebung gedacht werden, d. h. nur im Rahmen einer Gesamtlösung der palästinensischen Frage.

Diese Interessenkonstellation ließ den Vatikan trotz aller Zurückhaltung zu einer Parteinahme für die Palästinenser neigen, ohne allerdings das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen. Nach Ansicht des Vatikans ist das vergangene und gegenwärtige Leid und die Zukunft beider Völker eng miteinander verknüpft, und ihre gemeinsame Zukunft muß in gegenseitigem Einvernehmen geregelt werden.

Bereits 1982 kam es zu einer Begegnung des Papstes mit Jasser Arafat, und die Ernennung eines arabischen Patriarchen im Jahre 1988, kurz nach Beginn der Intifada, wurde als Zeichen der Unterstützung im Kampf gegen die israelische Besatzung gewertet. Dagegen nahm der Vatikan erst 1993, nach dem Beginn des Friedensprozesses, diplomatische Beziehungen mit Israel auf und schloß 1997 ein Abkommen mit Israel über die rechtliche Stellung der römisch-katholischen Kirche in Israel. Dieses Abkommen schließt auch die mit Rom unierten Kirchen mit ein. Im Februar 2000 hat der Vatikan auch ein Grundlagenabkommen mit der PLO und der Autonomiebehörde über die Stellung der katholischen Kirche geschlossen.

Die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen den Palästinensern und Israel liegt für den Vatikan in der Verantwortung beider Seiten. Lediglich hinsichtlich Jerusalems und seiner heiligen Stätten verfolgt der Vatikan eine akzentuierte eigene Politik, indem er für diese einen internationalen Status oder internationale Garantien anstrebt. Ein solcher Status wird auch im Abkommen zwischen Vatikan und PLO vom Februar 2000 gefordert. Es befindet sich dabei im Einklang mit einer Erklärung der drei Jerusalemer Patriarchen und der Oberhäupter der anderen Jerusalemer Kirchen aus dem Jahre 1994, die internationale Garantien für die heiligen Stätten in Jerusalem verlangt.

An den für das Frühjahr 2000 geplanten Besuch des Papstes im Heiligen Land knüpfen sich von Seiten des Vatikans, der Palästinenser und Israels Erwartungen auf einen Fortschritt bei der Durchsetzung der jeweils eigenen Ziele.

1949 wurde die Pontifical Mission for Palestine zur Unterstützung palästinensischer Flüchtlinge gegründet. In der Westbank und im Gazastreifen ist sie heutzutage vor allem in der materiellen Unterstützung palästinensischer Familien und im Gesundheits- und Bildungswesen tätig. Eines der Ziele ist dabei, die weitere Auswanderung christlicher Palästinenser zu verhindern.

3.3.3 Unierte Kirchen
Neben den hier gesondert behandelten maronitischen und griechisch-katholischen Kirchen sind Teile der syrischen, armenischen und koptischen Kirchen mit Rom uniert.

Internetadressen
Arab American Roman Catholic Community: http://www.al-bushra.org
Lebanese Catholic Page (mit Informationen zur lateinischen und allen unierten Kirchen): http://www.opuslibani.org.lb

3.4 Die maronitische Kirche
Die Maroniten sind die am längsten mit Rom unierte der orientalischen Kirchen. Die ursprünglich selbständige, im 7. Jahrhundert in Syrien entstandene Kirche unterhält seit der Kreuzfahrerzeit enge Kontakte mit Rom. Die Sprache des Gottesdienstes ist 13.heute Arabisch mit syrischen Einsprengseln. Syrisch (ein aramäischer Dialekt) war in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten die Umgangssprache der Christen im syrisch-palästinensischen Raum. Sie ist bis heute ganz oder teilweise die Sprache der Liturgie der Maroniten und der unten zu behandelnden syrischen Kirchen. Im Gegensatz zu den anderen syrischen Kirchen haben sich die Maroniten theologisch nie von der römischen und der griechischen Orthodoxie getrennt.

Das Zentrum der Maroniten liegt im Libanon, daneben heutzutage in Nord- und Südamerika sowie Australien. Auch im Norden Israels existieren einige Gemeinden mit zusammen etwa 5.000 Gläubigen. Obwohl Jerusalem Sitz eines Patriarchalvikars für Israel, Palästina und Jordanien ist, leben dort und in der Umgebung nur rund 300 Maroniten.

Obgleich sie sich selbst als Araber definieren, ist das Verhältnis der Maroniten in Jerusalem und der Westbank zu ihrer muslimischen Umgebung gespannter als das anderer Christen, nicht zuletzt wegen des Bündnisses zwischen Israel und maronitischen Christen im libanesischen Bürgerkrieg und gegenwärtig zwischen der israelischen Armee und der Südlibanesischen Armee (SLA).

3.5 Die lutherische Kirche
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Jordanien entstand im letzten Jahrhundert als Folge deutscher Missionsbestrebungen in Palästina. Sie hat ihren Ursprung in dem 1841 begründeten gemeinsamen anglopreußischen Bistum Jerusalem. 1886 wurde das Bistum in eine anglikanische und eine lutherische Kirche gespalten. Die Angehörigen der neuen protestantischen Gemeinden kamen weniger aus den Reihen der muslimischen Bevölkerung als vielmehr aus den Reihen der einheimischen Kirchen.

Die Leitungsstruktur der Evangelisch-lutherischen Kirche in Jordanien liegt heute ganz in arabischen Händen. Es bestehen aber weiter partnerschaftliche Kontakte nach Deutschland. Die arabische lutherische Kirche umfaßt 1.400 Gemeindeglieder in Jerusalem, Bethlehem, Beit Jala, Beit Sahour und Ramallah. Dazu existiert in Amman eine Gemeinde mit 100 Angehörigen.

Die kleine Kirche gehört durch den starken westlichen Einfluß in Geschichte und Theologie zu den ‹fortschrittlichsten› Gemeinschaften, was gesellschaftliche und politische Anschauungen und Verhaltensweisen unter ihren Mitgliedern angeht. So versteht sich die lutherische Kirche auch als Brückenglied zwischen Orient und Okzident. Ein großes Gewicht wird auf die diakonische Arbeit unter Christen und Muslimen gelegt. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Arbeit für die Versöhnung zwischen Arabern und Juden. Wie in der episkopalen Kirche sind unter den Pfarrern Vertreter einer stark politisch engagierten und kontextuellen Theologie hervorgetreten. 14.Neben der Evangelisch-lutherischen Kirche in Jordanien bestehen in Jerusalem noch deutsch-, englisch-, dänisch-, schwedisch- und hebräischsprachige lutherische Gemeinden mit zusammen etwa 600 Angehörigen. Zwei kleine Gemeinden englischer bzw. hebräischer, englischer und arabischer Sprache bestehen in Jaffa und in Haifa.

Internetadressen
http://www.annadwa.org

3.6 Die armenische Kirche
Die armenische Kirche ist die älteste Nationalkirche der Welt. Im Jahre 301 nahmen die Armenier das Christentum an und haben sich dieses bis heute bewahrt. Auch im Heiligen Land ist die armenische Kirche seit den ältesten Zeiten vertreten. Sie ist den Griechen und den Lateinern in der Grabeskirche in Jerusalem und in der Geburtskirche in Bethlehem gleichgestellt. Die meisten heute im Heiligen Land lebenden Armenier sind Nachfahren der Flüchtlinge, die während des türkischen Völkermordes zur Zeit des ersten Weltkrieges nach Palästina flohen.

Lebten in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts weit über 10.000 Armenier in Palästina, so sind es heute durch die Auswanderung im großen Maßstab nur noch etwa 1.700 Angehörige der armenisch-orthodoxen Kirche, davon 1.200 in Jerusalem, das auch Sitz eines Patriarchats ist. Die restlichen Armenier leben v. a. in Jaffa und Bethlehem. Daneben existiert noch eine kleine mit Rom unierte armenisch-katholische Kirche mit etwa 400 Mitgliedern, auch von ihnen der größte Teil in Jerusalem. Zu diesen Zahlen sind noch die armenischen Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion zu addieren, die die armenische Gemeinschaft in Israel erheblich vergrößert haben.

Obwohl sich die Armenier als eigene Nationalität neben Arabern und Juden definieren, identifizieren sie sich weitgehend mit den palästinensischen Christen.

Internetadressen
Armenisch-orthodoxes Patriarchat von Jerusalem:
http://www.armenian-patriarchate.org
Armenisch-katholische Kirche:
http://www.geocities.com/Athens/Delphi/9395/

3.7 Die episkopale Kirche
Die episkopale (anglikanische) Kirche hat wie die Lutheraner ihren Ursprung im 1841 begründeten anglopreußischen Bistum. Nach Konflikten in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts liegt die Kirchenleitung inzwischen ganz in arabischen Händen. Neben den über Israel und die palästinensischen Gebiete verteilten arabischsprachigen Gemeinden gibt es in Jerusalem auch englisch- und hebräischsprachige Kongregationen. Die Kirche hat in Israel und Palästina etwa 1.750 Glieder, 900 in Israel, 350 in Jerusalem und 500 in der Westbank. Jerusalem ist der Sitz des Bischofs für Palästina, Israel, Jordanien, den Libanon und Syrien.

Die Episkopalkirche unterhält als einzige der protestantischen Kirchen einen religiösen Gerichtshof. An ihn wenden sich bedarfsweise auch die anderen protestantischen Kirchen. Mitglieder der Kirche in Jerusalem und der Westbank sind durch die Entwicklung einer palästinensischen Befreiungstheologie und durch politisches Engagement gegen die israelische Besatzung und für eine nationale palästinensische Identität hervorgetreten.

3.8 Die baptistischen Kirchen
Die Arbeit der Baptisten in Palästina begann im Jahre 1911. Während der ersten Jahrzehnte erfolgte ihre Arbeit v. a. unter den einheimischen Christen und weitete sich erst in jüngerer Zeit auf Juden und Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion aus. Heute ist der größte Teil der etwa 1.000-1.200 Baptisten in Israel und Westjerusalem arabischer Nationalität, daneben existieren russischsprachige Gemeinden und Gemeinden südamerikanischer und philippinischer Fremdarbeiter. Die Gemeinden in Ostjerusalem und in der Westbank sind arabischer Nationalität. Daneben finden sich an vielen Orten europäische und nordamerikanische Gemeindeglieder.

Internetadressen
Bethlehem Bible College (Interkonfessionell ausgerichtet): http://www.bethlehembiblecollege.edu

3.9 Die syrischen Kirchen
Im 6. Jahrhundert bildete sich in theologischer und sprachlicher Abgrenzung von der griechischsprachigen orthodoxen Kirche eine eigene Organisation heraus, die (west-) syrisch-orthodoxe Kirche, deren Angehörige auch Jakobiten genannt werden. Die Zentren der syrisch-orthodoxen Kirche liegen traditionell in Nordsyrien, 16.der Südosttürkei, dem Nordirak und Südostindien, nach einer massenhaften Auswanderung auf der Flucht vor politischer und religiöser Verfolgung in den letzten Jahrzehnten auch in Nordamerika und Europa.

In Jerusalem ist die syrisch-orthodoxe Kirche seit alters her vertreten und hat gewisse Rechte an den heiligen Stätten. Sie wird dort repräsentiert durch einen Erzbischof, der im St.-Markus-Kloster residiert. Neben der Gemeinde in Jerusalem (etwa 200 Personen) existiert eine Gemeinde in Bethlehem (etwa 1.000 Personen). Der größte Teil der Gemeinden ist auf der Flucht vor den türkischen Massakern in der Zeit des ersten Weltkrieges nach Palästina gekommen. Die Gemeindeglieder sprechen heutzutage Arabisch und sind weitgehend in ihre gesellschaftliche Umgebung integriert. Im Vergleich zu anderen Kirchen liegt die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten wegen der schwachen wirtschaftlichen Position des Patriarchats zum größten Teil in den Händen der Gemeindeglieder.

Desweiteren existiert eine mit Rom unierte Kirche jakobitischer Herkunft, die syrisch-katholische Kirche. Sie hat im heiligen Lande etwa 300 Mitglieder, die zum größten Teil in Jerusalem und Bethlehem, ferner in Jaffa, Lydda, Ramallah und Ramle leben. Sie ist in Jerusalem durch einen Patriarchalvikar vertreten.

In den ersten nachchristlichen Jahrhunderten entwickelte sich neben der oben behandelten (west-) syrisch-orthodoxen auch die von ihr aus theologischen Gründen geschiedene ostsyrische Kirche, auch als Nestorianer oder Assyrer bezeichnet. Ihr mit Rom unierter Zweig, meist als Chaldäer bezeichnet, besitzt in Jerusalem einen Patriarchalvikar, der einige Familien in Haifa geistlich betreut.

Internetadressen

Syrisch-orthodoxe Kirche: http://www.gwdg.de/ grabo/sok
Assyrische Kirche: http://www.cired.org

3.10 Die koptische Kirche
Die koptische (ägyptische) Christenheit ist mindestens seit dem Mittelalter an den heiligen Stätten vertreten. In deren Umkreis bildeten sich über die Mönche und Nonnen hinaus langsam auch Laiengemeinden ansässig gewordener Pilger heraus. Die insgesamt etwa 800 Kopten im Land leben v. a. in Jerusalem, Gaza, Ramle und Nazareth. Jerusalem ist Sitz eines koptischen Erzbischofs. Die koptische Kirche eignete sich im Laufe der Zeit zahlreiche Rechte der Äthiopier an, eine wesentliche Ursache für die zwischen beiden Gemeinschaften bestehenden Rivalitäten. Der mit Rom unierte Teil der koptischen Kirche hat im Heiligen Land etwa 60 Angehörige.

Internetadressen
Koptisch-orthodoxe Kirche: http://www.coptic.net

3.11 Die äthiopische Kirche Die äthiopische Kirche ist ihrer Natur nach die Vertretung der äthiopischen Nationalkirche an den heiligen Stätten und verantwortlich für die Betreuung äthiopischer Pilger. Sie unterhält zu diesem Zweck sieben Klöster mit etwa 70 Mönchen und Nonnen. In den letzten Jahren ist aber auch die Zahl der örtlichen Gottesdienstbesucher stark angestiegen, da mit der jüdischen Einwanderung aus Äthiopien auch zahlreiche Christen nach Israel gelangt sind.

Internetadressen
Ethiopian Orthodox Tewakedo Church:
http://www.students.uiuc.edu/ moges/orth.html

3.12 Kleinere Kirchen
Aus Platzgründen nicht behandelt werden können hier viele kleinere Kirchen. So sind z. B. zahlreiche Kirchen durch Missionen im Heiligen Land vertreten, wie etwa die russisch- und die rumänisch-orthodoxe Kirche. In Israel und Westjerusalem existieren zahlreiche kleinere protestantische Gruppierungen. Ein Teil ihrer Mitglieder besteht aus Fremdarbeitern aus Südostasien. Auch in Ostjerusalem und der Westbank existieren neben Lutheranern, Anglikanern und Baptisten noch einige andere kleine protestantische Gruppen. 3.13 Messianische Juden
Zahlreiche christliche Gruppierungen bemühen sich auch um die Bekehrung von Juden zum christlichen Glauben. Da die Bekehrten im allgemeinen ihre jüdische Lebensweise beibehalten und dem nur den Glauben an Jesus als den Messias ‹hinzufügen›, nennen sie sich ‹messianische› Juden. Zwar wird diese Missionstätigkeit von israelischer Seite nur ungern gesehen, jedoch haben sich jüdisch-orthodoxe Kreise mit der Forderung nach einem rigorosen Missionsverbot bisher nicht durchsetzen können. Die messianischen Juden sind im allgemeinen politisch kaum aktiv und führen ein zurückgezogenes Leben. Ihre Zahl beläuft sich nach manchen Schätzungen auf 2.500, nach anderen auf 3.000-4.000.

3.14 Sogenannte ‹christliche Zionisten›
In den letzten Jahren sind fundamentalistische evangelische Gruppierungen in Israel sehr aktiv. Sie identifizieren das heutige Israel mit dem biblischen Volk und übertragen demgemäß die Landverheißung an das biblische Israel auf den heutigen Staat. Daraus ergibt sich eine Unterstützung rechter Parteien und der israelischen Siedlungspolitik im Westjordanland und im Gazastreifen.

In erster Linie ist hier die International Christian Embassy in Jerusalem zu nennen. Einen Höhepunkt ihrer Aktivität bildet das jährliche ‹christliche Laubhüttenfest›, zu dem tausende Christen aus aller Welt anreisen und auf dem stets der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als Redner auftrat. In Deutschland haben v. a. die Vortragsreisen Ludwig Schneiders und die von ihm herausgegebenen ‹Nachrichten aus Israel› einen großen propagandistischen Einfluß auf evangelika-le Gruppierungen. Desweiteren sind z. B. die evangelischen Marienschwestern zu nennen.

Kontakte zu den einheimischen Christen bestehen kaum und haben nur Alibifunktion. Sie sollen zudem meist den ‹guten› christlichen und den ‹bösen› muslimischen Araber vorführen.

Internetadressen
International Christian Embassy: http://www.icej.org.il
Nachrichten aus Israel: http://www.nai-israel.com
Marienschwestern: http://www.marysisters.org.au

4 Zusammenfassung und Ausblick
Die obigen Ausführungen haben einen Einblick in die Vielfalt des Christentums des Heiligen Landes gegeben. Der größte Teil dieser Christen gehört der griechisch-orthodoxen, der griechisch-katholischen und der römisch-katholischen Kirche an. Die meisten Christen leben in der Umgebung von Jerusalem und im Norden Israels. Während die in Israel lebenden Christen ihre Rolle als Staatsbürger Israels akzeptiert haben, sind die Christen in den palästinensischen Gebieten alle mehr oder weniger deutlich zusammen mit den muslimischen Palästinensern gegen die israelische Besatzung aufgetreten. Das Zusammenleben zwischen Muslimen und Christen gestaltet sich im allgemeinen freundlich. Nur vereinzelt kommt es zu Übergriffen von Muslimen auf Christen und kirchliche Einrichtungen.

Hinsichtlich der Perspektiven für die weitere Entwicklung der christlichen Gemeinden bestehen große Unterschiede zwischen den palästinensischen Gebieten 19.und Israel. In Israel nimmt zwar ihr Bevölkerungsanteil ab, dennoch ist ein stetiges Anwachsen der christlichen Bevölkerung zu beobachten. Auch die wirtschaftlichen und politischen Perspektiven sind dauerhaft. In den palästinensischen Gebieten hingegen ist es in den letzten Jahrzehnten zu einer ständigen Auswanderung gekommen, die die Zahl der Gläubigen schrumpfen oder zumindest stagnieren ließ. Grund hierfür sind die ungewissen politischen und wirtschaftlichen Aussichten, die sich durch das Stocken des Friedensprozesses zwischen Israelis und Palästinensern bisher nicht verbessert haben. Trotz vereinzelter Bemühungen der Gemeinden, die Tendenz zur Auswanderung durch ideelle und soziale Fürsorge für die Gläubigen zu vermindern, kann eine grundlegende Verbesserung der Lage nur bei einer endgültigen Regelung zwischen Palästinensern und Israelis erreicht werden.

Das Fortbestehen der christlichen Gemeinden in der Westbank in der bisherigen Form wird in der nächsten Zukunft nur gewährleistet sein, wenn es bald zu einem Abschluß des Friedensprozesses kommt, der stabile wirtschaftliche und politische Perspektiven bietet. Ansonsten ist das Aussterben vieler Gemeinden zu befürchten. Dies wäre ein Verlust nicht nur für die Christenheit, sondern auch für die gesamte palästinensische Gesellschaft. Die Christen können durch ihre guten Qualifikationen und durch ihre Mittlerfunktion zwischen Orient und Okzident einen wichtigen Beitrag für deren Fortentwicklung zu einer demokratischen und zivilen Gesellschaft leisten. 5 Ausgewählte Literatur
BECHMANN, Ulrike; RAHEB, Mitri (Hgg.): Verwurzelt im Heiligen Land. Einführung in das palästinensische Christentum. Frankfurt am Main 1995.

BUTZKAMM, Aloys (Hg.): Wer glaubt was? Religionsgemeinschaften im Heiligen Land. Paderborn 1998.

KOLTERMANN, Ulrike: Die Palästinapolitik des Vatikans von 1947 bis 1997. Diss. theol. (röm.-kath.) Bonn 1999/ 2000 (in Vorbereitung).

PEÑA, Ignacio: Apuntes sobre el christianismo de Tierra Santa. In: Tierra Santa 70 (1995) S. 132-149.

PRIOR, Michael; TAYLOR, William (Hgg.): Christians in the Holy Land. London 1994.

SOUDAH, Romell: Christian Population in the Rural Areas. Some Demographic, Economic and Educational Aspects (1994). Bethlehem University 1998 (unveröffentlicht).

TSIMHONI, Daphne: Christian Communities in Jerusalem and the West Bank Since 1948. An Historical, Social and Political Study. Westport; London 1993.

TSIMHONI, Daphne: The Christians in Israel, the West Bank and the Gaza Strip. In: Middle East Quarterly (in Vorbereitung).

Ich danke herzlich den zahlreichen Angehörigen der verschiedenen Konfessionen und den Forschern, die mich bei meiner Arbeit unterstützt haben, sowie der Friedrich-Ebert-Stiftung Jerusalem. Die Meinung des Autors spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der Friedrich-Ebert-Stiftung wieder.

Dieses Dokument ist im Internet unter der Adresse
http://home.t-online.de/home/g-e-n/kirchen.pdf erhältlich.

22. Februar 2000
Friedrich-Ebert-Stiftung. Büro Sheikh Jerrah, Jerusalem

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