Holocaust - was soll das sein?

Eine neue Umfrage belegt: Deutschlands Jugend hat keine Ahnung

von Heidrun Holzbach

Um das Wissen junger Deutscher vom Holocaust steht es nicht gut, das war schon lange zu vermuten. Vor drei Jahren ergab eine (allerdings aus methodischen Gründen umstrittene) Umfrage des Bielefelder Emnid-Instituts der 14-bis 17-jährigen, dass jeder fünfte Jugendliche noch nie von Auschwitz gehört hatte. 1998 fanden die Demoskopen von Forsa heraus, dass 59 Prozent der 14- bis 18-Jährigen nicht wussten, was in der so genannten Reichskristallnacht geschah. Eine neue, bislang unveröffentlichte Untersuchung zeichnet ein noch finstereres Bild: Danach können rund zwei Drittel der 14- bis 18-Jährigen Deutschen mit dem Begriff Holocaust nichts anfangen. Bei den Volks- und Hauptschülern sind es sogar 87 Prozent, die von der Schoah keine Ahnung haben, unter jungen Menschen mit Abitur- oder Fachhochschulreife immerhin noch 43 Prozent. Ähnliche Ignoranz zeigte sich bei Jugendlichen in Frankreich, wo Emnid gemeinsam mit einem französischen Partnerinstitut eine entsprechende Umfrage gestartet hatte.

In Schweden bewegte vor zwei Jahren ein vergleichbar drastischer Befund die Regierung zu einer Bildungsoffensive. In Deutschland hatten die Meinungsforscher 350 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Jugendliche befragt. Für eine repräsentative Studie genügt das. Dieter Walz von Emnid jedenfalls rechnet mit einer Fehlerquote von lediglich drei Prozent. Auschwitz, Dachau und Treblinka, das muss man nun zur Kenntnis nehmen, sind hierzulande für vier von zehn Jugendlichen Fremdwörter. Dabei ist der Anteil derjenigen, denen diese Namen nichts sagen, bei Volks- und Hauptschülern mit 60 Prozent wiederum besonders hoch.

Im Übrigen gilt: je jünger, desto geringer das Wissen. Kein Wunder freilich, denn in der Schule kommt die NS-Zeit gewöhnlich erst in der neunten oder zehnten Klasse auf den Lehrplan. Jeder zweite der befragten 14jährigen gab an, nicht über den Holocaust unterrichtet worden zu sein. Von den Übrigen haben im Unterricht offenbar nur wenige aufgepasst: Neun von zehn Jugendlichen dieser Altersstufe wissen nicht einmal, was der Begriff bedeutet. Wer nichts weiß, das zu vermuten liegt nahe, wird Unwissenheit nicht verwerflich finden. Rund 62 Prozent der Jugendlichen lehnten eine strafrechtliche Verurteilung von Menschen ab, die den Holocaust leugnen. Unter den Hauptschülern sind es immerhin noch 40 Prozent, die strafrechtliche Maßnahmen befürworten, während fast 70 Prozent der jungen Leute mit mittlerer Reife sie ablehnen. Der Historiker Hans Mommsen hatte die ältere Emnid-Umfrage noch als "durchaus zufriedenstellendes Ergebnis" gewertet, weil trotz mangelhafter Kenntnisse mehr als 73 Prozent der Jugendlichen für die "Wichtigkeit des Erinnerns" eingetreten waren. Selbst damit scheint es inzwischen vorbei zu sein.

aus: DIE ZEIT, 10.8.2000

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