Informationen aus Israel

von Michael Krupp und Ulrich W. Sahm, Jerusalem

Interreligiöses Treffen in Nablus
Bei einem ersten Treffen der Israel Interfaith Association in der palästinensischen Stadt Nablus Ende Februar hat der Bürgermeister der Stadt, Rafan Shaka, den Besuch als Zeichen der Hoffnung für die zukünftigen Beziehungen von Israelis und Palästinensern bezeichnet angesichts des derzeitigen Stillstands politischer Verhandlungen. Die Palästinenser seien zu einem vollen Frieden bereit, Nablus werde sich freuen, in Zukunft Tausende Israelis zu empfangen und ihnen ihre "Stadt von Stolz und Ruhm" zu repräsentieren.

Der Bürgermeister betonte die guten Beziehungen innerhalb der verschiedenen Religionsgemeinschaften der Stadt, die zum größten Teil moslemisch ist mit einer kleinen christlichen Minderheit verschiedener Konfessionen und der alten biblischen Gemeinschaft der Samaritaner, die ihr Zentrum auf dem die Stadt überragenden Garizim-Berg haben. Die Stadt sei willens, interreligiöse Kontakte auch zum Judentum zu pflegen und begrüße deshalb den ersten Besuch einer religiös gemischten Gruppe aus Israel.

Shaka kündigte an, dass er einen der Ratsmitglieder der Stadtverwaltung mit der Pflege dieser Beziehungen betrauen werde und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass dieser Besuch nur der Anfang einer dauerhaften Begegnung ist. Für das nächste Jahr wurde die Abhaltung einer größeren Konferenz in der Stadt vereinbart, die von der Stadtverwaltung und der Interfaith Association gemeinsam veranstaltet werden soll.

Die ca. 40 Israelis trafen auf eine Gruppe ebensovieler Palästinenser, von denen die meisten Mitglieder der palästinensischen Friedensgruppe "Nablus Youth Federation" waren. Diese Gruppe umfasst 750 meist jugendliche Mitglieder und wurde 1995 gegründet als Kontaktadresse für israelische Gesprächspartner zur Normalisierung der zwischenmenschlichen Beziehungen auf der unteren Ebene. In einer Diskussionsrunde wurden zuerst die gegenseitigen Vorwürfe jeder Gruppe gegen die andere ausgetauscht und anschließend nach Möglichkeiten gesucht, zu einer Verständigung zu kommen.

Der Höhepunkt war für die meisten Israelis ein Besuch in der Altstadt von Nablus, der sogenannten Kasba, Hauptkampfgebiet zwischen palästinensischen Jugendlichen und israelischen Soldaten in der Vergangenheit. Unter der kundigen Führung des Chefarchäologen der palästinensischen Regierung für Nablus, Ibrahim El-Fanni, besuchte die Gruppe letzte Ausgrabungen des alten biblischen Sichem und erhaltene Reste römischer Bauwerke, so dass Theater und die Basilika, die heute die Hauptmoschee ist.

Die politischen Spannungen waren daran zu messen, dass es nicht möglich war, das antike Josef-Grab mitten im Herzen von Nablus aufzusuchen, das unter israelischer Verwaltung sich befindet und eine jüdische Talmudhochschule beheimatet. Die ganze Exkursion wurde von einem Trupp palästinensischer Polizisten begleitet, die für die Sicherheit in der Stadt zuständig waren. (Michael Krupp)

Israel gibt Veröffentlichung der Eichmann Tagebücher frei
Israel hat die Tagebücher des hingerichteten "Architekten der Judenvernichtung", Adolf Eichmann, zur Veröffentlichuing freigegeben. Eichmann hatte die Tagebücher während seiner Haft in Israel nach seiner Verurteilung 1961 bis zu seiner Hinrichtung 1962 geschrieben. Eichmann-Richter Gideon Hauser hatte seinerzeit Premierminister David Gurion nahegelegt, die Tagebücher nicht zu veröffentlichen.

Die Tagebücher, die inzwischen computermäßig erfasst wurden und im Internet veröffentlicht sind, werden als erstes den Rechtsanwälten der Professorin Deborah Lipstadt übergeben, gegen die einen Verleumdungsprozess des Historiker David Irving läuft. Lipstadt hatte Irving in einem ihrer Bücher als "gefährlichen Sprecher im Dienst der Holocaust-Leugner" bezeichnet. Die Tagebücher sollen jetzt klären helfen, ob Hitler selbst nichts von der Judenvernichtung gewußt hat, wie Irving behauptet.

Eine Auslieferung der Tagebücher war vor Jahren von einem der beiden Söhne von Eichmann gefordert worden. Die Bitte wurde seinerzeit abgelehnt mit dem Hinweis, dass die Tagebücher nur einem Stab deutscher Wissenschaftler zur Verfügung gestellt werden sollten, die die Tagebücher veröffentlichen sollten. Der Fall Lipstadt hat die Prozedur um die Veröffentlichung beschleunigt.

Eichmann war seinerzeit vom israelischen Geheimdienst mit deutscher Hilfe in Argentinien aufgespürt, entführt und nach Israel gebracht worden. 1961 wurde er angeklagt, der Todesmaschinerie der Judenvernichtung geleitet zu haben. Er wurde anschließend zum Tode verurteilt und im Mai 1962 hingerichtet, als erster und bisher letzter in der über fünfzigjährigen Geschichte des Staates Israel. (Michael Krupp)
Grundsatzentscheidung des Israelischen Obersten Gerichts gegen Apartheid
Das israelische Oberste Gericht hat sich in einem Grundsatzurteil gegen jede Form von Apartheid ausgesprochen. Es hat dem Staat verboten bei Bodenverkäufen oder Vermietungen Bedingungen nationaler Art zu stellen. Es sei in einem jüdischen demokratischen Staat nicht erlaubt, irgendwelche Unterschiede zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen des Staates zu machen, so vier der fünf Richter.

Das Oberste Gericht war von der israelischen Bürgerrechts-Vereinigung im Namen des israelisch-arabischen Paares Adel und Iman Kadan aus dem Dorf Baqa el Garbija angerufen worden. Das Paar hatte in der jüdischen Gemeinschaftssiedlung Kazir im Norden des Landes ein Haus erwerben wollen, war aber von dem Dorfrat mit dem Bescheid abgewiesen worden, dass Kazir eine jüdische Siedlung sei und nur Juden offen stehe.

Die bisherige Praxis, die noch aus der vorstaatlichen Zeit stammt, war, Nationalböden nur an Juden weiterzugeben. Diese Praxis hat das Oberste Gericht jetzt als illegal erklärt. Der Parlamentabgeordnete, Chaim Druckman, von der Nationalreligiösen Partei, hat sofort nach Bekanntwerden des Urteils die Entscheidung scharf verurteilt und angekündigt, eine Gesetzesvorlage einzubringen, die den Entscheid des Gerichts aufhebt. Vertreter arabischer Parteien haben das Urteil des Gerichts als Meilenstein auf dem Weg zur Gleichstellung der arabischen Bürger in Israel bezeichnet. (Michael Krupp)

Schwere Anklagen gegen israelischen Geheimdienst
Ein Bericht des Staatskontrolleurs hat die Verhörpraxis des israelischen Geheimdinstes aus der Anfangszeit der Intifada 1989 bis 1992 schwer kritisiert und als ungesetzlich bezeichnet. Er beschuldigt den Geheimdienst wissentlich alle Beschränkungen in der Verhörpraxis gebrochen und darüber vor Gerichten und Untersuchungskommissionen falsche Angaben gemacht zu haben. Er belastet alle Dienstgrade des Geheimdienstes bis hinauf zm damaligen Chef des Geheimdienstes, Jaakov Peri.

Der Bericht stammt aus dem Jahr 1995 und wurde von der damaligen Staatskontrolleurin Miriam Ben Porat verfasst, wurde aber erst jetzt zur Veröffentlichung freigegeben. Wörtlich heißt es: "Die Regelwidrigkeiten waren zum größten Teil nicht das Ergebnis von Unkenntnis über das erlaubte oder verbotene Maß, sondern wurden wissentlich begangen. Gediente und hochgradige Untersuchungsbeamte haben im Gazastreifen schwere und systematische Verletzungen des Rechts begangen. Die Vorgesetzten des Geheimdienstes haben diese Regelwidrigkeiten nicht verhindert."

Die Regelwidrigkeiten beziehen sich auf die Norm von Untersuchungspraktiken, die eine israelische Kommission, die sogenannte Landau-Kommission, im November 1987 festgesetzt und bestimmte bis dahin praktizierte Untersuchungsmethoden verboten, die "Anwendung moderater Gewalt" aber ausdrücklich erlaubt hatte. 1999 wurde auch diese Praxis, die von Kritikern als Folter bezeichnet worden war, vom Obersten Gericht aufgehoben. Der Bericht stellt fest, dass die Landau-Kommission nichts an den unhaltbaren Untersuchungspraktiken geändert habe, die vorher üblich, nach November 1987 aber ungesetzlich waren.

Der damalige Chef des Geheimdienstes, Jaakov Peri, hat die Anschuldigungen gegen den Geheimdienst und gegen seine Person zurückgewiesen und in einem Radiointerview erklärt, er verstehe nicht den Sinn der Veröffentlichung eines solchen Berichts über so lange zurückliegende Ereignisse. Der Bericht habe die damalige Situation, vor die der Geheimdienst gestellt wurde, nicht berücksichtig. Alle Missstände von damals seien inzwischen längst revidiert worden. (Michael Krupp)

Russen gegen Russen
" Da bleibt Ihnen wohl nur noch die Wahl zwischen Politik und Ökumene", sagte resigniert der vielgeachtete Dominikanerpater Marcel Dubois, nachdem Erzbischof Mark aus München seine achtjährigen Bemühungen beschrieben hatte, die gespaltene russisch orthodoxe Kirche wieder zu vereinen.

Erzbischof Mark von der "Russisch-Orthodoxen Kirche Ausserhalb Russlands" war einer Einladung der Ökumenischen Fraternität in Jerusalem gefolgt, zum Gedenken an den kürzlich verstorbenen Pater Johannes Düsing die Lage seiner Kirche darzustellen. Dazu bestand ein aktueller Anlas.

Am 15. Januar hatten palästinensische Polizisten die Nonnen und Mönche aus einem russischen Anwesen in Jericho vertrieben. 1997 war unter noch schlimmeren und gewalttätigen Umständen von der palästinensischen Polizei auch das einzige christliche Kloster in Hebron geräumt worden. PLO-Chef Jassir Arafat hatte der Bitte des Moskauer Patriarchats und der Regierung Russlands stattgegeben. Die "weiss-russischen" Mönche wurden vertrieben, um die Klöster und Ländereien an die "rotrussische" Kirche und die Regierung in Moskau zu überstellen.

Erzbischof Mark erzählte von der Spaltung der russisch-orthodoxen Kirche infolge der bolschewistischen Revolution von 1917. Die Russen im Ausland blieben zarentreu, während sich die Kirche in der Sowjetunion den neuen kommunistischen Herren unterwarf. So entstand die Unterscheidung zwischen "weißen" und "roten" orthodoxen Russen, Begriffe, die Erzbischof Mark jedoch verwirft.

1920 erging ein Dekret vom Moskauer Patriarchat, dass sich alle Russen im Ausland unter der Führung des "ältesten Bischof" selber verwalten sollten. Diese russische Kirche im Ausland, der auch die Verwaltung aller Besitztümer der russischen Kirche im Ausland übertragen wurde, nahm ihren Sitz zunächst in Konstantinopel auf, ehe sie während des Weltkriegs nach Serben wanderte und schließlich nach dem Krieg über Deutschland nach New York umzog. In den USA hat sie auch heute noch ihren Hauptsitz. Erzbischof Mark mit Sitz in München, trägt auch die Verantwortung für die russischen Klöster im Heiligen Land. Er berichtet, dass aller Kirchenbesitz in der Sowjetunion nach der Revolution von 1917 in den Staatsbesitz übergegangen seien. Daran habe sich bis heute nichts geändert. "Es gibt in ganz Russland keinen Kirchenbesitz mehr", sagte er.

Im Heiligen Land, wo die Zaren schon vor 200 Jahren mit eigenen Kirchen und Klöstern Fuß gefasst hätten, sei 1948 der russische Kirchenbesitz vom Staat Israel aus Dankbarkeit für die schnelle Anerkennung durch Moskau an die Sowjetunion übergeben worden. "Unsere Nonnen in Ein Karem und anderswo mußten sich während des Krieges durch Schwerstarbeit ihren Lebensunterhalt verdienen. Nach der Gründung Israels seien sie brutal vertrieben worden."

In den damals von Jordanien besetzten Gebieten, dem heutigen Westjordanland und Ostjerusalem blieb der Status Quo erhalten. Dort verwalteten weiterhin die "Weißrussen" ihre Klöster in Bethanien, auf dem Ölberg und in unmittelbarer Nähe der Grabeskirche.

Eine erneute Veränderung trat 1997 ein, als Arafat sich seiner alten Freunde in Moskau besann und das Kloster bei der "Eiche Abrahams" in Hebron stürmen ließ. Während die Nonnen gewaltsam herausgezerrt und krankenhausreif geschlagen wurden, standen Vertreter des "rotrussischen" Patriarchats und der russischen Botschaft in Tel Aviv dabei und schauten zu.

"Seit acht Jahren versuche ich, mit Moskau zu reden, um die theologischen und ideologischen Differenzen zu überbrücken, die seit über 80 Jahren gewachsen sind. Wie kann man aber einen Dialog führen mit Leuten, die uns mit dem Stock auf den Kopf schlagen," sagte Erzbischof Mark zu den gewalttätigen Vorgängen in Hebron und Jericho. Vor allem erschütterte den Erzbischof die Tatsache, dass angebliche Kirchenleute aus Moskau tatenlos zuschauten, wie ihre Brüder und Schwestern "brutal" vertrieben wurden. "Das ist unethisch und nicht spirituell." Als "bezeichnend" empfand er auch die Tatsache, dass die kirchlichen Besitztümer der "Russisch-Orthodoxen Kirche im Ausland" nicht etwa in den Besitz des Moskauer Patriarchats oder der russisch-orthodoxen Kirche übergingen, sondern dem russischen Staat übergeben wurden.

Auch in Deutschland, so der Erzbischof, übe Moskau Druck auf die Bundesregierung aus, die russischen Klöster und Kirchen an die russische Regierung zu übergeben.

Erzbischof Mark sagte, dass er mit dem amerikanischen Konsul und mit Arafat, mit dem lateinischen Patriarchen Sabbah und mit Vertretern anderer Kirchen im Heiligen Land Kontakt aufgenommen habe. Arafat habe 1997 ein fünfköpfiges Ministerkomitee eingerichtet, um den Überfall auf das Kloster in Hebron zu prüfen. "Die sind bis heute nicht ein einziges Mal zusammengetreten." Arafat habe kein einziges seiner Versprechen gehalten. Die Amerikaner hätten sehr positiv reagiert und üben Druck auf Arafat aus, weil zwei Nonnen mit amerikanischer Staatsangehörigkeit seit drei Wochen als "freiwillige Gefangene" in dem Kloster in Jericho ausharren. Sie werden verpflegt, können sich aber nicht waschen. Dem Roten Kreuz wird der Zutritt zu dem Kloster verwehrt, aber es gehe den Nonnen den Umständen entsprechend gut.

Die Reaktionen auf die Vorstöße des Erzbischofs seien sehr unterschiedlich gewesen. Die verschiedenen Kirchen hätten "Angst" sich mit Arafat und den Palästinensern anzulegen, denn auch sie hätten einiges unter diesem "jungen und nicht sehr demokratischen Regime" zu befürchten. Auf die Frage, warum denn die russische Kirche im Ausland nicht versuche, einen Prozess anzustrengen und so ihr Eigentum zurückzuerlangen, sagte der Erzbischof: "Das ganze ist eine politische Frage. Kein palästinensischer Rechtsanwalt wäre bereit, sein Leben zu riskieren, indem er einen Standpunkt gegen Arafats Weisungen vertritt."

Hebron und Jericho seien nur erste Schritte, befürchtet der Erzbischof. Es sei zu erwarten, dass auch Bethanien unter volle palästinensische Verantwortung gestellt werde. Dann bliebe nur noch Ostjerusalem, das ebenfalls von den Palästinensern eingefordert werde. Auch dort könne dann russischer Kirchenbesitz gewaltsam in russischen Staatsbesitz übergehen.

Derweil, so Erzbischof Mark mit Bedauern, bleibe der ökumenische Dialog auf der Strecke. Die Versuche einer Annäherung und Überbrückung der Differenzen würden immer schwieriger, "weil hier nicht auf zivile Weise vorgegangen wird". (Ulrich W. Sahm)

Qumran - Ein "Kloster mit Männern, Frauen und Kindern"
Ein frisch entziffertes Schriftdokument der Essenersekte aus der Zeit Jesu beweist, dass in der "Klostergemeinschaft" von Qumran am Toten Meer in der Zeit Jesu verheiratete Ehepaare lebten. Sie verpflichteten sich aber beim Anschluß an die Sekte zu einer "platonischen Beziehung". Das Dokument wurde vom israelischen Forscher Steven Pfann entziffert und erforscht. Sein wissenschaftlicher Bericht dazu wird demnächst in Oxford in der offiziellen Edition der "Entdeckungen vom Toten Meer" veröffentlicht.

Die klösterliche Gemeinschaft von Qumran und die Essenersekte haben seit der Entdeckung der "Tote-Meer-Rollen" 1948 und des Ruinenfeldes in der Wüste bei Jericho die Phantasie von Christen beflügelt. Manche vermuten Johannes den Täufer und vielleicht gar Jesus unter den Sektenmitgliedern. Andere glauben, hier gar den Ursprung katholischer Klöster mit zölibatären Mönchen gefunden zu haben. Konspirative Theorien wurden wegen Qumran in die Welt gesetzt. Der Vatikan halte Schriftdokumente aus Qumran unter Verschluß, weil sie den christlichen Glauben ins Wanken bringen könnten. Versuche ernsthafter Wissenschaftler, derartige Behauptungen als "reinen Quatsch" zu verwerfen, können kaum den Absatz von Bestsellern wie "Verschlusssache Jesus" verringern.

Wohl im Rahmen der Suche nach den eigenen (katholischen) Wurzeln sollen bei einem Symposium in Eichstätt Fragen beantwortet werden wie: "Gibt es in Qumran einen Friedhof, auf dem nur Männer beigesetzt wurden? War Qumran Sitz einer klösterlichen Gemeinschaft?"

Hierzu sagt der israelische Archäologe Steve Pfann, dass tatsächlich auf einem der Friedhöfe von Qumran in geraden Reihen nur Männer begraben worden seien, vermutlich die Priester. Doch gebe es andere Grabfelder, wo auch Frauen und sogar Kinder begraben worden seien. In dem frisch entzifferten Bruchstück aus einer Schriftrolle von Qumran sei zwischen die Zeilen auf Hebräisch eingefügt worden: "Der Mann soll sich nicht seiner Frau nähern". Der Satz stehe in der "Gemeinschaftsregel" von Qumran. Neun verschiedene Kopien dieses Dokuments existieren. Der Satz beweise, dass auch Ehepaare in Qumran lebten. Aus anderen Quellen sei bekannt, dass Sektenmitglieder Kinder adoptiert hätten.

Das Symposium in der katholischen Universität von Eichstätt begleitet eine Ausstellung unter dem Motto "Jericho und Qumran: Zum Umfeld der Bibel." Dabei sollen "als Weltpremiere " (so eine Pressemitteilung der Katholischen Universität von Eichstätt) auch Knochenfunde aus dem Qumran der Zeit Jesu ausgestellt werden. Israelische Archäologen, die wegen befürchteter Übergriffe fanatischer ultraorthodoxer Juden ihren Namen nicht veröffentlichen wollen, bezeichnen das Vorhaben, alte jüdische Knochen öffentlich auszustellen, als eine "ungeheuerliche Geschmacklosigkeit und als den Versuch, einen künstlichen Skandal zu erzeugen." Ein Archäologe redete von einer "akuten Gefährdung israelischer Archäologen". Weil ultraorthodoxe Juden immer wieder Archäologen als "Grabschänder" bezeichnen und wiederholt physisch angegriffen hätten, sei die geplante Ausstellung in der Eichstätter Hofgartenbibliothek eine "leichtsinnige Provokation", deren Folgen nicht abzusehen seien.

Dr. Thomas Pleil, Leiter der Presseabteilung der Katholischen Universität von Eichstätt erwiderte auf der Vorwürfe, dass er sich an den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, wenden wolle, um sich seinen Rat einzuholen. "Wir wollen eine wissenschaftliche Veranstaltung und keine Provokation, schon gar nicht gegen eine andere Religion", sagte Pleil. (Ulrich W. Sahm)

Bundespräsident Rau in Israel
Bundespräsident Johannes Rau hatte während seines Staatsbesuchs in Israel ein zweistündiges Gespräch mit Vertretern der drei monotheistischen Religionen geführt. Auf Wunsch der Religionsvertreter fand das Gespräch unter Ausschluss der Presse statt. Rau sagte danach, dass er diesen Dialog der Religionen "noch nicht bewerten" könne. Doch alle Teilnehmer hätten "sehr engagierte Beiträge" gemacht, oder, "wie kann Toleranz zustande kommen, ohne die eigene Identität zu verlieren". Rau berichtete, dass alle Teilnehmer die Initiative sehr begrüßt hätten und dass sie weitergeführt werden solle. Vor zwei Wochen habe Rau im Rahmen eines schon unter seinem Vorgänger Herzog initiierten Projekts an einem "Kulturdialog" in Davos teilgenommen. Zwölf Staatoberhäupter, darunter islamische Könige und europäische Monarchen seien beteiligt. Auch dort sei es zu einem Dialog zwischen Moslems, Juden und Christen gekommen.

Der Baseler Theologe Hans Küng, der auf Einladung Raus an dem Gespräch in Jerusalem teilnahm, resümierte die Diskussion am ovalen Tisch im King David Hotel. Da sei gefordert worden, dass die Vertreter der verschiedenen Religionen sich nicht immer nur "nett über Frieden, Versöhnung und Dialog" äußern sollten. Unter diesen Bedingungen würden die wahren Probleme ausgeklammert und die wichtigen Fragen nicht angesprochen werden. Bundespräsident Rau warf ein: "Zu solchen Religionsgesprächen kommen immer nur die ohnehin Dialogbereiten. Sie forderten untereinander: Schluss mit den Lippenbekenntnissen." Rau fügte hinzu, dass es in allen Religionen Fanatiker und Extremisten gebe. Die sollten von den gemäßigten Strömungen beachtet und angesprochen werden.

Die anwesenden Juden und Moslems wurden vom evangelischen Propst Ronecker gefragt, ob sie sich gegenseitig als "Bruder" betrachten würden. Der anwesende ehemalige Oberrabbi des Militärs, Mordechai Piron erklärte sich "einverstanden" der "ältere Bruder" zu sein, was von den anwesenden Christen "mit Erleichterung" gehört wurde. Die beiden Moslems betonten die besondere Stellung von Judentum und Christentum im Islam als "Religionen des Buches".

Küng fragte: "Was passiert, wenn ein Volk keine Vergebung kennt oder Vergebung verweigert." Bei dem Pressegespräch führte Küng mit Bibelzitaten aus, dass in der "Bibel der Juden" Vergebung kaum vorkomme. Das Judentum kenne nur Vergebung durch Gott oder durch Tote, nicht aber unter den Mitmenschen. Küngs Behauptungen wurden von einem anwesenden jüdischen Journalisten heftig kritisiert. Immerhin heiße der höchste jüdische Feiertag "Versöhnungs- (Vergebungs-) Fest".

Auch die Rolle der Religion in der Politik sei angesprochen worden, ohne dass "aktuelle Fragen" angerührt worden seien. Oberrabbi Piron erwähnte, dass "alle Kriege in der Vergangenheit im Namen der Religion und des sogenannten friedfertigen Gottes geführt worden seien". Rau sagte hierzu, dass ein Wegfall der Religiosität (in der modernen Gesellschaft) nicht unbedingt zu mehr Friedfertigkeit unter den Menschen führe, sondern eher zu einer Desorientierung. Die Religion spiele eine große Rolle, die Werte und die Ethik in einer Gesellschaft mitzubestimmen. Durch einen Wegfall der Religion und ihrer Werte könnten die Menschen viel leichter durch "Machtpolitik instrumentalisiert" werden. Als Gegenargument wurde eingeworfen, dass gerade im Nahen Osten, in Israel wie in den muslimischen Ländern, die Menschen eher durch die Religionen instrumentalisiert würden.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz des Bundespräsidenten Rau mit Palästinenserchef Jassir Arafat dementierte der Palästinenserführer, Polizisten zu dem Kloster der russisch-orthodoxen Kirche im Ausland geschickt zu haben, um das Kloster gewaltsam dem russischen Staat zu übergeben. "Es gibt einen Streit zwischen den beiden russischen Kirchen", bestätigte jedoch Arafat und sagte, dass ein Kompromiss ausgehandelt worden sei, das Land zwischen beiden Kirchen aufzuteilen.

Bundespräsident Rau bestätigte gegenüber diesem Korrespondenten, bei seinem Gespräch mit Arafat auch "christliche Angelegenheiten" angesprochen zu haben. Rau war vor dem Treffen mit Arafat von Journalisten und Diplomaten ausgiebig über den Vorfall in dem russischen Kloster in Jericho informiert worden. So sind Rau auch Zeitungsberichte mit Photos übergeben worden, wo deutlich zu sehen ist, wie bewaffnete palästinensische Soldaten den Eingang zu dem Kloster bewachen.

Am 15. Januar sind die "weißrussischen" Mönche zur Polizeistation zitiert worden, "um ihre Papiere zu überprüfen". Dort wurde ihnen mitgeteilt, dass sie nicht in das Kloster zurückkehren könnten. Derweil wurde das Kloster von bewaffneten Polizisten übernommen, in Anwesenheit von russischen Diplomaten der Botschaft in Tel Aviv. Zwei Nonnen, unter ihnen Schwester Maria Stephanopolous, die Schwester des ehemaligen Sprechers von Präsident Clinton, gelang es nach eigenen Angaben, "bei dem Durcheinander" auf das Klostergelände zu gelangen und sich zu verstecken. Die Soldaten hätten versucht sie gewaltsam rauszuwerfen. Die Nonnen übernachten in einem kleinen "Gartenhaus". Schwester Maria erzählte: "Wir können uns nur im Freien an einem Wasserhahn waschen, der für das Bewässern der Blumen bestimmt ist. Die jungen Soldaten schauen uns dabei immer zu."

Rund um die Uhr halten sich "weißrussische" Mönche vom Himmelfahrtskloster auf dem Jerusalemer Ölberg vor dem Tor des Klosters in Jericho auf. Der Münchner Erzbischof Mark, für seine Kirche im Heiligen Land zuständig, war ein Monat lang im Lande, um über eine Rückgabe des Klosters und den Abzug der palästinensischen Soldaten zu verhandeln. Vergeblich versuchte er, bei Arafat vorzusprechen. Der PLO-Vertreter in Berlin, Abdallah Frangi, bestätigte, von Erzbischof Mark Briefe erhalten zu haben. "Ich werde nach Jericho fahren und mir das anschauen", sagte Frangi. Sollten die Zustände wie beschrieben sein, so Frangi, dann wolle er einen eigenen Report für "den Präsidenten" (Arafat) schreiben. (Ulrich W. Sahm)

Israelische Reaktionen auf "Mea culpa" des Papstes
Schewach Weiss, heute der Vorsitzende der Holocaustgedenkstätte Yad Vaschem und in seiner Jugend ein "Nachbar dieses Papstes in Galizien" bezeichnete den Papst als einen "guten und hochgebildeten Mann". Dessen Besuch in Yad Vaschem, "dem schrecklichsten Symbol des Holocaust in der Welt" werde in Höhepunkt der Papstreise nach Israel sein, "und vielleicht gar ein Höhepunkt aller seiner Auslandsreisen." Weiss vermutet, dass der Papst in der Gedenkstätte eine "wichtige Rede" halten werde. Auch für Weiss ging die Bitte um Vergebung, wie sie am 12. März im Vatikan ausgesprochen worden ist, "nicht weit genug". Weiss erklärte, dass die katholische Kirche die "Ökologie des Antisemitismus" geschaffen habe, der sich auch die Nazis bedient hätten. Deshalb sei es ungenügend, wenn der Vatikan nur "einzelne Christen" der Vergehen der Vergangenheit bezichtige, nicht aber die Institution Kirche. Weiss erwartet vom Papst eine ausdrückliche Erwähnung der Schoah und der Versäumnisse der Kirchenverantwortlichen in dieser Zeit. Denn viele Kirchenmänner seien "aktive Beteiligte" an den Taten gewesen und in anderen Fällen hätten die Kirchenoberen "weggeschaut und geschwiegen". Weiss äußerte jedoch Verständnis dafür, dass der Papst nicht den "schweigenden Papst während des Holocaust", Pius XII, ausdrücklich verurteile. Es sei unüblich, dass Päpste ihre Vorgänger kritisieren.

Der israelische Vatikan-Experte Dr. Jitzchak Minerbi kritisierte im Rundfunk die Behauptung des Papstes und Ratzingers in seinem "Mea Culpa" Dokument, wonach die "Kirche" rein sei, während nur einzelne Christen gesündigt hätten. Im Gespräch mit diesem Korrespondenten sagte Minerbi später, dass selbst in "Mea Culpa" die Kirche als Mutter, verantwortlich für ihre Kinder" bezeichnet werde. Bei den Worten Jesu würde Minerbi "nicht einmal ein Jota" ändern, das Dogma der "Kirche" jedoch habe viel Unglück über die Juden gebracht. Seit 2000 Jahren seien "im Namen der Kirche" Juden verfolgt worden. Papst Pius IX habe "als Papst" die Juden ins Getto gesteckt, den "gelben Fleck" befohlen und "jüdische Kinder stehlen lassen". Unter jenem Papst seien Juden auch gezwungen worden, am Sabbat Predigten in den Kirchen anzuhören. Minerbi fügt hinzu: "Die Kirche kann irren, sie ist nicht rein."

"Wenn Papst Pius XII statt zu schweigen seine elementare Pflicht getan hätte, dann wäre die Allee der Gerechten in Yad Vaschem (wo Nichtjuden geehrt werden, die unter Einsatz ihres Lebens vor ihrer Ermordung durch die Nazis gerettet haben) sehr viel länger", sagte der israelische Oberrabbiner Israel Meir Lau, sehr enttäuscht, dass der Papst bei seiner Bitte um Vergebung die Schoah nicht einmal erwähnt habe. Papst Pius XII "stand auf dem Blut der Juden und das muss in aller Schärfe verurteilt werden. Der Hebräische Begriff "auf dem Blut stehen" bedeute so viel wie "wegschauen und schweigen, während Menschen sterben, anstatt ihnen zu helfen.

Die Inquisition von 1492 ausdrücklich zu erwähnen, nicht aber die Wannseekonferenz von 1942, zeugt von einem "schwerwiegenden Manko in der Betrachtung der Geschichte". Dabei habe dieser Papst doch die Schoah "selber miterlebt", meinte Lau, der als Kind dem Papst in Polen begegnet ist. Gleichwohl begrüßte Lau die Bitte um Vergebung und äußerte die Hoffnung, dass der Heilige Vater die Bitte um Vergebung in Yad Vaschem in Jerusalem "vervollständigen" werde.

Scheich Camal Khatib, stellvertretender Vorsitzender der der israelischen Islamistenbewegung bezeichnete das "Mea Culpa" des Papstes als "positiven Schritt". Er bedauerte jedoch, dass der Papst nicht die Kriegserklärung des Papstes in der Zeit der Kreuzfahrer vor tausend Jahren nicht als "Verbrechen" bezeichnet habe. Die Muslime könnten mit der Bitte um Vergebung nicht zufrieden sein, weil die Kreuzzüge einen "zerstörerischen Einfluss auf die muslimische Welt" gehabt hätten. (Ulrich W. Sahm)

Vor dem Papstbesuch: Israel ist dicht
Damit 2000 Busse, gefüllt mit Pilgern, von einer heiligen Stätte zur anderen fahren können, wird die israelische Polizei zentrale Verkehrsadern bis zu fünf Stunden lang sperren. Denn 2000 Busse mit geringstem Sicherheitsabstand bedeutet das eine fast hundert Kilometer lange Kolonne. Für ein Land, das knapp 100 Kilometer breit und in seiner bevölkerten Region nur etwa 200 Kilometer lang ist, bedeutet das ein Erliegen jeglichen Verkehrs.

Das berichtete das israelische Fernsehen bei dem Versuch, die bevorstehende Papstvisite "statistisch" zu erfassen. Umgerechnet 13 Millionen Mark lasse sich der Staat Israel die "historische Visite" kosten. Ihre Bedeutung wird mit dem Besuch des deutschen Kaisers Wilhelm II. vor über hundert Jahren und des ägyptischen Präsidenten Anwar el Sadat verglichen. Kaiser Wilhelm II setzte das Heilige Land zum ersten Mal seit den Kreuzzügen wieder auf die Landkarte der europäischen Mächte. Anwar el Sadat läutete die Akzeptanz des jüdischen Staates in der arabisch-muslimischen Welt ein. Papst Johannes Paul II werde die Versöhnung zwischen den drei monotheistischen Religionen versuchen, damit die in einer zunehmend materialistischen Welt überleben können.

Mindestens 6000 Polizisten und Soldaten werden den Besuch des Papstes absichern. 20.000 Arbeitsstunden wurden in die Vorbereitungen der "Operation alter Freund" investiert. Jerusalem investierte 6 Millionen Mark in das Teeren von Straßen und in die Säuberung der Basargassen. In die Grabeskirche werden den Papst nicht mehr als 200 Geistliche begleiten, um "Sicherheitsproblemen" in dem 1700 Jahre alten verwinkelten Gebäude ohne Notausgang und ohne Zugang für Feuerwehrwagen vorzubeugen.

Der Papst wird jeden Abend auf dem Ölberg landen, um in der Residenz seines diplomatischen Vertreters, des Nuntius, zu nächtigen. Der Hubschrauberlandeplatz wurde neu geschaffen. Das gesamte Gebiet des Ölberges soll zum "militärischen Sperrgebiet" erklärt werden. Jegliches parkende Auto wird weggeschleppt. Jerusalems Bürger wurden aufgefordert, ihre Wohnungen eine Woche lang, ab dem 21. März, möglichst nicht zu verlassen. Ein Fernsehreporter sagte: "Für sechs Tage wird der ganze Staat Israel zugemacht, damit der Papstbesuch reibungslos ablaufen kann."

Bei Korasim, am Berg der Seligkeit, wo Jesus seine Bergpredigt hielt, wird der Papst vor hunderttausend Christen eine Messe lesen. Über neun Millionen Mark wurden investiert, um die unberührte biblische Landschaft mit Straßen, Infrastruktur für Toiletten und einer riesigen Freilichtbühne zu verunstalten. Die Naturschutzgesellschaft protestierte. Das Oberste Gericht verpflichtete die israelische Elektrizitätsgesellschaft - für die Organisation des Besuches verantwortlich - das Gelände nach der Abreise des Papstes mit Basaltsteinen zuzuschütten und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen.

Am Montag Abend passierte ausgerechnet an dieser Stelle, dem Höhepunkt des Papstbesuches, die bislang peinlichste Panne. Ein riesiger Baldachin über dem Freilichtaltar stürzte ein. Die Firma "Bimot" (Bühnen) spielte den Zwischenfall herunter. Es sei doch "nur" ein kleines Stahlkabel gerissen. Deswegen seien die Stoffplanen auf die Bühne heruntergefallen. Niemand mag sich ausmalen, was passiert, falls bei der Papstmesse "nur" ein kleines Stahlkabel reißt…

Eine israelische Ambulanz wird den Papst an jeden Ort begleiten, für alle Fälle. Der "Rote Davidstern" sei aus "Sicherheitsgründen" übermalt worden. Fromme jüdische Abgeordnete witterten schon Antisemitismus und empfanden eine "Verletzung" ihrer "nationalen Gefühle". Der Vatikan wolle wohl verhindern, dass "das Symbol des Christentums (Papst) durch ein jüdisches Symbol (Ambulanz mit Davidstern) gerettet werden könnte", argwöhnte der Abgeordnete Schaul Jahalom. Die israelischen Organisatoren behaupten, dass der Papst bei allen Auslandsreisen von symbolfreien Ambulanzen begleitet werde. Der Vatikan-Cheforganisator, Pater Tucci, bezeichnete die Gestaltung der Autos als "Sache des Gastlandes".

Für die 50.000 Pilger, die mit 300 Sonderflügen auf dem Flughafen bei Tel Aviv ab dem 21. März landen werden, soll zuvorkommend gesorgt werden, um keinen Zusammenbruch der Infrastruktur am Flughafen zu bewirken. Die Einreisevisa sollen den Pilgern in den Bussen auf dem Weg zu dem schon bis auf das letzte Bett ausgebuchte Jerusalem in den Pass gestempelt werden. Pilger auf dem Weg nach Galiläa müssen Schlafsäcke mitbringen. Für Zehntausend werden nur Zelte bereitstehen, denn in den Herbergen ist kein Platz mehr.

Etwa 2000 Journalisten werden erwartet. Ob sie über den Besuch reibungslos berichten können, ist fraglich. Die israelische Telefongesellschaft Bezeq bestreikt das Ministerpräsidentenamt wegen einem befürchteten Personalabbau. Deshalb weigern sich die Techniker, im geplanten Pressezentrum Telefone anzuschließen.

In Nazareth, der Heimatstadt Jesu, erwarten den Papst unschöne Anblicke und Gerüche. Die Müllabfuhr streikt. Seit Monaten gibt es keine Gehälter, weil Israels Regierung der wichtigsten arabisch-christlichen Stadt in Galiläa umgerechnet nur 120.000 Mark für die Vorbereitungen zum Papstbesuch überwiesen hat, während in jüdische Ortschaften wie Tiberias und Jerusalem "Millionenbeträge" geflossen seien.

Der Papstbesuch wird mit Spannung erwartet, denn neben diesen praktischen Problemen muss auch mit unvorhersehbaren politischen Zwischenfällen gerechnet werden. Die unberechenbaren Partner Israel und die Palästinenser könnten dramatische Schritte tun, um im Schatten des Papstes ihre jeweiligen Ansprüche auf Jerusalem zu demonstrieren. Unberechenbar werden auch die orthodoxen Juden sein. Vor lauter Angst, vom Papst "missioniert" zu werden, zwangen sie das christliche Kirchenoberhaupt zur Einhaltung der jüdischen Sabbatgesetze. Das Papstprogramm wurde wegen des Sabbat in letzter Minute revidiert. Die Visite beim griechischen Patriarchen und das Papstgebet im Garten Gethsemane, wo Jesus rief: "Gott, lass diesen Kelch an mir vorbeigehen", wurden verschoben, damit die jüdischen Sicherheitsleute nicht zur Entweihung des Sabbat gezwungen würden. (Ulrich W. Sahm)

Nach dem Papstbesuch: Klagemauer im Zeichen des Kreuzes
foto: Jerusalem Post In eine Ritze der Klagemauer legte der Papst eine gedruckte Bitte an Gott, sie Sünden an dem "Volk des Bundes", den Juden, zu vergeben. "Gott unserer Väter, du hast Abraham und seine Nachkommen auserwählt, deinen Namen zu den Völkern zu tragen. Wir sind zutiefst betrübt über das Verhalten aller, die im Laufe der Geschichte deine Söhne und Töchter leiden ließen. Wir bitten um Verzeihung und wollen uns dafür einsetzen, dass echte Brüderlichkeit herrsche mit dem Volk des Bundes."

Mit der Hand machte der Papst ein kaum bemerktes Zeichen des Kreuzes in Richtung Klagemauer und wollte sich schon wegwenden. Ein Kardinal flüsterte ihm ein paar Worte ins Ohr. Der Papst kehrte um und berührte während langer Minuten die in der Zeit des Königs Herodes und des Jesus von Nazareth gemeißelten Riesensteine der Umfassungsmauer des Tempelbergs. Seit zweitausend Jahren beten die Juden an dieser Mauer und beklagen die Zerstörung ihres Tempels durch die Römer im Jahre 70. Nicht die Klagemauer selber ist ihnen Heilig, sondern das "Allerheiligste" im Tempel, wo Gott eine "Wohnung auf Erden" bezogen hat. Weil niemand weiß, wo sich diese Stelle befindet, die nur einmal im Jahr vom Hohen Priester betreten werden darf, ist es frommen Juden gemäß ihren eigenen jüdischen Gesetzen verboten, den Tempelberg zu betreten, auf dem sich seit dem siebenten Jahrhundert muslimische Heiligtümer befinden. So könnten grundsätzlich Judentum und Islam in Jerusalem in Frieden miteinander leben, da sie sich die Heiligtümer teilen, ohne sie sich gegenseitig streitig zu machen.

In Worte lässt sich nur schwer die historische Bedeutung dieser besinnlichen Augenblicke fassen. Ein Papst steht zum ersten Mal nach zweitausend Jahren bei dem einzigen Heiligtum des Judentums. Weder bei dem "Mea Culpa" in Rom noch in der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem hatte der Papst ein Vergehen der Kirche am jüdischen Volk, dem "Älteren Bruder" eingestanden, doch nun, an der Klagemauer, die Juden als "Briefkasten zu Gott" dient, legte der Papst eine "Bitte um Vergebung der Sünden" in die Fugen des Gemäuers.

Sechs Tage lang hat der Papst das Heilige Land bereist. Jeder Tag brachte neue Höhepunkte und wahrhaft historische Augenblicke. Der 261. Nachfolger des ersten Apostels Petrus, dem Jünger Jesu, hat nach zweitausend Jahren durch Gesten und sorgsam ausgewählte Worte das Judentum als Wurzel des Christentums anerkannt. Endgültig dürften in der katholischen Kirche die Dogmen und Glaubenssätze abgeschafft sein, die zu den schwersten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte geführt haben. Weil die Juden nicht den christlichen Messias als ihren Messias anerkannten, sei den Juden eine "Gottesstrafe" auferlegt worden. Bis vor wenigen Jahren war es ein Dogma der katholischen Kirche, die Juden als "Gottesmörder" zu verfolgen. Die Kreuzfahrer mordeten Juden auf dem Weg zur "Befreiung Jerusalems". Päpste erfanden schon im Mittelalter den "gelben Fleck", den Juden an der Brust tragen mussten. Die Nazis machten daraus den "Judenstern". Päpste beschlossen, die Juden in enge Ghettos zu stecken. Rabbi Melchior, der "Diasporaminister" im israelischen Kabinett, wies auf andere "Sünden" der katholischen Kirche hin, als er den Papst mit einer sehr harten Begrüßung über die "Sehnsüchte der Juden nach Zion und Jerusalem" belehrte. Dreimal täglich hätten Juden "in Richtung dieser heiligen Stätte" gebetet in den Verliesen der Inquisition, als die katholische Kirche zwangsgetaufte "heimliche Juden" verfolgte und auf den Scheiterhaufen warf. Nach Jerusalem hätten sie sich gesehnt, als sie in den "Viehwagen saßen auf dem Weg in den Tod in Maidanek, Treblinka und Auschwitz".

"Nie wieder" forderte der Rabbiner, während der Papst sehr aufmerksam und vielleicht sogar erschreckt zuhörte. "Nie wieder" dürfe im Namen Gottes und der Religion Hass und Blutvergießen gepredigt werden. Glaube an Gott sollte ein Symbol für Frieden und Brüderlichkeit sein. Nie wieder sollte die Heiligkeit Jerusalems für "politische Profite manipuliert werden".

Jerusalem ist das Herz des Konflikts zwischen Juden und Moslems, Israelis und Palästinensern, der Kirche Roms und der Kirche des Ostens, zwischen Lateinern und christlichen Orthodoxen, zwischen Arabern und dem jüdischen Staat, zwischen Ost und West, zwischen Aufklärung und finsterem Fundamentalismus unter Juden, Christen und Muslimen.

In dieser Stadt machte der Papst eine Tour zu den Brennpunkten des Hasses und der Hetze. Ehe der Papst in einer amerikanischen Limousine mit der Flagge des Vatikans und des Staates Israel am Kotflügel zum drittwichtigsten Heiligtum des Islam fuhr, hatten Palästinenser mit einem gasgefüllten Ballon eine riesige palästinensische Flagge in den Himmel aufsteigen lassen. Eine Demonstration palästinensischer Schüler mit vielen kleinen palästinensischen Fähnchen wurde von israelischen Sicherheitskräften ferngehalten. Der Papst fuhr durch völlig menschenleere Straßen, in denen nur Polizei und Geheimdienst wachten.

Der Großmufti von Jerusalem, Ikrima Sabri, hatte sich bis dahin geweigert, den Papst zu treffen. Weder nach Bethlehem noch zu einem interreligiösen Gespräch war er gekommen. Stattdessen hatte er in Interviews behauptet, dass die Juden mit ihren "falschen" Behauptungen über Judenmorde während des Holocaust versuchten, Sympathien in der Welt zu erhaschen. Die Kreuzfahrer hätten mehr Muslime ermordet als Juden während des zweiten Weltkriegs umgekommen seien. Der Scheich rief am Abend vor dem Besuch des Papstes zu Krawallen gegen die "israelischen Besatzer" auf, weil arabische Läden während des Papstbesuches zwangsweise geschlossen worden seien. Als sich der Papst zum Gruppenphoto vor dem Felsendom mit der goldenen Kuppel eingefunden hatte, überreichte das geistige Oberhaupt der Muslime in Palästina dem geistigen Oberhaupt der Katholiken eine Petition mit der Aufforderung, die "israelische Besatzung in Palästina" zu beenden. Das kommt einem Aufruf zur Zerstörung des Staates Israel gleich. Der von Arafat eingesetzte Mufti polemisiert so auch gegen die Osloer Verträge, die eine gegenseitige Anerkennung der Palästinenser und Israels beinhalten. In den Predigten in der El Al-Aksa-Moschee werden die Osloer Verträge immer wieder als "Verrat am Islam" und als "Gotteslästerung" verurteilt. Längst hat Arafat die in der PLO-Charta formulierte Forderung nach einer "Vernichtung Israels" gestrichen.

Der Papst reagierte nur indirekt auf die antijüdische Polemik des Scheichs, der den Juden nicht einmal die Klagemauer als Heilige Stätte zugestehen will. Der Papst sagte: "Die heiligen Stätten Jerusalems gehören der gesamten Menschheit" Der Papst wiederholte auch seinen Wunsch nach "Frieden zwischen den Religionen".

Die antisemitischen Attacken der geistlichen Führung der Muslime hatte bei Vertretern des Vatikans "Empörung" hervorgerufen. Doch der Sprecher des Papstes, Navarro, wollte sich erst nach Abschluss der Pilgerreise des Papstes zu diesen Vorfällen äußern.

Der Papst begab sich zum armenischen Patriarchat, ein Programmpunkt, der erst in letzter Minute eingefügt worden ist, nachdem der Vatikan die Armenier "vergessen" hatte. Vor der Sonntagsmesse in der Grabeskirche, der heiligsten Stätte der Christenheit mit dem Kreuzigungshügel Golgatha und dem leeren Grab des Auferstandenen, wurde der Papst zunächst von den eigentlichen "Hausherren" in der Grabeskirche begrüßt, den Griechisch-Orthodoxen und den Armeniern. Die Lateiner sind "nur" 700 Jahre an diesem heiligen Ort präsent, vertreten durch die Kustodie der Franziskaner. Die Ostkirchen konnten mit nur kurzen Unterbrechungen seit fast 2000 Jahren an dieser Stelle festhalten. So sind die Katholiken lediglich "Untermieter" mit minderen Rechten.

Wegen der ewigen Streitigkeiten unter den Christen hat vor 150 Jahren der Herrscher der Osmanen, der Sultan von Istanbul, einen "status quo" festgeschrieben. So befinden sich die Schlüssel zum wichtigsten Gotteshaus der Christenheit in den Händen einer muslimischen Familie. Die insgesamt sechs christlichen Glaubensgemeinschaften, die Ansprüche in der Grabeskirche erheben, müssen entsprechend genau festgelegten Zeitplänen ihre Gebete sprechen und die Prozessionen abhalten.

Wegen dieser Streitigkeiten untereinander tut sich die christliche Welt schwer, den Juden und Muslimen in Jerusalem ein Vorbild zu sein, wenn ihr bedeutendstes Oberhaupt, der katholische Papst, von "Frieden und Brüderlichkeit" redet. (Ulrich W. Sahm)

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