Die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main

von Dr. Susanna Keval

In das Jahr 1150 gehen die ersten Nachweise über eine jüdische Siedlung in Frankfurt am Main zurück, damals noch am Weckmarkt, südlich des Doms. Aber bereits 1241 und 1349 folgten die ersten Verfolgungen, die sogenannten »Judenschlachten«, die tiefe Einschnitte in das Gemeindeleben schlugen. Erst seit 1360, mit einer kurzer Unterbrechung während des "Fettmilch-Aufstandes (1614-16) blieb die Israelitische Gemeinde Frankfurt am Main bis zu ihrer Auflösung durch die Nazis fast sechshundert Jahre lang bestehen und wurde seit 1945 wieder neu aufgebaut.

Seit dem 14. Jahrhundert orientierte sich das Leben der Juden in Frankfurt an der sog. Stättigkeit. Diese Verordnung bestimmte das Aufenthaltsrecht, die Abgaben und Einzelheiten über berufliche Tätigkeit und Alltagsverhalten. Seit 1462 wurde die Siedlung der Juden im Osten der Stadt in einer eigens dafür angelegten »Judengasse« angeordnet. Diese befand sich entlang der Stadtmauer. Ursprünglich für 110 Bewohner geplant, lebten in der 350 m langen und 3 m breiten Gasse bis Anfang des 18. Jahrhunderts etwa 3000 Personen.

Der Einfall der Franzosen in Frankfurt 1796 und die Einflüsse der Emanzipation markierten auch hier das allmähliche Aufbrechen der Ghettomauern. Zunächst in die östlichen Stadtteile, wie Ostend und Bornheim, zogen nach einer allmählichen wirtschaftlichen Prosperität die Frankfurter Juden auch ins Nordend und Westend. Seit dieser Zeit waren die Mitglieder der Israelitischen Gemeinde Frankfurt maßgeblich in das kulturelle, wirtschaftliche und politische Leben der Stadt eingebunden. Zahlreiche Stiftungen, wie die Johann Wolfgang Goethe-Universität und Institutionen wie die Metallgesellschaft oder die Frankfurter Zeitung, gehen auf jüdische Mäzene und Begründer zurück. Aber auch innerhalb der Israelitischen Gemeinde gab es ein dichtes Netz an sozialen, wohltätigen und Bildung vermittelnden Institutionen. Mehrere Schulen, das jüdische Krankenhaus, das Kinder- und Waisenheim hatten ihren Sitz im Osten der Stadt, in der Nähe des ZOO's. Bedeutende Rabbiner, der Publizist und großer Verfechter der Emanzipation, Ludwig Börne waren in Frankfurt zuhause und prägten den liberalen Charakter der Gemeinde.

Bis zum Jahr 1933 lebten etwa 28.000 Juden in der Stadt. Es war nach Berlin die zweitgrößte jüdische Gemeinde in Deutschland. Religiös betrachtet, war die Frankfurter Israelitische Gemeinde in dieser Zeit liberal orientiert, mit drei großen Synagogen, die sich am Börneplatz, in der Schützenstraße und in der Freiherr-vom-Stein-Straße befanden. Daneben gab es die orthodox ausgerichtete Israelitische Austrittsgemeinde, die ihre Synagoge an der Friedberger Anlage hatte.

Das Jahr 1933 markierte, wie überall in Deutschland, einen tiefen Einschnitt in dieser Entwicklung. Mehr als 10.000 Juden wurden aus Frankfurt am Main in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert, andere konnten sich durch Auswanderung retten. Von den vier großen Synagogen blieb nur die in der Freiherr-vom-Stein-Straße von der Pogromnacht im November 1938 verschont. 1994 wurde sie nach den ursprünglichen Bauplänen restauriert.

Im Juli 1945 wurde die jüdische Gemeinde Frankfurt am Main wieder gegründet. Sie setzt sich, anders als vor 1933, nicht mehr aus deutschen Juden zusammen, die hier seit mehreren Jahrhunderten ansässig waren, sondern aus Überlebenden des Holocaust, die aus Polen, Rumänien, Ungarn und der ehemaligen CSSR zwischen 1945 und 1968 hierher gekommen waren. Bis 1989 zählte die jüdische Gemeinde Frankfurt am Main etwa 4.500 Mitglieder. Seitdem ist diese Zahl durch die Einwanderung der Juden aus der ehemaligen Sowjetunion auf etwa 6.500 gestiegen.

Die Jüdische Gemeinde heute hat ihren Sitz in der Savignystraße 66, in dem 1986 neu eröffneten Ignatz Bubis-Gemeindezentrum. Zu ihren Einrichtungen gehören zwei Kindergärten, die Isaak Emil Lichtigfeld-Schule, mit den Grundschulklassen 1-5 und der Förderstufe, ein Jugendzentrum, eine Sozialabteilung, ein Seniorenclub und das koschere Restaurant Sohar. Das Altenzentrum in der Bornheimer Landwehr bietet Platz für etwa 200 Bewohner. Darüber hinaus sind in Frankfurt am Main der Sportverein TuS Makkabi mit über 300 Mitgliedern aktiv. Regelmäßig treffen sich auch die Zionistische Frauenorganisation WIZO und der Frauenverein.

Die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main ist gesellschaftlich und kulturell ein fester Bestsandteil der Stadt. Dies äußert sich in den seit 1982 regelmäßig stattfindenden Jüdischen Kulturwochen sowie kulturellen Veranstaltungen im Gemeindezentrum, die bei den Bürgern der Stadt sehr beliebt sind. In politischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre stand die Jüdische Gemeinde mehrfach im Mittelpunkt des Interesses. So z. B. bei den Auseinandersetzungen über die Aufführung des Theaterstückes "Der Müll, die Stadt und der Tod" von Rainer Werner Fassbinder, in der Auseinandersetzung um die Ausgrabungen am Börneplatz und nicht zuletzt während der Walser-Bubis Kontorverse.

Auch heute ist die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main nach Berlin die zweitgrößte und bedeutendste in der Bundesrepublik Deutschland. Zusammen mit dem Jüdischen Museum, dem Fritz Bauer Institut zur Erforschung der Wirkungsweise des Holocaust und die umfangreiche Judaica Sammlung in der Stadt- und Universitätsbibliothek bildet die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main einen wichtigen Teil jüdischen Lebens und Kultur in der Stadt.

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