Informationen aus Israel

von Michael Krupp und Ulrich Sahm, Jerusalem

  • Straße nach Oskar Schindler benannt
  • Ostern ohne viele Christen in Jerusalem
  • Religiöses Friedenskomitee
  • Nazareths Moslems fürchten um Moscheenbau
  • Gesetz "Tod mit Würde"
  • Kongress über "Holocaust-Lüge" jetzt in Jordanien
  • "Sichere" Ostern in Jerusalem
  • Kaum Hoffnung auf Frieden
  • "Rassistische Praktiken" bei Nachrichtenagenturen
  • Virtuelle jüdische Bibliothek
  • Passahgesänge im Internet
  • Erstmals deutsches Radio aus Israel
    Straße in Tel Aviv nach Oskar Schindler benannt
    Eine Straße im Viertel Zahala im Norden von Tel Aviv ist anlässlich der Veranstaltungen zum Holocaustgedenktag nach dem Judenretter Oskar Schindler benannt worden. Das Straßenschild mit den Lebensdaten von Oskar Schindler wurde von Überlebenden der "Schindler-Liste" enthüllt, jener Liste von 1200 geretteter Juden, die durch den gleichnamigen Film von Spielberg weltberühmt wurde. Oskar Schindler ist seinerzeit vom israelischen Staat mit dem Prädikat "Gerechter der Völker" ausgezeichnet worden und ist auf dem katholischen Friedhof auf dem Zionsberg in Jerusalem begraben.

    Michael Krupp

    Karfreitag und Ostern ohne viele Pilger und einheimische Christen in Jerusalem
    Die Truppe von Schauspielern aus Kalifornien, die in den letzten Jahren am Karfreitag die Passion Jesu auf der Via Dolorosa recht realistisch und mit viel Ochsenblut, das Jesus aus dem Haupt mit der Dornenkrone fließt, darstellt, hatte diesmal wenige Zuschauer. Mehr Polizisten als Pilger gab es an diesem Karfreitag in der Via Dolorosa, dem traditionellen Leidensweg Jesu. Unten vor dem Herodestor zur Altstadt fehlten die langen Reihen von Touristenbussen. Auch die Ostersaison hatte es nicht vollbracht, den Touristen- und Pilgerstrom in das Heilige Land nach dem Ausbruch der neuen Intifada vor einem halben Jahr neu zu beleben.

    Obwohl in diesem Jahr der westliche und östliche Ostertermin zusammenfallen, konnte man in der Grabeskirche, die die Orientalen Auferstehungskirche nennen, in der Nacht von Samstag auf Sonntag, in der die Masse der Gläubigen den Ausbruch des Feuers, das aus dem Grab Christi hervortritt, erwarten, bequem Platz für seine Ellenbogen finden. Zum ersten Mal gab es kein Gedränge und jeder und jede konnte in der Kirche Platz finden. Zum Ausbleiben der traditionellen Pilgermassen kam das Fehlen der örtlichen Christen aus den Jerusalemer Nachbargebieten. Nur Achtzehnhundert hatten die Erlaubnis zum Besuch Jerusalems erhalten. Nimmt man an, dass die doppelte Menge illegal nach Jerusalem gekommen war, so ist das doch viel weniger als in den vorigen Jahren, in denen Zehntausende an den Karfreitas- und Osterzeremonien teilnahmen.

    Besonders enttäuscht waren die Händler um die Grabeskirche herum. Nachdem das Geschäft schon das letzte halbe Jahr ausgefallen war, gab es auch keine Klienten in der sonst besten Zeit des Jahres, der Osterzeit. Die Jerusalem Post zitierte einen der Händler, Hassan Nashashibi: 30 kleine Kreuze aus Olivenholz habe er verkauft. Im vorigen Jahr waren es noch 2000 gewesen.

    Michael Krupp

    Religiöses Friedenskomitee
    Bei einem Treffen zwischen dem israelischen orientalischen Oberrabbiner, Elijahu Bakshi Doron, und dem palästinensisch islamischen Geistlichen, Scheikh Talal Sidr, ist ein gemeinsames Friedenskomitee religiöser Repräsentanten gegründet worden. Das Treffen fand mit Billigung von Palästinenser-Chef, Jasser Arafat, und Israels Premierminister, Ariel Scharon, im April statt. Sidr ist Minister für Jugend und Sport der palästinensischen Regierung. Er ist der einzige Geistliche im palästinensischen Kabinett. Sidr hatte zuvor die Genehmigung der israelischen Regierung erhalten, nach Jerusalem zu kommen.

    Das Treffen geht auf eine Iniative des Rabbiners der jüdischen Westbanksiedlung Teqoa, Menachem Fruman, zurück, der gute Beziehungen zu moslemischen Geistlichen und Jasser Arafat unterhält. Er und der israelische Vize-Außenminister, Michael Melchior, ebenso ein Rabbiner von Beruf, nahmen an der Treffen teil. Es wurde vereinbart, sich wieder zu treffen und die gemeinsame Vorgehensweise zu besprechen. Das religiöse Komitee soll den Politikern bei der Suche nach einem Frieden zwischen Palästinensern und Israelis zur Seite stehen, besonders in einer Zeit, in der die Friedensbemühungen der Politiker in eine Sackgasse geraten zu sein scheinen.

    Fruman nahm bei dem Treffen auch Bezug auf die Worte des ehemaligen orientalischen Oberrabbiners und geistliches Oberhaupt der größten religiösen Partei in Israel Schas, Ovadia Josef, der mit antiarabischen Bemerkungen einen Sklandal in Israel und im Ausland, besonders in den arabischen Nachbarstaaten, ausgelöst hatte. Fruman sagte, geistliche Oberhäupter hätten eine besondere Verantwortung, Blutvergießen zu verhindern. Sie seien verpflichtet, alles zu tun, was zu einem Frieden führen kann.

    In einem ausführlichen Interview, das der orientalische Oberrabbiner, Eljahu Bakshi Doron, dem israelischen Radio gab, sagte das geistliche Oberhaupt der orientalischen Juden in israel, es sei an der Zeit, dass die religiösen Oberhäupter ihre Stimme hören lassen und zum Frieden aufrufen.

    Die Worte richteten sich, ohne ihn beim Namen zu nennen, gegen seinen Vorgänger im Amt, Ovadia Josef, der in einer Vorpessach-Predigt gesagt hatte: "Möge der Heilige, gepriesen sei er, Vergeltung üben an den arabischen Führern, ihren Samen auslöschen und sie vernichten. Es ist verboten, Mitleid mit ihnen zu haben. Wir müssen Raketen gegen sie abschießen, die sie vernichten, die Verteufelten und Verdammten."

    Freunde von Josef sagten, seine Worte seien missverstanden worden. Sie seien nicht gegen Araber schlechthin gerichtet, sondern gegen arabische Terroristen. Die Worte des alten Rabbi waren in Israel und in der arabischen Welt verdammt worden. In Jordanien setzte ein Privatmann eine Belohnung von einer Million Dinar aus für den, der den Rabbi liquidiert.

    Michael Krupp

    Nazareths Moslems fürchten um Moscheenbau
    Nachdem eine Sitzung des Planungskomitees zum Bau einer neuen Moschee auf dem Platz vor der Verkündigungskirche in Nazareth abgesagt wurde, befürchten Nazareths Moslems eine weitere Hinhaltetaktik der Regierung in dieser Angelegenheit. Die Sitzung, auf der zwei Modelle des Moscheenbaus vorgestellt werden sollten, hätte stattfinden sollen, wurde aber nach einer Einmischung des Amtes des Ministerpräsidenten verschoben. Die Moslems, die die Mehrheit im Nazarether Stadtrat haben, befürchten, dass die neue Regierung Vatikanischem Druck stattgeben könnte, die Moschee überhaupt nicht zu bauen.

    Vor dem Besuch des israelischen Premierministers, Ariel Scharon, in der letzten Woche in Washington hatte sich der Vatikan an den amerikanischen Präsidenten, Georges W. Bush, gewandt und ihn gebeten, Sharon um Vermittlung im Konflikt zu bitten. Erst hieß es, er solle dafür sorgen, dass die Moschee nicht eine gewisse Höhe überschreite und die Verkündigungskirche verdecke, später sickerte durch, dass es am besten wäre, den Moscheenbau überhaupt an dieser Stelle zu verhindern.

    Der Konflikt ist mehrere Jahre alt und hat bereits mehrfach zu gewalttätigen Unruhen zwischen Christen und Moslems in der Stadt geführt. In einem Kompromiss hatte die israelische Regierung den Bau einer im Umfang und Höhe begrenzten Moschee auf einem Drittel des Platzes auf einer Fläche von 700 qm zu Füßen der Verkündigungskirche zugestimmt. Den Platz beanspruchen die Moslems, er ist aber Eigentum der staatlichen Bodenbehörde.

    Nach einer amtlichen Ausschreibung hatten nur zwei Architektenbüros, eins in Israel, das andere in Jordanien, Pläne eingereicht. Der eine sieht eine Höhe der Moschee von 18, der andere eine Höhe von 24 Metern vor. Der Platz liegt 50 m tiefer als die Verkündigungskirche. Die Kirche ist die größte Kirche Israels und wurde in den 70iger Jahren gebaut. Seit Jahren haben die Moslems den gesamten Platz okkupiert und mit Teppichen ausgelegt und halten hier regelmäßig Gebete ab, die an Freitagen von Tausenden Betern besucht werden.

    Der Vatikan hat sich nach israelischen Zeitungsmeldungen vom Wochenende an den amerikanischen Präsidenten gewandt, im Streitfall um den Bau einer Moschee in Nazareth zu vermitteln. Der amerikanische Präsident George W. Bush hat in seinen Verhandlungen mit dem israelischen Premier Ariel Sharon in der letzten Woche die Bedenken des Vatikans gegen den Bau einer Moschee auf dem Platz vor der Verkündigungskirche in Nazareth vorgebracht. Sharon versicherte Bush gegenüber, das Problem in den kommenden Verhandlungen mit der arabischen Bevölkerung in Nazareth zu regeln.

    Der geplante Bau einer Moschee auf dem Gelände vor der größten Kirche Israels hatte besonders vor dem Papstbesuch große Wellen der Empörung in katholischen Kreisen hervorgerufen und den Papstbesuch zeitweilig in Frage gestellt. Die israelische Regierung hatte darauf die Moslems gebeten, Pläne zum Bau der Moschee auf die Zeit nach dem Papstbesuch zu verschieben.

    Michael Krupp

    Gesetz "Tod mit Würde"
    Der Rechts-Ausschuss des israelischen Parlaments hat mit den Stimmen der orthodoxen Mitglieder einen Gesetzesantrag "Tod mit Würde" genehmigt. Demanach kann jeder Bürger über 18 Jahren eine einfache Erklärung vor zwei Zeugen, die keine Erben der betreffenden Person sind, abgeben, in der er darum bittet, keine lebensverlängernden Mittel anzuwenden, wenn zwei Ärzte bescheinigen, dass er unheilbar krank ist. Die Ärzte haben in diesem Fall das Recht, keine lebensverlängernden Mittel wie künstliche Beatmung, Dialysis, Chemotherapie, Bestrahlung oder Bluttransfusionen anzuwenden. Eine solche Erklärung muss alle 5 Jahre erneuert werden. Die Erklärung kann von der betreffenden Person jederzeit auch mündlich widerrufen werden.

    Die orthodoxen Mitglieder des Ausschusses lobten die Urheber der Gesetzesvorlage, dass sie sich in der Formulierung des Gesetzes bemüht haben, den Anforderungen des jüdischen Religionsgesetzes zu entsprechen. Die Erklärung hat folgenden Wortlaut: "Im Falle, dass ich keinen aktiv bewussten Anteil bei der Entscheidung, welche medizinischen Schritte in meinem Fall zu unternehmen sind, und unter der Bedingung, dass zwei Ärzte unabhängig voneinander zu dem Ergebnis kommen, dass ich unheilbar krank bin, verfüge ich, das mein Leben nicht künstlich in irgend einer Weise verlängert werden soll, sondern dass ich nur die notwendige Behandlung erhalte, die mein Wohlergehen und meine Würde aufrecht erhalten und mir Schmerzen ersparen, die jede zurechnungsfähige Person zu tragen nicht in der Lage ist."

    Michael Krupp

    Kongress über "Holocaust-Lüge" jetzt in Jordanien
    Ein Kongress der Holocaustleugner fand in Jordanien, organisiert von der jordanischen Schriftstellervereinigung statt. Ein ähnlicher internationaler Kongress mit Teilnehmern aus den USA, Frankreich, Deutschland und Österreich sollte ursprünglich im Libanon abgehalten werden. Doch Libanon verbot den Kongress, dessen genauer Tagungsort niemals veröffentlicht wurde. Wegen des libanesischen Verbots beschlossen die Organisatoren, ihre Tagung nach Jordanien zu verlegen. Die jordanische Regierung kündigte an, zur Not mit Gewalt die Zusammenkunft der Holocaustleugner zu verbieten. Der jordanische Schriftstellerverband, wie auch andere professionelle Verbände etwa der Rechtsanwälte in Jordanien, sind entschiedene Gegner des Friedensvertrages mit Israel, verhindern jegliche Kontakte mit dem jüdischen Staat und beschlossen nun, unter ihrer Schirmherrschaft die "Lüge eines deutschen Völkermordes an den Juden" zu debattieren. Der Holocaust gilt bei ihnen als eine "Erfindung" der Zionisten, um Deutschland finanziell zu erpressen und politische Unterstützung für den Staat Israel zu erhalten.

    Ulrich W. Sahm

    "Sichere" Ostern in Jerusalem
    Mit völlig übertriebenen Sicherheitsmaßnahmen behinderte die israelische Polizei die traditionellen Feiern des Osterfeuers in der Grabeskirche. Tausende Christen konnten wegen der großräumigen Absperrungen die Kirche nicht erreichen.

    Am Jaffator, dem Haupteingang der Altstadt Jerusalems, standen einige hundert rumänische Gastarbeiter. Die Männer aus Osteuropa trugen Festtagskleidung und waren nach Jerusalem gekommen, um Ostern zu feiern. Doch zur Grabeskirche ließ sie die israelische Polizei nicht durch.

    Die Christenstraße im Basar war mit Gittern versperrt. Drei israelische Polizisten erklärten einer äthiopischen Pilgerin in weißer Leinentracht: "Bis 14:30 Uhr ist der Zugang zur Grabeskirche gesperrt." Die Frau hatte jahrelang gespart, um sich den Traum ihres Lebens zu erfüllen: die Auferstehung Christi in Jerusalem mitzuerleben. Die Polizisten ließen sich nicht erweichen. Sie hätten "Befehle von oben".

    Wir zückten unseren Journalistenausweis. Der Polizist Madschali lachte: "Wenn wir Christen nicht einlassen, dann kommen da auch keine Journalisten rein." Trotz des Sabbat, war Polizeisprecher Schmulik per Handy erreichbar. "Es gibt keine Behinderungen für Christen", behauptete er und versprach, uns wenigstens den Weg zum Grabe Christi zu ebnen. Wenige Minuten später radebrechte jemand im Sprechfunk der Polizei den Namen "Oilritsch" (Ulrich). Der Polizist Madschali lachte nicht mehr und rückte das Gitter zur Seite.

    Die Basarhändler in der Christengasse standen auf der Straße und hielten Ausschau nach langersehnten Touristen. "So eine Schweinerei", meinte einer. "Jetzt sperren die uns auch noch zu Ostern aus? So etwas hat es noch nie gegeben." Bewaffnete Grenzschützer patrouillierten, als werde gleich der Papst persönlich erwartet. An den Ecken auf dem Weg zur Grabeskirche standen Polizisten in blauer Uniform und mit schusssicheren Jacken und geschulterten Uzi-Schnellfeuergewehren.

    Der Platz vor der Grabeskirche war früher, vor zwei Jahren etwa, schon in den Morgenstunden so vollgepackt mit Pilgern aus aller Welt, einheimischen Christen und Touristen, dass es kaum ein Durchkommen gab. An diesem Oster-Samstag herrschte da eine gespenstische Leere. Mit Polizeigittern waren auf der Hälfte des Platzes vor dem griechischen Abrahamskloster Gehege geschaffen worden wie vor den Kassen am Fussballplatz. Durch sie wurden ein paar Dutzend Christen geschleust, die es schafften, die Absperrungen zu überwinden. Rund dreihundert schwerbewaffnete israelische Beamte sicherten allein den Vorplatz: Grenzschützer im finsteren Olivgrün mit Schlagstöcken an den Rücken geschnallt, Zivilpolizisten im hellblauen Hemd unter der kugelsicheren Jacke, "Anti-Unruhe-Einheiten" in dunkelgrauer Uniform, Feuerwerker der "Anti-Bomben-Einheit", unauffällige Geheimdienstleute mit auffällig in der Gürtelgegend wegen Pistolen und Funkgeräten ausgebeulten Safarijacken, Sanitäter mit knallroten Umhängen und mit großen Besen bewaffnete Herren der Stadtreinigung, ebenfalls in Uniform. Insgesamt waren wohl 2000 Sicherheitsbeamte mit der "Absicherung" der christlichen Osterfeiern beschäftigt. Die Kaiser-Wilhelm-Straße vor der deutschen Erlöserkirche war abgesperrt, um Platz für ein Feldlazareth zu bieten. Weil die Israelis offenbar mit dem "Schlimmsten" rechneten, standen Sauerstoffflaschen für Verletzte und Bahren für Tote bereit.

    Alle Basarzugänge waren abgesperrt. Hinter den blauen Polizeigittern mit hebräischer Aufschrift stauten sich die Christen, die an der Osterfeuerzeremonie teilnehmen wollten.

    Auf dem Vorplatz der Grabeskirche verscheuchten Polizeioffiziere ziemlich unsanft die wenigen anwesenden Journalisten und Gläubigen: "Entweder rein in die Kirche oder raus hier." Wir sagten zu Nisso, dem Oberbefehlshaber der Polizei an der Grabeskirche: "Man könnte heulen, wenn man ansieht, wie Ihr Religionsfreiheit garantiert, aber die Christen daran hindert, ihr Ostern zu feiern." Der Offizier mit dem drei-Tage-Bart zuckte nur kurz mit den Schultern und meinte: "Dann heul doch."

    Eine griechische Prozession, angeführt von Popen in feierlichem Gewand kam aus Richtung des Patriarchats. Hinter ihnen, auf den Schultern ihrer Kameraden getragen, laut schreiende und Schwerter schwingende Jugendliche. Auch die gehören zu dem traditionsreichen Osterzeremoniell im orientalischen Jerusalem. Sicherheitsbesessen stürzte sich ein Trupp Polizisten auf die Prozession und konfiszierte die gefährlichen Schwerter. Augenblicklich war die fröhliche Stimmung verdorben, aber Israels Sicherheit war gerettet. Aus der Prozession brach ein angereister Journalistenkollege aus Berlin aus: "Ich wurde nirgends durchgelassen, schloss mich der Prozession an und schmuggelte mich so an den Polizeisperren vorbei." Der Sprecher der Armenier, George Hintlian, kam aus der Grabeskirche heraus und heftete uns ein Ausweisschild des armenischen Patriarchats an die Brust. "Vielleicht wirst Du so etwas weniger von der Polizei belästigt", sagte er zuversichtlich. "Die haben in diesem Jahr einen Overkill an Sicherheit fertig gebracht."

    Üblicherweise wird das Tor zur Grabeskirche verschlossen und erst wieder geöffnet, wenn auf einen Schlag tausende Kerzen bei rauschendem Jubelgeschrei an der Flamme der Auferstehung entzündet werden. Unter ohrenbetäubend lauten Glockenschlägen rennen Jugendliche mit ihren brennenden Kerzenbündeln hinaus zu den wartenden gläubigen Massen. Doch diesmal hatte die israelische Polizei "aus Sicherheitsgründen" mit einer Jahrhunderte alten Tradition gebrochen. Das Tor der Grabeskirche blieb offen und draußen auf dem Vorplatz warteten keine Massen sondern drei Hundertschaften Polizisten und Sicherheitsleute. Sie sorgten dafür, dass erstmals nach fast zweitausend Jahren christlicher Osterfeiern eine vorbildliche öffentliche Ordnung aufrecht erhalten blieb.

    Ulrich W. Sahm

    Kaum Hoffnung auf Frieden
    Die Nachrichten aus dem vorderen Orient klingen täglich fast gleich, ein paar Tote auf der einen Seite, ein paar Verletzte bei den Anderen, Feuergefechte bei Ramallah, Schüsse auf Jerusalem von Bethlehem aus, Granaten auf die Siedlung Netzarim. Die Palästinenser schicken Selbstmordattentäter und einige warten noch auf den Einsatz, um möglichst viele Zionisten umzubringen. Die Israelis schicken Hubschrauber, um palästinensische Aktivisten umzubringen, Kommandoeinheiten, um in palästinensischem Gebiet sogenannte Terroristen oder solche, die es sein könnten zu verhaften. Das Chaos ist groß und die Gewalt ist so umfangreich, dass es längst keinen Sinn mehr macht, jeden einzelnen Toten bei diesem Konflikt zu vermelden. Es wiederholt sich täglich. Keinen Hörer interessiert es mehr, dass hier ein Siedler und dort ein palästinensischer Steinewerfer erschossen wurde.

    Und dennoch ist eine neue Lage entstanden, die vielleicht am besten als die totale Konzeptlosigkeit auf beiden Seiten beschrieben werden könnte. Das Element der Hoffnung, das Ziel eines Friedens, oder was immer man dafür hält, ist bei Israelis wie bei Palästinensern abhanden gekommen und damit auch der Versuch, die eigenen Aktionen irgendwie zu rechtfertigen, um den Schaden der eigenen Verbrechen einzugrenzen und die Möglichkeit einer Erneuerung von Friedensgesprächen nicht ganz zu zerstören.

    Bei den Palästinensern werden zunehmend Stimmen laut, die Arafat kritisieren, sein Volk in einen sinnlosen Krieg und damit in eine weitere Katastrophe gestürzt zu haben. Während die Korruption blüht und Arafat sich auf Reisen von einem Staatsbesuch zum nächsten befindet, verliert die El Aksa Intifada zunehmend ihren Sinn. Ursprünglich mögen manche Palästinenser noch geglaubt haben, durch einen Volksaufstand Druck auf Israel ausüben zu können, um Vorteile am Verhandlungstisch zu erlangen und die sogenannten gerechten Ziele des palästinensischen Kampfes schneller zu erreichen. Der Volksaufstand ist längst vorbei. Jetzt schießen Kämpfer der verschiedenen Gruppen um die Wette, um Ansehen in der Bevölkerung zu erlangen. Die Leibwächter Arafats führen Terroranschläge gegen Israelis aus, um der radikalen Hamasbewegung nicht alleine das Feld zu überlassen. Die Wirtschaft ist tot, und wenn einer der Geheimdienstchefs Arafats, Gibril Radschub für eine Wiederoröffnung des Kasinos von Jericho demonstriert, dann nicht, weil er sich um die 200 Arbeitsplätze der seit Oktober arbeitslosen Groupiers an den Roulettetischen sorgt, sondern weil sich Radschub wie einige Andere ein ordentliches Taschengeld mit dem Kasino verdient hatten, solange die Israelis dahinströmten.

    Konzeptlosigkeit auch bei den Israelis seit der Wahl von Ariel Scharon. Heute redet selbst der Visionär und Verfechter eines Nahen Ostens, also Scharons Außenminister Schimon Peres nicht von einer Erneuerung der Friedensverhandlungen sondern nur noch von Methoden, die Gewalt zu beenden. Das allein bringt keine Lösung der Probleme, sondern führt beiden Seiten vor die Augen, dass es letztlich keinen Unterschied macht, ob 100 oder 400 Menschen als Märtyrer auf dem Altar eines Krieges geopfert worden sind, den ohnehin keiner gewinnen kann. Mangels Friedenskonzept, wegen amerikanischer Zurückhaltung und einem völligen Zusammenbruch jeglichen Vertrauens reduziert sich der Konflikt im Augenblick nur noch auf Gewalt und Gegenwalt, durch die wiederum erneute Gewalt provoziert wird und so weiter. Nur ein großer Knall, ein besonders schreckliches Ereignis oder ein dramatisches Einwirken von Außen kann hier die Menschen wieder zur Besinnung bringen und vielleicht auch auf den Weg des Friedenszurückführen.

    Ulrich W. Sahm

    "Rassistische Praktiken" bei Nachrichtenagenturen
    Internationale Nachrichtenagenturen fügen seit einigen Wochen jedem Bericht aus dem Nahen Osten eine Statistik über die Toten seit Ausbruch der "El Aksa Intifada" zwischen Israel und den Palästinensern bei. Die deutlich höhere Zahl der palästinensischen Opfer ist auch eine Schuldzuweisung gegen Israel, obgleich der palästinensische Planungsminister Nabil Schaath behauptet hat, innerhalb von sechs Monaten Intifada dreimal mehr israelische Tote bewirkt zu haben als die libanesische Hisbollah in einem Jahr Kämpfe gegen die "zionistischen Besatzer" im Südlibanon. Während über sechzig Israelis Opfer der palästinensischen Intifada wurden, sind durchschnittlich pro Jahr "nur" etwa 20 israelische Soldaten durch die Hisbollah im Libanon gefallen.

    Die Unstimmigkeit beginnt bei unterschiedlichen Zahlen. Reuters meldet 354 tote Palästinenser, während ap schon bei 359 angelangt ist. Immerhin sind diese Zahlen erheblich niedriger als die von Palästinenserpräsident Arafat behaupteten "weit über 500 Toten".

    Reuters berichtet von 354 toten Palästinensern, 69 Israelis und 13 "israelischen Arabern", als seien die keine israelischen Staatsbürger oder nicht auch Palästinenser. Gemeint sind arabische Israelis, die im Oktober bei einem inner-israelischen Aufstand durch Schüsse der Polizei getötet wurden, nicht aber im Rahmen der israelisch-palästinensischen Auseinandersetzungen. Unbekannt ist, ob in dieser Statistik auch Juden aufgeführt werden, die durch Gewalttaten israelischer Araber im Kernland Israels getötet wurden, etwa durch Steinwürfe von einer Brücke auf Autofahrer auf der Autobahn Tel Aviv-Haifa.

    Seit kurzem hat man sich bei ap auf eine kuriose Neuerung geeinigt. Neben 359 "Palästinensern", ohne zu unterscheiden, ob es sich da um Christen, Muslime oder andere handelt, werden da 62 "israelische Juden" und "19 Andere" als Tote vermeldet.

    Auf Anfrage beim ap Büro in Jerusalem sagte ein Reporter, der darum bat, namentlich nicht genannt zu werden, dass es sich doch um einen "Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern" handle. Deshalb sei es überflüssig, bei den Palästinensern zwischen muslimischen oder christlichen Todesopfern zu unterscheiden. Unter "Anderen" werde Harry Fischer angeführt, ein deutscher "Arzt", der im November in Beth Dschallah ums Leben kaum. Obgleich Fischer, der Chiropraktiker aber kein diplomierter Arzt war, von den Palästinensern in ihren Statistiken als "Märtyrer" angeführt wird, beschloss ap, ihn unter "Andere" zu kategorisieren. Auch israelische Soldaten drusischer Herkunft würden als "Andere" gezählt, ebenso wie die israelischen Araber, die im Oktober bei den gewalttätigen Ausschreitungen ums Leben kamen. Ob ap auch die von israelischen Rabbinern in Frage gestellte Zugehörigkeit russischer Einwanderer zum jüdischen Volk bezweifle und unter "Andere" aufführe, wollte der Reporter nicht beantworten. "So genau haben wir das nicht überprüft", sagte er. Russische Einwanderer ohne nachgewiesene jüdische Abstammung entsprechend der strengen Regeln der orthodoxen Rabbiner müssen zwar in der israelischen Armee dienen und dürfen für den jüdischen Staat sterben, werden aber in Schande "jenseits des Zaunes" als Personen zweifelhafter Religionszugehörigkeit begraben. In manchen Fällen mussten die Angehörigen dieser nicht-so-ganz-jüdischen Soldaten in weltlichen Kibbuzim für teures Geld eine Grabstätte erwerben, um sie überhaupt unter die Erde bringen zu können.

    Der Reporter von ap bestritt "jegliche rassistische Absicht" seiner Nachrichtenagentur. Man sei lediglich bemüht, "möglichst klare Kategorien" zu veröffentlichen.

    Eine Mitarbeiterin von Reuters in Jerusalem behauptete, dass die Unterscheidung zwischen "Israelis" und "israelischen Arabern" der Genauigkeit diene und an den nicht ausdrücklich erwähnten Aufstand der Araber im Kernland Israels im Oktober erinnern solle. "Diese Araber sind Israelis, bezeichnen sich aber als Palästinenser", sagte sie. Die Journalistin wusste nicht, ob jüdische Israelis, die durch Gewalt dieser "arabischen Israelis" ums Leben kamen, gezählt würden, denn "die Statistik soll die Opfer der Intifada anzeigen".

    Die deutsche Presseagentur dpa macht im Vergleich zu den angelsächsischen Agenturen keine rassistische oder nationale Unterscheidung. Ihre tägliche Statistik hat den Wortlaut: "Die Palästinenser hatten Ende September mit einem Aufstand begonnen, in dem mindestens 430 Menschen getötet wurden."

    Ulrich W. Sahm

    Virtuelle jüdische Bibliothek
    Eine virtuelle jüdische Bibliothek ist im Internet unter der Adresse http://www.jewishvirtuallibrary.org mit mehr als 6000 Einzelbeiträgen und 2000 Fotos für jedermann zugänglich gemacht worden. Die Betreiber der "American Israeli Cooperative Enterprise" behaupten, "alle Themen von Antisemitismus bis Zionismus" abzudecken. Unter den zahllosen Kurzportraits jüdischer Persönlichkeiten von Abraham (der biblische Adam kommt als "jüdische Persönlichkeit" nicht vor) und bis zu Israels neuem Ministerpräsidenten Ariel Scharon, befinden sich auch Portraits von Männern und Frauen, die auf ihre Weise eine Rolle in der jüdischen Geschichte spielten, so die ganze Riege der großen Nazis von Hitler über Göring und Goebbels bis hin zu Alois Brunner.

    Unter Religion findet man Abhandlungen zu den Themen "Antisemitismus ist nicht christlich", die verschiedenen christlichen Perioden mit folgenhafter Wirkung auf das Judentum wie die Kreuzzüge und die Inquisition, aber auch Artikel über jüdisch-christliche Beziehungen bis heute und "Nostra Aetate". Wiedergegeben werden da im Original auch Richtlinien, wie sie im Osservatore Romano veröffentlicht werden und nicht nur jüdische Interpretationen. Auch die Visite des Papstes im Heiligen Land im Jahr 2000 und das Dokument "Wir erinnern", die vom Vatikan veröffentlichten "Reflexionen über die Schoah", kommen als Dokumente vor. In der Bibliographie werden mehr als 1000 Bücher und 1000 Internetseiten aufgeführt.

    In ihrer Pressemitteilung rühmen sich die Autoren, auch den gesamten Text der jüdischen Bibel (das Alte Testament) in englischer Sprache zugänglich gemacht zu haben. Sie erwähnen wohl aus Rücksicht auf jüdische Emotionen nicht, dass sie auch das gesamte Neue Testament in der englischen King James Version in dieses jüdische Nachschlagewerk eingebaut haben. Zum Koran gibt es eine kurze Einführung und dann einen "Link", wo der Originaltext zu finden ist.

    Auch für politisch Interessierte sind da alle wichtigen Materialien zum Nahostkonflikt zu finden, die UNO-Resolutionen, die Friedensverträge und die Abkommen mit den Palästinensern, wobei manche Erklärungen namentlich gezeichnet sind und so auch eine persönliche Meinung darstellen, die nicht von jedem geteilt werden muss.

    Ulrich W. Sahm

    Passahgesänge im Internet
    Israels Nationalbibliothek bei der Hebräischen Universität in Jerusalem hat aus ihrer großen Sammlung ethnisch-jüdischer Tonaufnahmen einen berühmten Passahgesang ins Internet gestellt. Das Lied "Echad mi Jodea" (Einer wer weiß) wird am ersten Abend der Passahwoche bei dem traditionellen "Sederabend" im Familienkreis gesungen, in allen jüdischen Gemeinden, von Jemen bis Ungarn, von Persien bis Osteuropa und den Niederlanden. Doch in jeder Region wurde die Melodie entsprechend der kulturellen Umgebung geändert. Zwölf unterschiedliche Versionen des gleichen Gesanges aus aller Welt können als MP3 Dateien unter der Adresse http://jnul.huji.ac.il abgerufen werden.

    Ulrich W. Sahm

    Erstmals deutsches Radio aus Israel
    Erstmals in der Geschichte des jüdischen Staates gibt es jetzt Radionachrichten auch in deutscher Sprache, allerdings nur im Internet. Unter der Adresse www.israelaufsendung.com liest die 25 Jahre alte deutsche Studentin Mareike, die in Bonn arabisch und englisch studiert, die Nachrichten. Sie werden einmal am Tag, gegen Mittag, aktualisiert und bieten einen Überblick aus den israelisches Tageszeitungen. Die Auswahl der Nachrichten bereite ein amerikanischer Professor vor, der für die israelische Zeitschrift "Eretz", den Initiatoren dieses Internet-radios, die englischen Nachrichten produziere.

    Mareike sagte im Gespräch mit KNA, dass sie im Augenblick bemüht sei, ihre Internetseite bei den Suchmaschinen zu registrieren. Sowie es ausreichend Hörer gebe, hoffe sich auch auf eine Finanzierung durch Werbung. Mareike erwählt, vor fünf Jahren als au-pair Mädchen bei den Herausgebern der Zeitschrift "Eretz" zum ersten Mal nach Israel gekommen zu sein und seitdem immer wieder die Semesterferien in Tel Aviv verbracht zu haben.

    In ihrem Internet-Radio will sie neben politischen Nachrichten auch einen Einblick in die Kultur, in Lifestsyle, Tourismus und Umwelt anbieten.

    Ulrich W. Sahm

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  • Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau
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    Tel: 06252-71270 / Fax: 06252-72606