Wiederherstellung der Trauerhalle auf dem neuen jüdischen Friedhof in Halle (Saale) als Mahn- und Begegnungsstätte

von Detlev Haupt

Die damals große und angesehene jüdischen Gemeinde in Halle ließ 1929 auf ihrem neuen Friedhof an der Boelckestraße (der heutigen Dessauer Straße) durch den Leipziger jüdischen Architekten Wilhelm Haller eine Trauerhalle als "Haus des Lebens" errichten. Dieses Bauwerk diente nicht nur der jüdischen Gemeinde für ihre unmittelbaren rituellen Anliegen, sondern war auch bewußt ein Beitrag zu einer neuen städtischen Architektur: das hervorragende Werk expressionistischer Architektur fügte sich ein in das Bestreben anderer Hallenser Künstler und Architekten, neue Ausdrucksformen für ein alle Gruppen, Parteien und Religionen übergreifendes Lebensgefühl zu finden.

Dieses Bauwerk befindet sich heute in einem desolaten Zustand: Als Beispiel "entarteter Architektur" wurde die Feierhalle unter dem Druck der nationalsozialistischen Stadtverwaltung außen und innen gravierend umgebaut und optisch "neutralisiert". Die jüdische Gemeinde wurde gezwungen, das Gebäude als "Rückwanderer"- und Altersheim zu nutzen; nach 1941 diente es als Sammellager für die Deportationen jüdischer Menschen in die Vernichtungslager. Dafür wurde die große Trauerhalle entweiht; eine Zwischendecke wurde eingezogen, und es entstand ein eigenartiger "Zellenbau", um möglichst viele jüdische Familien dort unterzubringen. Von den etwa 1500 Hallenser Juden kehrten nur 15 nach dem Ende des Nazireiches nach Halle zurück!

Die in ihrem Bestand fast vernichtete jüdische Gemeinde in Halle konnte auch nach 1945 das Gebäude nicht nutzen; es diente in der Zeit der sowjetischen Besatzung und der DDR-Staatspolitik unterschiedlichen Zwecken und wurde in keiner Weise als Bauwerk geachtet und gepflegt. Erst nach 1989 konnte die jüdische Gemeinde das Gebäude zur eigenen Nutzung zurückerhalten und einen kleinen Raum für die Trauerfeiern einrichten. Für eine umfassende Rekonstruktion des Gebäudes, die nicht nur denkmalpflegerischen Gesichtspunkten gerecht wird, sondern auch der Trauerhalle ihren herausragenden baukünstlerischen Wert für die Stadt Halle zurückgibt, fehlen der jüdischen Gemeinde allerdings auch weiterhin alle finanziellen Mittel.

Daher haben angesehene Persönlichkeiten der Stadt Halle im Herbst 1999 zur Gründung eines Fördervereins aufgerufen, um die dringend nötigen Baumaßnahmen so schnell wie möglich durchführen zu können. Zugleich soll mit der Bildung dieses Fördervereins unterstrichen werden, daß die Wiederherstellung dieses Gebäudes nicht (nur) eine Aufgabe der jüdischen Gemeinde sein kann, sondern eine Verpflichtung der gesamten Gesellschaft gegenüber den durch Vertreibung und Vernichtung gedemütigten jüdischen Menschen und jüdischen Kultur darstellt. Daher wurde der Förderverein bewußt auch als ein von der jüdischen Gemeinde in Halle unabhängiger gemeinnütziger Verein gegründet, der eigenständig alle Vorhaben realisiert und den Einsatz aller finanziellen Mittel verantwortet. Um die Finanzierung des Vorhabens sicher zu stellen und alle Fragen der Bauvorbereitung, der Ausschreibung und Auftragsvergabe sowie der Bauabwicklung für die Öffentlichkeit durchschaubar zu machen, hat die jüdische Gemeinde zu Halle (als Eigentümerin des Hauses) in einem Geschäftsbesorgungsvertrag die Verantwortung für das gesamte Projekt dem unabhängigen Förderverein übergeben. Die Stadt Halle hat dabei zugesagt, mit ihrem Hochbauamt das Vorhaben zu unterstützen und die fachliche und rechnerische Kontrolle zu übernehmen. Der Förderverein konnte mit dem Architekten Hans-Otto Brambach aus Halle einen besonders für die Restaurierung von Denkmalsobjekten aus der Epoche des Bauhauses und des Expressionismus in Deutschland bekannten und geschätzten Architekten gewinnen, der in der Zwischenzeit eine sorgfältige Bauanalyse und Kostenschätzung vorgenommen hat und alle Unterlagen für das Genehmigungs- und Ausschreibungsverfahren vorbereitet.

Es ist das Anliegen des Fördervereins, die Trauerhalle auf dem neuen jüdischen Friedhof als eine Stätte der Erinnerung an das Schicksal der Juden Halles und an die Opfer der Shoa zu erhalten und deshalb das Bauwerk in seiner ursprünglichen äußeren Gestalt als Monument jüdischer Gemeinde- und Architekturgeschichte wiederherzustellen. Es wird dann der jüdischen Gemeinde wieder eine große Trauerhalle mit allen nötigen rituellen Nebenräumen zur Verfügung stehen. Zugleich soll das Gebäude auch zu einer Mahn- und Begegnungsstätte ausgebaut werden. In dieser Begegnungsstätte soll nicht nur Raum sein für ständige Ausstellungen, eine Dokumentation zur Geschichte der Juden in der Stadt und zur Ehrung jüdischer Persönlichkeiten Halles, sondern auch ein Seminarraum entstehen, der vor allem für die Arbeit mit jungen Menschen und Schulklassen die entsprechenden Voraussetzungen bietet. Schon heute werden leerstehende Räume in der Trauerhalle für solche Ausstellungen genutzt und ständig Führungen und Seminare für Schulklassen und andere Gruppen organisiert, die mit hohem Interesse angenommen werden - allein im Februar haben über 50 Schulklassen diese Ausstellungen besucht.

Für sein Vorhaben hat der Verein bereits viele Unterstützung erfahren. Herr Bundespräsident Dr. Johannes Rau hat das Anliegen ebenso gewürdigt wie der Herr Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt Dr. Reinhard Höppner, der Regierungspräsident in Halle Dr. Jens Göttner und die Oberbürgermeisterin der Stadt Halle Ingrid Häußler. Bei einer Gedenkfeier in der Trauerhalle auf dem jüdischen Friedhof am 8. November vergangenen Jahres war der Herr Ministerpräsident persönlich anwesend und sagte seine Unterstützung ebenso zu wie die vielen anderen Vertreter der Kirchen, der Universität, der Stadt und der Verbände. Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland Paul Spiegel hat in einem persönlichen Schreiben am 17. Januar d.J. zugesagt, daß er das Vorhaben des Fördervereins "selbstverständlich wohlwollend begleiten werde" und gerne anläßlich eines noch bevorstehenden Besuches in Halle auch zu einem Vortrag bereit sei.

Der Förderverein versteht seine Arbeit als ein konkretes Zeichen der Solidarität mit der jüdischen Gemeinde in Halle und in Deutschland und stellt sich deshalb allen Tendenzen der Verharmlosung des Nationalsozialismus und des Rassismus oder gar eines neuen Antisemitismus beharrlich und energisch entgegen.

Kontakt: Förderverein "HAUS DES LEBENS",
Mahn- und Begegnungsstätte jüdischer Friedhof Halle e.V.,
Dessauerstr. 24,
06118 Halle (Saale)
Tel./Fax. 0345/ 5236837 -
email: Haus-des-Lebens@web.de
Vorsitzender: Dr. Detlev Haupt,
Hegelstr. 14,
06114 Halle (Saale),
Tel./Fax. 0345/52 33 786

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