Informationen aus Israel

von Ulrich W. Sahm, Jerusalem

Litauen überreicht Israel jüdische Sakralgegenstände
Über 300 Torarollen, Gebetsbücher und andere Sakralgegenstände der von den Nazis ausgelöschten jüdischen Gemeinden in Litauen werden an den Staat Israel übergeben. Unter den Objekten befinden sich auch Gebetsbücher, die der "Gaon von Vilna", einer der großen rabbinischen Autoritäten in der Geschichte des Judentums, verwendet habe.

Wie das israelische Außenministerium mitteilte, werde der stellvertretende Außenminister Rabbi Michael Melchior mit einem Sonderflug der EL AL nach Vilna fliegen, um die Objekte entgegen zu nehmen und nach Israel zu bringen. Die Objekte wurden von "Gerechten der Völker", also Nicht-Juden, die Juden vor Verfolgung beschützt haben, während des Krieges aufbewahrt und nach dem Krieg im Keller der Litauischen Nationalbibliothek eingelagert. Die Verhandlungen zur Übergabe dieser religiösen Objekte dauerten ein Jahr lang. Weil Israel heute das "geistige Zentrum" des Judentums sei, stimmte die litauische Regierung schließlich zu, die meist aus zerstörten Synagogen stammenden Objekte nach Israel bringen zu lassen.

In Jerusalem sollen sie zum ehemaligen Sitz der Oberrabbiner, Heichal Schlomo, gebracht werden, wo die Torarollen auf ihre rituelle Benutzbarkeit hin geprüft und renoviert werden sollen.

Ulrich W. Sahm

Tempelbergmauer droht einzustürzen
"Wann platzt die Beule", fragt Alexander Schick in der Schweizer Online-Zeitschrift "Factum" und meint damit eine bedenklich fast einen halben Meter nach außen drückende Ausbuchtung, die wie eine "Eiterbeule" aussieht, im Mauerwerk der Umfassungsmauer des Jerusalemer Tempelberges. Es kann nur noch eine Frage von Tagen, Wochen oder bestenfalls Monaten sein, bis die ersten Steinbrocken aus der Südmauer des Tempelberges herausbrechen. Mitten in der "Beule" ist schon ein drei Meter langer Riss im Mauerwerk zu sehen.

"Das gesamte Mauerwerk ist so beschädigt, dass israelische Experten einen dauerhaften Schaden nicht mehr ausschließen. Die beschädigte Mauerstelle beginnt rund 13 Meter von der Südostecke der Mauer aus gemessen und neun Meter unterhalb der Mauerbrüstung. Das dabei am meisten beschädigte Mauerstück ist knapp zehn Meter hoch und über 32 Meter breit. Insgesamt betroffen ist eine Mauerfläche von über 600 Quadratmetern", schreibt Schick in seinem Internet-Artikel.

Das schwer beschädigte Mauerstück ist jüngeren Datums und vermutlich erst in der muslimischen Epoche errichtet worden. Teile der Südmauer des Tempelberges wurden von den Römern im Jahr 70 geschleift. Die Kreuzfahrer machten hier erste Wiederaufbauarbeiten. Doch anstelle mächtige Steinblöcke mit 14 Metern Länge und einem Gewicht von 120 Tonnen zu verwenden, wie es Herodes getan hat, wurden kleinere Steine und Mörtel verwendet. Der Ausbau der "Salomonischen Ställe" durch die muslimische Behörde und ihre Verwandlung in eine riesige unterirdische Moschee ohne jegliche Bauüberwachung könnte zu der Entstehung der gefährlichen Beule beigetragen haben. Der ewige Streit zwischen dem israelischen Staat und den muslimischen Behörden, die Israels Herrschaft in Jerusalem nicht anerkennen wollen, hat zudem dazu geführt, dass niemand dringend notwendige Wartungsarbeiten an dem teilweise durch Hitze, Wind und Regen verwitterten Mauerwerk durchführen konnte.

Israelische Archäologen versuchen immer wieder durch Gerichtsprozesse, Proteste bei der Regierung und durch tendenziöse Presseberichte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die illegalen Bauarbeiten der Moslems hinzuweisen. Mit Bulldozern haben die in der Tat tausende Tonnen Erdreich seit 1996 aus dem Untergrund des Tempelberges bei den "Salomonischen Ställen" ohne jegliche archäologische Aufsicht heimlich nachts ausgehoben und zu Müllkippen gebracht. Diese zerstörerischen Arbeiten wurden als eine "Sünde am historischen Erbe der Menschheit" bezeichnet, das nur mit der Sprengung der beiden Buddhafiguren durch die Taliban in Afghanistan verglichen werden könne. Seit 16 Monaten, seit Ausbruch der Intifada, ist der Tempelberg für Nicht-Moslems geschlossen. Es gibt nur einige wenige heimliche Aufnahmen der Bauarbeiten und der Einrichtung der größten Moschee des Nahen Ostens mit Platz für 15.000 Gläubige. Nach mehreren Beratungen hat die israelische Regierung beschlossen, nicht einzugreifen, um den Konflikt mit den Moslems und den Palästinenser nicht weiter zu verschärfen.

Der Tempelberg mit der El Aksa Moschee, dem dritttheiligsten Ort des Islam nach Mekka und Medina gilt als besonders gefährliches Pulverfass. Wegen eines Tunnels nahe dem Tempelberg, unter Netanjahu geöffnet, kam es zu blutigen Auseinandersetzungen mit 80 Toten. Der Besuch von Oppositionsführer Ariel Scharon auf dem Tempelberg, trotz ausdrücklicher Zustimmung des palästinensischen Geheimdienstes und einer Genehmigung von Ministerpräsident Barak, gilt als der Auslöser für die "El Aksa Intifada", die seit Oktober 2000 schon über tausend Tote gekostet hat.

Ulrich W. Sahm

EKD Ratsvorsitzender Kock in Jerusalem
Der EKD Ratsvorsitzende Kock ist nach einem Aufenthalt in Addis Abeba nach Jerusalem gekommen. Unmittelbarer Grund für die Reise sei eine "Wiedergutmachung" für Propst Martin Reyer gewesen, an dessen Einführung ins Amt des Jerusalemer Propstes im vergangenen Oktober er wegen Krankheit nicht teilnehmen konnte.

Kock und seine kleine Delegation traf sich mit dem lateinischen Patriarchen Michel Sabbah und Bischöfen anderer Kirchen. Geplante Treffen mit dem neuen griechischen Patriarchen Irenius sowie mit dem äthiopischen Bischof seien aus "Zeitgründen" nicht zustande gekommen, wobei aber andere Gründe eher für Pannen gesorgt haben. Ebenso habe Kock die evangelischen Pastoren in Bethlehem und Bet Dschallah getroffen. Er sei beeindruckt von deren entschiedener Haltung gegen die Gewalt auf beiden Seiten gewesen, obgleich sie ihre palästinensische Identität hervorheben und bejahen. "Das Wohlergehen Israels ist auch unser Wohlergehen", hätten die Pastoren von Beth Dschallah gesagt, eine christliche Ortschaft, die durch den Beschuss des Jerusalemer Südens und durch die israelische Erwiderung des Gewehrfeuers mit Panzergranaten und Hubschrauberraketen besonders schwer in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Die Pastoren hätten Kritik an den "Desperados" geäußert, die mit falschen religiösen Vorstellungen des Märtyriums gegen Israelis Selbstmordattentate verüben.

Kock hatte sich mit jungen deutschen Volontären und Theologiestudenten getroffen, die er als "Brückenbauer" bezeichnete. Diese jungen Deutschen hätten ihm erklärt, dass sie die fortgesetzte Besatzung des Westjordanlandes durch Israel als "Kernfrage der Gewalt und Gegengewalt" betrachteten. Auch die EKD sei bei aller Zurückhaltung der Kritik gegen Israel aufgefordert, klarer Stellung zu beziehen, meinte Kock. Ohne selber Stellung zu beziehen, meinte Kock, dass die Äußerungen der jungen Deutschen ihn "sehr angerührt" hätten. Weiter meinte er, dass das "Studium in Israel" ein Projekt der Braunschweigischen Landeskirche für die Theologiestudenten eine wichtige "Erweiterung des Horizontes" bedeute und deshalb künftig von verschiedenen Landeskirchen getragen werde, nachdem sein Leiter Dr. Michael Krupp in den Ruhestand getreten sei und die Braunschweiger nicht das Geld hätten, diese Kurse weiter zu finanzieren.

Kock stellte fest, dass auf allen Seiten die "Rolle der Religion" als sehr negativ gesehen werde, wenn etwa extremistische Juden mit religiösen Argumenten für eine Fortsetzung der Landnahme und der Siedlungspolitik plädieren, während die Moslems mit umgekehrten Vorzeichen Selbstmordattentäter losschicken. "Die Gewalt wird religiös begründet." Bei den Gesprächen in Jerusalem sei immer wieder die Frage aufgeworfen worden, welche Rolle denn nun die christlichen Kirchen in diesem Konflikt spielen könnten. Kock meinte, dass die Kirchen die positiven Aspekte der Religion und auf die Friedensimpulse hinweisen könnten.

Ulrich W. Sahm

"Wahres Leben ist Begegnung"
Ein komplettes Kompendium deutsch-israelischer Begegnungen hat Rudi-Karl Pahnke vom Berliner Institut "Neue Impulse" zunächst in Deutsch und jetzt in erweiterter Auflage auch in Englisch herausgegeben: "Über den Abgründen gemeinsam in die Zukunft" betitelte er die fast vollständige Sammlung ausführlicher Angaben über Jugendorganisationen, Schulen, Begegnungsstätten und anderen Einrichtungen, die sich um die Förderung des Friedens auf der "Graswurzelebene" bemühen. Die israelische Pfadfindervereinigung wird da ebenso mit kurzer Beschreibung, Adresse und Telefonnummern angegeben wie die Jugendarbeit in der arabisch evangelisch-lutherischen Gemeinde in Jerusalem oder das Internationale Begegnungszentrum in Bethlehem, im palästinensischen Gebiet. Pahnke fügte auch Empfehlungen aus der Erfahrung seiner eigenen Arbeit im Jugendaustausch bei. Als Pastor legt er deshalb in einem eigenen Kapitel ein besonderes Gewicht auf das Thema "Den Religionen begegnen - Grundbedingung Toleranz". Hier schreibt er: "Nathan der Weise hat es hier schwer - und auch hier noch seine Weisheit zu verkünden - und nur wenige wollen ihm glauben und folgen." Auf den Buchdeckel setzte er ein Zitat von Martin Buber als Motto seiner Bücher: "Wahres Leben ist Begegnung".

In der neuen erweiterten englischen Ausgabe wurde die Auszug einer Diskussion von Jugendlichen mit Bundespräsident Rau eingefügt. Verschiedene Autoren, darunter Wolfgang Thierse und Markus Meckel haben zudem ihre Gedanken nicht nur über die Bedeutung der Begegnung von Jugendlichen aus Deutschland und Israel für die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit niedergeschrieben. Sie befassen sich auch mit der jüngeren deutsch-deutschen Vergangenheit. Denn ein Brennpunkt der tiefen kulturellen, geistigen und ideologischen Kluft zwischen beiden Teilen Deutschlands war ausgerechnet die ohnehin schon problematische Beziehung zu Israel.

Rudi-Karl Pahnke (Hrsg.), Über Abgründen gemeinsam in die Zukunft, Karuna Zeitdruck-Verlag, 1999, ISBN: 3-932003-04-7, Preis € 6,14

Ulrich W. Sahm

Schweinehaut kein Hindernis für Himmelfahrt
Einen palästinensischen Selbstmordattentäter oder "Märtyrer" mit Schweinehaut zu umhüllen, ein großer Frevel nach muslimischer Ansicht, bedeutet jedoch für die Märtyrer kein Hindernis, in das islamische Paradies zu gelangen um dort den versprochenen 70 Jungfrauen zu begegnen. Wie die angesehene israelische Zeitung aus palästinensischen Quellen berichtete, hätten das Scheich Hassan Jusuf aus Ramallah, ein geistlicher Führer der radikalislamischen Hamasbewegung im Westjordanland, sowie Junis El Astal aus Khan Junis, Dozent für islamisches Recht an der islamischen Universität in Gaza erklärt.

Die Idee, Selbstmordattentäter in Schweinehaut zu hüllen, um ihnen so den "Weg ins Paradies" zu versperren, wird in Israel schon seit über einem Jahr diskutiert. Es galt als gutes Gegenmittel, den radikalen Palästinensern den Willen zu nehmen, sich selber und israelische Bürger in den Tod zu sprengen, nachdem ihnen muslimische Geistliche versprochen hatten, dass solche Attentate ihnen einen Platz mit Paradies garantierten.

In der vergangenen Woche, nach einem Anschlag bei Ganei Tal (drei Tote Israelis) und einem weiteren Anschlag in einem Supermarkt in Efrat, wo ein Palästinenser versuchte, seinen Sprengstoffgürtel zu zünden, doch rechtzeitig erschossen werden konnte, hatten sich jüdische Siedler tatsächlich Schweinefleisch aus "unkoscheren" Läden besorgt und die Leichen der Attentäter damit bedeckt. Die Siedler hätten diesen Frevel auf "eigene Initiative" und ohne Rücksprache mit Rabbinern getan. Anonyme Rabbiner befürworteten im Nachhinein das Vorgehen gegen die Leichen der Terroristen. Wie "Haaretz" schreibt, hätten in einem Fall die Sicherheitskräfte, die sich um die Leiche des Attentäters kümmerten mit den Siedlern "kooperiert" im anderen Fall hätten die Soldaten "weggeschaut".

Der Chef der jüdischen Begräbnisgesellschaft im Süden des Gazastreifens war Zeuge des Vorgehens der Siedler. Zu der Zeitung sagte er: "Alles was diese Selbstmordattentate stoppen und Menschenlebenretten könnte ist erlaubt." Falls die Attentäter tatsächlich glauben ins Paradies und zu den Jungfrauen zu gelangen, andererseits aber glauben, dass sie nicht dorthin gelangen könnten, wenn sie durch Schweinehaut "verunreinigt" würden, sei das ein legitimer Akt der Selbstverteidigung, sagte Rabbi Josef Elkanewa.

Die Berichte über die Leichenschändung der Selbstmordattentäter durch jüdische Siedler stieß auf wenig Glauben und Verständnis bei Hamasanhängern. "Die Juden sollten nicht etwa glauben, dass sie die Schlüssel für das Paradies in den Händen hielten", meinte Hassan Jusuf von der Hamas. Astal, der Dozent aus Gaza bezeichnete den Glauben der jüdischen Siedler eine "Legende", Moslems auf dem Weg ins Paradies stoppen zu können. Mit dem Tod verlasse die Seele sofort den zurückgebliebenen Körper und könne deshalb auch nicht mehr verunreinigt werden. Das Schicksal der Seele sei deshalb nicht mehr von dem Umgang mit der Leiche abhängig.

Ulrich W. Sahm

Christliche Schutzwesten bedeuten Missionsgefahr
Der Chefrabbiner der Siedler in Kirjat Arba bei Hebron, Dov Lior, hat den Siedlern im Gazastreifen verboten, künftig von fundamentalistischen Christen gespendete kugelsichere Jacken entgegenzunehmen und zu verwenden. Diese Spenden der rechtsgerichteten pro-Siedlungspolitik Christengruppen seien "im Namen der Kirche und der Christenheit" gemacht worden. Die Intention der gespendeten Jacken sei es "offen oder versteckt die Juden um ihren Glauben zu bringen und zu konvertieren".

Ein Vertreter dieser christlichen Gruppen, Sondra Oster Baras, der selber in der Siedlung Karnei Schomron lebt, bestätigte der israelischen Zeitung Haaretz, dass die "Christian Friends of Israeli Communities" (CFIC) den Siedlern in den besetzten Gebieten Spielzeug, Computer, und kugelsichere Jacken gespendet hätten. Sie helfen auch "Terroropfern und ihren Familien".

Baras kommentierte das Verbot des Rabbi Lior mit einem Widerspruch zwischen "Äußerungen und Wirklichkeit". So habe die Talmudschule des Rabbi Lior enge Kontakte mit christlichen Organisationen und lasse durch sie auch Spendengelder sammeln. Baras sagte weiter der Zeitung, dass seine Organisation keiner missionarische Absichten hege und deshalb auch nicht mit "messianischen Juden" zusammenarbeite.

Ulrich W. Sahm

Das KNA-Büro in Jerusalem
Während jede bessere Zeitung und Nachrichtenagentur in Israel ein Büro unterhält wegen des seit Jahrzehnten wütenden Nahostkonflikts, so hat für die Katholische Nachrichtenagentur das "Büro Jerusalem" eine andere "strategische" Bedeutung. Wenn es nur darum ginge, regelmäßig über christliche Gottesdienste an den Heiligen Stätten der Christenheit zu berichten, würde es völlig ausreichen, von Zeit zu Zeit einen Korrespondenten aus Bonn, Berlin oder Rom nach Jerusalem zu schicken. Das allein würde ein ständiges Büro in Jerusalem kaum rechtfertigen.

Jerusalem und das Heilige Land sind sogar innerchristlich ein Brennpunkt, der ständig beobachtet werden sollte. Wo sonst trifft man alle christlichen Konfessionen aus Ost und West auf so engem Raum? Und weil es um die Heiligsten Stätten der Entstehung des Christentums geht, bleiben auch nicht die Konflikte zwischen den Kirchen aus. Gemäß uralter Tradition streiten sie um jeden Streifen Marmor in der Grabeskirche oder in der Geburtsbasilika. Diese sehr irdischen Streitereien sind jedoch letztlich der Ausdruck von ideologischen Kämpfen und Auseinandersetzungen zwischen "konservativen" und "modernen" Kirchenleuten, gleichgültig welcher Couleur oder Konfession.

Für den KNA-Korrespondenten in Jerusalem liefert das Heilige Land täglich neuen Stoff, obgleich die politischen Vorgänge im Streit zwischen Israelis und Palästinensern ausgeklammert bleiben. Das überlässt die KNA den "weltlichen" Agenturen wie ap, dpa oder Reuters. Die Religionen, neben Christentum auch Judentum und Islam, liefern täglich Stoff für Korrespondentenberichte und kurze Meldungen. Von den übrigen Agenturen wird diesen Themen viel zu wenig Beachtung geschenkt. Zwar wäre es übertrieben, im Vorderen Orient von einem "Religionskonflikt" zu reden, aber jedem ist klar, dass hier geradezu in mittelalterlicher Weise auch eine Art Religionskrieg getrieben wird. Da macht es durchaus Sinn, einen ständigen Blick auf jüdische Strömungen, muslimische Entwicklungen und christliche Avancen zu halten, nicht nur bei dem seit Jahren andauernden Streit zwischen Islamisten, dem jüdischen Staat und der christlichen Stadtverwaltung von Nazareth. Da geht es um die provokative Errichtung einer großen Moschee vor der Verkündigungsbasilika, einer der wichtigsten christlichen Stätten.

Der Papstbesuch im Heiligen Land im März 2000 mag als "Pilgerreise" angelegt worden sein. Doch für Juden, Christen und Moslems, nicht nur im Heiligen Land, war das eine "historische" Visite von höchster politischer Bedeutung.

Einen ständigen Korrespondenten der KNA gibt es in Jerusalem seit dem 19.November 1977, jenem denkwürdigen Tag, an dem der ägyptische Präsident Anwar el Sadat nach Israel kam. Sadat machte so einen ersten Versuch machte, Frieden zwischen Israel und der arabischen Welt zu stiften. Der Schreibtisch von Ulrich Sahm, an dem auch Berichte für deutsche Zeitungen, Rundfunksender, für den Fernsehsender n-tv und für den MATERIALDIENST komponiert werden, wurde rechtzeitig vor dem Milleniumsjahr zum "KNA-Büro" aufgewertet, durch ein schlichtes Schild an der Haustür des Korrespondenten.

Ulrich W. Sahm

Saudi Chefredakteur nimmt antisemitische Attacken zurück
Eine der schlimmsten antisemitischen Verleumdungen wurde vor einigen Tagen vom Chefredakteur der offiziellen saudischen Regierungszeitung Al-Riyadh veröffentlicht. Turki Al-Sudairi, ein Mitglied der herrschenden Königsfamilie, behauptete, dass Juden für die Zubereitung ihrer festlichen Mahlzeiten an Purim und zum Passahfest das zu Körnern getrocknete Blut pubertierender nicht-jüdischer Jünglinge, also Christen oder Moslems, verwenden.

Der Artikel und die darin enthaltene Blutlegende aus dem Repertoire des klassischen Antijudaismus der christlichen Kirchen im Mittelalter hatte in Israel und in den USA heftige Kritik ausgelöst. Der böswillige anti-jüdische Artikel erschien in Al-Riyadh kurz nach der Veröffentlichung der "Friedensinitiative" des saudischen Kronprinzen.

Wie die israelische Zeitung Jedijot Achronot berichtet, habe der Chefredakteur von Al-Riyadh seine Behauptungen zurückgenommen: "Wir irrten, als wir behaupteten, dass die Juden christliches oder muslimisches Blut zur Vorbereitung ihrer Festspeisen verwenden." Der Chefredakteur schrieb weiter: "Ich habe nachgeprüft und festgestellt, dass mein Artikel es nicht wert war, veröffentlicht zu werden." Nach Angaben der israelischen Zeitung sei es das erste Mal gewesen, dass sich der Redakteur einer offiziellen arabischen Zeitung für einen anti-jüdischen oder anti-israelischen Artikel entschuldigt habe.

Weitere Informationen zu dem Fall veröffentlichte das amerikanische Forschungsinstitut Middle East Media and Research Institute (MEMRI) auf seiner Homepage http://www.memri.org/

Ulrich W. Sahm

"Dann heul doch"
Mit völlig übertriebenen Sicherheitsmaßnahmen behinderte die israelische Polizei die traditionellen Feiern des Osterfeuers in der Grabeskirche. Tausende Christen konnten wegen der großräumigen Absperrungen die Kirche nicht erreichen.

Am Jaffator, dem Haupteingang der Altstadt Jerusalems, standen einige hundert rumänische Gastarbeiter. Mit Bierdosen in der Hand betranken sich schon am frühen Morgen. Die Männer aus Osteuropa trugen Festtagskleidung und waren nach Jerusalem gekommen, um Ostern zu feiern. Doch zur Grabeskirche ließ sie die israelische Polizei nicht durch.

Die Christenstraße im Basar war mit Gittern versperrt. Drei israelische Polizisten erklärten einer äthiopischen Pilgerin in weißer Leinentracht: "Bis 14:30 Uhr ist der Zugang zur Grabeskirche gesperrt." Die Frau hatte jahrelang gespart, um sich den Traum ihres Lebens zu erfüllen: die Auferstehung Christi in Jerusalem mitzuerleben. Die Polizisten ließen sich nicht erweichen. Sie hätten "Befehle von oben".

Wir zückten unseren Journalistenausweis. Der Polizist Madschali lachte: "Wenn wir Christen nicht einlassen, dann kommen da auch keine Journalisten rein." Trotz des Sabbat, war Polizeisprecher Schmulik per Handy erreichbar. "Es gibt keine Behinderungen für Christen", behauptete er und versprach, uns wenigstens den Weg zum Grabe Christi zu ebnen. Wenige Minuten später radebrechte jemand im Sprechfunk der Polizei den Namen "Oilritsch" (Ulrich). Der Polizist Madschali lachte nicht mehr und rückte das Gitter zur Seite.

Die Basarhändler in der Christengasse standen auf der Straße und hielten Ausschau nach langersehnten Touristen. "So eine Schweinerei", meinte einer. "Jetzt sperren die uns auch noch zu Ostern aus? So etwas hat es noch nie gegeben." Bewaffnete Grenzschützer patrouillierten, als werde gleich der Papst persönlich erwartet. An den Ecken auf dem Weg zur Grabeskirche standen Polizisten in blauer Uniform und mit schusssicheren Jacken und geschulterten Uzi-Schnellfeuergewehren.

Der Platz vor der Grabeskirche war früher, vor zwei Jahren etwa, schon in den Morgenstunden so vollgepackt mit Pilgern aus aller Welt, einheimischen Christen und Touristen, dass es kaum ein Durchkommen gab. An diesem Oster-Samstag herrschte da eine gespenstische Leere. Mit Polizeigittern waren auf der Hälfte des Platzes vor dem griechischen Abrahamskloster Gehege geschaffen worden wie vor den Kassen am Fußballplatz. Durch sie wurden ein paar Dutzend Christen geschleust, die es schafften, die Absperrungen zu überwinden. Rund dreihundert schwerbewaffnete israelische Beamte sicherten allein den Vorplatz: Grenzschützer im finsteren Olivgrün mit Schlagstöcken an den Rücken geschnallt, Zivilpolizisten im hellblauen Hemd unter der kugelsicheren Jacke, "Anti-Unruhe-Einheiten" in dunkelgrauer Uniform, Feuerwerker der "Anti-Bomben-Einheit", unauffällige Geheimdienstleute mit auffällig in der Gürtelgegend wegen Pistolen und Funkgeräten ausgebeulten Safarijacken, Sanitäter mit knallroten Umhängen und mit großen Besen bewaffnete Herren der Stadtreinigung, ebenfalls in gebügelter Uniform. Insgesamt waren wohl 2000 Sicherheitsbeamte mit der "Absicherung" der christlichen Osterfeiern beschäftigt. Die Kaiser Wilhelm Straße vor der deutschen Erlöserkirche war abgesperrt, um Platz für ein Feldlazarett zu bieten. Weil die Israelis offenbar mit dem "Schlimmsten" rechneten, standen Sauerstoffflaschen für Verletzte und Bahren für Tote bereit.

Alle Basarzugänge waren abgesperrt. Hinter den blauen Polizeigittern mit hebräischer Aufschrift stauten sich die Christen, die an der Osterfeuerzeremonie teilnehmen wollten.

Auf dem Vorplatz der Grabeskirche verscheuchten Polizeioffiziere ziemlich unsanft die wenigen anwesenden Journalisten Gläubigen: "Entweder rein in die Kirche oder raus hier." Wir sagten zu Nisso, dem Oberbefehlshaber der Polizei an der Grabeskirche: "Man könnte heulen, wenn man ansieht, wie Ihr Religionsfreiheit garantiert, aber die Christen daran hindert, ihr Ostern zu feiern." Der Offizier mit dem Drei-Tage-Bart zuckte nur kurz mit den Schultern und meinte: "Dann heul doch."

Eine griechische Prozession, angeführt von Popen in feierlichem Gewand kam aus Richtung des Patriarchats. Hinter ihnen, auf den Schultern ihrer Kameraden getragen, laut schreiende und Schwerter schwingende Jugendliche. Auch die gehören zu dem traditionsreichen Osterzeremoniell im orientalischen Jerusalem. Sicherheitsbesessen stürzte sich ein Trupp Polizisten auf die Prozession und konfiszierte die gefährlichen Schwerter. Augenblicklich war die fröhliche Stimmung verdorben, aber Israels Sicherheit war gerettet. Aus der Prozession brach ein angereister Journalistenkollege aus Berlin aus: "Ich wurde nirgends durchgelassen, schloss mich der Prozession an und schmuggelte mich so an den Polizeisperren vorbei." Der Sprecher der Armenier, George Hintlian, kam aus der Grabeskirche heraus und heftete uns ein Ausweisschild des armenischen Patriarchats an die Brust. "Vielleicht wirst Du so etwas weniger von der Polizei belästigt", sagte er zuversichtlich. "Die haben in diesem Jahr einen Overkill an Sicherheit fertig gebracht."

Üblicherweise wird das Tor zur Grabeskirche verschlossen und erst wieder geöffnet, wenn auf einen Schlag tausende Kerzen bei rauschendem Jubelgeschrei an der Flamme der Auferstehung entzündet werden. Unter ohrenbetäubend lauten Glockenschlägen rennen Jugendliche mit ihren brennenden Kerzenbündeln hinaus zu den wartenden gläubigen Massen. Doch diesmal hatte die israelische Polizei "aus Sicherheitsgründen" mit einer Jahrhunderte alten Tradition gebrochen. Das Tor der Grabeskirche blieb offen und draußen auf dem Vorplatz warteten keine Massen sondern drei Hundertschaften Polizisten und Sicherheitsleute. Sie sorgten dafür, dass erstmals nach fast zweitausend Jahren christlicher Osterfeiern eine vorbildliche öffentliche Ordnung aufrecht erhalten blieb.

PS:
Diese Reportage entstand vor einem Jahr, am Tag des orthodoxen Osterfestes. Doch weil das "westliche" Ostern längst vorbei war, interessierte sich in Deutschland niemand mehr für die Vorgänge zu Ostern in Jerusalem. Monate lang ersuchten wir das israelische Tourismusministerium um eine Stellungnahme. Der inzwischen ermordete Minister Rehabeam Zeevi versprach, sich der Angelegenheit persönlich anzunehmen. Schließlich gelangte eine Übersetzung dieses Artikels zu dem verantwortlichen Polizeioffizier, jenem "Nisso" in dem Artikel.

Höchst offiziell beantwortete er am 5. August die in dem Artikel enthaltenen Beschwerden (hier leicht gekürzt wiedergegeben):

In jedem Jahr findet die Osterfeuerzeremonie mit Pilgern aus aller Welt in großem Gedränge statt. "Ich möchte hervorheben, dass sie in diesem Jahr auf dem Höhepunkt der "El Aksa Intifada" stattfand."

Die Erfahrung lehrt, dass die große Enge bei derartigen Veranstaltungen große Gefahren für die Teilnehmer birgt. Jedem ist bekannt, dass es in aller Welt schon Katastrophen bei ähnlichen feierlichen Anlässen gegeben hat.

Eine wichtige Aufgabe der Polizei ist es, das Wohlergehen von Pilgern abzusichern (im Sinne der allgemeinen Sicherheit, dem Schutz vor Anschlägen und Schutz vor Gedränge).

Die Polizei rekrutiert ihre besten Leute mitsamt ihren Gerätschaften zu diesem wichtigen und heiligen Fest, auch wenn es vor Kameras keinen guten Eindruck macht.

Journalisten werden nur nach vorheriger Absprache mit den Kirchen und einer Sondergenehmigung des Polizeisprechers zugelassen. (Indem Sie dennoch durchgelassen wurden, hat der Polizeisprecher jenseits seiner Befugnisse gehandelt)

Die Absperrungen in den Gassen von Jerusalem sollten Gedränge verhindern und die Gläubigen verteilen.

Die Polizei ist nicht verpflichtet, akute Informationen über geplante Anschläge der Presse mitzuteilen. Sie waren jedoch Teil der Planung bei der Absicherung der Zeremonie in der Grabeskirche.

Wenn Sie mal in Geschichtsbüchern blättern, werden Sie entdecken, dass am Ende des 19. Jahrhunderts bei jener Feuerzeremonie ein Feuer unter den Gläubigen ausbrach, bei dem 150 Pilger ums Leben kamen. (In der Grabeskirche gibt es keinen Notausgang, und bedauerlicherweise gab es damals auch keine tausend Polizisten, die den brennen Pilgern hätten helfen können.

Der Vorplatz der Grabeskirche war in der Tat menschenleer. Es ist Ihnen aber angeraten, dieses positiv zu sehen, nämlich dass es gelungen ist, sämtliche Pilger in die Kirche einzulassen, die aus aller Welt gekommen waren.

Auch in diesem Jahr gab es wieder viele, die uns dafür lobten, dass wir vorbildlich für Ordnung und Sicherheit gesorgt haben.

MfG Nisso Schocham

Es sei hier angemerkt, dass die Sicherheitsvorkehrungen so perfekt waren, dass nicht einmal die Gattin des Propstes Ronecker "nach Hause" gehen konnte, zur Erlöserkirche, weil die Straße vor der Kirche in ein Feldlazarett verwandelt worden war. Auch die stolz verkündete Behauptung des Offiziers "alle" Pilger in die Kirche eingelassen zu haben, kann nicht stimmen, denn an den Absperrungen fern der Grabeskirche drängten sich Gastarbeiter und auch Journalisten. Sie wurden nicht durchgelassen. Denn die von Polizeioffizier Nisso behauptete Forderung, für den Gottesdienstbesuch die entsprechenden Papiere bei den Kirchen und beim Polizeisprecher einzuholen, war nirgends veröffentlicht worden und bis dahin auch nicht üblich. Und Tatsache war ja, dass die Polizisten nicht einmal "Christen" durchließen, obwohl sie gleichzeitig auch "Journalisten" waren. So entsteht der Eindruck, als dürften Journalisten weder Christen noch Pilger sein, um dennoch zum Osterfest eingelassen zu werden.

Ulrich W. Sahm

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Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau
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