Jenseits von Oslo

Perspektiven für den israelisch-palästinensischen Friedensprozess Aus einem Strategiepapier der Bertelsmann-Forschungsgruppe Politik
Die Europäische Union und die USA sollten "stark und koordiniert" eingreifen, um Israel und Palästina aus der Spirale der Gewalt zu zerren und den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. Dieses Fazit zieht die Bertelsmann-Forschungsgruppe Politik am Centrum für angewandte Politikforschung in München in einem Strategiepapier, das Grundlage der "7. Kronberger Nahostgespräche" der Bertelsmann-Stiftung vor einigen Tagen war.
Die FR dokumentiert ein Kapitel aus der Analyse, die im Internet unter www.bertelsmann-stiftung.de in englischer Fassung abrufbar ist.

Die Übersetzung besorgte Britta Schellenberg.

Der israelisch-palästinensische Friedensprozess befindet sich zurzeit im Übergang zu einem "Post-Oslo-Endspiel". Diese Entwicklung wird entweder zu einem langfristigen Management des Konflikts durch Abkommen führen, oder er wird völlig auseinander brechen, mit gefährlichen Implikationen für die regionale Sicherheit.

I.

Über ein Jahr nach dem gescheiterten Gipfel von Camp David und dem Ausbruch der zweiten palästinensischen Intifada gibt es wenig Hoffnung, dass die Konfliktparteien selbst zu einer Stabilisierung der Situation in der Lage sind, ganz zu schweigen von der Aushandlung eines Endstatusabkommens. Obwohl die Situation nicht zu einem vollen Krieg eskaliert ist, haben beide Parteien im gegenwärtigen Konflikt geringer Intensität bereits einen hohen Preis an Menschenleben und ökonomischem Schaden bezahlt. Die Perspektiven sind eher ernüchternd: Trotz aller Waffenstillstände klingt die Gewalt nicht ab, das Abgleiten in einen regionalen Krieg droht immer noch. Die hohe Opferzahl durch Terrorattacken palästinensischer Extremisten auf israelische Zivilisten, die israelische Vergeltung durch die Besetzung palästinensisch kontrollierten Territoriums und die gezielte Tötung potenzieller Terroristen verstärkt den gegenseitigen Hass und hat das Friedenscamp auf beiden Seiten dezimiert. Die öffentliche Meinung auf beiden Seiten hat sich radikalisiert und engt damit den Spielraum der politischen Akteure weiter ein.

Neben der signifikanten persönlichen Abneigung zwischen dem israelischen Premierminister Sharon und dem palästinensischen Präsidenten Arafat sind beide Parteien in einem Dilemma gefangen, das es ihnen zunehmend erschwert, den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen. Israels Strategie der Vergeltung und Abschreckung, die in der Vergangenheit gegenüber souveränen Staaten gewirkt hat, muss unter den Bedingungen fortgesetzter Besatzung und mangelnder institutioneller Entwicklung in den palästinensischen Territorien scheitern. Nach einer Serie von Terrorattacken, die die höchste Opferzahl seit 1996 forderte, hat Israel die palästinensische Autonomiebehörde als "terrorunterstützende Entität" bezeichnet und sie an den Rand des völligen Zusammenbruchs gebracht. Die palästinensischen Institutionen sind zunehmend nicht mehr in der Lage, effizient zu funktionieren und den Bedürfnissen der palästinensischen Bevölkerung und Israels Sicherheitsinteressen gerecht zu werden. Da Yassir Arafat seinen Einfluss auf die paramilitärischen Feldkommandeure weitgehend verloren hat und seine eigene Fatah-Bewegung über die Zukunft der Verhandlungen gespalten ist, wird der wachsende israelische Druck die Existenz der Autonomiebehörde in Frage stellen.

II.

Der Ansatz von Oslo, der mit direkten Verhandlungen der Parteien ohne nennenswerte Einbeziehung einer dritten Partei begonnen hatte, ist zu Ende gegangen. Im Juli 2000 schienen die israelisch-palästinensischen Verhandlungen kurz vor ihrer Vollendung zu stehen. Nur zwei Monate später wurde die Region mit Gewalt überzogen, was die Fragilität der Verhandlungen der letzten Dekade vor Augen führte. Es gibt verschiedene Erklärungen für das Scheitern der Verhandlungen von Camp David. Dem palästinensischen Standpunkt nahe stehende Beobachter machen Baraks Verhandlungsstil, seinen Take-it-or-leave-it-Ansatz und seine Weigerung, die minimalen Bedürfnisse der Palästinenser zu erfüllen, verantwortlich. Der israelischen Position zuneigende Interpreten verweisen dagegen auf die unerhörten israelischen Konzessionen und sehen die Schuld bei Arafat, der nicht nur diese Konzessionen durch sein Beharren auf dem Rückkehrrecht der Flüchtlinge zurückgewiesen, sondern auch durch seine Weigerung, Gegenangebote zu machen, bewiesen habe, dass er kein seriöser Partner für den Frieden sei. Folglich war für die Palästinenser der Aufstand das Ergebnis der wachsenden Frustration über das Scheitern des Oslo-Prozesses und der andauernden Expansion der israelischen Siedlungen. Der Besuch Scharons auf dem Tempelberg/Haram Al-Scharif war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Für die Israelis war die Intifada ein Versuch Arafats, mit Gewalt zu bekommen, was in Verhandlungen nicht erreichbar gewesen war; ein Versuch, die internationale öffentliche Meinung für sich einzunehmen, die Lehre aus dem Libanonkrieg anzuwenden und von der palästinensischen Kritik an seinen autoritären und korrupten Praktiken abzulenken. Der Oslo-Prozess muss als ein historischer Durchbruch betrachtet werden. Daher haben die vergangenen acht Jahre des Friedensprozesses wichtige Nettogewinne erbracht. Verglichen mit 1993 hat sich der Abstand zwischen den Positionen von Israelis und Palästinensern entscheidend verringert, und die Probleme sind mit sehr viel größerer Präzision definiert. Oslo war das Resultat von großem persönlichen Mut der beteiligten israelischen und palästinensischen Führer und bot beiden Seiten die Möglichkeit, sich intensiv mit den Kernfragen zu beschäftigen. Oslo stärkte die Bedeutung von Abkommen zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten auf der Basis "Land für Frieden" und legitimierte speziell eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina. Der Prozess veränderte das psychologische Umfeld, initiierte eine bescheidene Entdämonisierung auf beiden Seiten und schuf die politisch-legalen Normen, im Ergebnis ein akzeptiertes Vokabular, um die israelisch-palästinensischen Beziehungen zu diskutieren.

Oslo ermöglichte es Israel, ein Friedensabkommen mit Jordanien auszuhandeln und seine Beziehungen mit einer ganzen Reihe von anderen Staaten radikal zu verbessern, mit positiven Konsequenzen für Israels Sicherheit und Wirtschaft. Oslo gab den Palästinensern eine territoriale Basis, eine beschränkte Selbstverwaltung und eine potenziell fruchtbare Beziehung zu den Vereinigten Staaten. Dennoch muss betont werden, dass der Oslo-Prozess gleichzeitig mehrere schwere Fehler aufwies. In etwas vereinfachter Weise können diese in Probleme der Struktur, des Prozesses und der Akteure unterteilt werden.

(1) Struktur: Der Oslo-Prozess basierte auf der berühmten Resolution 242 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, die von den beteiligten Parteien unterschiedlich ausgelegt wurde. Israel glaubte, dass die Westbank und Gaza umstrittene Territorien seien und 242 einen territorialen Kompromiss mit sicheren Grenzen für Israel vorsehe. Auf der anderen Seite waren die Palästinenser überzeugt, ihr wichtigstes Zugeständnis bereits vor Beginn der Verhandlungen gemacht zu haben, indem sie durch die Beschränkung auf die Westbank und Gaza auf 77 Prozent des ehemaligen Mandatsgebiets verzichteten. Ein zweites, damit verbundenes Problem war die Natur des Handels "Land für Frieden", den 242 vorsah und der zu einem Eckstein des Friedensprozesses wurde. Während Israel "materielle Güter" (Territorium) in die Hände der Palästinenser geben sollte, bestand die Gegenleistung dieser in "immateriellen Gütern" (Frieden, Sicherheit), die wesentlich schwerer zu managen und zu kontrollieren waren.

Drittens wurde auf beiden Seiten nie eine offene und fruchtbare öffentliche Diskussion über die Implikationen einer Zwei-Staaten-Lösung angestrengt. Die Palästinenser verständigten sich weder über die Natur des zukünftigen palästinensischen Staates und sein Verhältnis zu Israel noch über die Folgen für die Flüchtlingsfrage. Israel dagegen weigerte sich, die palästinensische Entität als souveränen Staat zu akzeptieren, und behandelte sie wie ein Protektorat.

(2) Prozess: Die Phasen des Oslo-Prozesses sollten Vertrauen zwischen Israelis und Palästinensern erzeugen. Aber der sich in die Länge ziehende, graduelle Prozess in einer spannungsgeladenen Atmosphäre erzeugte gewaltsame Aktionen; der Gradualismus verschlimmerte die Anfälligkeit des Prozesses als Ziel für Extremisten auf beiden Seiten. In beiden Lagern opponierten signifikante Minderheiten (Islamisten, Siedler) gegen den Friedensprozess und beschädigten ihn in Schlüsselsituationen, z. B. das Massaker in der Machpelah-Höhle/Ibrahimi-Moschee in Hebron 1994 oder die Busattentate im Frühjahr 1996. Zusätzlich hatten viele Palästinenser ein ambivalentes und funktionales Verhältnis zu Gewalt und Terrorismus, die explizit von den Osloer Verträgen verboten waren.

Die Israelis für ihren Teil setzten die Vergrößerung der Siedlungsblöcke und der Umfahrungsstraßen in den besetzten Gebieten fort, was dem Geist des Prozesses widersprach. Die Zahl der Siedler stieg so von 120 000 im Jahre 1993 auf über 200 000 im Jahre 2000. Schließlich wurde die Rolle der Ökonomie als Motor regionaler Kooperation grotesk überschätzt. In den palästinensischen Gebieten sanken die Wirtschaftsleistung und der Lebensstandard empfindlich nach 1993 auf Grund der langen israelischen Blockaden und der suboptimalen Verwaltungstätigkeit der palästinensischen Autonomiebehörde.

(3) Akteure: Beide Parteien hatten eher schwache Führungspersönlichkeiten. Yasir Arafat und mehrere israelische Premierminister waren nicht in der Lage, ihre Völker auf die notwendigen Kompromisse vorzubereiten, z. B. die Flüchtlingsfrage oder das Jerusalemproblem. Arafat verhielt sich schwach und unentschlossen und wurde zunehmend von Rivalitäten unter seinen Funktionären eingeschränkt. Auf der anderen Seite war er gezwungen, mit fünf aufeinander folgenden israelischen Premiers zu verhandeln, von denen jeder auf seine eigenen Präferenzen, Stil und Zeitplan bestand.

Die Vereinigten Staaten tendierten zu einem wachsenden Engagement in die Verhandlungen nach dem Hebron-Abkommen von 1997 und wurden letztlich überinvolviert. Die Parteien waren immer weniger bereit, direkt miteinander zu verhandeln, und endeten so mit den Vereinigten Staaten als letzter Schiedsinstanz. Der EU, auf der anderen Seite, mangelte es an Kontinuität und Konsistenz auf Grund ihrer institutionellen Struktur, und sie litt unter einem Vertrauensdefizit bei den Israelis. Diese Probleme verstärkten sich gegenseitig im Vorfeld zu Camp David, als Barak und Clinton, beide getrieben durch ihre Wahlkalender, den Gipfel einem widerwilligen Arafat aufzwangen, der weder bereit noch in der Lage war, bei den Endstatus-Fragen Kompromisse einzugehen.

III.

Die negativen Effekte des schwelenden Konflikts für die Region und die internationale Gemeinschaft werden zunehmend deutlich. In diesem Kontext ist es notwendiger denn je, dass die Drittmächte alles tun, um die Eskalation zu stoppen und den umfassenden diplomatischen Prozess wiederzubeleben. Diese Aufgabe sollte vornehmlich von den beiden Parteien unternommen werden, die in unterschiedlicher Weise während der letzten dreißig Jahre in der Region aktiv waren: die Vereinigten Staaten und die Europäische Union. Erstere spielten eine entscheidende Rolle in allen wichtigen Fortschritten im Friedensprozess, letztere dagegen hatte eine bescheidenere, aber keineswegs unbedeutende Rolle, indem sie Rahmenbedingungen für einen gerechten und dauerhaften Frieden definierte und diplomatische Initiativen unterstützte.

Die EU hat die palästinensische Autonomiebehörde (PA) stark subventioniert, um das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung zu unterstützen. Aber die PA kann diese finanzielle Hilfe nicht als selbstverständlich betrachten: Sie ist abhängig von politisch angemessenem Verhalten. Daher sollte die EU der Autonomiebehörde deutlich machen, dass der taktische Einsatz von Gewalt nicht akzeptabel ist und dass eine Fortsetzung der ambivalenten Haltung zu einer Verringerung der europäischen Finanzhilfen führen wird. Als eine Macht, die sich an den Rechtsstaat gebunden fühlt, kann die EU den laxen Umgang mit good governance durch einen von ihr finanziell unterstützten Quasistaat nicht tolerieren. Die politische Glaubwürdigkeit der PA würde gestärkt, wenn sie den Prozess der Staatsbildung mit demokratischen Mitteln fortsetzen würde. Durch die Öffnung des politischen Systems würde die palästinensische Führung einen alternativen Kanal für die Milizionäre anbieten, die gegenwärtig Israel bekämpfen.

Im Rahmen der internationalen Versuche, die Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern einzudämmen, hat die EU zu einer begrenzten Stabilisierung der Lage beitragen. Der Sondergesandte Miguel Moratinos konnte mehrmals die Kämpfe zwischen Beit Jala und dem Jerusalemer Vorort Gilo stoppen. Javier Solana, der Hohe Vertreter der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU, war Mitglied der Mitchell-Kommission, deren Bericht zurzeit als einzige glaubwürdige Basis für eine Erneuerung des Verhandlungsprozesses angesehen wird. Die EU wurde zu einem Co-Sponsor des Mitchell-Reports und arbeitete mit bemerkenswerter Konsistenz und Kontinuität an seiner Implementierung. Bundesaußenminister Fischer gelang es, nach einem schweren Terroranschlag in Tel Aviv eine gewaltsame Eskalation zu verhindern, als er Arafat zwang, einen bedingungslosen Waffenstillstand auszurufen. Fischers Rolle wurde sogar in der traditionell europakritischen israelischen Presse gewürdigt. Die gestiegene Bedeutung der EU kann auf drei Entwicklungen zurückgeführt werden:

(1) Der Ausbruch der Gewalt und der komplette Zusammenbruch der Verhandlungen war die schwerste Krise zwischen Israelis und Palästinensern seit Beginn des Verhandlungsprozesses 1993 in Oslo. Die Gefahr einer völlig unkontrollierten Eskalation mit zahlreichen Opfern in der Zivilbevölkerung und einer regionalen Ausweitung der bewaffneten Auseinandersetzungen zwang alle internationalen Akteure zu einem verstärkten, konsistenten Engagement.

(2) Die neue US-Administration unter George W. Bush tendierte anfangs dazu, nach Clintons intensivem persönlichen Engagement eine eher zurückhaltende Rolle zu spielen. Sie war durchaus bereit, den Europäern mehr als nur eine Statistenrolle bei der Stabilisierung der Lage zu gewähren.

(3) Die erhöhte Koordination der europäischen Mitgliedstaaten im Rat und dem neuen Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) angesichts der Krisensituation trug zu einer konsistenteren Politik bei. Als Hoher Vertreter für die GASP konnte Javier Solana für personelle Kontinuität der europäischen Vermittlungsbemühungen auf höchster Ebene sorgen, wobei er sowohl auf die Basisarbeit des Sondervermittlers Moratinos als auch auf seine guten Kontakte zu den Amerikanern zurückgreifen konnte.

Die Bush-Administration favorisierte nach ihrer Amtseinführung für mehrere Monate einen zurückhaltenden Ansatz gegenüber dem auseinander brechenden Friedensprozess. Ihre Vertreter argumentierten, dass Clintons intensives und letztlich erfolgloses Engagement in Camp David der Autorität des Präsidentenamtes Schaden zugefügt habe. Die anhaltende Gewalt und der Druck arabischer Verbündeter wie Ägypten und Saudi-Arabien überzeugten jedoch die Amerikaner, das Problem erneut anzugehen. Aber erst nach dem 11. September, im Rahmen der Bemühungen, eine breite Koalition gegen den Terrorismus zu formen, gewann die neue amerikanische Initiative an Fahrt. In einer lange erwarteten Rede skizzierte Außenminister Powell die amerikanische Vision für eine endgültige Beilegung des Konflikts. Powell betonte zum ersten Mal unmissverständlich die Unterstützung für eine Zwei-Staaten-Lösung und verlangte das Ende der Besatzung und die Gründung eines lebensfähigen Staates "Palästina" neben Israel.

Aber das Scheitern des Gipfels von Camp David zeigte, dass die USA auf Grund ihrer widersprüchlichen Rollen nicht in der Lage sind, eine umfassende Einigung herbeizuführen. Auf der einen Seite wollen sie als ehrlicher Makler zwischen den Konfliktparteien mit ausgewogenen Positionen auftreten. Auf der anderen Seite haben die Vereinigten Staaten eine etablierte strategische Partnerschaft mit Israel, dagegen ist die Beziehung zur PLO relativ neu und schwach. Die speziellen Beziehungen zu Israel sind sowohl ein Vorteil als auch eine Belastung. Die Nähe wurde negativ von den Palästinensern in Camp David gespürt, als die Vorschläge des Präsidenten immer auf der Basis von Israels Grundbedürfnissen definiert wurden.

Da die strategische Beziehung zwischen Israel und den USA bestehen bleiben wird, ist die Beteiligung einer dritten Partei, die die palästinensische Position versteht, der einzige Weg, die Befürchtungen der Palästinenser vor der amerikanischen Unausgewogenheit zu zerstreuen. Europa scheint der natürliche Kandidat für diese Rolle zu sein, die als Ergänzung zu der der Vereinigten Staaten innerhalb des Rahmens einer erneuerten transatlantischen Kooperation gesehen werden sollte. Wenn die transatlantische Kooperation in diesem Bereich ein Erfolg werden soll, ist ein institutioneller Mechanismus zur Koordination der Bemühungen von EU und USA notwendig. Dieser könnte in einer Arbeitsgruppe über den Nahen Osten mit Teilnahme der Außenminister bestehen. Das würde die EU-Staaten zwingen, ihre Position zur Lösung des Konflikts weiter zu koordinieren, einschließlich der Endstatusfragen.

IV.

Diese Entwicklungen legen die Möglichkeit eines starken, koordinierten Eingriffs der wichtigsten externen Akteure, der USA und der EU, nahe , um in Koordination mit anderen Spielern wie Russland, Ägypten, Jordanien und den Vereinten Nationen eine langfristige Regelung zu erreichen. Die Implementierung der Mitchell-Vorschläge ist eine wichtige Basis für den Beginn, kann aber nur der erste Schritt sein. Wie im Mitchell-Report ausgeführt, können vertrauensbildende Maßnahmen nur durch die Rückkehr zu ernsthaften Verhandlungen aufrechterhalten werden.

Ein andauernder Waffenstillstand wird nur eingehalten werden, wenn er mit der Perspektive eines substanziellen Fortschritts in diesem Bereich verknüpft ist. Ein umfassendes Abkommen, das das Ende des Konflikts herbeiführt und alle Kernfragen löst, mag heute unerreichbar sein, aber es muss die ultimative Zielsetzung bleiben. Eine Lösung wäre die Konstruktion eines stückweisen Dokuments, das einige Probleme löst und andere auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt.

Eine andere Option könnte die graduelle Implementation eines umfassenden Abkommens sein, das einige Paketlösungen enthält, wie sie aus der europäischen Erfahrung bekannt sind. Vorschläge und Ideen, die in dem Zeitraum zwischen Camp David (Juli 2000) und Taba (Januar 2001) einschließlich der Clinton-Vorschläge (Dezember 2000) diskutiert worden sind, können nicht einfach weggewischt werden, als wären sie nie auf dem Tisch gelegen. Sie sind Teil des aquis diplomatique, mit dem auch die EU betraut wurde. In Taba war der EU-Sondergesandte sogar der einzige Zeuge einer dritten Partei, der den Verhandlungen beiwohnte und ein Protokoll über die Diskussionen führte. Dieses Dokument könnte von enormer Bedeutung sein, wenn die Verhandlungen für ein Endstatusabkommen wieder aufgenommen werden.

V.

Eine langfristige Regelung könnte auf den folgenden Kernpunkten aufbauen:

- Die Etablierung eines palästinensischen Staates in 96 Prozent der Westbank und dem gesamten Gaza-Streifen. Die übrigen 4 Prozent, die die wichtigsten Siedlungsblöcke mit ungefähr 80 Prozent der Siedlerpopulation beinhalten, werden von Israel annektiert, wobei die Palästinenser mit einem gleich großen Stück israelischen Territoriums kompensiert werden. Die Grenzzone des Jordantals wird nach einer Übergangszeit Teil des palästinensischen Staates werden; währenddessen wird die Grenze durch gemeinsame Patrouillen oder eine internationale Einheit überwacht werden.

- Zwei Hauptstädte in Jerusalem. Das jüdische West-Jerusalem wird die Hauptstadt Israels bleiben, während das arabische Ost-Jerusalem die Hauptstadt des neuen palästinensischen Staates wird. Die Palästinenser werden die Souveränität über den Haram Al-Scharif/Tempelberg-Bezirk erhalten, während Israel die jüdischen Stadtteile jenseits der grünen Linie einschließlich des jüdischen Viertels der Altstadt und der Klagemauer (mit Zugang durch das armenische Viertel) behalten wird.

- Die Rückkehr der Mehrheit der Flüchtlinge in den neuen palästinensischen Staat, wenn sie das wünschen. Nur einer kleinen Zahl wird aus humanitären Gründen die Rückkehr nach Israel in den Grenzen von 1948 erlaubt werden. Israel wird im Gegenzug einen Teil der Verantwortung für das Schicksal der Flüchtlinge übernehmen und sein Bedauern ausdrücken. Die internationale Gemeinschaft wird ausreichende Mittel zur Verfügung stellen, um die Eingliederung in Palästina und anderen Ländern zu finanzieren.

Das Mitchell-Komitee, das G-8-Treffen in Genua und die EU haben das Prinzip der "Überwachung durch Dritte" gebilligt und seine Implementation von der Zustimmung beider Seiten abhängig gemacht. Tatsächlich besteht ohne die Zustimmung beider Seiten die Gefahr, dass die Überwachungseinheit direkt in den Konflikt involviert wird, ein Szenario, dass die Situation noch mehr verkomplizieren würde. Daher sollte die EU bereit sein, an einer solchen Überwachungseinheit mitzuwirken, aber nur nach einer signifikanten Abkühlungsperiode. Mit einem klaren Mandat und der Kooperation der Konfliktparteien im Hinblick auf dessen Implementation würde eine Peace-keeping-Mission einen positiven Effekt haben. Es ist sicher verfrüht, die Details festzulegen, aber ihre Rolle sollte über die passive Beobachtung hinausgehen und bei der Implementierung einer politischen Lösung helfen.

Frankfurter Rundschau, 31.01.2002

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