Informationen aus Israel

von Ulrich Sahm und Michale Krupp, Jerusalem

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Interreligiöses Treffen zwischen Jerusalem und Bethlehem
Im oekumenischen Institut Tantur auf der Grenze zwischen Jerusalem und Bethlehem hat nach einem Bericht der Jerusalem Post von Mittwoch, den 15.5., ein interreligiöses Treffen zwischen Juden, Christen und Moslems stattgefunden, das erste Treffen solcher Art nach Beendigung der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis in der sogenannten "Aktion Schutzwall". Ca. 80 Personen, darunter Priester, Rabbiner und Scheikhs fanden sich in der Kapelle des Instituts zu einem gemeinsamen Gebet zusammen.

Zu dem Treffen eingeladen hatten drei japanische buddistische Mönchen, die sich zur Zeit auf einer Friedensreise im Nahen Osten aufhalten. In Jordanien trafen sie mit Prinz Hassan zusammen, der sie auf ihrer Reise nach Jerusalem begleiten wollte, auf Abraten israelischer Kreise aus Sicherheitsgründen aber darauf verzichtete. Die Mönche hatten sich an mehrere interreligiöse Organisationeen in Israel gewandt, darunter die Israel Interfaith Association, die die Veranstaltung mittrugen. Die Mönche sind auf der Weiterreise in die Türkei, wo sie eine Gebetsveranstaltung zum Frieden in Tschetschnien organisieren.

"Religion ist zu einer Geisel von Gewalt und Konflikt geworden", sagte Terasawa Junsei, der Leiter der japanischen Delegation, "wir müssen ihr helfen, ihre eigentliche Bestimmung wiederzufinden, die Menschen in einem Geist wiederzuvereinigen". "Wir sind alle Brüder in einem Land. Wir werden sterben, aber das Land lebt ewig", sagte eine der 10 anwesenden moslemischen Frauen, Ibtisam Muhammad aus Fureidis, "die Erde ist rund und der Bauch einer Mutter ist rund. Wir haben viel zu tun, es einer Mutter gleich zu tun, Liebe und Toleranz in die Welt zu bringen. Ich bete, dass wir aufwachen und ein jeder den anderen umarmt."

Nacheinander trugen Juden, Moslems und Christen Textpartien aus den verschiedenen Heiligen Schriften der verschiedenen Religionen vor, die zum Frieden aufrufen, aber auch Gedichte, Parabeln und Stücke aus der modernen Literatur. Musiker aus den drei Religionen umrahmten die Veranstaltungen mit einer Reihe religiöser Musikstücke.

Das Publikum unterschied sich von dem auf solchen Veranstaltungen üblichen auffällig und war deutlich fernöstlich angehaucht. Lange und bunte Gewänder, Kopftücher, und Schleier beherrschten das Bild. Juden und Moslems hatten zum Teil ihre Kinder mitgebracht. Bei der Musik herrschte die mystische Richtung der jüdischen Carlebach und der islamischen Sufi Richtung vor. Die Teilnehmer fassten sich dabei an den Händen und verharrten in Meditation.

Michael Krupp

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Gemeinsamer christlicher Gottesdienst in der Geburtskirche
Nachdem amerikanische Spezialisten die letzten Sprengkörper in der Geburtskirche, die die Israelis aufgrund der knapp bemessenen Zeit nicht mehr selbst entschärfen konnten, entsichert hatten, waren die Aufräumungsarbeiten, an denen sich neben den Priestern auch zahlreiche Bethlehemiten, die endlich nicht mehr unter Ausgangssperre zu leiden hatten, beteiligten, in vollem Gang. Als erste innerchristliche Ökumene versammelten sich Jerusalemer und Bethlehemer Kirchenhäupter, Katholiken, Orthodoxe, Lutheraner, Armenier und andere ansässige Kirchen, zu einem gemeinsamen Gebet in der unter der Basilika gelegenen Gebetskirche, fassten sich bei den Händen und sprachen, jeder in seiner Sprache, gemeinsam das Vater Unser.

Am Sonntag fand der erste gemeinsame Gottesdienst statt unter dem Beisein des Vatikan Abgesandten, Kardinal Roger Etchegary. Soviel Gemeinsamkeit hat die aus dem vierten Jahrhundert stammende ehrwürdige Kirche in den letzten Jahrhunderten selten erlebt. Dazu hatte es erst einer 38 Tage andauernden Aktion von Moslems und Juden bedurft in der Kirche, deren verschiedene Bereiche bisher eifersüchtig von den drei sie verwaltenden Konfessionen, Lateiner, Orthodoxen und Armeniern, gehütet wurden.

Einige Hinterlassenschaften der Palästinenser in der Geburtskirche seit der Besetzung am 2. April waren ca. 40 in der Kirche an verschiedensten Orten versteckte Sprengsätze. Die meisten konnte ein israelisches Sonderkommando auf Bitten der Mönche bis zum Abzug der Israelis am Freitag Abend entschärfen. Die komplizierteren Sprengsätze blieben in der Kirche, wurden aber bezeichnet. Die Israelis fanden auch noch ca. 50 Gewehre und Munition in einer Nachlese zur Suche des CIA zuvor.

Journalisten, die die Kirche nach Abzug der Palästinenser mit Erlaubnis der Mönche besuchen durften, beschrieben die Kirche als eine Müllhalde, aber ernsthaftere Schäden hätten sie nicht beobachten können. Der Holzaltar in dem armenischen Teil der Kirche war anscheinend als Esstisch benutzt worden und war voller Essensreste und ungewaschenen Geschirrs. Nur die Geburtsgrotte unter der Basilika machten einen sauberen und ordentlichen Eindruck. Hier haben die Mönche in der späteren Zeit der Belagerung ihre Gottesdienste abgehalten. Die Mönche beschwerten sich auch über das Benehmen der Gruppe der internationalen Friedensaktivisten. Sie hätten in der Kirche geraucht und Alkohol getrunken.

Die israelische Armee hat am Freitagabend, den 10. Mai Bethlehem verlassen, hat aber wie in den übrigen Westbankstädten einen Ring um die Stadt gelegt, um, wie es heißt, so weit es möglich ist, zu verhindern, dass Terroristen nach Israel gelangen können.

Michael Krupp

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Bethlehem am Tag der "Befreiung"
Der Grenzübergang zwischen Jerusalem und Bethlehem war verlassen, nur ein Jeep mit Journalisten überquerte den Übergang. Die Straßen nach Bethlehem menschenleer. Kein Auto weit und breit. Ein Panzer stand vor einem brennenden Haus, das die palästinensische Feuerwehr löschte. Vor der eigentlichen Stadt stand wieder ein Panzer und versperrte die Weiterfahrt. Auf Seitenwegen, durch die engen Gassen der Altstadt, machnmal auch gegen die Fahrtrichtung, war es aber nicht schwer, bis zum Krippenplatz vorzudringen. Hier gab es nur Fahrzeuge mit groß aufgemalten T.V. Zeichen, Journalisten.

Hier in der Altstadt gab es Leben. Überall in den Fenstern und auf den Balkons standen Menschen und blickten in die Richtung der Geburtskirche. Darüber immer noch der Beobachtungszeppelin. Auch auf den Straßen in der N'he der Kirche waren immer mehr Menschen zu sehen, die erst verschwanden, wenn ein Trupp von Soldaten durchging. Immer noch Ausgangssperre, obwohl die letzten Palästinenser dabei waren, die Kirche zu verlassen. Viele Kinder, aber auch Erwachsene ließen sich nicht davon abhalten, mitzuverfolgen, was passierte und bildeten Trauben von Neugierigen direkt hinter den Absperrungen der Soldaten vor der Geburtskirche.

Die Leute waren gesprächig. Als wir vom Dach der Stadtverwaltung gegenüber der Geburtskirche herunterkamen, wollten sie wissen, was wir von oben gesehen hatten. Vor der Kirche standen jetzt alle Priester und Mönche, die in der Kirche 38 Tage ausgehalten hatten. Sie standen und sprachen mit den vielen ausländischen Diplomaten, mit hier versammelten Palästinensern und den Soldaten. Es war eine Stimmung der Gelassenheit, wie eine Befreiung nach einem langen Inferno. Vorher hatten sich die Palästinenser von ihnen verabschiedet, mit Handschlag oder mit dem orientalischen Kuss. Jetzt waren nur noch die 10 Internationalen in der Kirche und die Leute vom CIA, die die Waffen einsammelten.

Die Bürger von Bethlehem atmen auf. Ihre Stadt ist gegenüber anderen palästinensischen Städten noch glimplich davongekommen, obwohl sie die längste Besetzung und längsten Ausgangssperren erduldet hatte. Aber die Zerstörungen halten sich in Grenzen. Bethlehem erwartet den Abzug der Soldaten voller Ungeduld und Freude. Bethlehem ist bald eine befreite Stadt und kann das nur langsam fassen, die Menschen sind wieder hoffnungsvoll. Wie nach einem Alptraum, der nun zuende ist.

Michael Krupp

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Chronik einer Geiselname
Die Geisel - Die Geburtskirche in Bethlehem

Geiselnehmer - Palästinensische Kämpfer und die israelische Armee

Donnerstsag 28. März Beginn des Einmarsches israelischer Truppen nach Bethlehem

Dienstag 2. April Am Abend stürmen palästinensische Kämpfer auf der Flucht vor israelischen Truppen die Geburtskirche in Bethlehem, indem sie eine Seitentür zum Konvent der Franziskaner auf dem Grundstück der Geburtskirche aufsprengen. Innerhalb weniger Stunden fliehen in die Kirche ca. 250 Palästinenser, ca. 50 unbewaffnete Zivilisten, darunter Kinder und Jugendliche, ca. 100 Angehörige der palästinensischen Sicherheitskräfte und ca. 50 Angehörige paramilitärischer Verbände wie der Hamas-Bewegung und der der PLO nahestehende Kämpfer der Tansim und der El-Aksa Martyrer Brigaden. Die meisten palästinensischen Kämpfer sind Moslems. Sie dringen in die Kirche ein und in die dazugehörigen Klöster der Franziskaner und Griechen. Die Armenier verschließen die Türen zum Kirchengebiet und bleiben unbehelligt. Neben den Palästinensern befinden sich ca. 60 Ordensleute in der Kirche und den anliegenden Klöstern, die meisten sind Franziskaner. Darunter sind auch vier Nonnen. Eine der Nonnen ist eine Krankenschwester und verarztet die ca. 10 in den Kämpfen verwundeten Palästinenser. Auch die Bethlehemer Santa Maria Kirche wird von 80 palästinensischen Kämpfern besetzt. Die dort befindlichen sieben Nonnen und ein Priester werden als Geiseln gehalten. Die israelische Armee umstellt beide Kirchenkomplexe, dringt aber nicht in die Heiligen Stätten ein.

Mittwoch 3. April Der lateinische Patriarch, Michel Sabach, gewährt den Palästinensern Asyl in der Kirche und erklärt, die Palästinenser hätten ihre Waffen niedergelegt. Ein israelischer Militärsprecher gibt bekannt, die Palästinenser schössen auf die israelischen Truppen aus dem Inneren der Kirche. Auf alle Fälle werde sich aber die israelische Armee nicht provozieren lassen und in die Kirche eindringen. Am Nachmittag können die sieben Nonnen und der Priester die Santa Maria Kirche verlassen, nachdem die Palästinenser durch einen Seiteneingang die Kirche verlassen haben. Die Kirche ist seitdem unbenutzbar, weil sie voller Sprengbomben ist, die die Palästinenser gelegt haben. Auch in der Geburtskirche verminen die Palästinenser die Eingänge, um ein israelisches Eindringen unmöglich zu machen.

Donnerstag 4. April Fünf italienische Journalisten, die mit in die Kirche geflohen waren und andere Ausländer aus dem Stadtgebiet Bethlehems werden durch gepanzerte Fahrzeuge der amerikanischen Botschaft evakuiert.

Freitag 5. April Die Belagerung der Geburtskirche wird zum Hauptthema der israelischen Nachrichten. Der Vatikan schaltet sich in die Verhandlungen ein. Nachdem der Patriarch, Michel Salach, als persona non grata von den israelischen Behörden angesehen wird, verhandelt für den Vatikan der Nuntius und Botschafter des Vatikan in Israel, Pietro Sambi.

Samstag 6. April Vier Franziskaner Mönche können die Kirche verlassen. Einer von ihnen äußert sich im israelischen Fernsehen sehr empört über die Besetzung der Kirche, die ihnen auferzwungen worden sei.

Montag 8. April Es kommt zu Schusswechseln zwischen israelischen Truppen und eingeschlossenen Palästinensern. Solche Gefechte wiederholen sich in den nächsten Tagen, wobei jeweils jede Seite die andere beschuldigt, mit den Schießereien begonnen zu haben. Zwei tote Palästinesern werden in der Kirche in Särgen aufbewahrt und können nicht abtransportiert werden. Die Palästinenser fordern die Bestattung in der Kirche. Die Mönche befürchten dadurch eine Enteignung der Kirche, da sie später zu einem Wallfahrtsort für nationale Palästinenser werden könnte. Einer kirchlichen Delegation wird der Zugang nach Bethlehem am Checkpoint vor der Stadt vom isralischen Militär verwehrt.

Dienstag 9. April Eine Delegation von Kirchenoberhäuptern verhandelt mit der israelischen Regierung. Die griechisch-orthodoxe Seite schlägt vor, die Kämpfer frei ins Ausland abziehen zu lassen. Die Israelis akzeptieren später diesen Lösungsvorschlag. Die Palästinenser, genauer gesagt, Jasser Arafat, lehnt ab. Er fordert den Abzug der Kämpfer nach Gaza. Die israelische Seite betrachtet die eingeschlossenen Ordensleute als Geiseln der Palästinenser. Die Kirchen lehnen diese Bezeichnung ab. Die Ordensleute hätten die Aufgabe, die Heiligen Stätten zu schützen und müssten so in der Kirche bleiben. Die Israelis beginnen mit der Versorgung der Mönche mit Lebensmitteln und Artzneien. Dabei wird aus Irrtum einer der armenischen Mönche durch einen israelischen Scharfschützen verletzt, der einen bewaffneten Palästinenser neben ihm treffen wollte. Der israelische Präsident, Moshe Katzav, schreibt einen Brief an den Papst, in dem er ihm versichert, dass die Israelis die Unverletzbarkeit der Heiligen Stätten nicht antasten werden.

Mittwoch 10. April Jasser Arafat setzt ein palästinisches Team zu Verhandlungen mit den Israelis ein. Die griechisch-orthodoxe Kirche beschließt, Erzbischof Christodoulos von Athen nach Jerusalem zu schicken, um an den Verhandlungen über die Situation der Kirche teilzunehmen.

Donnerstag 18. April Zum ersten Mal seit dem Beginn der Belagerung sollen sich das palästinensische und ein israelisches Verhandlungsteam zur Situation treffen. Die Verhandlungen werden aber von palästinensischer Seite abgesagt, weil Idsrael nicht bereit ist, eine dritte Seite an den Verhandlungen teilnehmen zu lassen. Später verlautet, dass es sich um den schweizer Botschafte in Israel gehandelt hat.

Sonntag 21. April Es kommt zu einer großen Prozession christlicher und moslemischer Araber in Israel vor dem Checkpoint nach Bethlehem. Den einigen Hundert Protestierenden wird der Zugang nach Bethlehem verwehrt. Sie tragen Ölzweige und Glöckchen zur Unterstreichung ihrer friedlichen Absicht. Die Demonstaration verläuft ohne Zwischenfälle. Fünf junge Palästinenser konnten mit israelischer Hilfe die Kirche verlassen. Die Palästinenser bezeichnen sie als Kollobarateure.

Dienstag 23. April Verhandlungen zwischen den beiden Seiten werden aufgenommen. An den Verhandlungen nehmen indirekt auch Kirchevertreter teil. Die Verhandlungen, die die nächsten Tage fast täglich geführt werden, werden von beiden Seiten als positiv bewertet. Palästinenser dringen gewaltsam in das bisher verschlossene Armenierkloster ein, schlagen nach Aussage der Mönche die Ordensleute, stehlen Ritualien und Wertgegenstände und stellen größere Verwüstungen an, wahrscheinlich aus Rache darüber, dass sich die armenischen Mönche bisher abgeschlossen gehalten haben. Drei Mönchen gelingt die Flucht.

Mittwoch 24. April Aufgrund der Verhandlungen können 8 Jugendliche die Kirche verlassen. Zuvor waren zwei Erwachsenen aus der Kirche herausgekommen mit der Vorgabe, krank zu sein.

Montag 29 April Nachlängerer Unterbrechung werden die Verhandlungen wieder aufgenommen, nachdem die Israelis 50 Portionen Verpflegung in die Kirche gebracht haben. Von Zeit zu Zeit können einzelne Palästinenser die Kirche verlassen.

Dienstag 30. April Der Papst beschließt Kardinal Roger Etchegarray nach Jerusalem zu Verhandlungen zu schicken. 26 Palästinenser können aufgrund der Verhandlungen die Kirche verlassen. Es gibt noch keine Einigung über das Schicksal der ca. 25 bis 30 von den Israelis gesuchten Terroristen, die sich in der Kirche aufhalten. Die große Zahl der die Kirche Verlassenden gibt aber viel Hoffnung. Nach Greüchten aus Amerika, aus dem Vatikan, vo überall her ist die Stunde der Aufhebung der Blockade nahe.

Donnerstag 2. Mai Ein Monat Besatzung In der Nacht ist es zu schweren Gefechten zwischen Israelis und Palästinensern gekommen. Dabei kommt ein Palästinenser ums Leben. Die Israelis kündigen an, dass sie auf jeden Palästinenser schießen, der sich bewaffnet zeigt. Mehrere Brände im griechischen und katholischen Kloster brechen aus. Die Israelis behauptebn, es handele sich um mutwillige Brandlegungen zur selben Stunde, in der Arafat in Ramalla von den Israelis freigesetzt wird, prime-time im amerikanischen Fernsehen. Arafat wettert in Ramalla über die Gleichgültigkeit der Welt, wenn eine der heiligsten Stätten des Christentums und des Islam abbrennt. Dass die Geburtskirche auch eine islamische heilige Stätte ist, wird Arafat in den nächsten Tagen immer wieder wiederholen, wobei er auf den Koran verweist, wo als einzige Frau Maria vorkomme und die Geburtsgeschichte im Koran so erzählt werde wie im Neuen Testament. Gegen Abend gelingt es einer Gruppe von 10 internationalen Friedensaktivisten das israelische Militär zu überlisten und in die Kirche einzudringen. Sie kändigen an, in der Kirche zu verbleiben, bis die Belagerung aufgehoben wird.

Freitag 3. Mai Das israelische Militär hebt yeitweise die Ausgangssperre auf, damit orthodoxe Christen in dei Karfreitagsgottesdienste kommen können. Das orthodoxe Christentum feiert Ostern udn Karfreitag dieses Jahr einen Monat nach dem Termin der westlichen Christen.

Sonntag 5. Mai Ostersonntag für die orientalischen Christen. Nachdem eine Liste von 123 in der Kirche eingeschlosenen Palästinensern an die Israelis übergeben wird, werden die Versorgungslieferungen wieder aufgenommen und die Verhandklungen fortgesetzt. In die Gespräche schalten sich jetzt höhere Stellen ein, Vetrteidigungsminister Benjamin Ben Eliezer von israelischer Seite und Mohammed Raschid von palästinensischer Seite, Wirtschaftsberater Jasser Arafats. Auch englische und britische Gesprächspartner beteiligen sich an den Verhandlungen, die intensiviert werden.

Dienstag 7. Mai Grundsätzliches Einverständnis zwischen Israelis udn Palästinenser: 13 Palästinenser, "mit Blut an den Händen" gehen nach Italien ins Exil, 26 bewaffnete Kämpfer sollen in ein palästinensisches Gefängnis nach Gaza. Der Rest, ca. 85 Personen kommen nach Aufnahme der Personalien frei. Um 2 Uhr wird der Vertrag unterschrieben. Busse fahren auf, die Eingeschlossenen in ein Militärlager zu bringen, von wo aus sie nach Gaza, zum Flugplatz oder nach Bethlehem zurück transportiert werden sollen. Viele Verwandte haben sich vor der Kirche eingefunden, die Eingesschlossenen endlich begrüßen zu können. Dann wird klar, dass Italien gar nicht gefragt wurde, ob es die Deportierten aufzunehmen bereit ist. Italien lehnt ab. Die Befreiungsaktion wird verschoben. Fieberghaft versuchen die Amerikaner Italien doch noch zu überzeugen, die zu Deportierenden aufzunehmen.

Donnerstag 9. Mai In der Nacht zum Donnerstag einigen sich Israelis und Palästinenser auf einen neuen Vorschlag. Die Gruppe der 13 bleibt in der Kirche, bis sie ein Land aufnimmt, die anderen gehen wie vereinbart nach Gaza oder in die Freiheit. Die Buss fahren am Donnerstag morgen wieder auf. Der Beobachtungskran der Israelis wird abgebaut, das istraelische Militär macht sich breit, aus Bethlehem abzuziehen. Dann erfolgt wieder Abbruch der Aktion. Dire Israelis werfen den Palästinensern Vertragsbruch zu. Die 13 fordern jetzt in das nahe gelegene Casa Nova Hotel verbracht zu werden und dort die Zwischenzeit abzuwarten. Außerdem verlangen sie, dass ein Europäer bei ihnen verweilt, ihre Sicherheit zu garantieren. Die Aktion wird abgeblasen. Die Busse verlassen wieder den Krippenplatz, die Panzer kehren zurück und der Beobachtungskran wird wieder aufgebaut.

Freitag 10. Mai Es ist soweit. Angeblich haben mehrere europäische Staaten jetzt zugesagt, die zu Deportierenden aufzunehmen. Zypern ist bereit, bis zur Klärung die 13 aufzunehmen. In wenigen Morgenstunden werden alle 123 Palästinenser aus der Kirche gebracht, begleitet von den Priestern und zu ihren jeweiligen Bestimmungsorten gebracht. Nur die 10 Internationalen wollen die Kirche nicht verlassen, wenn man ihnen nicht zusichert, sie nicht des Landes zu verweisen. Israelische und palästinensische Polizei holen sie mit Gewalt heraus und übergeben sie israelischen Zivilbehörden, die alles für eine Landesverweisung vorbereiten. Israelische Sondereinheiten entschärfen auf Bitten der Mönche die meisten der ca. 40 von den Palästinensern in der Kirche gelegten Sprengsätze. Den Rest besorgen die Amerikaner. Israelis und Amerikaner sammeln die zahlreichen Waffen und die Munition der Palästinenser ein. Die Journalisten dürfen die Kirche betreten. Die Mönche beginnen mit dem Hausputz, unterstützt von vielen Bethlehemiten. Die Kirche sieht aus wie eine Müllkippe, ist aber mehr oder weniger unverletzt geblieben.

Samstag 11. Mai Die Kirchenhäupter von Jerusalem und Bethlehem, Katholiken, Griechen, Lutheraner, Armenier, Szrer und viele anderen versammeln sich in die kirche, steigen in die gut erhalten gebliebene Geburtsgrotte herunten, fassen sich an den Händen und sprechen gemeinsam das Vaterunser. Jeder in seiner Sprache. So etwas hatte die ehrwürdige Kirche bisher wohl noch nicht erlebt in ihrer 1600 jährigen Geschichte, die bisher nur eifersüchtige Abgrenzungen der Herrschaftsbereiche der drei Konfessionen gesehen hat, die sich in die Verwaltung der Kirche teilen, Franziskaner, Griechen und Armenier.

Michael Krupp

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Alle Palästinenser verlassen die Geburtskirche
Nach 39 Tagen der Belagerung ist die Blockade der Geburtskirche in Bethlehem am Freitag Morgen zu einem guten Ende gekommen. Israelische Radio- und Fernsehstationen übertrugen den tropfenweisen Ausmarsch der Palästinenser aus der Kirche, jeweils begleitet von den Priestern, von denen sie sich mit Handschlag oder Küssen verabschiedeten, life. Den Anfang machte die Gruppe der 13 der zu Deportierenden, für die sich endlich doch ein Zwischenaufnahmeland, Zypern, finden ließ. Es folgte die Gruppe der 26, die nach Gaza überführt werden. Den Schluss stellte die größte Gruppe, die ca. 85 Personen, die in die Freiheit entlassen werden.

Nach einer kurzen Überprüfung der Personalien stiegen die Palästinenser getrennt nach Gruppen in die jeweiligen Busse. Alle wurden in das nahe gelegene Militärlager in Gusch Etzion zur weiteren Überprüfung gebracht. Die Gruppe der 13 fuhr dann zum Flugplatz nach Lod, wo eine britische Militärmaschine bereits auf sie wartete. Die 26 wurden nach Gaza gefahren und die 85 zurück nach Bethlehem, wo sie endlich nach Hause gehen konnten.

Die Waffen haben die Palästinenser in der Kirche zurück gelassen. Sie werden nachdem alle Palästeineser die Kirche verlassen haben, von Repräsentanten des amerikanischen Konsulats eingesammelt, eingezogen, wenn es sich um illegale Waffen handelt und mit israelischer Genehmigung an die palästinensische Verwaltung zurückgegeben, wenn es sich um legale Waffen der palästinensischen Verwaltung handelt.

Israel hat versichert, dass es sofort nach dem Auszug der Palästinenser aus der Geburtskirche die Besatzung Bethlehems aufheben wird, nachdem es sich überzeugt hat, dass sich die in der Kirche befindenden Ordensleute sicher fühlen. Damit käme die Aktion "Schutzwall" der israelischen Armee zu einem Ende.

Die Räumungsaktion hatte bereits am Donnerstag beginnen sollen, war aber unter dramatischen Umständen abgebrochen worden, wobei jede Seite die andere beschuldigte, daran schuld zu sein. Da bis dahin noch kein Land gefunden worden war, wohin die 13 zu Deportierenden hätten gehen können, sollten sie solange in der Kirche bleiben.

Die Palästinenser bezichtigten die Israelis, ihnen keinen europäischen Gewährsmann in der Kirche zu lassen, die Isralis warfen den Palästinesern vor, das Abkommen willkürlich zu ändern mit der Forderung, statt in der Kirche zu bleiben in der Zwischenzeit in ein Hotel übergesiedelt zu werden. Die zum Abtransport der übrigen Palästinenser bereit stehenden Busse fuhren wieder ab, die abgzogenen Panzer kehrten in ihre Stellungen um die Kirche zurück und der abgebaute Beobachtungskran der Israelis wurde wieder aufgebaut.

Es ist immer noch nicht klar, wohin die 13 zu Deportierenden gehen werden. Zypern hat sich nur als Zwischenstopp bereit erklärt. Die Europäische Union wird am Montag über den endgültigen Verbleib der Palästinenser beraten. Die Tendenz geht dahin, die Gruppe aufzuteilen. Neben Italien und Spanien werden die Länder Österreich, Griechenland, Luxemburg, Irland und außereuropäisch Kanada genannt. Auch über die Dauer des Exils der Palästinenser ist nichts bekannt. Die Palästinenser wollten die Zeit begrenzen, die Israelis bestehen darauf, dass die Exilanten nur mit Israels Zustimmung nach Palästina zurückkommen dürfen. Auch über Auflagen für die Exilanten ist nichts bekannt.

Wie diese Probleme auch eine Lösung zugeführt werden, die Belagerung der Geburtskirche und die Geiselnahme einer der wichtigsten Heiligen Stätten der Christenheit ist erst einmal einem glücklichen Ende gekommen ohne dass die jahrtausendalte ehrwürdige Kirche anscheinend ernsten Schaden genommen hat. Wann allerdings die Kirche nach Abzug der Palästinenser und Einsammlung der Waffen wieder zugänglich sein wird, ist zur Stunde noch nicht klar. Größer Aufräumunsarbeiten und kleinere Reparaturen dürften zuvor nötig sein.

Michael Krupp

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Israel erkennt griechisch-orthodoxen Patriarchen an
Mit einer überhalbjährigen Verspätung hat Israel den im August vorigen Jahres gewählten griechisch-orthodoxen Patriarchen Irenäus I als Patriarchen von Jerusalem in seinem Amt bestätigt. Das Patriarchat von Jerusalem erstreckt sich über Israel, Palästina und Jordanien. Nach der Kirchenregel muss der Patriarch von den betreffenden Ländern bestätigt werden. Palästina und Jordanien hatten das bereits im August getan. Israel hatte die Anerkennung bislang verweigert, weil der Patriarch als Freund Palästinachefs Jasser Arafat galt und die Israelis befürchteten, er werde größere Ländereien im Besitz der Kirche an die Palästinenser abtreten.

Die Anerkennung wird mit dem Besuch des amerikanischen Außenminister Colin Powells in Zusammenhang gebracht. Die Situation habe sich verändert, hieß es. Ein Vierergremium von Ministern hat schließlich die Anerkennung ausgesprochen. Dem Gremium gehörten der Preimierminister, Ariel Sharon, der Außenminister, Schimon Peres, der Religionsminister, Ascher Ohana, und der Justizminister, Meir Schitrit, an. Die orthodoxe Kirche ist die palästinensische Stammkirche, wird aber als einzige Kirche des Nahen Ostens noch von einem Nichtaraber geleitet. Die Kirche verfügt über ausgedehmte Ländereien im ganzen Nahen Osten, die zum Teil auf 100 Jahre verpachtet sind. So steht beispielsweise das israelische Parlament auf dem Boden der orthodoxen Kirche. Irenäus I löst den im vorigen Jahr verstorbenen Patriarchen Diodoros I im Amt ab.

Michael Krupp

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Haim Cohen gestorben
Haim Cohen, am Mittwoch, den 10.4., im Alter von 91 Jahren gestorben. Er wurde noch am selben Tag auf dem Friedhof Givat Sha'ul in Jerusalem beigesetzt. Cohen war eine glänzende Gestalt des deutschen Judentums in Israel.

Cohen wurde 1911 in Lübeck in Deutschland geboren, wanderte bereits 1930 nach Palästina aus, besuchte hier eine Talmudhochschule, kehrte anschließend nach Deutschland zurück, um Jura zu studieren. Cohen war von 1950 bis 1960, Generalstaatsanwalt, 1952/53 Justizminister und ab 1960 bis zu seiner Pensionierung Richter des Obersten Gerichts in Israel. Cohen hat sich einen Namen gemacht durch die energische Verteidigung der Einhaltung der Menschenrechte in Israel und der Durchsetzung von Bürgerrechten.

Für die christliche Theologie ist in besonderer Weise sein Buch über den Prozess Jesu wichtig, das zuerst in hebräisch erschien und später in viele Sprachen übersetzt wurde. Hier verfolgt er den Prozess Jesu nach den Evangelienberichten unter Zuhilfenahme jüdischer und römischer Rechtsquellen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass Jesus nach römischen Recht verurteilt wurde und dass sich die geschilderten Verhandlungen vor jüdischen Gremien nicht so abgespielt haben können.

Cohen hat später sogar vorgeschlagen, den Prozess Jesu vor einem neu zu bildenden Obersten Jüdischen Gericht, dem alten Sanhedrin, neu aufzurollen und Jesus nach jüdischem Recht freizusprechen.

Michael Krupp

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Pater Bargil Pixner gestorben
Der Benediktiner-Pater, Bargil Pixner, ist Anfang April im Alter von 81 Jahren verstorben und unter großer Beteiligung der Jerusalemer Ökumene auf dem Friedhof der Benediktiner auf dem Zionsberg begraben worden. Pixner stammt aus Südtirol, war bevor er 1969 nach Israel kam Missionar auf den Philippinen, später in Kirchendiensten in Italien und Amerika. In Israel war er einer der Mitgründer des Friedensdorfes Newe Shalom und der erste Bewohner in einem Bus auf dem Gelände des Latrunklosters. Pixner war einer der intensivsten Befürworter des Dialogs mit dem Judentum und später des Trialogs zwischen Judentum, Christentum und Islam.

In dem Nachruf des Abtes des Benediktinerklosters heißt es: "1972 trat er in den Benediktinerorden ein und wurde Mönch in der Dormitio-Abtei, wo er 1974 die Ewige Profeß als Benediktiner ablegte. Seit dieser Zeit leitete er biblische Exkursionen und erwarb sich einen bekannten Namen als Archäologe und guter Kenner der zeitgeschichtlichen Verhältnisse der Bibel rund um den See Genezareth. Seit 1982 war er in Tabgha tätig. Vor allem gehen auch die Entdeckungen und Ausgrabungen in Bethsaida auf ihn zurück. P. Bargil hat viele Publikationen zu seinen biblisch-zeitgeschichtlichen Thesen veröffentlicht. 1994 kehrte er auf den Berg Zion zurück. Hier war er zeitweise Prior der Abtei."

Michael Krupp

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Einheimische Christen und Polizisten auf der Via Dolorosa fast allein
Es war wieder ein trauriger Karfreitag in diesem Jahr, der Stimmung des Tages angemessen. Die Touristen waren zum zweiten Mal fast ausgeblieben. Es regnete auf die wenigen Umzüge der Gläubigen in der Via Dolorosa und auch Zuschauer gab es nur wenige. Viele Läden rechts und links von der Via Dolorosa, dem traditionellen letzen Leidensweg Jesu, hatten geschlossen, ohne Hoffnung auf Käufer. So waren das große Aufgebot der Polizisten und die einheimischen Christen fast allein.

Es drängelten sich keine Massen vor dem Eingang der Grabeskirche. Die vielen Kreuze vor dem Eingang der heiligsten Kirche der Christenheit fanden nur wenige Abnehmer. Einige Gruppen, meist Christen aus Afrika, Südamerika oder dem Fernen Osten, Menschen der Dritten Welt zumeist, die sich vor Anschlägen nicht fürchten, waren doch gekommen, so dass der Platz vor der Grabeskirche nicht ganz leer war.

In der benachbarten lutherischen Erlöserkirche, in der man noch vor zwei Jahren keinen Platz finden konnte, waren nur die ersten Reihen besetzt. Die Abendmahlsgemeinde passte bequem in einer Runde um den Altar. Unter den Sakramentsspendern war der Bischof aus München, Johannes Friedrich, der sich zu einem Solidaritätsbesuch zur Zeit in Palästina und Israel aufhält.

Der traditionelle Umzug der Katholiken - die Orthodoxen, für die Ostern das wichtigste christliche Fest ist, feiern erst in einem Monat - bewegte sich von den christlichen Pfadfindern angeführt durch die engen Gassen auf die Grabeskirche zu, einige hundert Menschen mit Gesang und Gebet. Das Kreuz trug der Beauftragte für religiöse Angelegenheiten bei der palästinensischen Regierung.

Die Kirchenhäupter hatten alle gegenseitigen Osterbesuche abgesagt und vor übermäßiger Osterfreude gewarnt. So blieb die Altstadt von Jerusalem recht leer. Vor der Grabeskirche tummelten sich keine Massen. Kleine Grüppchen von meist ausländischen Gastarbeitern standen mit Priestern ihrer Heimatländer auf dem weiten Platz. Die Schlange vor dem schmalen Eingang des traditionellen Grabes Christi in der Kirche selbst war sehr kurz, gebildet von meist philippinischen ArbeiterInnen.

Für die katholische und protestantische deutschsprachige Gemeinde hatte der erste Gottesdienst bereits um 3 Uhr früh mit der Messe in der Dormitio-Kirche begonnen. Um 5 Uhr gab es den Gottesdienst an dem für die Protestanten traditionellen "Gartengrab", wo ein evangelikaler Prediger die Gläubigen aufforderte, die Botschaft von der Auferstehung und der Freude auch Juden und Moslems zu verkündigen, "denn es ist in keinem andreren Heil ..." Um halbelf folgte der lutherische Gottesdienst in der Erlöserkirche.

Leben gab es an diesem Sonntag nur in den engen und gut bewachten Suk-Straßen der Jerusalemer Altstadt, die zum Platz vor der sogenannten Klagemauer führte, wo sich Tausende versammelten, um den traditionellen Pessach-Priestersegen zu erhalten. Wieder versuchten die fanatischen "Treuen des Tempelplatzes" die Festfreude durch ihre schon zur Gewohnheit gewordene Demonstrationen an allen großen Wallfahrtsfesten zu trüben. Aber von Festfreude kann zwischen Anschlag und Anschlag auch hier nicht geredet werden.

Michael Krupp

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Terror auch gegen Christen?
Israels Ministerpräsident Scharon hat bei seinem jüngsten Besuch in den USA viel Papier nach Washington geschleppt und seine besten "Erklärer" des palästinensischen Terrors: Colonel Miri Eisin vom militärischen Abschirmdienst und den Polizeichef Ahronischki. Während Scharon dem amerikanischen Präsidenten Bush klarmacht, dass mit Arafat keine politischen Geschäfte mehr zu machen seien, sollen die "Erklärer" in der amerikanischen Presse auftreten, um ein 100 Seiten langes Weißbuch über Arafats Vergehen und Verbrechen zu verbreiten. Der rechtsgerichtete Minister Dani Nave hatte durchgesetzt, was in der Regierungszeit von Ehud Barak schon einmal zusammengesammelt worden ist, dann aber aus politischen Gründen wieder in den Schubladen verschwand. Barak hatte verstanden, dass es schlechtes Benehmen sei, den politischen Gegner anzuschwärzen und seine Vergehen zu petzen. Baraks Weißbuch über Arafat wurde nie veröffentlicht.

Scharons Regierung ist da erheblich einfacher gestrickt. Die "Operation Schutzwall" hat dem israelischen Geheimdienst eine Unmenge Festplatten von Computern, abgeheftete Faxkopien und Originalbriefe in den Schoß geschüttet. Was die Palästinenser als willkürliche Zerstörung ihrer Büros und Behörden bezeichnen, bedeutete für die israelischen Ermittler eine ungeahnt reiche Ernte.

In einem schlecht gedruckten und billig gehefteten Buch im DIN A4 Format mit etwa 100 Seiten hat Dani Nave für seinen Chef Scharon eine beeindruckende Argumentationshilfe zusammengestellt.

Manche Dokumente mit Arafats Unterschrift, darunter Anträge für die Finanzierung von Terroranschlägen gegen Israelis, sind unlängst veröffentlicht worden und von einschlägigen Geheimdiensten wie BND und CIA für "echt" befunden worden. Neu ist jedoch die umfassende Beweisführung zu einem Netz palästinensischen Terrors mit Arafat an der Spitze. Per Fax wurden da an Arafat Anträge zur Finanzierung von Waffeneinkäufen, zur Unterstützung von "ehrenwerten Kämpfern" und der Einrichtung einer Raketenfabrik geschickt. Aus Arafats Hauptquartier stammen nach israelischen Angaben auch Originaldokumente mit handschriftlichen Anmerkungen Arafats.

Offenbar sitzt allein Arafat auf dem Geld und so musste er die Zuwendungen an Kämpfer unterzeichnen, die Anschläge gegen Israel planten. Selbst nichtige Dinge wie die Bezahlung der Plakatkleber, die von der Autonomiebehörde gedruckte Märtyrer-Plakate an Wände klebten, liefen über Arafats Schreibtisch.

In Computerdateien entdeckte Listen von Waffen, die angeblich an Kämpfer in verschiedenen Städten verteilt worden sind, können erfahrene Militärs kaum beeindrucken. Der israelische Autor des Reports sieht in den Mengen und Gattungen eher die poltische Dimension. Nachweislich habe die palästinensische Autonomiebehörde "internationale Verträge" gebrochen. Ausdrücklich ist ihr verboten, Panzerfäuste oder Raketen zu besitzen. Nachgewiesen werde auch Arafats zynische Haltung gegenüber seinen westlichen Gesprächspartnern. gegen die "Terroristen" vorzugehen, während er tatsächlich die Extremisten mit Hilfe seiner Sicherheitsdienste ausrüstete.

Ein besonderes Gewicht legte der Autor auf die Befehlswege von Arafat über bekannte Politiker wie Marwan Bargutti oder Sicherheitschef Tawfik Tirawi zu den einschlägigen "Kämpfern", die wegen Selbstmordattentaten und Bomben bestens bekannt sind. Anhand von Dokumenten wird auch die Identität der "El Aksa Brigaden" mit der Fatachpartei Arafats nachgewiesen. Die "El Aksa Märtyrerbrigaden" hatte in den Monaten vor dem israelischen Einmarsch eine immer intensivere Aktivität entwickelt, teilweise in enger Zusammenarbeit mit der von Saudi Arabien geförderten Hamas-Bewegung und der von Syrien finanzierten "Islamischen Dschihad" Organisation.

Dani Nave befasste sich auch mit der Korruption in der palästinensischen Autonomiebehörde, so etwa einer 1,5 Millionen Dollar teuren Villa für Abu Mahsen in Jericho und sehr üppigen Stipendiumssummen für die Söhne Nahestehender für das Studium im Ausland. Armen Palästinensern seien nach der Zerstörung ihrer Nissenhütte nicht einmal ein paar hundert Dollar für den Wiederaufbau ihres Hauses ausgezahlt worden.

Die Autonomie sei in kriminelle Aktivitäten verwickelt, indem sie den Klau israelischer Autos als legitime Einnahmequelle betrachtete. Ohne Details zu nennen, ist in dem Report die Rede von der Veruntreuung europäischer Hilfsgelder sowie einer aktiven finanziellen Unterstützung des palästinensischen Terrors durch Saudiarabien, Syrien und die beiden Teilhaber der amerikansichen "Achse des Bösen", Iran und Irak.

In einem separaten Kapitel werden die Misshandlungen an Christen aus der Gegend von Bethlehem aufgezählt. Atef Abayat, ein von den Israelis "liquidierter Erzterrorist", habe an seinen Fingern lauter Goldringe getragen, die von einem bekannten christlichen Schmuckhändler aus Bethlehem zuvor gestohlen worden waren. Den Christen und sogar den Kirchen seien mit gefälschten Dokumenten und mit Hilfe von korrupten Richtern Grundstücke gestohlen worden. Eine originelle Einnahmequelle sei die Verhaftung von angesehenden Christen. Ihnen sei die "Kollaboration mit dem israelischen Feind" vorgeworfen worden. Nach der Entrichtung ansehnlicher Summen, zwischen 5000 und 100.000 Dollar konnten die sich eine "Aktenschließung" und ihre Freiheit erkaufen. Doch manche Kollaborateure hatten keine Chance. Anhand von einschlägigen Namenslisten entdeckten die Israelis, dass die öffentliche Ermordung von Kollaborateuren nicht nur Lynchjustiz einer spontanen Volkswut war. Die Todeslisten wurden offenbar von höchster Stelle abgesegnet.

Die Absicht hinter der Veröffentlichung dieses Reports entspricht dem Wunsch des israelischen Premiers, Arafat endlich auszuschalten und nachzuweisen, dass er unter Missachtung aller Menschenrechte internationale Verträge gebrochen habe. Nachdem die Amerikaner die "El Aksa Brigaden" auf ihre Terrorliste gesetzt haben, erwarten die Israelis, dass nun auch die Fatachpartei Arafats in die Liste aufgenommen werde. Der Report decke die Identität beider Organisationen auf und entlarve Arafat als Urheber der Terrorakte der Brigaden. Zwar hat die amerikanische Sicherheitsberaterin Condoleesa Rice behauptet, dass mit Arafat kein Frieden und kein Staat zu machen sei, aber Außenminister Powell hält immer noch an der Formel fest, dass Arafat der gewählte Präsident der Palästinenser sei.

Ulrich W. Sahm

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