Christliche Fundamentalisten - Israels beste Freunde?

von Georg Vrbovan

Pastor Dr. James M. Hutchens liebt Israel, wird leidenschaftlich wenn es um Jerusalem geht und gilt als Superfalke. Er organisiert seine Gemeinde und die vieler anderer evangelistischer (fundamentalistischer) Kirchen zu bedingungsloser Unterstützung Israels. Für ihn gibt es keine Westbank, lediglich Judäa und Samaria. In Sachen Nahostfrieden steht er deutlich rechts von Benjamin Netanyahu. In der Bibel stehe nichts von einem Austausch von "Gebieten gegen Frieden", sagt Dr. Hutchens. Und seine Ansicht teilt eine stets wachsende Zahl von Zionistischen Christen, eine politische Bewegung in Amerika, deren Einfluss in den letzten Jahren in die Höhe schnellte.

Die Zionistischen Christen, zu denen auch Dr. Hutchens "Christian for Israel/USA" gehört, sind durchwegs Republikaner. Doch ihre Treue gilt nicht der Partei, nicht irgendeiner Politik, sondern der biblischen Version vom "Ende der Tage". Und das neutestamentliche Szenario ist klar: Am Ende der Tage wird es einen vernichtenden Krieg geben, verbunden mit ungeheurem Leiden für die Juden und ihren Staat - bedauerlich zwar, aber nur so etwas wie Kollateralschaden des "Zweiten Kommens", oder der Wiederkehr Jesus', des christlichen Messias.

Solange Israel sich in einem Krieg befindet, bedrängt von der arabischen und islamischen Welt, so gut wie verraten durch einstige an Öl und Profite interessierten Freunde in Europa, sind die Juden Amerikas gerne bereit die Motive der bedingungslosen politischen wie materiellen Hilfe der christlichen Freunde zu ignorieren. "Motive sind unwichtig, solange sie ihre Unterstützung nicht von unserer Akzeptanz dieser Motive abhängig machen", meint Abraham Foxman, Direktor der Anti-Defamation League. Er akzeptiert die These Menachem Begins, der einst über diese Motive gesagt hatte: "Wenn die Zeit kommt, werde ich mir darüber Sorgen machen." Die ADL erregte Aufsehen, als sie unlängst eine proisraelische Erklärung des einstigen Führers und prominenten Sprechers der Christlichen Rechten, Ralph Reed, in Form einer Anzeige in der US-Presse veröffentlichte.

Nicht die gesamte jüdische Öffentlichkeit ist bereit mit den Motiven der Christlichen Zionisten so nonchalant umzugehen - insbesondere in Anbetracht des beträchtlichen politischen Einflusses, den diese zur Zeit auf Amerikas politischer Bühne und somit auch auf Amerikas Nahostpolitik ausüben. Die Frage drängt sich auf, ob dieser Einfluss nicht reichen könnte Friedensbemühungen in der Region zu unterminieren, wenn diese die neutestamentliche Vision gefährden würde. John Green, ein Politwissenschaftler der University of Akron und Experte in Sachen der christlichen Rechten, gibt sich besorgt: "Wenn es zu einer Friedensregelung kommen sollte, die Konzessionen von Israel erfordert, wären Israels Freunde unter den christlichen Fundamentalisten nicht nur desinteressiert, sie könnten sogar jede Bewegung in diese Richtung sabotieren."

Sogar eindeutig liberale jüdische Führer, wie Rabbi Eric Yoffie, Präsident der Reformgemeinden Amerikas, bezeichnen sich "genügend realistisch, in einer Zeit, in der Israel isoliert ist, über wenige Freunde und nur einen großen Alliierten verfügt, jede Unterstützung, egal von wem sie kommt, zu akzeptieren. Israel darf keine ausgestreckte Hand zurückweisen". Zugleich will Rabbi Yoffic aber auch die Aussicht auf eine nahöstliche Friedensregelung lebendig erhalten. Er fürchtet natürlich, dass der wachsende Einfluss der Christlichen Zionisten einerseits Versuche der amerikanischen Regierung bremsen könnte, Israel und seinen Nachbarn zum Verhandlungstisch zu drängen, andererseits israelische Ultra-Nationalisten ermuntert, die ihren Traum von einem Groß-Israel noch nicht aufgegeben haben.

Pastor Hutchens, der Führer der Christlichen Zionisten, glaubt an die Möglichkeit eines Friedens nur, "wenn all jene, die Israel und dessen Anspruch auf das Land feindlich gesinnt sind, entfernt werden". Die Bibel sei klar darüber: "Als Moses die Israeliten aus Ägypten führte, wurden sie von Gott angewiesen, alle andere Völker aus dem Gelobten Lande zu entfernen."

Für Hutchens gibt es lediglich die Möglichkeit mit diplomatischen und militärischen Mitteln die Entwicklung zu bremsen, doch einen Frieden werde es nicht geben "bis der Messias kommt". Seine Vision sieht vor, dass Israel am Ende aller Tage überleben wird.

Viele Juden werden zwar sterben, doch die Überlebenden "werden ihren Erlöser erkennen", der Hutchens zufolge "identisch mit dem unsrigen sein wird".

Der Präsident des American Jewish Congress, Jack Rosen, ein Widersacher der christlichen Rechten in verschiedenen innenpolitischen Streitpunkten, lehnt die prophetische Theologie der Christlichen Zionisten eindeutig ab. "Meiner Ansicht nach unterstützten Amerikas Konservative Israel wegen der moralischen Nähe, wie auch wegen ihrer eigenen Probleme mit islamischem Extremismus, der das Christentum genauso wie das Judentum heraus fordert. Es geht bei der Freundschaft mit Israel um weit mehr als nur Theologie."

Der Einfluss der Christlichen Zionisten ist segensreich zu einem Zeitpunkt, zu dem einige, vom National Council of Churches vertretene, protestantische Kirchen aus Rücksicht auf die noch bestehenden christlichen Gläubige und Klerus im Nahen Osten, propalästinensische Ansichten vertreten. Aber auf lange Sicht ist die Nähe zu den christlichen Fundamentalisten mit Gefahren verbunden. Er könnte die Proselytisierungsbemühungen dieser Kirchen fördern und ihr innenpolitischer Einfluss könnte Amerika in ein Land umgestalten, in dem sich Juden nicht unbedingt wohl fühlen würden. Darüber hinaus ist es ein Grundprinzip amerikanisch-jüdischer Politik, dass Israel unabhängig von Links und Rechts bleiben, kein Spielzeug der Parteien werden darf. In Amerika schwingt das politische Pendel von Zeit zu Zeit um und Israel müsse sich wie bisher stets auf beide Parteien, die Republikaner wie die Demokraten, verlassen können.

Illustrierte Neue Welt, Wien, Juni/Juli 2002

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