Offener Brief an Paul Spiegel

Reformierter Bund solidarisiert sich

Die vom 13. bis zum 15. Juni 2002 in Nürnberg tagende Hauptversammlung des Reformierten Bundes beschloss am vergangenen Samstag einen "Offenen Brief an Paul Spiegel". Die mehr als 200 Evangelisch-reformierten bekunden darin ihre Solidarität mit den in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden. Nach Ansicht der Hauptversammlung können sie "nicht Adressaten etwaiger Israelkritik sein, und sie sind unbedingt und uneingeschränkt vor Anfeindung und gewaltsamen Übergriffen zu schützen." Und in der "Auseinandersetzung mit dem FDP-Politiker Jürgen Möllemann" stellt sie sich "ausdrücklich auf die Seite des Zentralrates". Es sei ein ungeheuerlicher Vorgang, "dass Jürgen Möllemann versucht, Juden - namentlich Ariel Scharon und Michel Friedman - die Schuld an antisemitischen Ressentiments zuzuweisen". Die Teilnehmenden an der Hauptversammlung des Reformierten Bundes verpflichten sich, "nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten das zu tun, was in unseren Möglichkeiten liegt, um Jüdinnen und Juden ein Leben ohne Angst vor Anfeindungen und Gewalttaten in Deutschland zu ermöglichen."

Schon in seinem Bericht hatte der Moderator (Vorsitzende) des Reformierten Bundes, D. Peter Bukowski (Wuppertal), sich "zur ausweglos erscheinenden Lage in Israel und Palästina" geäußert. Politisch sei im Grunde alles gesagt: "Einen gerechten Frieden kann es nur geben, wenn beides zugleich gewährleistet ist: das Lebensrecht Israels auf der einen Seite und ein eigener palästinensischer Staat auf der anderen Seite." Angesichts der Situation, dass diese Option in weite Ferne gerückt zu sein scheint, "weil die Konfliktparteien in einer sich immer unerbittlicher schließenden Eskalationsfalle stecken", verbiete sich jede Parteinahme, "die das Recht der anderen Seite ausblendet." Im Hinblick auf eine seiner Meinung nach durchaus legitime Kritik an der Politik des Staates Israel fragte Bukowski an, "ob im Wahrnehmen der israelischen Fehler nicht eine klammheimliche Erleichterung hochsteigt, weil die, an denen unser Volk so großes Unrecht begangen hat, nun ihrerseits für ihr ungerechtes Tun angeklagt werden können. Wie, wenn nicht mit solchen Abgründigkeiten, wären sprachliche Entgleisungen zu verstehen, die Israels Kriegshandlungen in die Nähe von Naziverbrechen rücken."

Gerade im Zusammenhang der Vorgänge um den FDP-Politiker Jürgen Möllemann und im Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse in Europa - so der Vorsitzende des Reformierten Bundes - seien wir zu "erhöhter Wachsamkeit" aufgerufen. "Wir müssen den sich andeutenden Klimawechsel beobachten, dürfen uns keinesfalls an ihn gewöhnen und müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um jedem Antisemitismus zu wehren."

Der Offene Brief an Paul Spiegel, den Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, hat den folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Spiegel,

wir, die Mitglieder des Reformierten Bundes, die vom 13. bis zum 15. Juni in Nürnberg zu ihrer Hauptversammlung zusammen gekommen sind, solidarisieren uns angesichts der jüngsten antisemitischen Untaten und Debatten mit Ihnen und allen Jüdinnen und Juden in Deutschland.

1. Im Gefolge des eskalierenden Konfliktes zwischen Israel und Palästinensern ist es gerade in Deutschland wiederholt zu Gewalttaten gegen Jüdinnen und Juden gekommen. Man kann über den Konflikt und auch über die Politik der israelischen Regierung unterschiedlicher Meinung sein. Doch sind in Deutschland lebende Jüdinnen und Juden in keiner Weise mit dem, was die israelische Regierung tut, in Verbindung zu bringen. Sie können nicht Adressaten etwaiger Israelkritik sein, und sie sind unbedingt und uneingeschränkt vor Anfeindung und gewaltsamen Übergriffen zu schützen.

2. Wir stellen uns in der Auseinandersetzung mit dem FDP-Politiker Jürgen Möllemann ausdrücklich auf die Seite des Zentralrates. Dass Jürgen Möllemann versucht, Juden - namentlich Ariel Scharon und Michel Friedman - die Schuld an antisemitischen Ressentiments zuzuweisen, ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Seine gewundenen Erklärungen sind in keiner Weise geeignet, die Dinge ins Reine zu bringen.

Nehmen Sie dieses Schreiben bitte als unsere Verpflichtung, nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten das zu tun, was in unseren Möglichkeiten liegt, um Jüdinnen und Juden ein Leben ohne Angst vor Anfeindungen und Gewalttaten in Deutschland zu ermöglichen.

Mit freundlichen Grüßen
i.A. D. Peter Bukowski, Moderator des Reformierten Bundes"

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