Israels Panzer rollen ...

...und Arafat, von Bush bedrängt, will plötzlich Camp David akzeptieren

von Josef Joffe

Amerikanische Präsidenten reden, israelische Panzer rollen. Und der nächste Terrorbomber kommt bestimmt. The realities on the ground, wie es auf Englisch heißt, sind noch immer mächtiger als das Wort in dem schmalen Streifen zwischen Jordan und Mittelmeer, der in dieser Generation keinen echten Frieden kennen wird.

George Bush setzt keine Hoffungen mehr in Jassir Arafat. Von den Palästinensern wünscht er sich "neue Führer, die nicht durch Terror kompromittiert worden sind". Er will "mehr als kosmetische Veränderungen", ein "Parlament mit Autorität", "faire Wahlen bis Jahresende". Er wünscht sich eine "Führung, die den Terrorismus nicht anheizt, sondern bekämpft". Dafür sollen sich die Israelis aus den Autonomiegebieten zurückziehen, eingefrorene palästinensische Guthaben freigeben und "alle Siedlungsaktivitäten stoppen". Nach drei Jahren: einen Palästinenserstaat.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Inzwischen hat die israelische Armee im Kampf gegen den Terror alle Westufer-Städte bis auf Jericho besetzt oder umzingelt, die Ausgangssperre über eine halbe Million Palästinenser verhängt. Die hoffnungsträchtige Devise "Land für Frieden" ist umgedreht worden: Je weniger Frieden, desto weniger Land. Sollte sich die israelische Armee auf Dauer in den Autonomiestädten einrichten, würde die Uhr auf das Jahr 1994 zurückgestellt werden, vor jenen Handschlag, mit dem Premier Rabin und PLO-Chef Arafat den "Oslo-Prozess" besiegelten, der zum Palästinenserstaat führen sollte.

Rabin starb unter den Kugeln eines israelischen Mörders, Arafat ist und bleibt das Stehaufmännchen der nahöstlichen Politik. Hätte er, dessen Karriere im Terror erblühte, doch nur den Weg zum Staatsmann beschritten! Dann hätte er nach 18 Monaten Gewalt und fast 2000 Toten am Samstag nicht sagen müssen: "No more war!"

Wie die linke israelische Tageszeitung Ha'aretz berichtet, habe er gegenüber deren Reporter in seinem zerbombten Hauptquartier in Ramallah das Zauberwort ausgesprochen: "Ich bin bereit, (Camp David und Taba) zu akzeptieren. Absolut!" Arafat hatte Camp David ohne Gegenvorschläge zu Baraks "95-Prozent-Lösung" verlassen, auch auf die weitergehenden Konzessionen in Taba kurz vor Ende der Clinton-Präsidentschaft nicht reagiert. Jetzt sagt er: "Genug ist genug." CNN berichtet, dass das "Ja" von Arafat in einem zweiseitigen Memorandum an US-Außenminister Colin Powell übermittelt worden sei.

Auf bittere, blutige Weise wird das geflügelte Wort des einstigen israelischen Außenministers Abba Eban bestätigt: "Noch nie haben die Palästinenser die Chance verpasst, eine Chance zu verpassen." Inzwischen haben das auch prominente Palästinenser wie Sari Nusseibeh und Hanan Aschrawi sowie 53 Intellektuelle erkannt: Der Terror - sie nennen es "militärische Operationen gegen Zivilisten" - habe "Wut und Hass", "Zerstörung und Verderben über alle Söhne dieser Region" gebracht. Wenn Arafat meint, was er sagt (und was Ha'aretz berichtet), wenn die palästinensische Zivilgesellschaft sich nicht von Hamas und Dschihad einschüchtern lässt, muss Ariel Scharon den nächsten Schritt tun - sofort. Sonst verspielt auch er eine Chance. Nur: Der nächste Terroranschlag kommt bestimmt. So war das immer, wenn sich ein Zipfel der Verständigung zeigte.

DIE ZEIT, 27.6.2002

zur Titelseite

zum Seitenanfang


Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau
Pfr. U.Schwemer, Theodor-Storm Str.10, 64646 Heppenheim;
Tel: 06252-71270 / Fax: 06252-72606