Die meisten jüdischen Siedler wären zum Abzug bereit

von Inge Günther

Eine repräsentative Untersuchung der Tel Aviver Universität, die die israelische Friedensbewegung Schalom Achschaf (Peace Now) in Auftrag gegeben hat, kommt zu dem Schluss: 68 Prozent der Siedler würden es akzeptieren, wenn die Regierung sich für eine Räumung der Gebiete entschiede. Als bevorzugte Lösung nannten 59 Prozent der Befragten eine "angemessene finanzielle Kompensation", um sich eine neue Bleibe innerhalb Israels suchen zu können. Ein gutes Viertel der Siedler (26 Prozent) würde zwar mit legalen Mitteln die Aufforderung zum Abzug anfechten. Aber nur eine kleine radikale Minderheit von zwei Prozent zeigt sich entschlossen, auch unter Einsatz von Gewalt sich zu widersetzen.

"Das Haupthindernis auf einem Weg zum Frieden sind nicht die Siedler", sagte Peace-Now-Sprecher Didi Remez in Jerusalem. "Es ist die Regierung." Dies legen auch andere Ergebnisse der Umfrage nahe, der Daten aus rund 4000 Telefoninterviews zu Grunde liegen. Die Frage, ob sie ein Friedensabkommen mit den Palästinensern für notwendig oder wünschenswert hielten, beantworteten 55 Prozent der Siedler mit Ja; in der Vergleichsgruppe im israelischen Kernland sogar zu 69 Prozent. Nicht aus ideologischen Motiven wie etwa nationalreligiösen Gründen sind die Meisten in Israels Kolonien im Westjordanland und im Gazastreifen gezogen. 77 Prozent gaben an, dass sie wegen der Lebensqualität in freier Natur, der Familie oder der Gemeinschaft halber sich dort angesiedelt hätten.

Weiter fanden die Forscher heraus, dass eine Reihe der Siedler vor allem im Süden Gazas, aber auch im Jordanland bereits aus eigener Initiative weggezogen ist. Ihren alten Wohnsitz behielten sie aber auf dem Papier bei, offenbar in der Hoffnung, irgendwann finanziell entschädigt zu werden. Die genaue Gesamtzahl aller Siedler lasse sich daher nicht genau ausmachen. Bisherige Schätzungen gingen von etwa 200 000 in der Westbank (ohne Ost-Jerusalem) sowie 4000 bis 7000 in Gaza aus. "Die Absurdität der Lage besteht darin", konstatierte der Politologe Dan Jacobson von der Universität Tel Aviv, "dass der Siedlungsausbau wächst, während die Bewohner weniger werden." Peace Now will jetzt eine Kampagne starten, damit Siedler, die freiwillig gehen wollen, finanzielle Beihilfen der Regierung erhalten.

Frankfurter Rundschau, 25.7.2002

zur Titelseite

zum Seitenanfang


Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau
Pfr. U.Schwemer, Theodor-Storm Str.10, 64646 Heppenheim;
Tel: 06252-71270 / Fax: 06252-72606