Sommeruniversität Beer Sheva 2002

von Julia Männchen

Die Sommeruniversität in Beer Sheva gibt es seit 1998. Sie wurde ins Leben gerufen von dem Literaturwissenschaftler Mark H.Gelber, der aus den USA kommt und in Beer Sheva lehrt. Er spricht fließend Deutsch, und das ist ein wichtiges Kennzeichen der Sommerkurse. Man hat in Beer Sheva bewußt Deutsch als Wissenschaftssprache wieder eingeführt, da man sich besonders mit deutsch-jüdischer Kultur beschäftigt. Themen wie "Jugendstil, Neoromantik und Kulturzionismus in Wien und Berlin um 1900", "Die frühzionistische Presse vor Herzl" oder "Deutsch-jüdische Erfahrungen im Film" basieren nun einmal auf Quellen in deutscher Sprache. Man wird allerdings hellhörig, wenn nicht nur in diesen Veranstaltungen die Vortragenden akzentfreies Deutsch sprechen, und je nach Alter der oder des Betreffenden ahnt man die Geschichte, die dahintersteht. Neben dem deutschsprachigen Programm läuft eins in Englisch, und in beiden gab es jeweils etwa 34 Teilnehmer (im vergangenen Jahr waren es insgesamt 170).

Das Programm erstreckt sich über sechs Wochen und besteht aus drei Teilen. An fünf Tagen der Woche ist vormittags Sprachunterricht ( 9 Uhr bis 12.30 Uhr ), je nach Bedarf in verschiedenen Stufen (Anfänger bis Fortgeschrittene - Alef bis Waw ). Hier sind deutsch- und englischsprachige Studierende zusammen, und in diesem Jahr waren aufgrund der geringen Teilnehmerzahl die Klassen sehr klein - ideal zum Lernen.

Nachmittags gibt es ein bis zwei Vorlesungen aus den verschiedensten Gebieten. Einige Themen sind schon genannt. Andere waren: Geschichte und Kultur der Nabatäer, der Tempel in der Archäologie des alten Israel, die israelitische Landnahme, die Phönizier, die Philister, Archäologie und hebräische Bibel, die Schriftfunde vom Toten Meer. Da die Sommeruniversität in die Zeit der Hohen Feiertage fiel, gab es mehrere Vorträge zum jüdischen Gebet und Jom Kippur, aber auch zu allgemeineren Themen wie " Einheit und Vielfalt im jüdischen theologischen Denken" und "Jerusalem und Athen im Denken von Emanuel Levinas". Gleich zu Beginn hatte Mark Gelber uns auf die liberale Eschel-Avraham-Synagoge hingewiesen, in der dann einige vons mehrmals zum Gottesdienst waren. Man weiß dort über die Someruniversität Bescheid und begrüßt im Gottesdienst ausdrücklich die Studenten aus Deutschland, und anschließend beim Kiddusch wurden wir auch einzeln angesprochen.

Gastreferentin war in diesem Jahr Ruth Klüger (Autorin von "Weiter leben"), die aus der englischen Fassung ihres Buches las und außerdem über Heinrich Heine und "Salomon H.Mosenthal, einen vergessenenen Chronisten jüdischen Familienlebens im 19.Jahrhundert" sprach. Daneben gab es Vorträge über Möglichkeiten einer Konfliktlösung im Nahen Osten aus israelischer Perspektive, Nachwirkungen der Shoa in der zweiten und dritten Generation in Deutschland und Israel, die beduinische Lebensweise im Negev, Sprache und Kultur im Nahen Osten.

Jeweils freitags fanden Exkursionen per Bus statt: nach Massade, Shivta, Mizpe Ramon, Lachisch, Ashkelon, Sde Boker und Ein Avdat.

Der Kreis der Deutschen zerfiel in zwei Gruppen, wobei die neuen Bundesländer stark vertreten waren. Die größere bestand aus Studierenden verschiedenster Fachrichtungen: Theologie, Judaistik/Jüdische Studien, Geschichte, Anglistik, Wirtschaftsmathematik. Daneben gab es die Gruppe derer zwischen 35 und 65, die aus ganz unterschiedlichen Berufen kamen: immerhin waren 4 JournalistInnen dabei und eine pensionierte Lehrerin, einer war als Pressesprecher und für caritative Organisationen auf dem Balkan und in Afghanistan gewesen und wird im Dezember für weitere sechs Monate in den Kosovo gehen, ein anderer hatte bei der Post gearbeitet und erforscht das Leben der Mauersegler.

Auch wenn man nicht zum ersten Mal in Israel war, fielen einem die zahlreichen bewaffneten Sicherheitsbeamten auf - deutlich mehr als im Vorjahr. Taschenkontrollen an jedem Supermarkt, am Eingang zur Uni und zum Schwimmbad außerdem Ausweiskontrolle. Die Universität hat einen eigenen Sicherheitsdienst, der uns auch auf allen Busfahrten begleitete. Die Studentinnen und Studenten im weißen T-Shirt mit dem Logo der Ben Gurion Uni und dem Gewehr über der Schulter waren an den Eingängen und auf dem Gelände rund um die Uhr präsent.

Von manchen Dozenten wurden wir nahezu gelobt für unseren "Mut", in dieser Zeit nach Israel zu kommen (manche hatten schon damit gerechnet, daß ihre Veranstaltungen ausfallen würden), und gleich am zweiten Tag war die Presse da um einige Teilnehmer zu interviewen. Ich fand das alles eher peinlich. In einer besonderen Veranstaltung hatte uns die Uni über Sicherheitsbestimmungen und Verhalten "im Enstfall" instruiert. Ich hatte während der ganzen sechs Wochen nie den Eindruck, daß die Atmosphäre angespannt war. Tatsächlich war das eine relativ ruhige Zeit, erst am 19.9., dem Tag unserer Abreise, gab es wieder ein Selbstmordattentat in Tel Aviv.

Einige von uns waren zum ersten Mal in Israel und wollten nicht abreisen ohne Jerusalem gesehen zu haben. So sind wir privat über Jom Kippur mit einem Sammeltaxi dorthin gefahren. Herr Dr.Bloedhorn vom Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes hat uns durch die Altstadt und die Grabeskirche geführt - dort waren wir fast allein. Unterwegs teilte er einem Händler fast triumphierend mit, er käme mit z e h n Touristen.

Im Sprachunterricht meiner Klasse wurde morgens zunächst über die neuesten Nachrichten diskutiert. Vom Hochwasser in Prag haben wir zuerst auf Hebräisch erfahren. Die Lehrerin benannte dann jeweils zehn Vokabeln aus der Diskussion, mit denen wir bis zum nächsten Tag Sätze bilden sollten - zweifellos eine gute Übung. Aber manchmal hatte ich doch Schwierigkeiten mit Worten wie "Propaganda", "unterstützen", "bestrafen", "zerstören/abreißen", die aus Texten über die Festnahme von Attentätern oder die Zerstörung von Häusern im Gazastreifen stammten - was für Sätze bildet man da??

Am 18.9. war Abschlußprüfung und Abschlußparty am Abrahamsbrunnen. Einige planten schon, im nächsten Jahr wiederzukommen. Die Kosten mit Unterbringung im Studentenwohnheim und allen Ausflügen betragen 1300.-EURO. Kontaktadresse in Deutschland: Grit Jilek e-mail: grosse.reise@gmx.de. Tel.: 0341 - 4248657.

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Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau
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