Ein Leben für das Wohl von Kindern.

Ein Leben für Versöhnung und Lebensfreude
Gedanken zum Tode von Hanni Ullmann

von Otto Schenk

31.Oktober 2002 in Israel. Mit starken Gewittern fiel der erste ersehnte Regen. Fluten in Beer Schewa. In Jerusalem versammelten sich Christen in der deutschen Erlöserkirche um das Reformationsfest zu feiern. Die Regierung in Israel stürzte. In der Neueinwandererstadt Kiriat Gat, im Süden Israels, versammelten sich in einem ganz neuen Sportzentrum viele, viele Menschen aus dem ganzen Land. Es kam eine große Zahl von Kinder und ganz alte Menschen, Beduinen in ihren Trachten und junge Israelis in Uniformen. Mehr als 400 füllten am frühen Abend den stattlichen Theatersaal. Auch einige Freunde aus Deutschland waren gekommen. Eine alte Frau schaut von einem großen Bild ernst und aufmerksam auf die Versammlung. Ihretwegen waren alle gekommen. Es galt Abschied zu nehmen von Hanni Ullmann.

Es gibt wenige Menschen, deren Leben bis ins hohe Alter von Idealismus, Kampfgeist, dem Willen nach Gerechtigkeit, nach Verständigung und von sozialer Verantwortung geprägt ist. Hanni Ullmann war so ein Mensch. Ende September 2002 ist sie im Alter von 94 Jahren in Kfar Saba in Israel gestorben. Für sie standen immer die Kinder im Mittelpunkt. Kinder, die nicht wie sie in der Geborgenheit eines liebevollen Elternhauses aufwachsen konnten. Sondern Kinder, denen es an elterlicher Zuneigung und Aufmerksamkeit fehlt, denen früh tiefe Wunden zugefügt wurden. Sie setzten bei Hanni Ullmann eine unerschöpfliche Energie frei, die durch nichts zu erschüttern war.

Ebenso eng wie mit jüdischen Kindern war ihr Leben verbunden mit allen Facetten der Geschichte Deutschlands und Israels. 1908 in Posen geboren und dann in Berlin aufgewachsen, war sie begeistert von der Idee eines sozialen und gerechten Staates, geprägt von Toleranz und Verantwortung für den Nächsten. Die Hoffnung, dass Israel ein solcher Staat werden wird, ließ sie 1929 ins damalige Palästina auswandern. In Berlin hatte sie sich im Kinder- und Waisenhaus AHAVAH ( Liebe ) in der Auguststraße ausbilden lassen. Kaum hatte sie in ihrer neuen Heimat Fuß gefasst, kamen 1934 die ersten jüdischen Kinder aus Berlin dort an. Es sollten noch viele kommen, die das Dritte Reich auf grausame Weise von ihren jüdischen Familien getrennt und denen es schwere Schäden zugefügt hatte.

Diesen Kindern wollte Hanni Ullmann in Palästina ein neues Zuhause geben. Dafür kämpfte sie und fand Unterstützung bei vielen Menschen. Vor allem half ihr ein großer Kreis von jüdischen Frauen, die auch aus Deutschland eingewandert waren. Sie blieben immer das Rückgrat der vorbildlichen Erziehungsarbeit. Aber auch Denker wie Ernst Simon, Martin Buber oder Schalom ben Chorin standen ihr zur Seite. Sie alle hatte die Vision von einem gerechten neuen Staat Israel, der für alle Juden Heimat sein sollte.

Hanni Ullmann träumte von einem konservativen, offenen Judentum in dem Religion und Glaube eine wichtige Rolle spielen sollte. Sie träumte nicht nur davon, sondern lebte dafür und setzte sich in den Heimen auch nachdrücklich für dieses lebendige Judentum ein.

1963 lernte ich Hanni Ullmann kennen. Zum ersten mal durften 3 junge deutsche Freiwillige der AKTION SÜHNEZEICHEN in dem Kinderheim AHAVAH in Kiriat Bialik , einem Vorort der Hafenstadt Haifa, arbeiten. Eine der Volontärinnen wurde später meine Frau. Es folgten noch zahlreiche Freiwillige der Aktion Sühnezeichen, die in der "AHAVAH" wirkten.

Hanni ging mit voller Kraft und mit viel Durchsetzungsenergie das schwierige Kapitel der Zusammenarbeit mit Deutschen und Deutschland an. Der Ort Kiriat Bialik wirkte wie ein deutsches Wohngebiet. Gepflegte Häuser, schöne Vorgärten und viel Sauberkeit. Es lebten dort hauptsächlich deutsche Juden und so konnte man sich mit der deutschen Sprache noch gut verständigen. Bei Hanna Kaphan, einer alten Lehrerin, lernten die Sühnezeichenmädchen die ersten Grundkenntnisse in der hebräischen Sprache. Für die munteren "Goldkinder" ,wie die große Schar der Heimkinder seufzend und liebevoll genannt wurde, waren die hebräischen Wortgebilde der deutschen Freiwilligen oft Quellen für Heiterkeit. Hanni Ullmann war eine strenge Chefin. Es musste gearbeitet werden und zwar schwer und viel und lang. was sie sich selber abverlangte, das galt auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Für Hanni Ullmann gab es bis ins hohe Alter keinen geregelten Arbeitstag. Sie begann ganz früh und endete sehr spät. Aber diese kleine, schlanke, sich immer schnell und eilig bewegende, stets sehr geschmackvoll gekleidete energische Frau konnte durchaus auch leben und genießen. Sie feierte gerne, sie aß gerne und sie reiste ihr Leben lang voller Interesse und nie erlahmender Neugier durch die Welt. Hanni Ullmann pflegte treu viele Kontakte und Freundschaften und sie hatte eine wunderbare Begabung beim Umgang mit jungen Menschen. So sind auch unzählige Freiwillige, die im Laufe der Jahre bei ihr arbeiteten, tief und nachhaltig von ihr beeindruckt worden.

Als sie in Pension ging gründete sie ein neues Kinderheim. Die "Oase der Hanna" so heißt auf deutsch das Erziehungszentrum "Neve Hanna" in Kiriat Gat, am Rande der Negevwüste. Seit 1974 wird dort in vorbildlicher Weise auf familienähnlicher Basis jüdischen Kindern ein Zuhause gegeben.

Hanni Ullmann litt sehr unter den gespannten Verhältnissen in Israel und bedauerte heftig die Auseinandersetzungen mit den Arabern. Aber typisch für sie : Nur klagen hilft nichts! So setzte sie schon vor 12 Jahren ein Begegnungsprogramm mit Beduinen aus der Stadt Rahat im Negev Israels und den Kindern von Neve Hanna ins Werk. Alle 14 Tage kommen Kinder aus Kiriat Gat nach Rahat und umgekehrt. Man spielt zusammen, schwimmt zusammen, geht auf Reisen und baut so ein kleines Netzwerk des Verstehens auf. Gerade im September 2002 besuchte eine jüdisch- arabische Kindergruppe Deutschland, um das Beispiel des Zusammenspiels in diesen schweren Zeiten zu demonstrieren.

Die Arbeit im Kinderheim Neve Hanna könnte nicht auf diesem hohen Niveau durchgeführt werden, wenn es nicht zahllose Helfer für diese Arbeit gäbe. In Deutschland existiert der Verein "Neve Hanna Kinderhilfe e. V., der treu und zuverlässig mit regelmäßigen Spendenmitteln hilft. Auch die Ev. Kirche in Hessen und Nassau unterstützt seit Jahrzehnten die Tätigkeiten von Hanni Ullmann. Freundeskreise in der Schweiz , den USA und viele Einzelspender leisten das ihre. Hanni Ullmann hatte eine große Überzeugungskraft und strahlte eine solches Engagement für die Arbeit aus, dass sie eine außerordentlich erfolgreiche "Schnorrerin" war.

Hanni Ullmann wird vielen Menschen fehlen. Vor allem den Kindern, die sie geprägt und begleitet hat. Aber auch ihre Freunde in der Welt werden sie vermissen. Eigentlich kann ich es mir gar nicht vorstellen, dass Hanni Ullmann nicht mehr anrufen soll oder bei einer Begegnung mit schnellen Schritten herbei eilt und ein neues Projekt entwirft.

Ein wirklich gesegnetes Leben wurde vollendet.

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