INFORMATIONEN AUS ISRAEL

von Michael Krupp und Ulrich Sahm, Jerusalem

Möglicher erster archäologischer Beweis für historischen Jesus aufgedeckt
Auf einem Ossuar, einem Knochenkasten, aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert, ist eine aramäische Inschrift enziffert worden, die der erste archäologische Beweis für die historische Existenz Jesus von Nazareth sein könnte. Auf dem Knochenkasten findet sich die Inschrift: "Jaakob, Sohn Josefs, der Bruder von Jeschua". Dieses entspräche genau dem Bruder Jesu, Jacobus, dem ersten Leiter der christlichen Gemeinde in Jerusalem, der 62 n.Chr. den Martyrertod starb.

Nach dem Brauch der Zeit Jesu in Jerusalem wurden die Toten in einer Höhle begraben, nach einem Jahr wurden die Knochen des Toten gesammelt und in einem Ossuar, einem Knochenkasten, bestattet, der in der Höhle verblieb. Das Ossuar mit der besagten Inschrift wurde bei Silwan im Süden von Jerusalem gefunden und von einem Privatmann, der anonym bleiben will, gekauft. Die historische Bedeutung entdeckte jetzt der französische Spezialist für antikes Aramäisch und Hebräisch, Andre Lemer von der Sarbonne in Paris. Das ganze wird in der nächsten Ausgabe der amerikanischen Populärzeitschrift Biblical Archaeological Review veröffentlicht werden.

Die Namen Josef, Jaakob und auch Jeschua, sind zur Zeit Jesu verhältnismäßig häufig. Ein Ossuar mit dem Namen "Jeschua ben Josef" wurde bereits in den dreißigen Jahren gefunden und erregte damals großes Aufsehen in der allgemeinen gelehrten und christlichen Öffentlichkeit. Der Name Jeschua ist auf ca. 10 Ossuarien belegt. Die Bezeichnung "Bruder von" ist aber völlig ungewöhnlich und nur dadurch zu erklären, dass dieser "Bruder von" sehr bedeutend und bekannt war.

Jakobus, der Bruder Jesu, war einer der strenggläubigen Oberhäupter der Jerusalemer Gemeinde. Aufgrund seines frommen Lebenswandel erhielt er den Beinamen "der Fromme". Der jüdische Schriftsteller Josephus berichtet in seinem Werk "Altertümer" (Antiquitqates XX, 9,1 (§ 200)), dass Jacobus auch bei nichtchristlichen Juden in hohem Ansehen stand und seine Steinigung durch den sadduzäischen Hohen Priester Ananos auf großes Missfallen in der gesamten Judenheit Jerusalems fiel. Die Juden beschwerten sich darüber bei König Agrippa, worauf dieser den Hohenpriester absetzte.

Usi Dahari, der Vizedirektor des israelischen Antiquitätenbehörde ist davon überzeugt, dass das Ossuar mit der Aufschrift "Jaakov Sohn Josefs, Bruder Jesu" sich tatsächlich auf den Bruder Jesu, Jakobus, bezieht. Es sei völlig unüblich im Judentum, jemanden nach seinem Bruder zu bezeichnen, auch nicht auf Grabsteinen oder Ossuarien, es sei denn, es handele sich um einen außergewöhnlichen Bruder. Deswegen könne es sich in diesem Fall nur um Jesus aus Nazareth handeln. Damit wäre dieser Ossuar der erste archäologische Beweis für die Existenz Jesu.

Der Besitzer des sogenannten Jesusossuars, ein Ingenieur aus Tel Aviv, Oded Golan, ist unter der Verwarnung, dass alles, was er aussagt, gegen ihn verwandt werden kann, mehrere Stunden von der Polizei verhört worden. Das Amt für Altertümer bezichtigt Golan, das Ossuar illegal erworben zu haben und verlangt, es zu konfizieren, denn es sei nach dem Antiquitätengesetz von 1978 Staatsbesitz.

Herschel Shenks, Herausgeber der Biblical Archeology Review, hatte auf einer Pressekonferenz in Amerika vor zwei Wochen erklärt, das Ossuar gehöre einem Sammler in Jerusalem und sei vor 15 Jahren erworben worden. Nach dem Antiquitätengesetz von 1978 gehört alles von historischer Bedeutung, was seit diesem Zeitpunkt in Israel gefunden wird, dem Staat. So sei auch das Ossuar, wenn es wirklich um 1987 erworben worden sei, Staatsbesitz. Golan behauptet, er habe es 1967 direkt nach dem Sechstagekrieg erworben. Golan war damals 16 Jahre alt. Die Archäologen haben Informationen, dass das Ossuar erst vor kurzer Zeit in Jerusalem verkauft worden ist.

Das umstrittene Ossuar befindet sich zur Zeit auf einer Ausstellung in Kanada. Die Antikenbehörde hatte für die temporäre Ausfuhr eine Lizenz gewährt, ohne das Ossuar vorher gesehen, geschweige von der wichtigen Inschrift Kenntnis gehabt zu haben. Nach der Meinung einiger Forscher ist das Ossuar mit der aramäsichen Inschrift "Jakob, Sohn Josefs, Bruder Jeshuas" der erste archäologische Beweis für die Historizität Jesu von Nazareth.

Auf dem Weg zu der Ausstellung in Tornto ist das Ossuar zerbrochen. Die Bruchstelle geht genau durch die Inschrift "Jakob, Sohn Josefs, Bruder Jeshuas". Das Ossuar soll jetzt restauriert werden. Auf alle Fälle werde die Ausstellung mit dem sensationellen archäolologischen Fund, den die Zeitung als "die Jahrhundertentdeckung auf dem Gebiet der neutestamentlichen Archäologie" bezeichnet, rechtzeitig zum 16. November eröffnet werden. Das Ossuar war für 1 Million Dollar versichert. Wissenschaftlich gesehen tut die Bruchstelle der historischen Bedeutung des Ossuar keinen Abbruch. (Michael Krupp)
Die geologische Untersuchung des Ossuariums
Das Ossuarium des "Jakob, Sohn des Josef, Bruder des Jesus", das zerbrochen in Toronto eingetroffen ist, wurde zuvor im "Geologischen Institut" in Jerusalem von Dr. Amnon Rosenfeld und Dr. Shimon Ilani überprüft.

"Der Knochenkasten stand nur ein paar Stunden lang auf meinem Schreibtisch, während wir Gesteinsproben und Patina abschabten, um sie später im Labor zu untersuchen", erzählt Ilani. Hershl Shanks von der "Biblical Archaeological Review" sei ebenso dabei gewesen wie André Lemaire von der Sorbonne, der in einem Artikel erstmals darauf hinwies, dass es sich um den Knochenkasten des Herrenbruders Jesu gehandelt haben könne.

Ilani sagte, dass der Kreidestein des Kastens jenem geologischen Material entspreche, wie es im Osten Jerusalems vorkomme, wo Archäologen alte Steinbrüche und Werkstätten für die Herstellung von Grabeskästen und Steinbechern gefunden haben, wie sie Jerusalemer Juden in der Zeit Jesu verwendet hätten. Wissenschaftler könnten "nie" Endgültiges behaupten, aber Ilani konnte dennoch feststellen, dass das Ossuarim "höchstwahrscheinlich" echt sei und aus der Zeit Jesu stamme, wie Hunderte andere Ossuarien aus jener Periode.

Auch die Patina, eine Schicht aus Staub, Algen, Wasser und anderen Umwelteinflüssen, die sich auf der Außenhaut des Kastens etwa in einer Grabhöhle oder in der Erde absetze, mache den Eindruck, "echt zu sein", sagte Ilani. Selbst mit dem Elektronenmikroskop hätten die Forscher keine modernen Materialien wie Gewebefäden von Kleidung oder Plastikspuren entdeckt. Die Patina an den Buchstaben der Inschrift sei "in jüngerer Zeit" abgeschabt worden, aber die verbliebenen Spuren hätten sich ebenfalls als echt und nicht als künstliche Neuschöpfung erwiesen. Ilani kritisierte Archäologen, die behaupten, man könne innerhalb von zehn Jahren sogar Patina fälschen. "Die reden nur und haben noch nie einen Beweis erbracht, um uns Geologen auf den Prüfstein zu legen. Ich bin ziemlich sicher, dass wir fähig wären, sehr schnell die Fälschung nachzuweisen. Wir haben mindestens so gute Geräte wie die Kriminalpolizei."

Die Frage, ob in dem Kasten auch Knochen gelegen hätten, wollte Ilani grundsätzlich nicht beantworten. Er wies darauf hin, dass ultraorthodoxe Juden darauf bestehen, dass aus Respekt vor jüdischen Toten selbst 2000 Jahre alte Knochen nicht wissenschaftlich untersucht werden dürften und sofort wieder begraben werden müssten. Mit Knochen könnten allerdings auch heute noch DNS Proben gemacht werden. Sensationell wäre es, wenn Archäologen in Nazareth ein Grab der Familie Jesu entdeckten und mit Knochenfunden in Jerusalem vergleichen könnten. Bedauerlicherweise seien aber die Grabräuber an Knochen nicht interessiert. "Sie schütten sie aus den Grabkästen aus, um diese dann im illegalen Antiquitätenhandel in Ostjerusalem teuer zu verkaufen", erzählt Ilani und vermutet, dass "die wichtigsten und schönsten Funde aus dem Heiligen Land in Panzerschränken in Europa oder Amerika lagern."

Der Basler Professor für Altertumskunde, Carsten Peter Thiede , sagte auf Anfrage: "Betonenswert scheint mir immer mehr, daß eine authentische Inschrift, die auf "unseren" Jesus verweist, im Jahre 63 n.Chr. nicht einfach nur "Yeshua" geschrieben hätte. 63 n.Chr. war "unser" Jakobus selbst eine Größe, der erste "Bischof" (Martin Hengel nannte ihn mal in einem Aufsatz bewußt provozierend den "ersten Papst"). Ihn durch den Hinweis auf "Jesus" zusätzlich zu identifizieren, wäre der damaligen Urgemeinde kaum in den Sinn gekommen. Wenn überhaupt, dann als ha-Maschiach, als Sohn Gottes, oder ähnlich, jedenfalls neben dem Namen mit der Titulatur, die er zu diesem Zeitpunkt längst hatte." Weiter behauptet Thiede: "Wenn es keine neuere Fälschung ist, denn eben eher doch eine der (wie Lemaire zugibt) etwa 20 anderen Jerusalemer Familien, in denen die Verbindung Jakobus-Joseph-Jesus statistisch möglich war.

Der Archäologe der Universität Haifa, Ronni Reich, der 1991 das Kaiphas-Grab in Jerusalem entdeckt und untersucht hat, meldete "berechtigte Zweifel" an der Identität von Jakob, Josef und Jesus auf dem neu entdeckten Ossuarium an. "Eine statistische Erhebung aller Namen jener Zeit, wie sie in allen bekannten Texten erwähnt worden sind ergab, dass Schimon der populärste Vorname war, gefolgt von Josef. Jesus befand sich an fünfter Stelle." Unter den rund tausend in der Antikenbehörde aufbewahrten Knochenkästen mit Inschriften oder Steinschnitzereien gebe es zwei weitere mit der Erwähnung eines "Bruders". Jener gleichwohl selten erwähnte Bruder, wobei ein Familienangehöriger gemeint sei, könnte "in der Familie, nicht aber in der Öffentlichkeit berühmt sein", meinte Reich zu KNA. Ossuarien habe es nur in einer Zeitspanne von etwa hundert Jahren gegeben, vom letzten viertel des ersten vorchristlichen Jahrhunderts bis kurz nach dem Jahr 70, als die Römer Jerusalem zerstörten und so auch die allein auf Jerusalem beschränkte "Mode" dieser jüdischen Begräbnistechnik beendeten. Trotz dieser Kritik bezeichnet Reich den Kasten als "wahrscheinlich autentisch", wobei geprüft werden müsse, ob die Namen nicht von einem geschickten Fälscher eingeritzt worden sei. "Diese Möglichkeit besteht immer bei Fundstücken, die Grabräuber an den Antiquitätenhandel gegeben haben und die nicht in situ von Archäologen gefunden worden sind."

Die drei Namen auf dem Ossuarium waren zu Lebzeiten Jesu "sehr gängig". So weiß man von mindestens zehn echten Knochenkästen aus dieser Zeit mit dem Namen "Jesus". Es gibt sogar Kästen mit der Kombination "Jesus, Sohn des Josef und der Maria". Höchst ungewöhnlich sei jedoch der Hinweis "Bruder des Jesus" wie im Falle jenes "Jakob", der durchaus der leibliche Bruder Jesu gewesen sein könnte und Leiter der ersten urchristlichen Gemeinde in Jerusalem. Dieser Jakob (auch "Jakobus" oder auf Englisch "James" genannt) wurde nach Angaben des römisch-jüdischen Historikers Josefus Flavius im Jahr 62 gesteinigt, nachdem ihn der Hohe Priester Ananos zum Tode verurteilt hatte.

In der Epoche um Herodes und Jesus, bis zur Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 durch die Römer war es bei den Juden üblich, die Toten in Leichentücher gehüllt in Grabkammern ein halbes Jahr verwesen zu lassen. Dann wurden die "trocknen Knochen" eingesammelt und in kleine Steinkästen verpackt. Diese Grabhöhlen mit mehreren "Liegeplätzen" wurden oft mit runden wagenradgroßen Steinen als Tür "versiegelt". Da diese Grabkammern zugänglich bleiben mussten, um neue Leichen hineinzulegen oder deren Knochen einzusammeln, konnte es auch passieren, dass eine Leiche "gestohlen" wurde oder aber im Falle einer "Wiederauferstehung von den Toten" aus der Grabkammer "verschwand". (Das erklärt leicht, wieso das Verschwinden des Leichnams Jesu einen Tag nach seiner "Grablegung" bemerkt wurde).

Die Knochenkästen, einige schmucklos und "billig", andere wunderbar mit gemetzelten geometrischen Ornamenten geschmückt, wurden in einer vor einigen Jahren entdeckten "Fabrik" auf dem Skopusberg in Jerusalem hergestellt und verkauft. Je reicher die Familie, desto kostbarer war der Knochenkasten. Der Name des Toten wurde nachträglich mit einem scharfen Gegenstand und nicht sehr künstlerisch in den weichen Kalkstein "gekritzelt". Neben Ossuarien mit Namen wie Mathäus, Jesus, Marta, Maria, Judas und Josef, gibt es einige wenige Ossuarien mit den Knochen historisch bekannter Persönlichkeiten. Während des Golfkrieges 1991 entdeckten israelische Archäologen eine noch unberührte Grabkammer mit einem wunderschönen Ossuarim von "Joseph Sohn des Kaifas". Für die Archäologen besteht kein Zweifel, dass es sich um den berühmten Hohe Priester des Jerusalemer Tempels handelt, der Jesus den Römern übergab, um ihn vom römischen Prokurator Pontius Pilatus zum Tode verurteilen und am Kreuz hinrichten zu lassen. In einem anderen vor etwa zwanzig Jahren entdeckten Ossuarium mit der Namensinschrift "Jochanan Sohn des Hagkol" machten die Archäologen eine weitere sensationelle Entdeckung. Der Mann war gekreuzigt worden. In seinem Fußknöchel steckte noch ein dicker Eisennagel sowie ein Stückchen Holz. Weil sich der Nagel beim Einschlagen ins Kreuz verbogen hatte, musste der Nagel zusammen mit dem Toten begraben und sechs Monate später in den Knochenkasten gebettet werden. Obgleich die Hinrichtung per Kreuz im römischen Reich eine übliche Methode war und tausende Male verübt worden war, so ist dieser Knöchel mit Nagel und Holz eines etwa 20 Jahre alten jüdischen Zeitgenossen Jesu in Jerusalem der erste und bislang einzige archäologische Beweis für diese Hinrichtungsmethode.

Während des Jahres 2000 lief im Jerusalemer Israel Museum eine Ausstellung mit zahlreichen anderen Fundstücken, die zwar alle keinen einwandfreien Beweis für die historische Existenz des Jesus von Nazareth lieferten, aber zusammen mit einer Namensinschrift des Pontius Pilatus, Tempelgeld und Trinkgefäßen, wie sie im Neuen Testament beschrieben und nur damals verwendet wurden, das Umfeld Jesu und viele Beschreibungen des Neuen Testaments "bestätigen". (Ulrich W. Sahm)

Orthodoxes Ehepaar durfte Geschlecht seines Kindes bestimmen
In einer außergewöhnlichen Entscheidung hat das israelische Gesundheitsministerium einem orthodoxen Ehepaar erlaubt, das Geschlecht ihres Kindes zu bestimmen. Zum ersten Mal wurde die Geschlechtsbestimmung aufgrund nichtmedizinischer Gründe erlaubt. In orthodoxen Kreisen ist dies überhaupt der erste Fall einer Geschlechtsvorentscheidung. Das Wunschkind ist eine Tochter.

Das Ehepaar, das anonym bleiben will, konnte keine Kinder bekommen und wie es sich herausstellte, kann der Ehemann keinen brauchbaren Samen erzeugen. Das Ehepaar beschloss, das Ei der Ehefrau durch fremden Samen befruchten zu lassen. Das Problem ist, dass der Ehemann ein Kohen, jemand vom Stamm der Priester, ist. Kohanim haben besondere Aufgaben im jüdischen Gottesdienst, sie allein dürfen den aaronitischen Segen sprechen und werden als erste zur Toralesung aufgerufen.

Wenn das Kind 13 Jahre alt ist, wird es feierlich in der Synagoge in seine gottesdienstlichen Pflichten eingewiesen. In diesem Fall hätte der Vater erklären müssen, dass das Kind gar kein Priester ist, da Orthodoxe bei künstlicher Befruchtung nur den Samen von Nichtjuden benutzen dürfen, damit bei der anonymen Samenspende später nicht ein Bruder seine Schwester heiratet. Eine Frau hat im jüdischen Gottesdienst und in der religiösen Öffentlichkeit keine Funktionen, so dass in diesem Fall die Anonymität gewahrt bleibt. (Michael Krupp)

Israelische und palästinensische Geistliche mit Friedenspreis ausgezeichnet
Der Vize-Außenminister, Rabbiner Michael Melchior, der lateinische Patriarch, Michel Sabach, und der ehemalige palästinensische Minister, Sheikh Talal Al-Sidr, sind mit dem "Internationalen Coventry Preis für Frieden und Versöhnung" (Coventry International Prize for Peace and Reconcilation) ausgezeichnet worden. Dies teilte der Bischof von Coventry, Collin Bennets, mit. Die drei Preisträger waren Hauptbeteiligte an der Alexandria Erklärung von Januar dieses Jahres, in der die wichtigsten Religionsoberhäupter des Nahen Osten zur Gewaltlosigkeit aufgerufen haben.

Der Preis wurde Ende Oktober auf einer Konferenz in London übergeben, auf der sich die Konferenzteilnehmer von Alexandrien zum zweiten Mal trafen. Ein früheres Treffen im Juni in Amman war aufgrund der politischen Situation abgesagt worden.

[Der Text der Erklärung von Alexandria ist abgedruckt im MATERIALDIENST Nr. 1 / Februar 2002] (Michael Krupp)
Radikaler Anti-Islamist Co-Chairman mit Jerusalems Bürgermeister Olmert
Pat Robertson, einer der fanatischten anti-islamische evangelikalen Prediger in Amerika, ist von Jerusalems Bürgermeister Ehud Olmert aufgefordert worden, mit ihm zusammen die "Neue Jerusalem Stiftung" zu leiten. Robertson hat den Posten angenommen. Die "Neue Jerusalem Stiftung" ist ein Gegenstück zu der "Jerusalem Stiftung", die der frühere Bürgermeister Jerusalems Teddy Kollek ins Leben gerufen hatte und die er seinem Nachfolger nicht übergeben hat.

Pat Robertson hat mit seinen anti-islamischen Parolen Schlagzeilen gemacht. Er bezeichneter den Begründer des Islam, den Propheten Mohammed, als "Mörder, Fanatiker mit wildem Blick ... ein Räuber und Brigand": "Dieser Mann war ein Killer". Viele evangelikale Christen haben ihren Prozionismus mit einem fundamentalen Anti-Islamismus gekoppelt, den sie theologisch begründen. Der Islam sei "die Macht aus der Tiefe", der Antichrist. Robertsen ist einer ihrer profundesten Sprecher.

Die "Neue Jerusalem Stiftung" will unter den auf 50 Millionen geschätzten evangelikalen Christen Amerikas werben, die zu 320.000 Kirchen gehören. Israelwaren sollen in diesen Kreisen verkauft werden und der Tourismus, der in Israel fast gänzlich zum Erliegen gekommen ist, soll angefacht werden. (Michael Krupp)
Palästinenser mit Israel und Jordanien im Streit um den Tempelberg
Jetzt auch Westmauer beschädigt

Wenige Wochen vor dem islamischen Fastenmonat Ramada, an dem Zehntausende von Betern auf dem Tempelplatz erwartet werden, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen der moslemischen Behörde, die den Tempelplatz verwaltet, und der israelischen Regierung verschärft. Aber auch mit der jordanischen Regierung haben sich die Palästinenser über Angelegenheiten des Tempelberges überworfen.

Die israelische Regierung hat eine Notstandssitzung angeordnet, um die bedrohliche Situation auf dem Tempelplatz vor Ramadan zu diskutieren. Zum ersten mal hat auch die moslemische Seite offen zugegeben, dass eine akute Einsturzgefahr an der Südmauer des Tempelberges besteht, die zahlreiche Menschenleben gefährden kann. Sie beschuldigten gleichzeitig die israelischen Behörden, sie daran zu hindern, die notwendigen Reparaturen durchzuführen. Die Reparaturen können nur von beiden Seiten, von innen und außen der Mauer, vorgenommen worden. Innen regieren die Moslems, außen die Israelis. Über eine Zusammenarbeit konnte bisher keine Einigung erzielt werden.

Israelische Fachleute sprechen von einer weiteren Gefahr, die dem Tempelberg droht. Die Decke der über 1000 qm großen Zisterne unterhalb des Tempelberges sei ebenso in Gefahr einzustürzen. Die vier Pfeiler seien unterspült und könnten bei starken Regenfällen zusammenbrechen, besonders, wenn sich eine große Menschenmenge auf dem Tempelplatz versammelt habe. Bei einem Zusammenbruch könnte der ganze Platz vom Felsendom bis zur El Aksa Moschee in die Zisterne stürzen. Die Israelis sehen sich in einer Zwickmühle, beginnen sie die Reparaturen auf eigene Faust, könnte es zu einem arabischen Aufstand kommen, tun sie nichts und es passiert etwas, werden sie um so mehr beschuldigt werden. Die Israelis haben inzwischen die Europäische Union um Vermittlung gebeten.

Diesen Gefahren gegenüber ist die Auseinandersetzung mit den jordanischen Behörden ein geringeres Problem. Die Jordanier wollen gerade rechtzeitig zu Rammadan die alte Kanzel aus dem 10. Jahrhundert aus der Al Aksa Moschee wieder zurückbringen. Die Kanzel war 1969 bei einem Attentat eines verrückten Christen fast verbrannt und von König Hussein von Jordanien mit seinem persönlichen Geld wieder hergestellt worden. Die Jordanier wollen die Kanzel mit einer Feier und der gebührlichen Öffentlichkeit zurück an ihren Platz bringen. Die Palästinenser wehren sich dagegen, weil auf diese Weise wieder alte Rivalitätsansprüche des haschemitischen Königshauses als Wächter der islamischen heiligen Stätten in Jerusalem zum Ausdruck kommen.

Israelis und Palästinenser haben sich inzwischen auf eine Lösung zur Rettung des Tempelplatzes geeinigt. Jordanische Spezialisten haben damit begonnen, die baufälligen Partien an der Südmauer des Tempels zu untersuchen. Die Auswuchtungen an der Südmauer des Tempelplatzes haben sich dramatisch erweitert, sie umfassen eine Länge von 190 Meter und erreichen eine Tiefe von 70 cm. Wenn der Schaden nicht repariert wird, droht die unterirdische Moschee in den sogenannten Salomonischen Pferdeställen und die Al Aksa Moschee einzustürzen. Palästinenser und Israelis konnten sich bislang nicht auf eine Lösung des Problems einigen. Die Jordanier werden nach dem neuen Einverständnis unabhängig von Israelis und Palästinensern arbeiten.

Kurz nachdem eine jordanische Expertengruppe ihre Arbeit zur Renovierung der Südmauer am Tempelplatz aufgenommen haben, sind auch Schäden an der Westmauer festgestellt worden. Am südlichen Teil der Westmauer, etwas unterhalb der sogenannten Klagemauer, zwischen Dungtor und Wilsonbogen hat sich eine Ausbuchtung in der Mauer gezeigt, ähnlich der an der Südmauer, nur sehr viel kleiner.

Die Stelle ist eindeutig feucht, obwohl es seit April in Israel nicht mehr geregnet hat. Israelische Archäologen gehen davon aus, dass es sich um eine lecke Wasserleitung handeln muss, die die Schäden verusacht. Es ist noch unklar, ob die jordanische Expertengruppe sich auch um diesen neuen Schaden kümmern wird, der eine drohende Einsturzgefahr auch an diesem Teil des Tempelplatzes signalisiert. (Michael Krupp)
Israel und Palästinenser bezeichnen Amnesty-Report als unfair
Israel und Palästinenser haben den Amnesty-Report über das Sterben von palästinensischen und israelischen Kindern in der Intifada als ungerecht zurückgewiesen. Israel warf Amnesty vor, nicht zwischen im Terror ermordeten Kindern und versehentlichen Opfern im Kriegsgeschehen zu differenzieren. Die Palästinenser zeigten sich entrüstet darüber, dass ihnen Amnesty die Schuld am Tod israelischen Kinder in die Schuhe lege, wo doch ihre Infrastruktur zur Abwehr solcher Attentate von den Israelis zerschlagen worden sei.

Amnesty hatte am Tag zuvor Israelis und Palästinenser gleichermaßen beschuldigt, sorglos oder bösartig den Tod von Kindern verschuldet zu haben. 250 palästinensische Jugendliche unter 16 Jahren und 72 israelische Jugendliche seien seit dem Ausbruch der Intifada am 29.9.2000 bis zum 31. August dieses Jahres ums Leben gekommen, sagt der Bericht von Amnesty. Mindestens drei palästinensische Kinder seien durch jüdische Siedler umgebracht worden. Die Palästinenser hätten nichts unternommen, um Terrorattentate auch gegen Kinder zu stoppen und die israelische Armee habe all zu sorglos in bewohnte Palästinensergebiete geschossen oder sei unproportional streng gegen Demonstranten vorgegangen. (Michael Krupp)
Spielbergarchiv jetzt im Internet
Das Archiv jüdischer Dokumentarfilme, dank der Stiftung des amerikanisch-jüdischen Filmemachers Steven Spielberg von der Hebräischen Universität zusammengetragen, kann jetzt weltweit über das Internet eingesehen werden. 112 alte Dokumentarfilme sind schon online und können unter der Adresse www.spielbergfilmarchive.org.il besichtigt werden. Insgesamt sollen 500 Filme ins Internet gestellt werden im Rahmen eines "Virtual Cinema Project". Die Filme stammen aus fast allen Perioden der Filmgeschichte. Manche seien einmalige historische Dokumente, heißt es in einer Pressemitteilung der Hebärischen Universität, darunter Aufnahmen aus jüdischen Gemeinden, die mit der Schoa verschwunden sind, Aufbauarbeiten jüdischer Pioniere im Land Israel und Aufnahmen des Eichmann-Prozesses in Jerusalem. Die Originalfilme wurden restauriert und dann digitalisiert. In der Pressemitteilung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es verboten sei, das Material aus dem Internet zu kopieren. (Ulrich W. Sahm)
Reuven Minervi gegen Lehmann
Einer der hervorragensten jüdischen Kenner des Christentums, Reuven Minervi, ein ehemaliger israelischer Diplomat und Forscher, der den zweiten Weltkrieg als Kind versteckt in einem römischen Kloster überlebte, wandte sich mit scharfen Worten gegen die Behauptung von Kardinal Lehmann im "Stern", wonach 900.000 Juden im "deutschen Machtbereich" dank kirchlicher Institutionen überlebt hätten. "Diese Zahl ist aus den Fingern gesogen", sagte Minervi zu KNA. Lehmann habe diese Zahl einem Buch des jüdischen Forschers Pinchas Lapide entnommen, doch der habe keinerlei Angaben gemacht, wie er zu dieser äußerst hohen Zahl gelangt sei und sie auch nicht belegt. Die Zahl sei auch schon in das Vatikan-Dokument "Wir erinnern" übernommen worden. Laut Minervi gebe es keine Dokumente, die irgend eine Zahl belegen könnten. Deshalb wollte auch Minervi keine eigene Schätzzahl nennen, "weil das genau so Spekulation wäre".

Eine wohl zuverlässige Zahl habe De Felice genannt, der von 4000 Juden schrieb, die in Rom in kirchlichen Einrichtungen versteckt gewesen seien. Es sei bekannt, dass auch in Polen, Frankreich und an anderen Orten in Italien Juden in Kirchen und Klöstern versteckt worden seien. "Die Priester haben deren Leib gerettet, oft aber auch versucht, deren Seele zu retten." Minervi deutete so die Versuche der Priester an, die jüdischen Kinder zum Christentum zu bekehren, "so wie sie es mit uns im römischen Kloster San Leone Magno jeden Nachmittag um 16 Uhr versucht haben". Sieben Monate lang war Minervi zusammen mit anderen jüdischen Kindern auf Initiative des Priesters Alessandro de Pietro, 93, gerettet worden. Auf Initiative von Minervi sei de Pietro von Yad Vaschem als "Gerechter der Völker" geehrt worden für seinen lebensgefährlichen Einsatz, Juden das Leben zu retten.

Minvervi wirft der katholischen Kirche vor "geschwiegen" zu haben. Tatsache sei, dass Bischof von Galen durch einen öffentlichen Aufruf die Euthanasie-Morde stoppen konnte. Dieser Aufruf habe der Kirche nicht geschadet und etwas bewirkt. Einen ähnlichen Aufruf, die Judenmorde zu stoppen, sei nie erfolgt. Weiter sagte Minervi, dass sich viele Priester in Europa lebensrettend für Juden engagiert hätten und dabei auch ihr Leben riskiert: "Doch alle handelten auf eigene Initiative. Es gab keinen Befehl von Oben, keine Anweisung des Papstes. Es war keine offizielle Politik der Kirche." Minervi ist nur ein einziger Aufruf eines katholischen Priesters gegen die Judenmorde bekannt. Ausgesprochen habe ihn der Priester Bernhard Lichtheim. Den hätten die Nazis verhaftet, in Dachau gefoltert und schließlich ermordet. Im Gegensatz dazu habe ein anderer Priester, Monsigneur Tisso, damals Staatschef der Slowakei, willig den Befehl der Nazis befolgt und die Juden nach Auschwitz geschickt. Tisso sei deswegen nicht einmal exkummuniziert worden, "was den Juden zwar das Leben nicht mehr gerettet, für die Kirche aber ein moralisches Exempel gesetzt hätte", so Minervi.

Zu den Widersprüchlichkeiten der damaligen Zeit gehörte auch, dass der gerade erst Heilig gesprochene Gründer von Opus Dei nach Angaben von Minervi zwar ein "Erzfaschist und glühender Anhänger des spanischen Diktators Franco" gewesen sei, gleichzeitig aber auch vielen Juden das Leben gerettet habe. Gleiches gelte für Franco, der sephardischen Juden sogar spanische Pässe ausstellen ließ.

Zu den Vorgängen in Rom selber sagte Minervi, dass Papst Pius XII zu der Deportation von über tausend Juden am 16. Oktober 1943 geschwiegen habe. Schlimmer noch: Der Papst hätte das Schicksal der Juden abwenden können, wenn er die jüdische Gemeinde oder aber den amerikanischen Repräsentanten in Rom über das Vorhaben der Nazis rechtzeitig informiert hätte. Dem Vatikan sei nachweislich das Datum der geplanten Deportation der römischen Juden nach Auschwitz bekannt gewesen. Von über tausend Deportierten hätten nur 12 überlebt. "Zu behaupten, die kirchlichen Institutionen hätten bis zu 900.000 Juden gerettet ist auf jeden Fall eine maßlose Übertreibung." (Ulrich W. Sahm)
Neues Testament auf festen Boden herunterholen
"Es ist höchste Zeit, die Interpretation des Neuen Testaments aus den luftigen Höhen der theologischen Deutungen wieder auf den festen Boden der Geschichtswissenschaften herunterzuholen": So Professor Walter Brandmüller, Präsident der Päpstlichen Kommission für die historischen Wissenschaften. Er hatte Historiker, klassische Philologen, Archäologen, Spezialisten für antike Inschriften Astronomen, Literaturhistoriker und Neutestamentler aus Israel, dem palästinensischen Autonomiegebiet, den USA, Spanien, Griechenland, Deutschland und Italien für eine fünftägige nicht-öffentliche Konferenz nach Rom eingeladen.

Schon der Eröffnungsvortrag des Archäologen Michele Piccirillo (Jerusalem) machte deutlich, dass die Archäologie immer mehr Fragen beantwortet, so zum Beispiel die Wiederentdeckung der ältesten Taufstelle Johannes des Täufers im Wadi Charrar nördlich des Toten Meeres. Schon seit ältester Zeit gab es eine Tradition für diesen Ort. Nun sei sie auch archäologisch gesichert, so Piccirillo. Carsten Peter Thiede (Paderborn/Basel) wies nach, dass der Weg der Emmaus-Jünger präzise rekonstruiert werden könne. "Wir wissen wieder genau, wo der auferstandene Jesus mit den beiden Jüngern das Brot brach." Joan M. Vernet (Cremisan/Bethlehem) überzeugte mit einem Forschungsbericht über die Identifizierung des umstrittenen, ältesten Papyrus des Markus-Evangeliums aus der Zeit um 50 n.Chr., das in der 7. Höhle von Qumran gefunden wurde. "7Q5 sollte endlich in alle Verzeichnisse neutestamentlicher Handschriften aufgenommen werden"

Frédéric Manns (Jerusalem) plädierte für die Wiederentdeckung rabbinischer Texte als Quellen für das historische Verständnis des Neuen Testaments. Ilaria Ramelli (Mailand) zeigte, wie bereits römische und griechische Romane aus der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts die Evangelien (Markus, Matthäus) kennen, benutzen und parodieren.

Das Neue Testament müsse als historische Quelle gesehen werden, so Klaus Rosen (Bonn), obgleich manche Leser da Glaubwürdigkeitsprobleme sehen. Gut bekannte Inschriften aus dem Römischen Reich geben heute unerwartete Einsichten in das Leben und Wirken von Personen, die in den Evangelien eine wichtige Rolle spielen: Géza Alföldy (Heidelberg) zeigte das am Beispiel der Missverständnisse über den Statthalter Quirinus und den Präfekten Pontius Pilatus. Sogar die Weihnachts-"Legende" könne wieder in den Bereich der Geschichte zurückgeholt werden, so der Würzburger Astronom und Mathematiker Theodor Schmidt-Kaler. Jedes Detail des Berichts über den "Stern von Bethlehem" entspreche Sachkenntnissen. Selbst die Reiseroute der "Drei Heiligen Könige" lasse sich rekonstruieren. Sie werden gar nicht in den Evangelien nicht als "Könige" erwähnt und waren wohl eher Berufsastronomen - griechisch "magoi" - aus Babylonien. Zwar wusste man dank früherer Forschungen, dass Jesus im Winter 7 v.Chr. in Bethlehem geboren wurde. Die Fülle der Details von Schmidt-Kaler überzeugte endgültig jeden anwesenden Neutestamentler. Die Historizität des Sterns, der Zweck und Aufbau der Geburtsgeschichte, sowie statistische Wortuntersuchungen im Gesamtevangelium ergeben, dass das Matthäus-Evangelium kein Stückwerk sei, sondern eine geschlossene literarische Komposition, zwischen 42 und 62 n. Chr. entstanden.

Walter Brandmüller kündigte die Veröffentlichung der Vorträge für das kommende Frühjahr an. In die Landschaft der Bibelforschung sei Bewegung gekommen, die nicht weg führt von der historischen Glaubwürdigkeit der Quellen, sondern zurück zu ihr. (Ulrich W. Sahm)
Kinder wollen Märtyrer werden
Eine Umfrage der israelischen Militärverwaltung in den besetzten und palästinensischen Gebieten unter 996 palästinensischen Kindern im Alter zwischen 9 und 17 Jahren ergab, dass 73 Prozent der Befragten zum "Schahid" (Märtyrer) werden wollten. 90 Prozent hätten ein Interesse geäußert, an den Auseinandersetzungen der Intifada teilzunehmen. Der Tod des Muhamad al Dura, dem Zwölfjährigen, der vor laufender Kamera zu Beginn der Intifada in den Armen seines Vaters starb, durch Maschinengewehrfeuer unklarer Herkunft getötet, habe den größten Einfluss auf die palästinensischen Kinder gehabt, Schahid werden zu wollen.

Die in der Zeitung Jedijot Achronot veröffentlichte Studie ergab, dass 45 Prozent der befragten Kinder an Demonstrationen teilgenommen und dass die Hälfte von ihnen dabei verletzt worden sei. 59 Prozent behaupteten, durch das palästinensische Fernsehen zur Beteiligung an der Intifada animiert worden zu sein. 62 Prozent sagten, den "Ehrentitel" Schahid (Märtyrer) bekommen zu wollen, weil ein Klassenkamerad, Nachbar oder sonstiger Bekannter während der Intifada getötet worden sei.

In seinen Ergebnissen kommt der Report der Militärverwaltung zum Schluss, dass die palästinensische Autonomiebehörde nichts gegen diese Tendenzen unter den Jugendlichen tue. 23 neue Schulbücher, die in diesem Jahr im Schulwesen eingeführt worden seien, enthielten eine "systemische Erziehung zum Hass auf Israel". Das Existenzrecht Israels werde da in Frage gestellt, Hassgefühle würden da gefördert und es gebe da ausdrückliche Aufrufe zu Rache und Gewalt. Der Staat Israel sei "in Sünde entstanden". Der Tod der Märtyrer werde in den Schulbüchern befürwortet wie der Tod eines "Ehrenmannes", der sein Leben für Allah und für die Landesverteidigung opfere. (Ulrich W. Sahm)
Selbstmordattentat rettet palästinensischem Kind das Leben
Der Tod des frommen und zionistischen Joni Jesser aus Großbritanien hat einem sieben Jahre alten palästinensischen Mädchen aus Ostjerusalem das Leben gerettet. Joni Jesser, 19, erlag am Freitag den schweren Verletzungen, die er bei dem Selbstmordattentat auf einen Linienbus in Tel Aviv erlitten hatte. Seine britischen Eltern hatten ihm den Namen des Bruders von Benjamin Netanjahu gegeben, dem Befehlshaber des Befreiungskommandos von Entebbe. Joni Netanjahu war bei der Geiselbefreiung in Uganda tödlich getroffen worden und gilt seitdem als israelischer Nationalheld. Eine Air France Maschine unter Anderem mit 77 Israelis an Bord war 1976 auf dem Weg von Athen nach Paris nach Entebbe entführt worden. Dort gesellten sich deutsche RAF-Terroristen zu den Entführern und befahlen eine "Selektion". Sie trennten zwischen den jüdischen und israelischen Passagieren. Der damalige Ministerpräsident Rabin befahl eine der gewagtesten Geiselbefreiungen in der Geschichte, 2500 Kilometer von Israel entfernt, in einem feindselig gesinnten Land. Um die im Flughafengebäude von Entebbe festgehaltenen Geiseln zu befreien mussten die mit Herkules Maschinen nach Entebbe geflogenen israelischen Soldaten erst einmal die am Boden parkende Luftwaffe Ugandas zerstören.

Die Eltern von Joni Jesser beschlossen, seinen Körper für Organtransplantate zu stiften. Eine Niere erhielt die sieben Jahre alte Jasmin Abu-Remeila aus Ostjerusalem im Tel Aviver "Schneider" Hospital für Kinderkrankheiten. Jasmins Großvater Faruk sagte nach der vorläufig erfolgreichen Organverpflanzung: "Die Anschläge sind schlecht und verboten. Wir wollen in Ruhe und in Frieden zusammenleben. Ich bin sprachlos und habe keine Worte, um der Familie zu danken, die trotz des ihr widerfahrenen Katastrophe zugestimmt hat, die Niere zu stiften, die jetzt zu einem Teil meiner Enkelin geworden ist. Wir sind alles Menschen, Juden und Araber."

Joni Jesser hatte vor einem Jahr sein Elternhaus in Schottland verlassen und ist nach Israel gereist, um dort in einer Talmudschule zu studieren.

Der israelische Geheimdienst hat immer noch nicht die Identität des Attentäters vom vergangenen Donnerstag in Tel Aviv ausgemacht. Die Hamasorganisation hatte die Verantwortung für den Anschlag übernommen, bei dem neben dem Attentäter sechs Israelis getötet worden sind. (Ulrich W. Sahm)
Gefährliche "Religionisierung" des Nahostkonflikts
Der israelische Religionsforscher Professor Aviezer Ravitzky vermeidet es, von einem israelisch-arabischen Konflikt zu reden. Wegen der "Religionisierung" des Konflikt auf der arabischen Seite, erwähne er nur "Moslems". Ravitzky sprach vor Delegierten einer Sondertragung des "World Jewish Congress" (WJC) in Jerusalem zum Thema Antisemitismus.

Im Mittelalter sei der Islam sehr viel "sensibler gegenüber dem Menschenleben" gewesen als das europäische Christentum. Das habe sich auch auf die Ethik der Rabbiner in der arabischen Welt und in Europa abgefärbt. Ravitzky forderte eine Rückkehr zu den wahren religiösen ethischen Werten, die es in allen drei monotheistischen Religionen gebe und warnte vor einer Verteuflung der Religion. Er warnte auch davor, die Zusammenstöße zwischen Israelis und Palästinensern nur unter dem Aspekt des Antisemitismus zu sehen. "Selbst wenn es wahr ist, sollten wir Juden nicht betonen, dass die Palästinenser aus antisemitischen Motiven heraus gegen Israel kämpfen und mit Selbstmordattentätern Juden ermorden." Ravitzky hält den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern für "lösbar". Es widerspreche dem "jüdischen Interesse", die Auseinandersetzungen zu einem "metaphysischen Konflikt" zu erheben, der erst gelöst werden könne, wenn es keinen Antisemitismus mehr gebe.

Isi Leibler, Vizepräsident des WJC, sagte, dass der heutige Terror "gefährlicher und tödlicher als je zuvor" sei. Die Selbstmordattentäter des Osama bin Laden sowie der palästinensischen Gruppen hätten sich eine "fanatische antisemitische religiöse Ideologie" zugelegt. Sie töten, um für sich selber die Erlösung zu erreichen und nicht mehr nur für konkrete politische Ziele, wie in früheren Zeiten, als manche Länder den Terror benutzten, um einen "verdeckten Krieg" zu führen. Er beklagten den seit zwei Jahren vollzogenen Wandel der palästinensischen Gesellschaft, in der offen und in den Medien "Kinderopfern" gehuldigt werde und wo die Menschen jubelnd auf die Straße gingen, wenn Menschen in Tel Aviv durch Bomben zerfetzt würden. Früher habe es einen Kampf um Land gegeben. "Die meisten von uns wären froh, über keine Araber mehr zu herrschen", betonte Leibler. Doch seit Ausbruch der Intifada sei es ein "existenzieller Kampf gegen eine von der palästinensischen Autonomiebehörde indoktrinierte Ideologie" geworden. Leibler bezweifelte ein baldiges Zustandekommen eines palästinensischen Staates. Denn unter den heutigen Umständen würde der nur "eine noch effektivere Ausgangsbasis für einen ideologischen Terror" werden.

Jigal Carmon, Leiter der in Washington, Berlin und Jerusalem vertretenen Organisation Memri, die arabische Medien beobachtet und auswertet, redete von der Definition des "Märtyrers" bei Moslems. Dem Westen "fremd" sei der Begriff des "Ischtihada", der "getötet wird, während er andere tötet". Die Tradition gehe auf "20 Koranverse und 100 Auslegungen" des frühen Islam im 7. Jahrhundert zurück. Sie ziehe sich wie ein roter Faden von den Schlachten in der Zeit des Propheten Mohammed, über Saladdin und bis Osama bin Laden sowie der Hamasbewegung durch die Geschichte des Islam. Die 19 Mitglieder der Terrorzelle unter Mohammad Atta, die sich in New York mit Flugzeugen in das WTC gestürzt hatten, hätten sich Codenamen nach Schlachten aus der Frühzeit des Islam gebeben. Diese Schlachtrufe seien bei allen extremistischen islamischen Gruppen von Indonesien über Afghanistan, Palästina, Marokko und bis nach New York identisch.

Die New Yorker Polizei habe einen schweren Fehler gemacht, als sie Kisten mit religiösen Schriften und Anweisungen des Ägypters Al-Sayyid Nusair, dem Mörder des rechtsextremistischen Rabbiners Meir Kahana, mit der Aufschrift "Irrelevantes religiöses Zeug" weggestaut hätten. Unter den darin enthaltenen religiösen Debatten habe es Hinweise gegeben, "die drei Finger der amerikanischen Überheblichkeit zu zerstören". Gemeint seien das WTC und das Empire State Building gewesen. Nusair sei nach jenem Mord an dem Bombenanschlag auf das WTC beteiligt gewesen, den der blinde ägyptische Scheich aus New York beauftragt hatte. Carmon erzählte, dass in den Monaten und Wochen vor dem 11.9.2001 muslimische Geistliche aus Ägypten, Jemen und Kuwait öffentlich darüber debattiert hätten, ob ein frommer Moslem ein Flugzeug entführen und sich damit in "hohe Gebäude" stürzen dürfe, obgleich dabei auch Frauen ums Leben kommen könnten, was der Islam nicht erlaube. Carmon warnte, dass "irrelevantes religiöses Zeug" längst ein hochrelevantes Material für die Staatssicherheit in vielen westlichen sei, das viel zu wenig beachtet werde.

Ulrich W. Sahm
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