Neue Ausstellung zum Bau des Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin

Zur Eröffnung der Ausstellung "Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas und der Ort der Information" im Rahmen der Hauptstadtausstellung des Bundes erklärte die Geschäftsführerin der Stiftung, Prof. Dr. Sibylle Quack:

Die neue, von Dagmar von Wilcken gestaltete Ausstellung zum Stand des Denkmalprojekts wird bewusst in zeitlicher und räumlicher Nähe zum Beginn der Bauarbeiten auf dem Gelände eröffnet. Hier in der Behrenstrasse 39 wird es künftig - neben weiteren Aktivitäten am Bauzaun - aktuelle Informationen über den Fortgang des Projekts, das Baugeschehen und die Realisierung des Orts der Information geben.

Nach Abschluss der vorbereitenden Baumaßnahmen, mit denen im Oktober letzten Jahres begonnen wurde, und der Erteilung der Baugenehmigung sind nun auch die wesentlichen Bauleistungen - Aushebung der Baugrube, Fundamente, Herstellung der Betonstelen - öffentlich ausgeschrieben. Die Baugrube soll Ende August/Anfang September ausgehoben werden. Ebenfalls ist die Ausschreibungsfrist für den Bau der Stelen vor Weihnachten abgelaufen. Nach Auskunft des Architekten sollen die Stelen und der Rohbau des Ortes der Information bis 2004 fertig werden. Die geplante Ausstellung selbst wird vielleicht erst am 27. Januar 2005 oder einige Monate später eröffnet.

Die neue Ausstellung zeigt auch die inhaltliche und künstlerische Konzeption für den unter dem Denkmal gelegenen Ort der Information, die vor kurzem vom Kuratorium der Stiftung beschlossen wurde. Dort sollen individuelle Lebensgeschichten der jüdischen Opfer und Familienschicksale aus ganz Europa exemplarisch dokumentiert sowie die Ausbreitung des Vernichtungsprozesses auf Europa dargestellt werden. Außerdem bietet der Ort Hinweise und Informationen zu den anderen Stätten des Gedenkens in Deutschland und Europa.

Die Verlesung und Dokumentation der Namen der Ermordeten im Ort der Information ist ein zentraler Bestandteil der Konzeption. Bei einem Besuch der Geschäftsführerin in Jerusalem vor wenigen Wochen wurden dazu inhaltliche und technische Details der Kooperation mit der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem vereinbart.

In einem Interview mit Sibylle Quack in der Süddeutschen Zeitung vom 27. 1. 2003 heißt es:

"SZ: Die Gestaltung des unterirdischen Informationsortes, den Eberhard Jäckel einen "Kenotaph" nannte, nimmt konkrete Züge an. Anfangs wurde diese Ergänzung als Sieg der Didaktik über die Kunst gewertet. Inzwischen warnen Kritiker eher vor einer Sakralisierung: die Stelen, die sich als Formelement fortsetzen, die pathetischen Namen, "Raum der Stille", "Raum der Schicksale" - das klingt nicht nach bloßer Information.

Quack: Der Bundestagsbeschluss sieht vor, dass der Ort der Information Wissen über die Opfer vermitteln und zugleich auf die authentischen Orte verweisen soll. Damit werden Denkmal und Ort der Information zu einem wichtigen Portal zuden anderen Gedenkstätten im In- und Ausland. Dass die Räume unter der Erde liegen, hat pragmatische Gründe: Oberirdisch hätte der Ort bei unserem Budget und in dieser Lage wohl erbärmlich ausgesehen und sich ästhetisch mit dem Eisenman-Denkmal kaum verbinden lassen. Dass die Gestalterin Dagmar von Wilcken im Ort der Information an die künstlerischen Elemente der Stelen anknüpft, zeigt den inneren Zusammenhang des Ensembles. Entscheidend sind die vermittelten Inhalte, die Information. Was die Namen der Räume angeht: So etwas setzt sich schnell fest. Mir klingen sie ein wenig weihevoll, inzwischen reden wir eher von Raum 1 oder Raum 2.

SZ: In einem Raum sollten die Namen der Opfer verlesen werden. Ist eine solche Inszenierung nicht die Fortsetzung - und Schwächung - der Wirkung des Eisenmanschen Denkmals?

Quack: Gerade in diesem Raum wird die Gestaltung äußerst zurückhaltend sein. In der Mitte stehen einige Bänke. Auf jede Wand wird ein Name projiziert, zu dem Informationen vorgelesen werden. Indem die Namen mit Informationen zur Person verbunden werden, handelt es sich nicht um eine religiöse Verlesung. Im Foyer stellen wir eine Datenbank der Gedenkstätte Yad Vashem zur Verfügung, die die größte Sammlung von Namen ermordeter Juden enthält. Sie kann von den Besuchern etwa danach durchsucht werden, welche Juden aus ihrem Heimatort deportiert wurden.

SZ: Sehr umstritten war der "Raum der Stille".

Quack: Ursprünglich sollten in diesem ersten Raum nur ganz wenige Grundinformationen sowie eine Bronzetafel an der Wand mit den Worten "In memoriam 6 Millionen" präsentiert werden. Wie es sich abzeichnet, wird nun im Eingangsfoyer der historische Kontext von 1933 bis 1945 skizziert, im Raum 1 selbst stehen Zitate aus Selbstzeugnissen von Opfern im Mittelpunkt. Der Ort der Information soll ja individualisieren, verdeutlichen, dass es um einzelne Menschen geht."

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