KLAK Delegiertenkonferenz in Israel
von Hans-Jürgen Müller und Alexander Deeg
Fotos von der KLAK
Delegiertenversammlung in Jerusalem
Auf ihrer letzten Delegiertenkonferenz hat die Konferenz
Landeskirchlicher Arbeitskreise Christen und Juden (KLAK) im Bereich der
EKD beschlossen, ihr jährliches Zusammentreffen im Januar 2004 statt
in Berlin in Jerusalem stattfinden zu lassen. Motiv für die Entscheidung
war, der Bevölkerung in Israel und in Palästina Solidarität
in einer Situation zu erweisen, in der die üblichen Touristenströme
ausbleiben. Es ging und geht uns darum, den vielfachen Lippenbekenntnissen
der kirchlichen Erklärungen Taten folgen zu lassen. Trotz der Tatsache,
dass die Delegierten die Mehrkosten aus eigener Tasche bezahlen mussten,
waren in Jerusalem nahezu alle landeskirchlichen Arbeitskreise vertreten,
36 Einzelpersonen aus 18 Landeskirchen.
Ein Ergebnis oder eine Bestätigung unserer Einschätzung
der Lage in Israel sei hier vorweggenommen: Reisen nach Israel sind möglich,
wünschenswert, verantwortbar und in jedem Falle eine große
Bereicherung für die eigene religiöse Identität und die
politische Beurteilung des Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern.
Wer Israel besucht, dort mit Menschen zusammentrifft und die Augen offen
hält, wird sehen und erleben, dass das durch die Medien vermittelte
Bild von Israel als hochexplosives Krisengebiet zumindest überzogen
ist.
Projekte und Experimente - eine andere Wahrnehmung der
Situation in Israel und Palästina
Gespräche mit Menschen in dem Land haben uns deutlich
gemacht, wie unterschiedlich wir von Europa aus den Konflikt zwischen
Israelis und Palästinensern im Vergleich zur Wahrnehmung durch die
Israelis selbst sehen. Durch unsere Medien erscheint Israel als der martialisch
gerüstete, Gewalt provozierende Goliath, die Palästinenser hingegen
als der schwache, der Willkür ausgelieferte David. In Israel werden
die Konfliktparteien in umgekehrter Weise wahrgenommen: Israelis sehen
sich mit ihrem kleinen Landstrich entlang des Mittelmeeres eher in der
Rolle des David, bedroht von großen arabischen Ländern, die
in der Regel keine demokratischen Strukturen kennen und zum Teil Gewalt
gegen Israel offen oder versteckt unterstützen. Als großes
Problem wird ebenso gesehen, dass auf palästinensischer Seite nur
unzureichend zuverlässige Gesprächspartner zur Verfügung
stehen. Während unseres Aufenthaltes konnten wir dies sehr direkt
erleben. Das Attentat auf den Stadtbus in Jerusalem am Donnerstagmorgen
verübte ein Polizist der palästinensischen Autonomiebehörde.
Erfrischend und für manche Debatte in Deutschland/Europa
wegweisend, waren sehr klare Worte des Länderbeauftragten der Konrad-Adenauer-Stiftung,
Dr. Johannes Gerster: Wer meint, er/sie müsse herumsuchen, wer an
dem Konflikt Schuld habe, mit dem brauche man nicht weiter diskutieren.
Solche Gespräche sind unfruchtbar und bringen für eine Lösung
des Konflikts gar nichts. Statt auf die Frage nach Schuld oder danach,
wer Recht habe, zu schauen, sei es wichtig den Blick auf das zu richten,
was an positiven Ansätzen da sei, z. B. darauf, dass untergeordnete
Delegationen von israelischer und palästinensischer Seite ihre Konsultationen
auch während der Intifada II fortgeführt haben, oder auf Projekte
wirtschaftlicher Zusammenarbeit, z.B. auf ein Projekt der Getränkeindustrie:
In Gaza wird der Inhalt produziert und in Flaschen gefüllt, die aus
Israel geliefert werden, anschließend geht das fertige Produkt wieder
nach Israel. Auf diesen Ebenen wird beiden deutlich, dass es eine Zukunft
nur mit dem anderen gibt. An diesen Punkten Einfluss zu nehmen, Hilfestellungen
zu geben, darin sieht Dr. Gerster eine Aufgabe seiner Tätigkeit in
Israel.
Ganz ähnlich, aber von einer theologisch-philosophischen
Sicht her, drückt das Pfarrer Jadallah Shehade aus, wenn er sagt:
"Das Glück des einen Volkes hängt vom Glück des anderen
Volkes ab." In unserem Programm stand selbstverständlich eine
Begegnung mit Christen in den besetzten Gebieten, eben bei Jadallah Shehade
in Beit Jala. Der Tag (Donnerstag, 29.1.) stand unter dem Zeichen des
Attentats auf den Stadtbus und der Trauer über die inzwischen 11
Toten und fast 50 verletzten Menschen. Wir spürten sogleich die Auswirkungen
des Attentats. Etwa eine dreiviertel Stunde nach dem Attentat konnten
wir mit unserem Bus den Checkpoint auf der Straße von Jerusalem
nach Bethlehem nicht mehr passieren. Die Ortskundigen unter uns konnten
die Gruppe über die vom Berliner Missionswerk unterhaltene Schule
Talitha Kumi dann doch noch nach Beit Jala führen. So sehr hier der
Terror einerseits, die militärische Besatzung andererseits präsent
wurden, so wichtig war dann auch erstens die nun fertige Abrahams - Herberge
zu sehen und zweitens von der Arbeit des Arab Educational Institute (AEI-Bethlehem)
zu hören. Wiederum rückte nicht die Klage über die nun
schon langanhaltende schwierige und angespannte Situation in den Mittelpunkt,
sondern das, was an zukunftsweisenden positiven Ansätzen von der
Gemeinde angesichts des Konflikts getan wird. Pfarrer Shehade erzählte
von seiner Arbeit mit Jugendlichen, wie die Gemeinde versucht, christliche
und muslimische Jugendliche von der Straße zu holen. So fand ein
Musik-Workshop 2003 statt, in dem christliche und muslimische Jugendliche
eine Woche lang zusammen waren und gemeinsam Musik machten. Am Ende dieser
Woche wurde ein Gottesdienst gefeiert, in dem die Jugendlichen vorstellen
konnten, was sie unter der Woche getan haben. Sie schmückten sich
mit einem Palmzweig (es war Palmsonntag), einer der muslimischen Jugendlichen
steckte sich auch solch einen Palmzweig an und meinte, dass er eben ein
christlicher Muslim' sei. Jadallah Shehade betonte, dass es nicht
darum ginge, aus Muslimen Christen zu machen, dass dieser Ausdruck des
Muslim aber ein Zeichen für gelingende Integration sei, die Unterschiede
nicht wegwische, aber durchaus das Gefühl der Einheit für gemeinsame
Aufgaben stärke. Abrahams - Herberge soll zukünftig der Ort
sein, wo derartige Begegnungen stattfinden können, möglichst
mit jüdischer Beteiligung. Letzteres ist allerdings zur Zeit eher
Wunsch als Realität. Die Delegation des Arab Educational Institute
stellte uns die Geschichte des Instituts vor, dessen Ziele und ein Projekt,
das in Kontakt mit israelischen Schulen entwickelt wurde. Das Projekt
sowie die gesamte Arbeit des Instituts ziele auf Friedenserziehung. Für
das Projekt mit dem Titel Gemeinsam im Heiligen Land leben unter
Anerkennung der Differenzen' wurden drei Unterrichtseinheiten entwickelt:
eine zu den drei abrahamitischen Religionen, eine zu dem Thema Barmherzigkeit
und Gerechtigkeit in den drei Religionen, eine zur Bedeutung des Landes
in den drei Religionen. Wieder ein Beispiel - hier nun von palästinensischer
Seite - für den Versuch, ein gedeihliches Zusammenleben anzustreben
und dafür auch konkret etwas zu tun. Dies immer wieder wahrzunehmen,
davon zu erzählen, bleibt Aufgabe, auch wenn wir bei unserer Rückkehr
von der anderen Realität des Konflikts eingeholt wurden. Wir mussten
Beit Jala überstürzt verlassen, weil bekannt wurde, dass der
Attentäter aus Bethlehem, in unmittelbarer Nähe zu Beit Jala
gekommen sei. Eine daher zu erwartende Ausgangssperre hätte uns unseren
Rückweg schwierig gemacht.
Wie unterschiedlich weite Teile der israelischen Bevölkerung
einerseits und Europäer (zumindest im Hauptstrom der Meinungen) andererseits
denken und fühlen, das konnten wir par excellence bei einer Besichtigung
der Mauer, des Zaunes oder Trennwalles, wie immer das Gebilde benannt
werden soll, erleben. Auf Wunsch einiger aus der Gruppe fuhr unser (israelischer)
Bus dorthin bzw. korrekter: machten sich Busfahrer und Reiseleiterin auf
die Suche nach der Mauer. Als wir sie bei Abu Dis erreichten, stiegen
wir aus und unter unserer Gruppe entbrannte eine emotional so heftige
Diskussion über den politischen Sinn der gewiss 8-10m hohen Mauer,
dass die Reiseleiterin uns schnell wieder in den Bus beorderte. Im Bus
machte sie deutlich, warum viele, auch links-stehende Israelis, für
den Bau der Mauer sind. Nach dem Anschlag, den wir einen Tag zuvor erlebt
hatten, war das Argument von dem Verlangen nach Sicherheit nicht einfach
abzutun. Freilich bleibt die Frage, ob diese notwendige, so sehr gewünschte
und zu wünschende Sicherheit mit dem Bau des Sicherheitszaunes wahrscheinlicher
wird oder ob dadurch politisch nicht ein größerer Scherbenhaufen
angerichtet wird.
Israels Politik: Die Intifada als alleiniges Thema
Am 27. Januar, in Deutschland seit 1996 Gedenktag für
die Opfer des Nationalsozialismus, jährte sich zum 59. Mal der Tag
der Befreiung von Auschwitz durch die US Armee. An diesem Tag besuchten
wir die Gedenkstätte Yad Vashem. Welche Rolle spielt der Holocaust
im öffentlichen Diskurs in Israel, so lautete eine unserer Fragen,
zu deren Beantwortung wir David Witzthum, den Chefkorrespondenten der
Israel Broadcasting Association für Auslandsberichterstattung, eingeladen
hatten. Er entfaltete zunächst, wie der Holocaust Ende der 70er/Anfang
der 80er Jahre in der Regierungszeit von Menachem Begin in den Mittelpunkt
der politischen Diskussion und gemeinsamen Erinnerung rückte, wie
sich die Einstellung zu ihm wandelte von einer nationalen Aufgabe hin
zu einem politischen Gegenstand, der als das Schicksal angesehen wurde,
das alle Juden eint. Spätestens ab dieser Zeit verlaufen die Bruchlinien
in der israelischen Gesellschaft nicht mehr zwischen links und rechts,
sondern zwischen Gruppen unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Linke
Intellektuelle waren z.B. bereit, mit dem Rechtspolitiker Begin aufgrund
dessen Einstellung zum Holocaust Übereinstimmung zu zeigen, alle
anderen Trennlinien zu ihm verschwanden dahinter. Mit der zweiten Intifada
entschwindet der Holocaust zunehmend ins Unterbewusstsein der Gesellschaft,
und die Intifada mit dem Terrorismus, dem Mauerbau und dem wieder neu
auflodernden Antisemitismus in Europa wird zum alles beherrschenden Thema.
Begleiterscheinung dieser absoluten Vorrangstellung eines einzigen innenpolitischen
Themas ist der Ausfall eines politischen Diskurses in Israel, eine politische
Linke, so Witzthum, sei von der politischen Landkarte in Israel verschwunden.
Scharon ist nicht greifbar, er vertritt hier linke Politik (Mauerbau,
Schaffung eines Palästinenserstaates), an anderer Stelle, besonders
im wirtschaftspolitischen Bereich, neoliberale Politik, wieder an anderen
Stellen erzkonservative Politik. Insgesamt zeichnete Witzthum ein sehr
düsteres Bild. Wo und wofür israelische Politik augenblicklich
stehe, darüber bestehe eine tiefe Ratlosigkeit, das bedeute dann
auch, dass die verschiedenen gesellschaftlichen Diskurse, wie Holocaust,
wie ethnische Trennlinien völlig lahmgelegt seien.
Die Bedeutung des Landes in den drei Religionen
Einen Studientag widmeten wir der Frage, welche Bedeutung
das Land in Judentum, Christentum und Islam hat. Hierzu waren Frau Dr.
Schwartz, Religionsphilosophin und Initiatorin des Programms "Religious
study as a forum of civil dialogue", Mohammed Khourani, Islamlehrer,
und Dr. George Khoury, Psychologe, melkitischer Priester und ehemaliger
Vorsitzender des christlichen Gerichts in Nazareth, eingeladen. Mit Textstudium,
Referat und Gespräch haben die Referenten/in versucht, ihre jeweilige
Position nahezubringen. Ohne auf die einzelnen Inhalte näher einzugehen,
erscheinen mir zwei Punkte erwähnenswert. In den hier entfalteten
Positionen wurden Ähnlichkeiten zwischen jüdischem und muslimischem
Konzept zu der Frage nach der Bedeutung des Landes deutlich, für
beide hat die Heiligkeit des Landes mit Abraham zu tun. Überraschend
war die Deutung einer muslimischen Quelle. Als Mohammed von den Engeln
eingeladen wurde, von Mekka nach Jerusalem zu reisen, trifft er sich dort
mit anderen Profeten, u.a. mit Isaak und Jesus, alle zusammen halten sie
ein interreligiöses Gebet. Sie stellen dabei fest, dass Jerusalem,
insbesondere der Platz um den Tempel, ein religiöser Ort für
alle ist, konkurrenzfrei. Dr. Khoury als christlicher Vertreter betonte,
dass in der christlichen Tradition der Mensch und die Menschenwürde
eine höhere Bedeutung habe als das Land. Bedeutsam erscheint mir,
dass Dr. Khoury als arabischer Christ davon reden konnte, dass Gott sein
Volk Israel erwählt habe und bleibend zu dieser Erwählung stehe.
Dr. Michael Krupp knüpfte bei der Vorstellung der
Israel Interfaith Association am Samstagabend noch einmal an diese Thematik
an, als er herausstellte, welch wichtige Rolle die Religion seiner Meinung
nach für den politischen Prozess spielt. Nur wenn sich die Auslegungstraditionen
durchsetzen, die in den jeweiligen Religionen die Versöhnungslinien
herausarbeiten, habe Frieden eine Chance. Die Hauptprobleme und Bruchlinien
liegen dabei zwischen Christen und Muslimen einerseits und zwischen Juden
und Christen andererseits. Die theologischen Probleme sind zwischen diesen
beiden Paaren z.T. gravierend, zwischen Juden und Christen kommt noch
der palästinensisch-israelische Konflikt hinzu.
Für die interreligiöse Arbeit wurde die Arbeit
durch die zweite Intifada erheblich erschwert. Für Palästinenser
ist die Einreise nach Israel oftmals nicht möglich, Israelis dürfen
umgekehrt nicht in die besetzten Gebiete, da für sie die Gefahren
in diesen Gebieten zu groß sind. Der interreligiöse Dialog
lebt heute in starkem Maße von Kontakten, die vor der Intifada entstanden
und die auch erhalten geblieben sind.
Besuche
Konrad-Adenauer-Stiftung
Ein Ereignis der besonderen Art war für die Delegiertenkonferenz
der Empfang bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion
zum Thema "Antisemitismus in Deutschland heute - eine israelische
und eine deutsche Sichtweise" wurden die Delegierten der KLAK eigens
vor einem Publikum von ca. 350 Personen begrüßt und dafür
gelobt, dass sie die Konferenz in Jerusalem abhalten. Auf diese Weise
wurde der Besuch und das Motiv des Besuches, den Menschen in Israel und
den besetzten Gebieten Solidarität zu zeigen, zumindest einer kleinen
Öffentlichkeit in Jerusalem bekannt gemacht. Die Diskussion selbst,
die in deutscher Sprache geführt wurde, blieb in eher bekannten Gleisen,
strittig war unter den Podiumsteilnehmern/in, ob klar und eindeutig benennbar
ist, wo Antisemitismus beginnt. Prof. Dr. Moshe Zimmermann bejahte dies,
während die anderen Vertreter/in (Rickleff Münnich, Hanna Lehming,
Dr. Michael Krupp) auf dem Podium mit einer klaren Antwort eher vorsichtig
waren. Eine hitzige Diskussion entbrannte unter den zum größten
Teil der deutschen Sprache mächtigen Teilnehmenden über die
Frage, inwiefern die israelische Politik mit verantwortlich gemacht werden
könne für einen neuen Antisemitismus bzw. ob dieser durch Kritik
an der Politik Israels geschürt werde.
Evang. Gemeinde in Jerusalem
Zu einem Gespräch mit dem Pfarrer für Pilger- und Touristenseelsorge,
Rüdiger Scholz, waren wir in den Gemeindesaal der Erlöserkirche
in der Jerusalemer Altstadt eingeladen worden. Rüdiger Scholz berichtete
von der aktuellen Tätigkeit, die bestimmt ist von den massiv zurückgegangenen
Reisen von Touristen nach Israel. Er stellte heraus, dass die Gemeinde
einerseits den arabischen Gemeindegliedern verpflichtet ist, andererseits
auch am jüdisch-christlichen Dialog festhält. So ist es ein
fester Programmpunkt im Gemeindeleben, einmal im Monat mit einem Rabbiner
am Sonntagnachmittag einen Abschnitt aus der Schrift zu studieren. Um
diesen Spagat weiterhin aufrecht erhalten zu können, ist es wichtig,
dass der Propst der EKD unterstellt bleibt und nicht dem Bischof der Evangelisch-Lutherischen
Kirche von Jordanien (ELCJ), wozu Jerusalem gehört. Unmittelbar vor
dem Rückflug am Sonntag besuchten die Delegierten den Gottesdienst
in der Erlöserkirche.
Haus Pax
Einige der Delegierten waren zu früherer Zeit selbst Freiwillige
von Aktion Sühnezeichen in Israel oder waren durch ihre frühere
Tätigkeit anderweitig mit Aktion Sühnezeichen verbunden. Das
legte einen Besuch in Haus Pax in der Rechov Engedi nahe. Sabine Lohmann,
die dortige Studienleiterin, empfing die etwa 10-köpfige Delegation
von uns und berichtete über die Struktur des Freiwilligendienstes.
Zur Zeit sind 15 Freiwillige in Israel. Zur Hälfte der Arbeitszeit
sind sie im sozialen Bereich tätig (Betreuung von alten Menschen,
Mitarbeit in Behinderteneinrichtungen), zur anderen Hälfte in Yad
Vashem oder vergleichbaren Instituten. Särkeres Gewicht will man
darauf legen, den Freiwilligen Kontakte zu Gleichaltrigen zu verschaffen.
So berichten sie z.B. vor oder nach dem Jom haShoa in Schulen von ihren
Motiven, in Israel zu arbeiten. Durch die Änderung des Zivildienstgesetzes
steht Aktion Sühnezeichen vor der Herausforderung, ein neues Freiwilligenprofil
zu erstellen.
Mit besonderer Spannung haben wir dann auf die Besichtigung
des fortgeschrittenen Rohbaus der Begegnungsstätte gewartet. Über
die inhaltliche Konzeption der Begegnungsstätte muss noch heftig
diskutiert werden. Ganz grundlegende Fragen müssen geklärt werden,
z.B. für wen das Haus sein soll: sicherlich für Begegnungen,
aber eben zwischen wem? Soll es in erster Linie für deutsche Gruppen
ein Haus sein? Oder ein Ort, in dem sich Palästinenser und Israelis
treffen können, welche Palästinenser, welche Israelis? Wie soll
es mit der Küche gehalten werden? (Koscher?)
Krankenhaus Shaare Zedek
Parallel zum Besuch von Haus Pax fuhr eine weitere kleine Gruppe zum Krankenhaus
Shaare Zedek, das vom Denkendorfer Kreis finanzielle Unterstützung
erhält. Das Krankenhaus wurde durch eine Deutsche Stiftung "Allgemeines
jüdisches Krankenhaus Schaare Zedek" im Jahr 1902 ins Leben
gerufen. In den Jahren seines Bestehens wurde es immer wieder erweitert
- und verfügt heute u.a. über eine weltweit anerkannte Herzstation
und über die wichtigste Notfallambulanz in Israel (die derzeit völlig
neu gebaut und erheblich erweitert wird). Dramatisch war, dass der renommierte
Leiter dieser Ambulanz im vergangenen September durch einen Terroranschlag
im Cafe Hillel ums Leben kam (zusammen mit seiner Tochter, die vor hatte,
am folgenden Tag zu heiraten). Für die Erweiterungen und Neubauten
ist Shaare Zedek auf Spenden angewiesen!
Besuch einer Modellschule in der Rechov Aqiba
Durch das Attentat auf den Bus am Donnerstag, bei dem der Hausmeister
dieser Schule ermordet wurde, musste der ursprünglich für Freitagvormittag
geplante Besuch auf Sonntagvormittag verschoben werden. Gleich im Eingangsbereich
finden wir zwei Todesanzeigen an der Pinnwand angeheftet, gegenüber
Texte und Bilder der Schülerinnen und Schüler. Der Schulleiter
erklärte uns, dass unmittelbar nach der Todesnachricht kein Unterricht
möglich war, dass man aber am Freitagmittag bewusst wieder versucht
hat, den Unterrichtsbetrieb aufzunehmen, um wieder zum Alltag zu gelangen.
Im Mittelpunkt der Schule in der Rechov Aqiba stehen die
Schülerinnen und Schüler, nicht der zu unterrichtende Stoff.
Sie sollen gerne in die Schule kommen und Eigeninitiative entwickeln.
Diesen beiden grundlegenden Zielen entspricht, dass die Schüler selbst
bestimmen, in welchem Tempo sie lernen und welche Inhalte für sie
wann wichtig sind. Die Schule umfasst alle Altersstufen: Kinder vom Kindergartenalter
an bis hin zu Jugendlichen, die ihr Abitur machen. Im Kindergartenbereich
gibt es z.B. die Möglichkeit, von einer Spielecke hin zu einer Ecke
zu wechseln, wo sie Mathematik lernen oder wo sie lesen und schreiben
lernen. So werden fließende Übergänge geschaffen, anstelle
von Noten gibt es ausformulierte Beurteilungen und Einschätzungen
der Lehrerinnen und Lehrer.
Zu diesem pädagogischen Konzept passt, dass die Schule
offen ist für behinderte Kinder. Autisten sind zunächst in einer
kleinen Gruppe, wo sie intensiv gefördert werden, um dann in normale'
Klassenverbände zu gehen.
Studium in Israel
Der neue Studienleiter von Studium in Israel, Andreas Wagner, ist zu uns
ins Hotel mit den in diesem Jahr in Jerusalem studierenden Absolventen
des Studienprogramms gekommen. Außer dass wir auf diese Weise die
Studierenden kennen lernten, haben wir eine sehr erfreuliche Nachricht
mit auf den Weg bekommen. Andreas Wagner arbeitet an einem Konzept für
ein ca. 3-4 Monate dauerndes Studium in Israel für Pfarrerinnen und
Pfarrer im Dienst. Ist das nicht die Gelegenheit, wenigstens einen Bruchteil
dessen nachzuholen, was manche/r noch nicht hat tun können?!
Der Bericht umfasst einige wichtige Stationen, hat zwangsläufig
auch viel weg gelassen: Z. B. Spaziergänge durch die Altstadt, Einkaufen
und das damit verbundene Feilschen in der Altstadt, die sehr gute Führung
durch das Jerusalem des 19. Jahrhunderts durch unsere ganz hervorragende
Reiseleiterin Anne Jarck, die vielen informellen Gespräche unter
den Delegierten, um nur einige weitere Punkte zu benennen.
Die Reise machte zahlreiche Begegnungen möglich, eröffnete neue
Sichtweisen und kann hoffentlich dazu helfen, dass wir als Teilnehmende
mit unseren nun frischen Erfahrungen das bei uns verzerrte Israelbild
zurechtrücken und ermutigen, in das Land zu reisen. Es kommt allen
zu Gute: den Reisenden, der jüdischen Bevölkerung, der palästinensischen
Bevölkerung!
Fotos von der
KLAK Delegiertenversammlung in Jerusalem
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