Es ist vollbracht
von Ricklef Münnich

Als Jesus in Mel Gibsons "Passion Christi" nach fast zwei Stunden endlich seine letzten Worte am Kreuz sagen darf: "Es ist vollbracht!", da stimme ich erleichtert ein. Eine Orgie des Schlagens und Geißelns, des Quälens und Folterns ist vorüber, eine Bilderflut ausgestanden, in der das Blut eines Menschen nur so fließt, sickert und spritzt.

Benommen verlasse ich nach der eigenen Tortur das Kino und frage mich, warum ich mir die Nahbetrachtung einer Tötung angetan habe. Damit ich filmisch so dicht am Leiden Jesu dran sein konnte, wie es historisch bei der wirklichen Passion Jesu niemand gewesen ist? Ja, das vermag Hollywood, und diese Leistung ist wahrlich nicht gering. Da wurde weder an Geld und Ausstattung gespart, noch an Tricks, betörender Musik und suggestiven Bildern. Hier geht's voll zur Sache.

Doch diese Sache heißt ausschließlich: Wie viele Schläge, wie viele Torturen hält ein Mensch eigentlich aus, bevor er seinen Geist aufgibt? Bei Gibson sind das schrecklich viele. Er scheint der Meinung zu sein, Jesus sei nur deshalb der Christus, weil er mehr zu leiden hatte und mehr Leiden auszuhalten vermochte als irgendein anderer Mensch. Deshalb zeigt er von kurzen, inhaltlich belanglosen Rückblenden abgesehen nichts vom Leben Jesu als die letzten zwölf Stunden. Diese aber malt er genüsslich aus, soweit es sich um das Aufreißen und Zerfetzen menschlicher Haut handelt. Als ob Gibson der Kraft seiner Folterbilder selber nicht traut, führt er vor, wie etwa eine Peitsche mit Widerhaken sich zuerst in einer Tischplatte festkrallt, bevor sie wieder und wieder auf Jesu Rücken sich auslässt. Im Neuen Testament steht dafür schlicht nur der eine Satz: "Da nahm Pilatus Jesus und ließ ihn geißeln."

Ach ja, Pilatus: Er wird gezeichnet als trotz römischer Besatzungsmacht eher ängstlich-unsicherer Mensch, der allein zu tun in der Lage ist, was die jüdischen Oberen von ihm verlangen. Obzwar diese die eigentlich Bösen sind - die Römer reduziert der Film auf tumbe Folterknechte - kann ich im Film keinen Antisemitismus finden. Allerdings sehr wohl eine religiöse Judenfeindschaft. Wenn nach Jesu Tod ein Erdbeben, der Bibel zuwider, einen tiefen Riss durch den ganzen jüdischen Tempel bis ins Allerheiligste hinein gehen lässt, dann vermittelt dieses Bild: Die jüdische Religion ist nun zerbrochen und am Ende. Diese Aussage ist falsch. In den letzten Jahrzehnten wurde sie im christlich-jüdischen Gespräch mühsam überwunden. Mel Gibson aber interessiert das nicht.

Er hat einen zutiefst mittelalterlichen, einen fundamentalistischen Film gedreht. Er will uns fälschlich glauben machen, es gäbe eine objektive Kraft des verströmenden Blutes Jesu, eine Höherwertigkeit seines Schmerzes gegenüber allen anderen Schmerzen und deshalb das Heil im Leiden und Sterben Jesu.

Dabei hat doch bereits Luther gelehrt: "Will ich meine Sünde vergeben haben, so darf ich nicht zum Kreuze laufen..., mich auch nicht an das Gedächtnis und die Erkenntnis des Leidens Christi halten... Ich muss mich vielmehr zum Sakrament oder Evangelium halten, da finde ich das Wort, das mir solche erworbene Vergebung am Kreuze austeilet, schenkt, darbietet und gibt... Ist das nicht klar genug?"

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