Antisemitismus unter Jugendlichen arabischer
Herkunft in Schweden
von Hannes Gamillscheg
Antisemitismus unter Jugendlichen arabischer Herkunft
ist an Schwedens Schulen ein wachsendes Problem. Verschlimmert werde es
durch das "fast völlige Schweigen, das diese Form des Judenhasses
umgibt", meint der Historiker Mikael Tossavainen in einem nun vorgestellten
Bericht.
"Wie Hitler die Juden behandelte, finde ich gut,
denn ich hasse Juden und wünsche, dass die Palästinenser alle
Juden töten werden", schrieb ein irakischer Junge in einem Aufsatz
über den Holocaust. "Tod den Juden, Tod den USA", jubelten
Jugendliche arabischer Herkunft in Stockholms Einwanderer-Vierteln nach
dem 11.September 2001. "Bist du Jude? Ich hasse Juden", fragte
ein Schüler einen Lehrer. Von einer Anzeige nahm der Pädagoge
Abstand - der Schulleiter hatte ihn unter Druck gesetzt. Nur unwillig
greifen Rektoren das Thema auf, stellt Tossavainen fest: "Sie sind
konfliktscheu und wollen vermeiden, dass ihre Schule einen schlechten
Ruf bekommt."
Im Auftrag des Komitees gegen Antisemitismus untersuchte
Tossavainen den "geleugneten Hass". Die judenfeindliche Haltung
gedeihe nicht mehr nur in rechtsradikalen Kreisen und sektiererischen
linken Gruppen, sondern vor allem "unter Arabern und Moslems".
Besonders unter Einwanderern aus Libanon, Syrien, Palästina und Irak.
Sie sei unter nicht-arabischen Moslems weit weniger verbreitet und komme
auch bei christlichen Arabern vor. Judenhass werde in arabischen Medien
verbreitet und "in den segregierten Vororten europäischer Großstädte"
fortgeführt, so Tossavainen. "Die Isolation in der neuen Heimat
und das Verweilen in der Kultur des Ursprungslandes durch Internet und
Satelliten-TV tragen zu wachsendem Antisemitismus auch in den Einwanderer-Vierteln
in Stockholm, Göteborg und Malmö bei."
So berichten Lehrer, dass arabische Schüler sich
weigern, über das Judentum oder Judenverfolgungen zu lernen. Sie
schwänzten oder sabotierten den Unterricht. Ihr Wissen hätten
sie sich hauptsächlich in Koranschulen angeeignet. Dort würden
Juden als Ungläubige bezeichnet, die in der Hölle schmoren sollen.
Der Holocaust werde teils geleugnet, teils gepriesen. Die Anschläge
vom 11. September 2001 würden wahlweise als jüdisches Komplott
bezeichnet oder als Heldentat begrüßt.
Auf Internetseiten werden alle feindlichen Stereotypen
über Juden verbreitet. Die Sicherheitspolizei registrierte im Vorjahr
131 antisemitische Straftaten, doch die Dunkelziffer liegt weit höher.
Sie reichen von Nazi-Schmierereien und Grabschändungen bis zu Telefonterror
und Todesdrohungen. Viele Juden wagten nicht mehr, jüdische Symbole
offen zu tragen. Doch im öffentlichen Diskurs sei das Problem tabu,
kritisiert Tossavainen: "Würden Neonazi-Gruppen diese Hetze
verbreiten, würden sie auf empörte Abweisung derselben Politiker
und Journalisten stoßen, die vor dem im Namen des Islam kolportierten
Judenhass die Augen schließen."
Es sei inakzeptabel, wenn Frustration über die Lage
in Nahost an Schwedens Juden abreagiert werde, meint Sverker Oredsson,
Vorsitzender des Komitees gegen Antisemitismus. Das Schweigen erweise
den arabischen Einwanderern zudem einen schlechten Dienst, findet Tossavainen:
"Wenn man ihnen nicht klar macht, dass die schwedische Gesellschaft
Judenhetze nicht akzeptiert, erschwert man nur ihre Integration."
Frankfurter Rundschau, 22.10.2003
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