Es muss Hoffnung geben
Kann die USA helfen, was tun die Europäer, wer trägt die Verantwortung, wer macht den ersten Schritt - ein Briefwechsel zum Nahost-Konflikt
Ist der israelisch-palästinensische Konflikt unlösbar?

Diese Frage debattieren der Politik-Professor William Quandt und der Journalist Zeev Schiff in ihrem Briefwechsel. Monika Jung-Mounib, freie Journalistin in Männedorf in der Schweiz, hat den Gedankenaustausch initiiert, betreut und übersetzt.

10. Januar 2004
Lieber Zeev,
im Nahen Osten passiert zurzeit sehr viel. Ghaddafi verzichtet auf Atomwaffen, Assad bittet um Friedensgespräche, Iran erlaubt die Inspektion seiner Nukleareinrichtungen. Und vielleicht geht es in Irak bald bergauf. Aber im israelisch-palästinensischen Konflikt scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.

Ich glaube, dass ein Teil des Problems bei der Führung der israelischen Regierung - oder gerade dem Fehlen einer Führung - liegt. Ariel Scharon mag von einem palästinensischen Staat als Endergebnis sprechen und dazu bereit sein, ein paar Siedlungen zu räumen. Aber die Tatsachen auf dem Boden zeigen mir, dass er einen Frieden mit den Palästinensern nicht für möglich hält. Darum investiert er weiterhin in die Infrastruktur der Siedlungen und erlaubt ihr "natürliches Wachstum". Und darum setzt er den Bau der Sperrmauer fort, die, einmal vollendet, eine de facto "Grenze" zwischen Israel und einem Mini-Palästina darstellen wird.

Du kennst Scharon gut, und die Sicherheitsbedürfnisse Israels kennt niemand besser als Du. Ist es nicht an der Zeit für einen Israeli, einen Schritt nach vorne zu wagen - und das nicht nur für Beilin (Yossi Beilin war Justizminister in der Regierung Barak und ist einer der Initiatoren des Genfer Abkommens, die Redaktion) und Ayalon (Ami Ayalon war von 1996 bis 2000 Leiter des israelischen Geheimdienstes Shin Bet und ist Autor des Ayalon-Nusseibeh-Vorschlags, der einen kompletten israelischen Rückzug aus den besetzten Gebieten vorsieht, d. Red.) und jene, die nicht an der Macht sind - und zu sagen, dass sich die Sicherheit Israels verbessert hat und weiter verbessert werden könnte, wenn mit Syrien und den Palästinensern Frieden gemacht würde. Und dass Israel deshalb bereit wäre, den Palästinensern Vorschläge wie Ende 2000 zu machen? Dann säßen die Palästinenser in der Klemme. Wenn sie es nicht schaffen, ihre Hardliner zu zügeln und sich auf ein gemäßigtes Programm zu einigen, riskieren sie, alle Unterstützung zu verlieren. Wenn sie Vorschläge wie die von Ende 2000 akzeptieren, dann könnten Verhandlungen stattfinden und Ihr hättet Einfluss in Euren Gesprächen mit Syrien.

Das alles erscheint mir so klar. Aber wenn Scharon tatsächlich einen Großteil des Westjordanlandes und die meisten Siedlungen behalten will, dann verschwenden wir Zeit zu denken, dass ein israelisch-palästinensischer Frieden überhaupt möglich ist.

Alles Gute, Bill Quandt

21. Januar 2004
Lieber Bill,
in meinen Augen stellen die regionalen Führungen das Problem dar. Du erwähnst Assad und Ghaddafi, die sich plötzlich nach vorne bewegen. Du erteilst Ministerpräsident Scharon die Ehre und erwähnst ihn dreimal, das allerdings negativ. Ich war überrascht, dass Du den palästinensischen Führer Yassir Arafat nicht erwähnt hast, obwohl Washington und Israel jeden Kontakt mit ihm ablehnen. Aus ihrer Sicht tut er nichts, um terroristische Angriffe zu vereiteln. Das Aufrechterhalten des Konflikts muss in großem Maße Arafat zugeschrieben werden, und das nicht weniger als Scharon.
Ich habe Vorbehalte gegen Scharons Politik als Ministerpräsident. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Arafat seit den Oslo-Abkommen fünf israelischen Ministerpräsidenten gegenübergestanden hat. Gegen jeden von ihnen hatte er Einwände. Barak wurde dafür verantwortlich gemacht, die Camp-David-Konferenz untergraben zu haben. Netanjahus Amtszeit war von einer Welle palästinensischer Gewalt geplagt, die viele Leben auf beiden Seiten forderte. Während der Amtszeit Rabins, den Arafat als Partner im "Frieden der Tapferen" bezeichnet hat, kam es zu 36 Selbstmordattentaten in Israel. Zu dieser Zeit fanden die ersten großen Waffenschmuggel in die palästinensischen Gebiete statt. Trotz alledem überwies Rabin zeitweilig keine Regierungsgelder mehr an die Siedlungen. Terroristische Anschläge innerhalb der israelischen Grenzen hörten unter keinem der früheren Premierminister auf.

Ich kann daher keineswegs alle Kritik auf einen israelischen Führer allein konzentrieren und Arafat aus seiner Verantwortung entlassen. Washington und die Partner der "Road Map" haben Arafat aufgefordert, Reformen in der palästinensischen Autonomiebehörde zu verwirklichen. Er sollte unter anderem die Anzahl der palästinensischen Sicherheitsorganisationen verringern und dem palästinensischen Ministerpräsidenten die Kontrolle über sie übertragen. Monate sind vergangen und nichts ist passiert. Bis zum heutigen Tag. Die Verantwortung für den verfahrenen Konflikt und die terroristischen Angriffe liegt nicht allein auf den Schultern eines Führers.

Alles Gute, Zeev Schiff

22. Januar 2004
Lieber Zeev,
es stimmt, dass Arafat einige, eventuell sogar viel Verantwortung für die Sackgasse im israelisch-palästinensischen Konflikt trägt. In den vergangenen Jahren hat er Entscheidungen getroffen, für die sein Volk teuer gezahlt hat. Aber ich sehe in ihm nicht mehr das Haupthindernis für eine Lösung - er scheint isoliert und zu schwach zu sein, um die eigenen Extremisten zu zügeln. Und im Moment scheint er das gar nicht zu wollen. Sollte also der Friedensprozess wegen Arafat aufgegeben werden? Nein.

Ich glaube, dass von einem israelischen Führer, der einem gut funktionierenden Staat vorsteht, der gewählt worden ist und der über echte Instrumente der Kontrolle verfügt, erwartet werden kann, mehr zu tun als von einer kampfbereiten, marginalisierten palästinensischen Figur aus der Vergangenheit. Darum habe ich mich auf Scharon konzentriert. Er hat mehr Optionen als Arafat.

Lass uns annehmen, dass Arafat morgen tot umfällt und Abu Ala der Vorsitzende der palästinensischen Autonomiebehörde wird. Oder nimm jemanden wie Jibril Rajub, Mohammed Dahlan, Abu Mazen, Marwan Barghuti (Jibril Rajub ist nationaler Sicherheitsberater der palästinensischen Autonomiebehörde; Mohammed Dahlan ist palästinensischer Sicherheitsminister; Abu Mazen war im Frühjahr 2003 palästinensischer Premierminister; Marwan Barghuti ist der prominenteste Anführer der Intifada und zurzeit in Israel inhaftiert, d. Red.). Es ist schwierig sich vorzustellen, dass alle palästinensischen Angriffe auf Israel plötzlich aufhören würden. Ebenso kann ich mir kaum vorstellen, dass ein neuer palästinensischer Führer ganz unerwartet mit Scharons Vision des Friedens übereinstimmen würde. Der Konflikt würde sehr wahrscheinlich weitergehen.

Obwohl ich nicht immer mit Tom Friedman (Thomas Friedman ist Kolumnist der New York Times, d. Red.) übereinstimme, finde ich, dass er im Kern Recht hatte, als er sagte, die Israelis sollten sich einfach aus den besetzten Territorien zurückziehen. Wenn möglich mit einem Abkommen, und wenn nicht möglich, dann ohne eines. Ich weiß, das wird nicht passieren. Ich weiß auch, es wäre besser, ein Abkommen zu haben. Aber ich sehe nicht, dass Scharon irgendetwas unternimmt, um ein ausgehandeltes Abkommen zu ermöglichen. Darum mache ich ihn in erster Linie für die gegenwärtige Sackgasse verantwortlich. Nicht für alles. Auch Arafat trägt Verantwortung. Doch wenn die aktuelle Dynamik verändert werden soll, dann gibt es fast nichts, was Arafat tun könnte. Das Gleiche kann man nicht über Scharon sagen.

Er könnte der Sache ein neues Gesicht geben, sowohl mit den Palästinensern als auch den Syriern. Er wird das vermutlich nicht tun, weil ihm der Preis dafür zu hoch ist - der Rückzug von den Golanhöhen und aus dem Westjordanland. Vielleicht wird man sich eines Tages - aber nicht in der nahen Zukunft - ein anderes Friedensabkommen vorstellen können. Scharon weiß das. Er hat das über die Golanhöhen gesagt. Er will den Preis nicht zahlen. Das bedeutet gar kein Abkommen.

Alles Gute, Bill Quandt

25. Januar 2004
Lieber Bill,
Israel ist mit einem Problem konfrontiert, das andere Länder so nicht kennen. Wie soll Israel Deiner Meinung nach mit dieser Zwangslage fertig werden? Ich meine aber nicht die verallgemeinernden Slogans einiger Kommentatoren. Ich spreche vom Selbstmordterrorismus, der die israelischen Bürger belastet. Die Wahl Scharons zum Ministerpräsidenten ist mit diesen terroristischen Akten zu erklären. Es ist dieser Terrorismus, der das israelische Friedenslager aufgerüttelt und fast zerstört hat.

Mehr als 900 Israelis sind diesen terroristischen Anschlägen zum Opfer gefallen. In diesem Krieg hat Israel mehr Tote erlitten als im Sechs-Tage-Krieg, als es gegen drei arabische Armeen kämpfte. Unter den Palästinensern sind auch viele unschuldige Menschen ums Leben gekommen, aber Israel hat niemanden ausgesandt, um Autobusse, Einkaufszentren und Restaurants in die Luft zu jagen. Die Selbstmordterroristen in Israel betrachten es als ihre Mission, Schulkinder und Cafébesucher umzubringen.

Im Großen und Ganzen sind die Selbstmordanschläge nicht gegen die Siedlungen in den besetzten Gebieten oder gegen israelische Armeeeinheiten gerichtet. Die terroristischen Anstrengungen zielen nur auf die israelischen Bevölkerungszentren innerhalb der Grenzen von 1967. Bei etwa 60 Prozent der israelischen Opfer handelt es sich um Zivilisten. Diese "Heldentaten" sollten nicht als verzweifelte Akte schikanierter Individuen gesehen werden. Selbstmordterrorismus ist eine Strategie, die von religiösen Obrigkeiten geduldet, von externen Geldgebern (wie die finanzielle Unterstützung für die Familien von Terroristen durch Saddam Hussein) unterstützt und in Lobliedern gepriesen wird. Mehr und mehr externe Kräfte wie Hisbollah-Mitglieder, iranische Geheimdienstagenturen und Al-Qaeda-Mitglieder sind in den anti-israelischen Terrorismus verwickelt.

Dieses Phänomen konfrontiert Israel mit einem Dilemma. Es hat fast alle Taktiken ausprobiert: Besetzung der Gebiete und Einführung von Streitkräften in palästinensische Städte im Westjordanland; selektives Zielen auf Individuen und auf palästinensische Führer, die laut Beweise in solche Aktionen verwickelt sind; die Verhängung ausgedehnter Schließungen, die palästinensische Arbeitsbeschäftigung in Israel unmöglich gemacht hat. Umgekehrt sind Stimmen laut geworden, die Erleichterungen für die palästinensische Bevölkerung fordern, damit sie sich von den terroristischen Organisationen löst.

Alle Selbstmordattentäter sind aus dem Westjordanland gekommen, wogegen Angreifer aus dem Gaza-Streifen es nicht geschafft haben, israelischen Boden zu betreten. Der Grund ist, dass der Gaza-Streifen umzäunt ist. Der Zaun ist hauptsächlich auf israelischem Territorium gebaut, und sein Erfolg hat der Idee einer Trennung vom Westjordanland Auftrieb gegeben. Diese Idee kam von linken Gruppen in Israel. Die Siedler waren dagegen. Sie überzeugten die Regierung davon, die Sperrmauer entlang einer Linie zu bauen, die an bestimmten Stellen auf palästinensisches Territorium übergreift. Solange der Terrorismus fortwährt, sind die Chancen auf Verhandlungen und eine Lösung des Konflikts extrem dünn. Das Ende der Anschläge ist auch eine Bedingung der "Road Map".

Alles Gute, Zeev Schiff

26. Januar 2004
Lieber Zeev,
sicher sind die Selbstmordanschläge ein Problem für Israel und haben eine Wirkung auf die israelische Politik und Gesellschaft. Sicher hat Israel - ohne Erfolg - fast alle möglichen Antworten ausprobiert. Darum sagst Du also: Warum nicht eine Sperrmauer?

Kaum jemand fechtet Israels Recht an, eine Sperranlage - eine Mauer, einen Zaun, was auch immer - auf seinem Territorium zu bauen. Wer hat viel Wirbel um die Mauer um Gaza gemacht? Das Problem entsteht, wenn die Mauer tief in das palästinensische Territorium eindringt - wie um Qualquilia oder Jerusalem herum. Wollte Israel eine Barriere auf der östlichen Seite des Westjordanlandes bauen, wäre das zu problematisch. Aber natürlich kann die Sperrmauer wegen der Siedlungen nicht auf israelischem Land gebaut werden. Um Siedlungen wie Ariel zu schützen, muss sie tief ins Westjordanland eindringen.

Momentan unterstützen die meisten Palästinenser die Selbstmordattentäter nicht aktiv, aber sie lassen sie gewähren. Dadurch können die Radikalen viel Einfluss ausüben, zumal die Autorität der palästinensischen Autonomiebehörde geschwächt ist. Die Herausforderung für Israel besteht darin - außer sich wirksam zu verteidigen -, ein Klima zu schaffen, in dem die Palästinenser gegen ihre Extremisten aufbegehren. Wie könnte es dazu kommen?

Es muss Hoffnung geben, dass sich eine Mäßigung lohnt. Scharon oder sein Nachfolger muss eine plausible Vision einer Zukunft zweier Staaten anbieten, die Seite an Seite leben. Heute existiert keine solche Vision. Die Saudis erwägen eine Initiative, laut der alle arabischen Staaten Israel innerhalb der Grenzen von 1967 anerkennen und die Verantwortung für eine Lösung der Ansprüche der palästinensischen Flüchtlinge übernehmen - kein Rückkehrrecht nach Israel! Was, wenn Scharon sofort alle wichtigen arabischen Führer nach Israel einladen würde, um über diesen Plan zu diskutieren. Er könnte sagen, dass er die groben Züge des Plans nicht von vornherein ausschließen, sondern sie im Detail mit ihnen und mit glaubwürdigen palästinensischen Führern besprechen wolle. Das könnte eine enorme Wirkung haben. Natürlich würden die radikalen Palästinenser protestieren, aber sie würden zunehmend an den Rand gedrängt werden.

Das wird nicht passieren, weil Scharon das Westjordanland nicht aufgeben will. Und vielleicht werden die Araber doch nicht mit ihrem Vorschlag kommen. Trotzdem denke ich, dass Israel sich besser verteidigen könnte, wenn eine politische Strategie das militärisch-defensive Vorgehen ergänzen würde. Im Moment gibt es das nicht.

Könnten die USA helfen? Ich denke wohl. Wir haben eine beträchtliche Schlagkraft bei den Regimen der arabischen Welt. Wir könnten eine neue Friedensinitiative formulieren, die sich an der des Kronprinzen Abdullah orientiert. Aber Präsident Bush wird sich nicht darum bemühen, solange Scharon nicht dazu bereit ist.

Abd al-Aziz Rantissi (Sprecher der radikalen Hamas-Bewegung, d. Red.) hat von einer zehnjährigen Waffenruhe gesprochen, wenn Israel sich auf die Grenzen von 1967 zurückziehen würde. Gut, eine Waffenruhe ist kein Frieden, aber es könnte ein Riesenschritt sein, um der Gewalt die Legitimation zu nehmen, sofern Hamas damit einverstanden wäre. Und in zehn Jahren kann sich viel ändern. Wichtig ist, dass Israel seine gegenwärtige Strategie durch die Bereitschaft ergänzt, ein Abkommen mit den Palästinensern und der arabischen Welt auszuhandeln, das auf den Grenzen von 1967 basiert. Es könnte der Anfang eines Prozesses sein, der die Extremisten an den Rand drängt. Das ist entscheidend, wenn es jemals Frieden geben soll.

Alles Gute, Bill Quandt

28. Januar 2004
Lieber Bill,
vielen Deiner Vorschläge stimme ich zu. Die arabischen Staaten - vor allem Ägypten, Saudi-Arabien und Jordanien - können eine wichtige Rolle im Friedensprozess spielen. Jeder, der Stabilität im Nahen Osten schätzt, kann das nicht Arafat und Scharon überlassen. Der gewaltsame Konflikt kann irgendwann auf die Nachbarstaaten übergreifen. Der saudische Vorschlag ist darum eine gute Grundlage für Verhandlungen. Es ist bedauerlich, dass Scharon das Verhandlungsangebot Assads ausgeschlagen hat. Israels Sicherheit kann zunächst besser durch regionale Abkommen als durch bilaterale garantiert werden. Für ein regionales Sicherheitsabkommen sind sowohl die Teilnahme der arabischen Staaten wie auch die Präsenz der Europäer erforderlich. Die USA spielen eine zentrale Rolle im Nahen Osten, aber wie wir bei den Verhandlungen über die nukleare Abrüstung mit Iran und Libyen als auch in den Gesprächen zwischen Israel und der Hisbollah über Gefangenenaustausche gesehen haben - wir brauchen auch die Europäer.

Ich möchte einige Prinzipien für die Zukunft hervorheben. Ich habe nie bezweifelt, dass Israel einen Verhandlungspartner auf der palästinensischen Seite hat. Die Frage für mich ist immer gewesen, ob der palästinensische Partner die verschiedenen Versprechen und Abkommen verwirklichen kann. Trotz der Brisanz des Themas Jerusalem bin ich mir sicher, dass es eine Lösung gibt, bei der Jerusalem zwei Hauptstädte für zwei Völker beherbergen kann und die die Interessen jeder Seite an den heiligen Stätten berücksichtigt. Ich denke aber nicht, dass eine israelische Regierung jemals palästinensische Flüchtlinge innerhalb ihrer Grenzen akzeptieren oder die alleinige israelische Verantwortung für die Schaffung des Flüchtlingsproblems anerkennen würde. Ich kann nicht verstehen, warum ein neuer Staat gebildet wird und zugleich seine Bewohner in ein anderes Land wie Israel schickt. Dieses Problem kann nur durch internationale Kooperation mit Israel und den arabischen Staaten gelöst werden.

Der palästinensische Staat sollte zum großen Teil auf dem Territorium geschaffen werden, das von Jordanien 1967 im Sechs-Tage-Krieg eingenommen wurde. Das heißt, die meisten der israelischen Siedlungen müssen verlassen werden. Die Siedlungen, die auf dem palästinensischen Territorium bestehen bleiben, werden einen ähnlichen Status wie die arabischen Siedlungen in Israel erhalten. Die von Israel annektierten Siedlungen werden durch den Transfer israelischen Territoriums unter palästinensische Kontrolle kompensiert werden. Der Sicherheitszaun soll abgerissen werden, wenn es ein Friedensabkommen gibt. Die Trennung der israelischen und palästinensischen Bevölkerung darf aber keine künstliche Trennung sein. Wasserquellen gehorchen weder Zäunen noch Grenzen. Es ist notwendig, das Feuer des Terrorismus auszulöschen und pragmatische Kräfte der Hamas in den Friedensprozess einzuschließen. Ein Resultat der gewaltsamen Ereignisse nach den Oslo-Abkommen ist in Israel die Einsicht, dass die darin enthaltenen Sicherheitsmaßnahmen beibehalten werden sollten. Nur allmählich, wenn im Friedensprozess Fortschritte gemacht werden, können sie beseitigt werden.

Alles Gute, Zeev Schiff

William Quandt war unter den US-Präsidenten Richard Nixon und Jimmy Carter Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates der USA und hat als Nahostexperte an den Verhandlungen über das Camp- David-Abkommen unter Carter teilgenommen. Heute ist er Professor am "Woodrow Wilson Department of Politics" an der Universität von Virginia in Charlottesville.

Zeev Schiff ist Journalist. Er war unter anderem neun Jahre lang Vorstandsmitglied des "Institute of International and Strategic Studies" in London und Research Fellow am "Carnegie Endowment Center" in den USA. Kürzlich ist er von Israels Präsident Ariel Scharon für einmalige Leistungen ausgezeichnet worden.

Frankfurter Rundschau, 23.02.2004

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