Felder und Weiden in Wüsten
Eindämmung des Hungers in Trockengebieten
von Udo Nessler

Wir blicken auf einen Jahrhundertsommer zurück mit sehr viel Sonne und wenig Regen. Die Pegelstände unserer Flüsse sind extrem niedrig. Was bei uns noch die Ausnahme ist, bereitet den Trockengebieten unserer Erde ein Riesenproblem: Wassermangel!

Wüsten - weite Strecken öden, windverwehten Bodens unter drückender Hitze - bedecken rund ein Drittel der Erdoberfläche. Rund ein Siebtel der Erdbevölkerung ( 900 Millionen Menschen in 100 Ländern) lebt in solchen Wüsten- bzw. ariden Zonen, nicht selten unter dem Existenzminimum.

Eines der akutesten Probleme für die Menschheit ist heute das Vordringen der Wüste. Riesige Flächen von fast 6 Millionen Hektar verwandeln sich jedes Jahr in Wüste; sie erodieren und werden unfruchtbar.

Mit diesem Kampf gegen die Desertifikation ist Israel nur allzu vertraut. Er ist, um mit David Ben-Gurion, dem Gründer des Staates Israel zu sprechen, "eine Gelegenheit für den Menschen, sich an der Schöpfung zu beteiligen!" Indem er sich im Kibbuz Sde Boker niederließ, erhob Ben-Gurion die Besiedlung des Negevs - er umfasst 60% der Bodenfläche des Landes - zur nationalen Herausforderung.

Vor mehr als 3000 Jahren wurde die heutige Negev-Wüste mehrere Jahrhunderte lang intensiv landwirtschaftlich genutzt. Die Blütezeit erlebte die Region in der Antike vorwiegend unter den Nabatäern, einem südarabischen Nomadenstamm, die von ihrer legendären Hauptstadt Petra in Jordanien aus den Handel bis in den Mittelmeerraum hinein kontrollierten. Sie entwickelten ein perfektes System zur Nutzung des spärlichen Oberflächenwassers zu Bewässerungszwecken.

Untersuchungen und Ausgrabungsarbeiten an alten Bewässerungssystemen und der 1960 versuchsweise Wiederaufbau und Betrieb von zwei Farmeinheiten in Shivta und Avdat haben gezeigt, dass die alte Technik bei geeigneter Anpassung an die heutigen Gegebenheiten mit Erfolg für die moderne Landwirtschaft in den ariden Zonen eingesetzt werden kann.

In Zusammenarbeit mit dem Initiator der Wüstenlandwirtschaft, Prof. Dr. Michael Evenari von der Hebräischen Universität Jerusalem, beteiligten sich 1971 beim Bau der Versuchsfarm Wadi Maschasch auch kirchliche Organisationen wie "Brot für die Welt", "Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz" und die "Evangelische Kirche in Hessen und Nassau". Das Ziel war dabei, als Ausbildungs- und Demonstrationszentrum für die Übertragbarkeit der Oberflächenwassernutzung zu dienen.

Das Tiefland, in dem die Wadi-Maschasch-Farm liegt, ist eine wellige Ebene mit niedrigen Hügelketten. Seine zahlreichen Trockenflusstäler haben ihren Ursprung auf der zentralen Hochebene. In den Tälern haben die Winde in Millionen von Jahren feinen Lößstaub angeweht. Wenn es regnet, dann läuft das Wasser von den Bergen ab. Für wenige Stunden entstehen dann reißende Flüsse. Die antike Landwirtschaft beruhte ausschließlich auf der Ausnutzung dieses Oberflächenwassers. Es wurde bereits an den Hängen in Kanäle geleitet und den terrassierten landwirtschaftlichen Flächen im Tal zugeführt. Es ist eine extensive Form der Landwirtschaft. Die Anbaufläche steht zum Wassereinzugsgebiet in einem Verhältnis 1 : 20 bis 1 : 30. Damit erhalten die angebauten Pflanzen und Bäume ein Wasseräquivalent von ca. 500 - 600 mm pro Jahr bei Niederschlagswerten von etwa 100 mm. Also eine ausreichende Wassermenge, die bei dem fruchtbaren Lößboden Oliven, Mandeln, Pistazien, Pfirsiche, Weintrauben, Johannisbrot, Feigen und Granatäpfel gedeihen lässt, aber auch Weizen, Gerste, Weidepflanzen und Eukalyptusbäume als Feuerholz.

Viele interessierte Agrarexperten, die in den ariden Zonen arbeiten, haben die Negev-Farmen besucht. Immer klarer wird die Bedeutung der Wüstenlandwirtschaft für die Trockenzonen unserer Erde. Mit geringen Investitionen unter Ausnutzung der vorhandenen Regenfälle kann ein ganz entscheidender Beitrag für gesicherte und ertragreiche Existenzgrundlagen geleistet werden. Beispiele dafür gibt es in der gesamten Sahelzone, in Ostafrika und in Asien, wie z.B. in China. Die Bundesregierung unterstützte seit 1988 im Rahmen des "Integrierten Chinesisch-Deutschen Ernährungssicherungsprogramms Shandong" die Anstrengungen der chinesischen Regierung zur Überwindung ländlicher Armut. Das Projektgebiet umfasst 18700 Quadratkilometer. Rund 1,5 Millionen Menschen sind direkte Nutznießer. Hauptziel des Programms ist die langfristige Versorgung armer Dorfbewohner und ihrer Tiere mit ausreichend sauberem Trinkwasser sowie die Verbesserung ihrer Lebens- und Produktionsgrundlagen durch Regulierung kleiner Flusseinzugsgebiete, ökologisch angepasster Bewässerung und Ausbau der Infrastruktur.

Es ist der Erweis erbracht, dass ein bescheidenes, aber von Hunger freies Leben mit der antiken Methode der Wüstenlandwirtschaft möglich ist.

Udo Nessler gehörte der Projektleitung Wadi Maschasch, der Versuchsfarm für Wüstenlandwirtschaft an, und war für den Transfer der Methode in andere Trockenzonen zuständig.

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Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau
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