Ehemaliger Oberrabbiner fordert
Auflösung des rabbinischen Monopols bei Eheschließungen
Auf einer Rabbinerkonferenz hat der ehemalige orientalische
Oberrabbiner Elijahu Bakschi Doron für gewissen Aufruhr gesorgt,
als er in seiner Rede die Aufhebung des orthodoxen Monopols bei Eheschließungen
forderte. Das Monopol erzeuge Hassgefühle bei großen Teilen
der Bevölkerung gegen das orthodoxe Rabbinat und verfehle seine Wirkung,
indem 20 Prozent der israelischen Paare es vorzögen, eine zivile
Eheschließung im Ausland einzugehen. In Israel gibt es kein ziviles
Standesamt. Alle Familienangelegenheiten unterliegen den religiösen
Gerichtshöfen, die nach religiösen Kriterien entscheiden. Michael
Krupp
Die meisten jüdischen Israelis
wollen keine arabischen Israelis im Land
Die meisten jüdischen Israelis befürworten eine
Vertreibung der israelischen Araber. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage
unter 1016 Israelis des "Haifa Universitätszentrums zur Erforschung
der nationalen Sicherheit", die im Juni veröffentlicht wurde.
63 Prozent der jüdischen Israelis sind der Meinung, dass die Regierung
eine Auswanderung des arabischen Bevölkerungteils fördern sollte.
48 Prozent glauben, die Regierung behandle die Araber zu gut. 55 Prozent
halten die Araber für ein Sicherheitsrisiko im Staat. Nur noch gegenüber
Gastarbeitern ist die Meinung der Israelis noch negativer. 72 Prozent
sind für Restriktionen und 54 Prozent machen die Gastarbeiter für
die Arbeitslosigkeit und die schlechte wirtschaftliche Situation in Israel
verantwortlich.
Von den knapp 7 Millionen Israelis sind 20 Prozent Araber.
Die Zahl der Gastarbeiter wird auf 200.000 bis 300.000 geschätzt,
die Mehrzahl davon hält sich illegal in Israel auf. Die Radikalisierung
der Bevölkerung führen die Statistiker auf die anhaltenden feindlichen
Auseinandersetzung mit den Palästinensern zurück.
Eine Gruppe von Siedlerrabbinern hat inzwischen erklärt:
"Keinem Zivilisten, keinem Polizisten und Soldaten ist es erlaubt,
sich an der Räumung (jüdischer) Siedlungen (in der Westbank)
zu beteiligen." Zu der Gruppe der Rabbiner gehört der Vorsitzende
der Siedlerrabbiner-Konzils, Dov Lior, sowie die Rabbiner einzelner Siedlungen
Zalman Melamed, Eljakim levanon und Mordechai Rabbinowich. Alle sind für
ihre nationalistischen Ideen bekannt. Gegen den Rabbinerbeschluss hat
sich der Vorsitzende des Parlamentausschusses für Auswärtiges
und Verteidigung, der Likudabgeordnete Juval Steinnitz, in aller Schärfe
gewandt.
"Israel ist eine demokratisches Land", sagte
Steinitz im Radio, "Es gibt genügend Raum für Proteste,
Demonstrationen und Artikel, seine Meinung zum Ausdruck zu bringen. Aber
es gibt keinen Raum für Aufforderungen zum Aufstand oder zum Bruch
rechtlicher Verordnungen der Regierung, auch wenn sie deinen eigenen Prinzipien
widersprechen - weder auf der Rechten noch auf der Linken."
Der ehemalige Oberrabbiner, Abraham Schapira, hat unter
zu Hilfenahme des Religionsgesetzes den Rückzug aus den besetzten
Gebieten verboten. Er ist damit der prominenteste Unterstützer eines
Aufrufs des Forums der Siedlerrabbiner, die in der vergangenen Woche Soldaten
und Polizisten zur Befehlsverweigerung aufgerufen hatten im Falle von
Zwangsräumungen jüdischer Siedlungen in den besetzten Gebieten.
Die Rabbiner hatten sich dabei aber nicht auf das Religionsgesetz berufen.
In der Erklärung des ehemaligen Oberrabbiners heißt
es wörtlich: "Es ist klar und einfach, dass die Auslieferung
von Land unseres heiligen Landes an Ungläubige, einschließlich
des Gebiets von Gusch Katif (im Gazastreifen), eine Sünde und ein
Verbrechen ist. Deshalb ist jeder Gedanke, jede Idee oder Entscheidung,
und jede Art von Handlung, Bewohner von Gush Katif zu evakuieren und das
Land Ungläubigen zu überlassen, gegen die Halacha (das Religionsgesetz),
und jede Handlung muss unternommen werden, dieses zu verhindern."
Michael Krupp
Rabbiner erklärt Landverzichter
für vogelfrei
Ein einflussreicher Rabbiner in der Jerusalemer Altstadt,
Avigdor Neventzal, hat jeden, der bereit ist, Land zurückzugeben,
"wie für vogelfrei" erklärt. "Es soll bekannt
sein," wird der Rabbiner zitiert, "dass jeder, der etwas vom
Israel-Land weggeben will, wie ein Vogelfreier ist, keinesfalls darf Land
an Götzendiener gegeben werden."
Der religiöse Fachbegriff heißt "din rodef",
das Gesetz vom Verfolger, das jemanden, der ein todeswürdiges Verbrechen
begangen hat, für vogelfrei erklärt. Jeder, der ihn trifft,
kann und soll ihn töten. Neventzal räumt ein, dass das Gesetz
heute nicht durch ein Rabbinergericht ausgesprochen werden kann, deswegen
erklärt er auch niemanden für vogelfrei, sondern wie für
vogelfrei. Die Zeitung führt an, dass das letzte Mal, dass Rabbiner
von dem alten Gesetz gesprochen haben, es um die Ermodung Israels Ministerpräsidenten,
Jitzhak Rabbin, gegangen ist. Michael Krupp
Katholische Kirche erklärt Antizionismus
für Antisemitismus
Auf einer internationalen Konferenz katholischer Kardnäle,
Bischöfe und Priester mit jüdischen Vertretern in Buenos Aires
haben die katholischen Repräsentanten Antizionismus mit Antisemitismus
gleichgestellt und verurteilt. "Wir sind gegen jede Art von Antisemitismus",
heißt es in der Erklärung, "einschließlich des Antizionismus,
der in letzter Zeit eine Form des Antisemitismus ist". Die Erklärung
verurteilt auch Terror, besonders wenn er in einem religiösen Mantel
daherkommt. "Terror ist eine Sünde gegen Mensch und Gott. Fundamentalistischer
Terror im Namen Gottes hat keine Rechtfertigung und kann nicht gerechtfertigt
werden."
Jüdische Vertreter gaben sich mit der Erklärung
sehr zufrieden. Ilan Steinberg, Direktor des Jüdischen Weltkongresses
nannte die Erklärung "ein historisches Dokument". Zum ersten
Mal habe sich die katholische Kirche offiziell gegen Antizionismus gewandt.
Sei in der Vergangenheit der Zionismus mit Rassismus gleichgesetzt, so
sei jetzt der Antizionismus als Rassismus erklärt worden. Michael
Krupp
Ein Jude, ein Christ und ein Moslem
berichten von ihrer Gotteserfahrung in der Religion des anderen
Auf einer gut besuchten Veranstaltung im Konrad Adenauer
Kongresszentrum in Jerusalem berichteten Donnerstag Abend Muhammad Hourani,
Michael Krupp und Jossi Klein Halevi von ihren Erfahrungen bei Ausflügen
in das Gebiet der anderen Religion. Johannes Gerster von der Konrad Adenauer
Stiftung in Jerusalem, die zusammen mit der Israel Interfaith Association
den Abend veranstaltete, begrüßte die Gäste, Gisela Dachs,
Korrespondentin der Zeit in Israel war Moderatorin. Der Moslem und der
Christ sprachen in Hebräisch, der Jude in Englisch.
Muhammad Hourani, Dozent am Yellin-Lehrerseminar und Mitarbeiter
am Shalom Hartmann Institut, sprach von seiner Schulbildung, die das Auswendiglernen
großer Partien der hebräischen Bibel beinhaltete, so dass er
später, als er auch den Koran zu lesen begann, feststellen musste,
dass zwei Drittel der Überlieferungen im Koran der Bibel entnommen
seinen und dass die großen Erzväter und Lehrer der Juden wie
Abraham und Moses die gleiche Wertschätzung im Islam genössen.
Er bedauerte, in seinem Leben bisher mit dem Christentum nicht in Berührung
gekommen zu sein, die Begegnung aber mit dem Judentum habe ihm gelehrt,
dass Christen und Moslems denselben Gott mit gleicher Liebe und Hingabe
verehrten.
Michael Krupp, Vorsitzender der Israel Interfaith Association
und epd-Korrespondent in Israel, erzählte von seinem Leben im religiösen
Kibbutz Tirat Tsevi 1959, das ihm gezeigt habe, dass die Juden nicht unter
dem Gesetz seufzen, wie er es zuvor gelernt hatte, sondern frohe ind aufgeschlossene
Menschen, eben zuerst Menschen, waren. Als Vater jüdischer Kinder
habe er in der Einhaltung der jüdischen Zeremonien und die Synagogenbesuche
bei den benachbarten jemenitischen Juden in dem Jerusalemer Vorort Ein
Karem, wo seine Söhne Bar Mitzwa gefeiert haben, sehr viel über
das Christentum selbst und die Umwelt des Neuen Testaments gelernt.
Jossi Klein Halevi, Mitarbeiter am Shalem-Forschungsintitut
und Korrespondent wichtiger amerikanischer Zeitschriften und Zeitungen,
berichtete von seinen Erfahrungen in christlichen Klöstern und islamischen
Schulen, in denen er zwei Jahre zugebracht habe, um als orthodoxer Jude
die geistliche Wirklichkeit seiner Nachbarn in Israel kennen zu lernen.
Als Jude hätte er davon sehr viel für seine Religiösität
gelernt. Juden redeten sehr viel, auch mit Gott, In den Klöstern
hätte er den Wert der Stille und des Schweigens kennen gelernt. Besonders
wichtig sei ihm die Erfahrung der christlichen Fürbitten gewesen,
die die ganze Welt mit ihrem Elend einschlössen, während Juden
fast nur für das Heil Israels beteten und die sonstige Welt Gott
überließen. Im Islam sei ihm besonders wichtig geworden, dass
man Gott im Gebet mit seinem ganzen Körper anrufe und verehre.
Klein Halevi hat über diese zwei Jahre ein Buch geschrieben
mit dem Titel "At the Entrance to the Garden of Eden - a Jew's search
for God with Christians and Muslims in the Holy Land". Das Buch sollte
am 11.9.2001 in Manhatten der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Die Ereignisse dieses Tages aber zeigten, dass der Eingang zum Garten
Eden von anderen religiösen Menschen ganz anders verstanden werden
kann. Welcher Zugang der bessere ist, sollte bei der Veranstaltung in
Jerusalem demonstriert werden. Michael Krupp
Konsensus für die Mauer, Streit
um ihren Verlauf
Das Urteil des Internationalen Gerichthofs in Haag, dass
die israelische Sperrmauer im palästinensischen Gebiet illegal ist,
abgerissen werden muss und Entschädigungen an die zu Schaden gekommenen
Palästinenser zu zahlen sind, hat in Israel nicht überrascht.
Es war erwartet worden. Israel hatte bereits im Februar mitgeteilt, dass
es zu den Anhörungen nicht erscheinen werde, weil der Gerichtshof
nicht befugt sei, über eine Frage zwischen Israel und den Palästinensern
zu entscheiden. Das Urteil war von 14 Richtern des internationalen Gerichtshofs
angenommen, darunter dem Vertreter aus Deutschland. Lediglich der amerikanische
Richter hatte dem Urteil widersprochen.
"Die Errichtung der Mauer, die durch Israel, die
Besatzungsmacht, auf dem besetzten palästinensischen Gebiet gebaut
wird, darunter der Region in und um Ostjerusalem, widerspricht dem internationalen
Recht", heißt es in dem Urteil. Die Mauer beeinträchtige
die Bewegungsfreiheit der Palästinenser, sowie die Freiheit der Arbeitssuche,
Bildung und Gesundheit. Das Votum aus Haag hat keine Rechtsverbindlichkeit,
sondern nur beratende Funktion. Der Gerichtshof war im September von der
Generalversammlung der Vereinten Nationen um ein Rechtsgutachten zum Mauerbau
gebeten worden, das nun vorliegt. Es ist zu erwarten, dass die Vollversammlung
anhand dieses Urteils aus Den Haag Israel verurteilen wird, weil es in
der Vollversammlung immer eine antiisraelische Mehrheit gab. Entscheidend
ist, was der Sicherheitsrat zu der Angelegenheit sagt, nur er kann Sanktionen
gegen Israel verhängen. Hier aber haben die Vereinigten Staaten ein
Vetorecht.
Israel hat schon vor der offiziellen Verkündigung
des Urteils zu verstehen gegeben, dass es das Urteil nicht respektieren
werde. Israel werde sich lediglich an die Beschlüsse des eigenen
Obersten Gerichtes halten, das am 30 Juni beschlossen hatte, dass die
Mauer rechtens sei, eine Sicherheitsmaßnahme gegen die nicht abreißende
Kette von Terroranschlägen von Palästinensern im israelischen
Staatsgebiet. Das Oberste Gericht hatte aber auch den Mauerbauern vorgeworfen,
die Rechte von Palästinensern nicht beachtet zu haben und verbot
deshalb den Bau der Mauer auf einem zur Frage stehenden Abschnitt von
40 km und billigte nur den Bau der Mauer auf einer Länge von 10 km,
ungefähr auf der grünen Linie, der alten Grenze zwischen Israel
und Jordanien.
Über das Recht der Mauer als Schutzwall gegen Terroranschläge
gibt es in Israel einen breiten Konsensus. Schließlich ist die Errichtung
eines Schutzzauns - so die offizielle Bezeichnung in Israel, nur knapp
10 Prozent davon ist eine Mauer - eine Erfindung der Linkennach einer
erneuten Zunahme des Terrors, der Rabinregierung im Jahre 1995. Die Rechten
haben sich jahrelang dagegen gesträubt, weil man befürchtete,
endgültige Grenzen festzulegen. Dass die Mauer nun eine Zickzacklinie
darstellt quer durch palästinensisches Gebiet, um auch jüdische
Siedlungen im besetzten Gebiet vor Terroranschlägen zu schützen,
darüber gehen die Meinungen in Israel weit auseinander. Michael Krupp
Kostbarste Münze der Welt hat
lange jüdische Geschichte
Die kostbarste Münze der Welt, der Aitna Tetradrachma,
etwa 2500 Jahre alt, wird am Donnerstag Abend im Jerusalemer Israel Museum
erstmals öffentlich ausgestellt werden. Versicherungen schätzen
den Wert der Münze auf drei Millionen Dollar. Ihr ursprünglicher
Nennwert war vier Drachmen. Die Silbermünze, 17,23 Gramm schwer,
mit einem Durchmesser von 26 Millimetern, gilt als künstlerisches
Meisterwerk und wird deshalb "Mona Lisa der Münzen" genannt.
Abgebildet ist der bärtige Silenos, eine mythologische Figur der
Wälder und Berge. Silenos vereint menschliche und tierische Züge.
Auf der anderen Seite der Münze sitzt der Gott Zeus auf einem mit
Pantherhaut bedeckten Thron. Es existiert nur ein einziges Exemplar dieser
Münze, geschaffen vom "Meisterkünstler der antiken Münzpräger".
Die Münze wurde erstmals 1867 in der numismatischen
Literatur erwähnt und gilt seitdem als ein Meisterwerk der klassischen
griechischen Kunst.
Die Münze gehörte einem reichen Mann aus Katenia,
dem alten Aitna, einer griechischen Kolonie zu Füßen des Ätna
in Sizilien. Sie wurde an die Brüder Castellani verkauft, bekannten
Antiquitätensammlern im Rom des im neunzehnten Jahrhunderts. 1882
wurde die Münze an Baron Lucien de Hirsch verkauft, einem reichen
jüdischen "Hof-Bankier", wie es in einer Presseerklärung
des Israel Museums heißt, wo die Münze noch bis zum 16. Oktober
im Rahmen einer Ausstellung über "Einzigartige Objekte"
gezeigt werden soll. Der Verkaufspreis betrug damals 8000 belgische Franken,
ein Rekordpreis, etwa 40.000 Euro nach heutigen Maßstäben.
Der Baron de Hirsch galt als einer der reichsten Männer der Welt.
Sein nicht-zionistischer Vater, ein jüdischer Philanthrop, wurde
bekannt für seinen Versuch, in Argentinien landwirtschaftliche Siedlungen
für Juden aus Osteuropa zu errichten. Das Projekt scheiterte bekanntlich,
weil die zionistischen Juden sich für das Land Israel entschieden,
um dort einen jüdischen Staat zu errichten.
Lucien Baron de Hirsch, verstarb im jungen Alter von nur
30 Jahren an einer Lungenentzündung, kurze Zeit, nachdem er den Tetradrama
erworben hatte. Seine Mutter beschloss, dessen gesamte Münzsammlung
an Belgien zu vererben, unter der Bedingung dass ein Saal der Nationalbibliothek
nach ihrem verstorbenen Sohn benannt werde. Seitdem wird die Münze
in Katalogen und wissenschaftlichen Publikationen erwähnt, wurde
aber niemals der Öffentlichkeit gezeigt.
Die Idee, das kostbare Kunstwerk ausgerechnet in Israel
auszustellen, entstand in einem Pariser Café, während eines
Treffens des Direktors der belgischen Nationalbibliothek, Francois de
Callatay und dem Numismatik-Kurator des Israel-Museums, Haim Gitler.
Eine Bank und mehrere amerikanische Stifterfamilien ermöglichten
die Ausstellung, indem sie die hohe Versicherungssumme entrichteten. Ulrich
W. Sahm
Geheimdienst gegen Jerusalemer Bischof
Der anglikanische Bischof von Jerusalem, Riah Abu el Assal,
wurde am Freitag vom Geheimdienst verhört, nachdem er eine Körperdurchsuchung
und eine Überprüfung seiner Taschen über sich ergehen lassen
musste. "Obgleich sie sich nicht grob verhielten, war es erniedrigend",
sagte der Bischof nach der Befragung der Zeitung Haaretz. Der Bischof
wurde gefragt, ob er von dem verbotenen Fernsehinterview informiert war,
das die BBC in den Kirchenräumen mit dem Atomspion Vanunu geführt
habe.
Bischof Riah wurde an der Jordanbrücke festgenommen,
als er von der Hochzeit des jordanischen Prinzen Hamsa zurückkehrte
und dort anderthalb Stunden lang verhört. Der Bischof habe einen
Report über sein Verhör verfasst, den er dem israelischen Staatspräsidenten
und dem Bischof von Canterbury, dem Chef der anglikanischen Kirche, schicken
wolle. Der israelische Geheimdienst legte dem Bischof nahe, sich der Anwesenheit
des Atomspions Vanunu zu entledigen, der nach seiner Haftentlassung am
18. April in der Jerusalemer St. George Kirche zuflucht gefunden hatte.
Wie die Militärreporterin Carmela Menasche mit guten
Kontakten zu den israelischen Sicherheitsdiensten im Rundfunk erzählte,
habe der Bischof eine "Pressekonferenz" mit dem "Atomspion"
Mordechai Vanunu zugelassen. An dem gefilmten Treffen hätten mehrere
Personen teilgenommen. Der vor einem Monat nach achtzehnjähriger
Haft entlassene und zum Christentum bekehrte Vanunu hatte Zuflucht in
der anglikanischen St. George Kirche in Jerusalem erhalten. Vanunu erhielt
allerdings die Auflage, keine Pressekonferenz mit ausländischen Journalisten
zu geben und sich nicht am Chat im Internet zu beteiligen.
Die Aufnahmen der Pressekonferenz Vanunus in der St. George
Kirche seien in mehreren Exemplaren an Journalisten außerhalb der
Kirche weitergegeben worden, darunter auch an David Hounam. Jener britische
Journalist wurde vom Geheimdienst verhaftet und wegen internationalem
Druck am Donnerstag Abend wieder freigelassen, mit der Auflage, Israel
umgehend zu verlassen.
Der Schin Beth warf Hounam vor, Filmaufnahmen des Gesprächs
mit Vanunu nach England schmuggeln zu wollen. Inzwischen stellt sich heraus,
dass das Verdacht begründet war. Das Interview soll am Abend bei
der BBC in ganzer Länge ausgestrahlt werden. Ausschnitte wurden schon
zuvor gesendet.
Vanunu habe darin über die Kapazitäten des geheimen
Atomreaktors in Dimona gesprochen, was ihm unter Androhung von Strafen
verboten worden sei. Israelische Politiker und Journalisten äußerten
am Donnerstag Empörung über die Verhaftung des britischen Journalisten,
der doch nur seine Arbeit getan habe, während allein Vanunu gegen
Gesetze verstoßen habe - wenn überhaupt.
Die Militärkorrespondentin Menasche gibt Ansichten
des Geheimdienstes wieder, wenn sie behauptet, dass sich im Tresor der
anglikanischen Kirche Kopien der Pressekonferenz Vanunus befinden. Der
Geheimdienst plane, aller Kopien habhaft zu werden, damit sie nicht veröffentlicht
werden könnten. Weiter sagte sie, dass sich der Bischof möglicherweise
strafbar gemacht habe, indem er das Treffen seines Schützlings Vanunu
mit Pressevertretern ermöglichte, trotz der strengen Auflagen. Vanunu
werde wohl nicht weiter im geschlossenen Gelände der anglikanischen
Kirche in Jerusalem weilen können.
Offiziell wurde noch nichts bekannt über ein geheimdienstliches
Vorgehen gegen den 1937 in Nazareth geborenen anglikanischen Bischof Riah
Abu el Assal. Ulrich W. Sahm
Spürbarer Zuwachs des Tourismus
in Israel
"Die Nonnen in den Hospizen in Galiläa jubeln.
Nach drei Jahren Flaute verzeichnen sie wieder volle Häuser",
erzählt ein Pilger auf Rundreise im Heiligen Land. In Jerusalem fallen
Busladungen buntgekleideter Nigerianer auf. Und in den russischen Kirchen
stimmen jetzt auch wieder Gläubige aus dem Ostblock in den Chorgesang
der Nonnen ein, die selbst in schwierigsten Zeiten Stellung gehalten haben.
Die Touristen- und Pilgerströme im Heiligen Land
sind zwar immer noch nicht mit den Zahlen des Rekordjahres 2000 zu vergleichen,
als über drei Millionen Touristen und sogar der Papst kamen. Gleichwohl
vermeldet das israelische Tourismusministerium nach drei extrem schlechten
Jahren wieder Zuwachsraten.
Bis Ende April seien 433.000 Touristen ins Land gekommen,
ein Zuwachs von 86 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres,
als nur 233.500 Ausländer einreisten, gemäß Angaben der
Grenzpolizei. Die Steigerung deutscher Touristen betrug sogar 111 Prozent
im Vergleich zum Vorjahr. 21.000 deutsche Touristen besuchten Israel zwischen
Januar und April.
Eine bemerkenswerte Steigerung wurde bei Pilgern aus Italien
notiert: Mit 11.856 Touristen aus Italien kamen 163 % mehr als im Vorjahr,
wobei sich die katholische Kirche besonders intensiv darum bemühte,
mehr Pilgerfahrten zu organisieren. Dahinter stecken auch handfeste wirtschaftliche
Motive. Denn die Kirchen im Heiligen Lande mit ihren Hospizen und karitativen
Einrichtungen leiden schwer unter dem Ausbleiben der Pilger. Sie haben
zunehmende Schwierigkeiten, ihre Einrichtungen zu finanzieren. Ulrich
W. Sahm
Zwei Generationen Friedensdienste
Johannes Herwig-Lempp (47) kam als "Kriegsdienstverweigerer"
nach Jerusalem. Sein Sohn Kasimir folgte als "Zivildienstleistender".
Die Begriffe haben sich gewandelt, auch die Motivation, ein Jahr lang
als Volontär bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste (ASF)
in Jerusalem zu dienen. Der Vater, heute Professor für Sozialarbeit
in Halle, hatte 1977 ein Jahr lang in einem Heim für schwererziehbare
Kinder gearbeitet. Der Sohn hilft Holocaust-Überlebenden.
Vater Johannes überlebte 1978 unverletzt eine Terroranschlag
in Nablus. Palästinenser hatten eine Nagelbombe in einen gemieteten
arabischen Bus geworfen, mit dem Freiwillige von ASF zu einer Erkundungstour
durch die besetzten Gebiete gefahren waren. Zwei Deutsche wurden getötet,
fünf schwer verletzt. "Eltern lernen, ihre Kinder ziehen zu
lassen", antwortet er lächelnd, wieso er den Sohn Kasimir freiwillig
in jenes Land ziehen ließ, das mit der andauernden Intifada noch
gefährlicher ist, als damals. "Ich erlaube mir, nicht Angst
zu haben. In Deutschland kann man mit dem Auto verunglücken."
Aber er gesteht: "Meine Frau hat mehr Angst."
Kasimir fühlt sich wegen der Sicherheitsauflagen
von ASF in seiner Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt. Er darf
nicht Ost-Jerusalem besuchen, ganz zu Schweigen die palästinensischen
oder besetzten Gebiete. "Ich bin nicht so frei wie in Europa",
meint Kasimir. Er könnte auf die ständigen Kontrollen, die Soldaten
und das belastende Busfahren "gerne verzichten".
Der Vater erzählt, vor fast dreißig Jahren
"politisch interessiert und christlich engagiert" den Kriegsdienst
verweigert zu haben. "Die politische Seite war immer präsent.
Ich fand es ermüdend. Niemand sagte uns, wie wir darüber nachdenken
sollten", erinnert er sich. Den schweren Anschlag auf den Bus habe
er weitgehend verdrängt. "Ich konnte lange nicht darüber
reden." So blieb als "schrecklichstes Erlebnis meines Lebens"
eher, was er in einer israelischen Kaserne erlebte, wohin die Deutschen
nach dem Anschlag gebracht worden waren. "30 bis 40 Araber waren
dort zusammengetrieben worden und wurden vor unseren Augen schikaniert."
Inzwischen weiser geworden sagt Johannes: "Im Nachhinein empfinde
ich es als schrecklich, wie altklug wir damals über den Anschlag
redeten, etwa mit den Worten: Der Tod war nicht umsonst." Heute glaubt
er, beide Seiten, Israelis wie Palästinenser, besser verstehen zu
können und erkannt zu haben: "Es gibt keine Lösung."
Konflikte zwischen Menschen könnten nicht einfach entschieden werden
mit Sprüchen wie: "Der hat recht". Damals sei er naiv gewesen.
Er glaubte, dass Frieden erzwungen werden könnte.
Sohn Kasimir "kannte" Israel dank seiner Familiengeschichte.
Es habe ihn in die Ferne gezogen. ASF in Israel sei für ihn die "beste
Option" gewesen, seinen Zivildienst zu leisten. "Sühne"
spiele da keine Rolle, obgleich er sich des Holocaust "sehr bewusst"
sei. Kasimir wollte den jungen Israelis zeigen, dass Deutsche heute "anders"
seien. Dabei stellte er fest, dass die Israelis seiner Generation "wenig
Interesse an der Schoah" zeigten. Deshalb gebe es keine Berührungsängste.
"Die jungen Israelis interessieren sich viel mehr für ihre geplante
Weltreise nach dem Militärdienst, nach Indien oder Südamerika."
Kasimir sagt, dass er seine Zeit als Zivildienstler "nicht einfach
absitzt". Es mache ihm so viel Spaß, dass er daran denke, den
Vertrag zu verlängern. "Alles gefällt mir, das Land, die
Leute, die unterschiedlichen Mentalitäten." Vater Johannes,
zu Besuch bei seinem Sohn bestätigt: "Israel ist eben nicht
ein Land, wo nur die Busse in die Luft fliegen."
Johannes bewundert die heutige Generation, wie sie mit
ihrem Zivildienst umgeht: "Die jungen Leute sind viel professioneller,
als wir es damals waren."
Wieso geht gleichwohl ein Kriegsdienstverweigerer damals
und ein Zivildienstleistender heute in ein Land "wo der Krieg einem
nur so entgegenspringt"? Sohn Kasimir sagt, er habe "viel gelernt".
Der Vater meint: "Auch Soldaten sind Menschen und keine Ungeheuer."
Ulrich W. Sahm
Wahrer Siloah-Teich entdeckt
"Meister, wer hat gesündigt, dieser oder seine
Eltern, dass er blind geboren ist?" Das fragten die Jünger Jesu
beim Verlassen des Jerusalemer Tempels. Jesus spie auf den Boden, machte
mit der nassen Erde einen Brei, legte ihn dem Blinden auf die Augen und
schickte ihn zum Teich Siloah. Nach dem Bad kam er sehend heraus. (Johannes
9)
Dieses Wunder lässt sich geographisch einwandfrei
lokalisieren. Im Süden des Tempels sind heute noch die Ausgänge,
Treppen und Läden erhalten, wo Jesus dem Blinden begegnete. Ein paar
hundert Meter weiter, am steilen Abhang der "Davidsstadt", endet
der berühmte, im 8. Jahrhundert vor Chr. von König Hiskias in
den Fels gebrochene Wassertunnel am Siloah-Teich. Das Wasser ergießt
sich in Gärten, die schon in der Bibel als "Gärten des
Königs" bezeichnet wurden. Der Teich und sein Wasser spielten
in biblischer Zeit, lange vor Jesus, eine wichtige Rolle beim Tempeldienst.
Bis heute kommen Juden an ihren Feiertagen zum Teich, um Wasser zu schöpfen.
Um 450 errichtete die Kaiserin Eudokia über einem an dieser Stelle
von Kaiser Hadrian errichteten öffentlichen Bades eine Kirche mit
Kuppel und zwei getrennten Wasserbecken. Die Basilika war "Unserem
Retter, dem Illuminator (Erleuchter)" gewidmet. Sie war ein Anziehungspunkt
für Lepra-Kranke und Blinde, die dort auf Heilung hofften. Doch die
Perser zerstörten die Kirche im Jahr 614. Seitdem sind in einem Wasserbecken
am Ende des Tunnels ein paar Säulenstümpfe zu sehen. Arabische
Kinder plantschen im Wasser, wo noch vor wenigen Jahren Frauen aus dem
Dorf Silwan ihre Wäsche wuschen. Im vorigen Jahrhundert wurde neben
der Heiligen Städte der Juden und Christen eine Moschee errichtet,
um die Neuerrichtung einer Kirche zu verhindern. Am Teich weist ein Schild
den Wakf, die muslimische Verwaltungsbehörde, als Besitzer der Stätte
aus.
Moderne Archäologen haben nun den "wahren"
Ort des Jesu-Wunders ausgemacht, so dass vielleicht doch an der "neuen"
Stelle wieder ein christlicher Pilgerort entstehen könnte.
"Zur Frage christlicher Heiliger Stätten will
ich mich nicht äußern", sagt der israelische Archäologe
Eli Schukrun. In der vorigen Woche hatte er Schlagzeilen gemacht mit einer
vom ihm entdeckten Treppenanlage aus der Herodianischen Epoche, also der
Zeit Jesu. Ein Abwasserrohr sollte im historischen Untergrund im Süden
Jerusalems, zu Füßen der "Stadt Davids" verlegt werden,
als etwa 300 Meter vom traditionellen Siloah-Teich breite Stufen zum Vorschein
kamen. "Sie sind so monumental, weil sie wohl zum biblischen Siloah-Teich
herabführen. Den wollen wir schon bald freilegen." Das Alter
der Treppenanlage konnte er anhand eines vor hundert Jahren entdeckten
"Staudammes" unter der heutigen Zufahrtsstraße festlegen.
Unter einem Garten mit alten Olivenbäumen dürfte schon bald
eine der wichtigsten und berühmtesten biblischen Stätten freigelegt
werden. Die biblischen Israeliten schöpften hier das Wasser für
ihren Tempeldienst während Jesus einen Blinden zum Bad im Teich schickte,
woraufhin er sehend wurde.
Zur Frage, wieso die Byzantiner im fünften Jahrhundert
ihre Kirche "Zum Erleuchter" dreihundert Meter entfernt vom
biblischen Teich errichtet hätten, kann Schukrun nur spekulieren:
"Fünfhundert Jahre zwischen der Zerstörung Jerusalems und
der Errichtung der Kirche sind eine lange Zeit. Da ist bei den Winterregen
tonnenweise Schutt und Erde ins Tal geflossen. Alle Bauten wurden überdeckt."
In der Tat lag bis vor wenigen Tagen eine fünf Meter hohe Erdschicht
über der Treppe aus der Zeit des Herodes. "Wahrscheinlich haben
die Byzantiner am Ausgang des Hiskiastunnels einen natürlichen Teich
gesehen und geglaubt, dass das die historische Stätte sei."
Schukrun ist allerdings der Kaiserin Eudokia "sehr dankbar",
sich bei der Lokalisierung ihrer Heiligen Stätte geirrt zu haben:
"Die Christen waren nicht so gründlich mit der Forschung, wie
wir das heute sind. Dank dem Irrtum ist die Originalstätte unverändert
erhalten geblieben und heute können wie sie ausgraben."
Die Bedeutung dieser Entdeckung kann man einer bedauernden
Anmerkung des Archäologen Jerome Murphy-O´Connor in seinem
archäologischen Führer zum Heiligen Land entnehmen: "Die
ursprüngliche Form des Teichs ist für immer verschwunden. Wahrscheinlich
hat Herodes im Zuge seines ungeheuren Bauprogramms in Jerusalem Veränderungen
eingeführt, aber auch sie können die Einnahme der Stadt Davids
durch die Römer kaum überlebt haben." So kann man sich
irren, denn jetzt stellt sich heraus, dass jener Teich, den Jesus kannte,
von Herodes mit einer Treppenanlage zugänglich gemacht worden ist,
und dass dieser unter den Schutthalden im Originalzustand erhalten geblieben
ist. Ulrich W. Sahm
Kirche verbrannte weniger Hexen als
angenommen
Die Entschuldigung des Papstes für die Verbrechen
von "Christen im Namen der katholischen Kirche" während
der Inquisition 1478 machte eine große Schlagzeile in der hebräischen
Ausgabe der Zeitung "Haaretz". Der Artikel beruft sich auf eine
Erklärung des Vatikans und eine neue Forschungsarbeit von Augostino
Boromeo. Darin wird feststellt, dass weniger Menschen während der
Inquisition als Hexen auf den Scheiterhaufen verbrannt worden seien, als
angenommen.
Der israelische Vatikanforscher und ehemalige Botschafter
beim Heiligen Stuhl, Jitzchak Minerbi, sagte, dass die Entschuldigung
des Papstes keine Beschuldigung seiner Vorgänger bedeute. Vielmehr
versuche der Papst die Kirche der modernen Zeit anzupassen. Die Inquisition
verursache unter den katholischen Gläubigen "Befremdung".
Professor Josef Kaplan von der Hebräischen Universität
in Jerusalem stimmt den Findungen von Augostino Boromeo zu und bestätigt,
dass die Kirche weniger Menschen zum Tode verurteilt habe, als angenommen.
Anders als üblicherweise unter Juden angenommen, habe die Inquisition
nur Christen verhört und verurteilt. Juden hätten "außerhalb
ihrer Kompetenz" gelegen. Allerdings seien die Inquisitoren mit besonderer
Schärfe gegen Zwangskonvertiten und sogenannte "Neue Christen",
vor allem Juden in Spanien, vorgegangen, so Kaplan. Sie wurden verdächtigt,
zu ihrem alten Glauben zurückgekehrt zu sein, "wie Hunde, die
ihr Ausgespieenes wieder aufessen". Weiter sagte Kaplan, dass Formulierungen
während der Inquisition zu den schlimmsten antijüdischen Texten
in der Geschichte der katholischen Kirche gehörten. Während
der spanischen Inquisition wurden die Juden "als eine echte Gefahr
für die christliche Welt, als etwas teuflisches, tierisches"
dargestellt. Die so geschaffene Stimmung habe 1492 zu einer Vertreibung
aller Juden aus Spanien geführt.
Im Judentum reiht sich die Vertreibung aus Spanien zu
den anderen beiden nationalen Traumata, der Zerstörung des ersten
und des zweiten Tempels von Jerusalem. Diesen drei Katastrophen wird jedes
Jahr mit einem religiösen Fastentag, dem 9. des Monats Av, gedacht.
Der Holocaust im vorigen Jahrhundert hat trotz seiner
Dimension bis heute keinen Eingang in die religiösen Gedenktage des
Judentums gefunden. Das orthodoxe Judentum in Israel anerkennt nicht den
vom Staat Israel verordneten "Tag der Schoa und des Widerstandes"
am Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Ghetto, dem mit Sirenen, Zeremonien
und landesweiter Schweigeminute gedacht wird. Vorschläge, den Holocaust
in die religiösen Gedenktage aufzunehmen und zu den Traumata des
9. Av einzureihen, setzten sich nicht durch. Das wird von der weltlichen
Mehrheit der Israelis abgelehnt. Ulrich W. Sahm
Suche nach Nazis als Erziehungsmaßnahme
"Letzte Chance" nennt der Jerusalemer Leiter
des Simon Wiesenthal Zentrums, Efraim Zuroff ein Projekt, in verschiedenen
europäischen Ländern "Hotlines" zu schalten, um Namen
von verdächtigen Naziverbrechern zu erhalten. In Deutschland musste
das Projekt auf September verschoben werden, weil sich kein Partner fand,
die "Hotline" zu bedienen. In Polen, Litauen, Rumänien
und Österreich gibt es schon eine Hotline. Per Fax und Email kamen
allerdings auch schon aus Deutschland erste Informationen, anonym oder
mit vollem Absender.
Die Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus, sagt Zuroff.
"In Österreich war es am schlimmsten. Wir erhielten zahllose
antisemitische Anrufe." In Polen brach eine "giftige Diskussion"
aus. Die Medien wandten sich an prominente Juden. Ein jüdischer Abgeordneter,
dessen Vater in Auschwitz umgebracht worden war, verurteilte die Initiative,
weil sie "die Tore zur Hölle aufstoße, das Denunziantentum
erneuern und Angst unter den Juden schüren" werde. Andere, wie
der überlebende Kommandant des jüdischen Aufstandes im Warschauer
Ghetto 1944, Marek Edelmann, hätten "Letzte Chance" begrüßt.
Die Suche nach letzten noch lebenden Naziverbrechern sei
nicht nur eine "kriminalistische Aufgabe", so Zuroff. "In
Litauen, Österreich, Polen und Rumänien ist das auch eine erzieherische
Aufgabe. Die Völker dort sollen sich aufrichtig mit ihrer Geschichte
auseinandersetzen und wissen, dass sie nicht nur Opfer der Nazis waren,
sondern dass unter ihnen auch noch Täter leben." In Deutschland
hingegen gebe es den politischen Willen, Nazis zu verfolgen und die politische
Kraft, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen. "In Deutschland
bedeutet unserer Projekt keine Infragestellung des eigenen Seins, wie
in den anderen Ländern."
Zuroff sagte, dass die ausgesetzte Belohnung in Höhe
von 10.000 Euro für Informationen, die zu der Verurteilung eines
Naziverbrechers führen, angehoben werden könnte. Allerdings
erhalte das Wiesenthal-Zentrum auch anonyme Informationen, "teilweise
sogar die Fruchtbarsten", was bedeute, dass diese Menschen an dem
Geld nicht interessiert seien. Dank der Hotlines, aber auch dank moderner
Technik wie Fax und Email, seien schon viele Informationen über ungesühnte
Naziverbrechen und sogar über ein Massaker in Rumänien eingegangen,
von dem niemand etwas gewusst habe. "Von 260 Namen konnten immerhin
72 den Staatsanwälten übergeben werden. Wir mussten die Adressen
herausfinden, feststellen, ob der oder die Verdächtige noch am Leben
war und nicht schon gerichtlich für seine Taten belangt worden war."
Ulrich W. Sahm
Besetzer der Geburtskirche fordern
Aufklärung
Die 39 palästinensischen Besetzer der Geburtskirche
von Bethlehem fordern von der Palästinensischen Autonomiebehörde
Aufklärung über das "Geschäft" mit Israel, das
Anfang Mai 2002 zur Aufhebung der Belagerung des Gotteshauses und zur
Deportation der Palästinenser geführt hatte. Kämpfer der
Hamas und der Fatach hatten sich im April 2002 nach dem Einmarsch der
Israelis in Bethlehem in der Kirche verschanzt. Vier Wochen später
wurden 26 von ihnen nach Gaza deportiert. Weitere 13, von den Israelis
verdächtigt, an Terroranschlägen beteiligt gewesen zu sein,
wurden zunächst nach Zypern ausgeflogen und dann auf Spanien, Irland,
Griechenland, Belgien, Italien und Portugal verteilt. Das Abkommen wurde
teilweise unter Vermittlung des Vatikans zwischen Israel und dem engen
Arafat-Berater Muhammad Raschid ausgehandelt.
Die Autonomiebehörde hatte ihnen wohl vor der Deportierung
erklärt, dass ihr Exil nur ein Jahr lang andauern werde. Inzwischen
sind zwei Jahre vergangen und deren Familienangehörige wollen über
die geheimen Abkommen zwischen der Autonomiebehörde, Israel und der
EU informiert werden. Sie beklagen, dass Muhammad Raschid angeblich ins
Ausland gezogen sei und ihre Anfragen unbeantwortet ließe.
Die EU hatte vor kurzem Israel informiert, dass die europäischen
Staaten kein Interesse mehr hätten, die 13 Deportierten weiterhin
in ihren Grenzen zu behalten. Israel hatte daraufhin nach Angaben der
Jerusalem Post den Europäern erklärt, dass die Deportierten
im Falle ihrer Ausweisung und Rückkehr vor Gericht gestellt würden.
Ulrich W. Sahm
Ausnahmen beim allgemeinen Wehrdienst
Der allgemeine Wehrdienst für Frauen und Männer
ist längst nicht so allgemein wie angenommen. Der scheidende Vizegeneralstabschef
Gabi Aschkenasi hat dem Sicherheitsausschuss der Knesset neueste Zahlen
über die "Drückeberger" vorgelegt, die einen Wehrdienst
vermeiden. Im Jahr 2003 seien 40,1 aller wehrpflichtigen Frauen freigestellt
worden, 29,7 dank der Behauptung, sie seien "fromm". Mit "unerträglicher
Leichtigkeit" werde diesen jungen Frauen geglaubt, dass sie wegen
religiösem Lebenswandel den Dienst verweigern wollten.
38 Prozent aller israelischen Männer, inklusive Araber,
des Jahrgangs 1985, seien vom Wehrdienst ausgeschlossen worden, 22,3 Prozent
aller jüdischen Männer. Aufgeschlüsselt nach den wichtigsten
Gründen gäben 29,7 Prozent der Frauen an, religiös zu sein.
3,8 Prozent seien ins Ausland verzogen, 3,6 Prozent entsprächen nicht
den Standards der Armee, 2,1 würden aus gesundheitlichen Gründen
zurückgewiesen und 0,9 Prozent, weil sie schon verheiratet seien.
Bei den Männern erhielten 8,4 Prozent eine Freistellung wegen religiösem
Lebenswandel, 6 Prozent hätten ärztliche Atteste, 4 Prozent
seien ins Ausland gezogen und 3,8 Prozent hätten eine kriminelle
Eintragung oder entsprächen aus anderen Gründen nicht den militärischen
Anforderungen.
Weiter wurde festgestellt, dass die Zahl der Frauen, die
aus "religiösen Gründen" befreit würden, seit
1995 stetig ansteige, von 25 Prozent 1997 auf 29,7 Prozent 2003. Ulrich
W. Sahm
Kerry Vorfahren im Holocaust umgekommen
Eine Großtante und ein Onkel des amerikanischen
Präsidentschaftskandidaten John Kerry sind im Holocaust ermordet
worden. Das entdeckte Cameron Kerry, der Bruder des amerikanischen Politikers,
während einem privaten Besuch in der Jerusalemer Holocaustgedenkstätte
Yad Vaschem. Während seines Aufenthalts trifft er auch Israels Spitzenpolitiker,
darunter Premierminister Ariel Scharon und Oppositionschef Schimon Peres.
Kerry sei nach Israel gekommen, um "zuzuhören, zu lernen und
Israel aus der Nähe zu empfinden", sagte ein Begleiter.
Kerrys Familie stammt ursprünglich aus Schlesien.
Der jüdische Großvater väterlicherseits, Fritz Kohn, ist
1901 zum Katholizismus konvertiert und nach Amerika ausgewandert, wo er
den Namen Frederik Kerry annahm. Cameron Kerry ist 1980 zum Judentum konvertiert,
als er seine jüdische Frau Kathy Weinman heiratete. In einem Fernsehinterview
in Israel redete Kerry vor allem über sein "jüdisches Erbe"
und weigerte sich, politische Fragen zu beantworten.
Kerry erzählte, dass seine Frau und er beschlossen
hätten, ihre Kinder jüdisch aufzuziehen. Erst später erfuhr
Kerry, dass er selber jüdische Wurzeln hatte. Bei einem Besuch in
Yad Vaschem am Donnerstag erfuhr Kerry, dass der Bruder seines Großvaters
väterlicherseits 1943 in Theresienstadt ermordet wurde. Die Schwester
seiner Großmutter wurde 1942 in Treblinka getötet.
Yad Vaschem ließ Kerry eine elektronische Datenbank
durchsuchen in der über drei Millionen Namen von Opfern des Holocaust
gespeichert sind. Zwei Millionen Namen wurden durch Zeugenaussagen ermittelt,
eingetragen in Gedenkzettel. Eine weitere Million Namen wurden durch Deportationslisten
der Nazis und andere schriftliche Dokumente ermittelt. Die übrigen
Namen der insgesamt rund sechs Millionen jüdischen Opfer des Holocaust
dürften für immer vergessen sein.
Amerikanische Analysten behaupten, dass Cameron Kerrys
Besuch in Israel ein Versuch sei, den jüdischen Wählern in den
USA die Nähe John Kerrys zu Israel zu demonstrieren. Bei seinem letzten
Besuch in Washington hatte Ariel Scharon aus "Termingründen"
keine Zeit für ein Treffen mit dem Präsidentschaftskandidaten
der Demokraten gehabt. Im Ministerpräsidentenamt in Jerusalem wird
kein Hehl daraus gemacht, dass George Bush aus der Sicht Israels "der
beste amerikanische Präsident seit jeher" sei. Ulrich W. Sahm
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