Alles für ein süßes Jahr
Bräuche zu Rosch Haschana
von Rabbiner Moshe Lazerus

Vorbereitungen
Ein absolut wichtiger Punkt bei der Vorbereitung auf Rosch Haschana ist der, jeden Menschen um Vergebung zu bitten, dem man im abgelaufenen Jahr vielleicht Unrecht getan hat. Soweit wie nur irgend möglich wollen wir das neue Jahr unbelastet beginnen, ohne daß uns jemand grollt. Auch man selbst sollte anderen großzügig vergeben.

Viele Juden gehen deswegen am Nachmittag vor Rosch Haschana in die Mikwa. Das Untertauchen im Ritualbad kann uns von geistigen Unreinheiten befreien und ist somit ein wichtiges Element im Prozeß der Teschuwa, der Umkehr. Andere Juden besuchen am Morgen von Rosch Haschana einen Friedhof und beten an den Gräbern der Rechtschaffenen. Natürlich beten wir nicht "zu" den Rechtschaffenen, sondern nur zu Gott, der unsere Gebete auf Grund ihrer Fürsprache erhört.

Vor Anbruch des Festtages machen wir "Hatarat Nedarim" - wir löschen alle Schwüre. In Begriffen der Tora könnte also so ein einfacher Satz wie "Ich werde in Zukunft keine Schokolade mehr essen" als rechtlich bindender Schwur gelten. Daher heben wir vor Rosch Haschana alle absichtlichen wie unabsichtlichen Schwüre auf. Wir tun das, indem wir vor drei erwachsenen Männern (besser noch vor zehn, wenn das möglich ist) stehen und darum bitten, von den geleisteten Schwüren entbunden zu werden. Den vollständigen Text finden Sie in einem Siddur oder Rosch Haschana Machsor.

Das Festmahl
Während der Hohen Festtage essen wir runde Challot zum Zeichen der Vollständigkeit. Nach dem Hamotzi-Segen wird das Brot in Honig getaucht, womit wir unsere Bitte um ein süßes neues Jahr symbolisieren. Nachdem wir den Großteil unserer Scheibe Brot verzehrt haben, nehmen wir ein Stück Apfel und tauchen es ebenfalls in den Honig. Wir sprechen einen Segen über den Apfel (da der Hamotzi- Segen nicht für den Apfel gilt) und beißen ein Stückchen von dem Apfel ab. Dann sagen wir: "Möge es Dein Wille sein, Gott, uns für ein gutes und süßes neues Jahr zu erneuern."

Weshalb bitten wir beide Male um ein "gutes" wie um ein "süßes" neues Jahr? Heißt "gut" nicht auch "süß?" Das Judentum lehrt, daß alles geschieht, um Gutes zu erlangen. Alles ist Teil des göttlichen Willens. Auch Dinge, die wir möglicherweise als "schlecht" oder negativ empfinden, sind in Wahrheit "gut". Wenn wir Gott also um ein "süßes" und nicht nur um ein "gutes" Jahr bitten, dann, weil wir wissen, daß alles zum Guten geschieht. Wir bitten aber auch darum, daß es ein gutes sein möge, daß es uns auch "süß" schmeckt, daß wir es auch als süß empfinden können. An Rosch Haschana fügen wir unserer Danksagung nach dem Mahl den Absatz "Jaaleh wejawo" hinzu.

Die Gebete
Wegen der vielen Gebete an Rosch Haschana verwenden wir für dieses Fest ein eigenes Gebetbuch, den "Machsor". Im Amida-Gebet und im Kiddusch für Rosch Haschana gebrauchen wir den Ausdruck "Jom Teruah", "Tag des Posaunenschalls". Fällt Rosch Haschana jedoch auf einen Schabbat, gebrauchen wir statt dessen den Begriff "Zichron Teruah", "Gedächtnistag des Posaunenschalls". Hat man aus Versehen den falschen Ausdruck gebraucht, muß das Gebet aber deshalb nicht wiederholt werden.

Die Bittformel "Awinu Malkeinu" "Unser Vater, unser König" sollte an Rosch Haschana gesprochen werden, jedoch nicht, wenn Rosch Haschana auf einen Schabbat fällt, da Bittformeln am Schabbat grundsätzlich nicht gesprochen werden. Fällt Rosch Haschana auf einen Freitag, entfällt die Bittformel beim Mincha- Gebet.

An den Hohen Feiertagen wird der Vorhang am Toraschrein durch einen weißen ersetzt, womit symbolisiert wird, daß unsere Fehler reingewaschen werden.

Der Chasan, Kantor, für die Hohen Feiertage sollte nicht nur nach seinen sängerischen Fähigkeiten ausgewählt werden. Idealerweise sollte er älter sein als dreißig Jahre, gottesfürchtig, ein Toragelehrter sein, bescheiden und verheiratet. Ein gelehrter Mann, der noch keine dreißig Jahre alt ist, aber andere Fähigkeiten besitzt, ist ebenfalls annehmbar. Auf jeden Fall aber ist auch ein ungeeigneter Vorbeter für die Leitung der Gottesdienste vorzuziehen, wenn es andernfalls zu Auseinandersetzungen in der Gemeinde kommen würde.

Keine spezielle Regel gibt es für den Schehechijanu-Segen am zweiten Tag Rosch Haschana. Daher handhaben wir dies im allgemeinen, indem wir eine neue Frucht essen oder ein neues Kleidungsstück tragen und dazu den Schehechijanu- Segen sprechen. Dabei sollten wir auch die Mizwot des Kerzenzündens, des Kiddusch und des Schofar-Hörens nicht vergessen.

Der Schofar
Die wichtigste Mizwa von Rosch Haschana besteht darin, dem Klang des Schofar zu lauschen. Die Schofarklänge nach der Tora-Lesung heißen "Tekiot Mussaf".

Die Tora schreibt mindestens neun Schofar-Stöße vor. Es bestehen jedoch Zweifel daran, ob der Klang des Schofar wirklich einem lauten Aufstöhnen (Schewarim) gleichen sollte oder ob er nicht vielmehr wie ein schluchzendes Weinen (Teruah) klingen muß - oder ob eine Kombination beider Klangarten (Schewarim- Teruah) angebracht ist. Wir blasen ihn daher auf alle drei Arten, jeweils zwischen zwei unverzerrten Stößen, den Tekiah. Drei Stöße je Betergruppe ergeben dreißig Schofarlaute insgesamt, die erforderlich sind, um jeden Zweifel an der Erfüllung der Toravorschriften auszuräumen.

Üblicherweise wird der Schofar am selben Ort geblasen, an dem auch die Tora gelesen wird, damit das Verdienst uns zugute kommt. Der Schofar soll am Tag geblasen werden. In der Antike, als die Juden von den Römern verfolgt wurden, führten die Rabbiner die Sitte ein, den Schofar vor dem Mussaf zu blasen, da die Römer früh am Morgen Wachen in den Synagogen stehen hatten.

Der Schofar muß im Stehen geblasen werden. Wer den Schofar bläst, sollte unmittelbar davor instruiert werden, daß er einen so lauten Ton erzeugen muß, daß ihn auch alle hören können. Der Schofarton soll die Zuhörer an ihre Pflichten erinnern.

Vor dem Schofarblasen werden zwei Segen gesprochen: "Den Klang des Schofar zu hören" und der Schehechijanu- Segen. Wenn einer der Segen erfolgt ist, darf bis zur Beendigung des Schofarblasens nicht mehr gesprochen werden.

Frauen dürfen ebenfalls den Schofar blasen und den Segen sprechen, um die Mizwa einzuhalten. Ein Kind, das alt genug ist, die Mizwot zu verstehen, muß auf den Schofarton hören. Der Schofar wird nicht geblasen, wenn Rosch Haschana auf einen Schabbat fällt.

Der an Rosch Haschana verwendete Schofar sollte aus einem gekrümmten Widderhorn von mehr als zehn Zentimetern Länge bestehen. Die Verwendung des Horns eines nicht rituell geschlachteten Tieres ist zulässig. Ist ein Schofar schon einmal benutzt worden, kann er wieder benutzt werden, es sei denn das Blaswerkzeug besteht aus dem Horn einer Kuh, eines Ochsen oder einer unkoscheren Tierart.

Im Amida-Gebet des Mussaf gibt es drei besondere Segnungen: Malchiot (Preisungen an Gott, den König), Sichronot (Bitte an Gott, der Verdienste unserer Ahnen zu gedenken) und Schofrot (die Bedeutung des Schofars). Während der Wiederholung durch den Chasan blasen wir zusätzlich dreißig Mal in den verschiedenen Kombinationen.

Es ist üblich, am Ende des Gottesdienstes noch einmal vierzig Stöße zu blasen, so daß schließlich die Gesamtzahl von einhundert Schofartönen erreicht wird. Es ist üblich, den letzten Stoß, Tekiah Gedolah, zu verlängern.

Weitere Bräuche
An Rosch Haschana grüßen wir uns auf besondere Art und Weise mit: "Schana towa - ketiwa wechatima towa". Das bedeutet soviel wie: "Für ein gutes Jahr ... Auf daß du im Buch des Lebens eingeschrieben und versiegelt werdest."

An Rosch Haschana sollte man möglichst nicht schlafen oder spazieren gehen. Der Arizal (Rabbiner Jitzchak Luria) gestattet allerdings ein Nickerchen am Nachmittag.

Ehelicher Beischlaf ist nicht erlaubt, es sei denn, Rosch Haschana fällt in die Nacht nach dem Mikwabesuch der Frau.

Fällt eine Britmila, die Beschneidung eines Jungen, auf Rosch Haschana, sollte die Zeremonie zwischen der Toralesung und dem Schofarblasen erfolgen.

Mit freundlicher Genehmigung von Aish HaTorah Jerusalem/Israel, www.aish.com
Jüdische Allgemeine, 9.9.2004

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