Rede des Ministerpräsidenten Ariel Sharon zur Eröffnung
der Debatte über den Abkopplungsplan in der Knesset, Jerusalem, 25.
Oktober 2004
Herr Vorsitzender, verehrte Abgeordnete,
dies ist eine Schicksalsstunde für Israel. Vor uns steht eine Entscheidung,
eine schwierige Entscheidung, die nur wenigen gleicht. Das Maß der
Bedeutung für die Zukunft unseres Staates in dieser Region ist nur
identisch mit dem Maß der Schwierigkeit des Schmerzes und des Streits,
den sie in uns erweckt.
Sie wissen, dass ich diese Worte nicht leichten Herzens sage, weder den
Vertretern des Volkes, noch dem gesamten Volk, das uns zusieht oder jedem,
der den Worten zuhört, die hier in der Knesset Israels gesagt werden.
Dies ist das Volk, das heldenhaft jedem Versuch und jeder Furcht vor diesem
andauernden Krieg standhielt und weiterhin standhält, der von Generation
zu Generation weitergereicht wird, in dem die Väter wie in einem
Staffellauf ihre Gewehre an ihre Söhne weiterreichen, in dem die
Grenze zwischen der Front und dem Kernland längst verwischt ist;
in dem auch Schulen und Hotels, Restaurants und Märkte, Cafés
und Busse zum Ziel grausamer Terroranschläge und vorsätzlichen
Mordes geworden sind.
Dieses Volk will heute wissen, welche Entscheidung in diesem Hause am
Ende der stürmischen Debatte fallen wird, was wir ihm sagen und welche
Botschaft wir ihm mitteilen werden.
Für mich persönlich ist diese Entscheidung unerträglich
schwer.
In meinem ganzen Leben als Kämpfer und Befehlshaber, als Politiker,
Knessetabgeordneter, als Minister in den Regierungen Israels und als Ministerpräsident
habe ich niemals einer solch schweren Entscheidung gegenüber gestanden.
Ich kenne die Bedeutung der Entscheidung der Knesset bezüglich Tausender
Israelis, die bereits viele Jahre lang im Gazastreifen wohnen, die im
Namen der israelischen Regierung dorthin geschickt wurden, und die dort
ihre Häuser gebaut, Bäume gepflanzt und Blumen großgezogen,
und dort Söhne und Töchter in die Welt gesetzt haben, die nie
ein anderes Zuhause gesehen haben.
Ich weiß sehr gut, dass ich sie geschickt habe und teilhabe an diesem
Unternehmen, und viele von ihnen sind meine persönlichen Freunde.
Ich bin mir ihrem Schmerz, ihrem Zorn und ihrer Verzweiflung sehr wohl
bewusst.
Doch wenn ich auch Verständnis habe für das, was sie in diesen
Tagen durchmachen und was sie angesichts der notwendigen Entscheidung
heute in der Knesset Israels erwartet, so ist mein Glaube an die Notwendigkeit
der Schritte der Abkopplung in diesen Gebieten mit all dem damit verbundenen
Leid so groß, dass ich fest entschlossen bin, diese Mission bis
zu ihrem Ende durchzuführen.
Ich bin im Innern meines Herzens davon überzeugt und glaube daran,
dass diese Abkopplung Israels Festhalten an dem für seine Existenz
lebenswichtigen Gebiet stärken wird. Sie wird den Segen und die Hochachtung
von jenen ernten, die nah und fern sind. Sie wird die Feindschaft verringern,
Boykott und Belagerung durchbrechen und uns auf dem Weg zum Frieden mit
den Palästinensern und unseren restlichen Nachbarn voranbringen.
Man beschuldigt mich, das Volk und die Wähler betrogen zu haben,
weil ich Schritte unternehme, die den Worten, die ich gesagt habe, und
meinen Taten völlig widersprechen. Das ist eine falsche Beschuldigung.
Sowohl zur Zeit der Wahlen, als auch als Ministerpräsident habe ich
wiederholt öffentlich gesagt, dass ich die Gründung eines palästinensischen
Staates neben dem Staate Israel befürworte, dass ich zu schmerzvollen
Konzessionen bereit bin, um diesem andauernden und schädlichen Konflikt
zwischen jenen, die um dieses Land kämpfen, ein Ende zu setzen. Und
dass ich mein Bestes geben werde, um Frieden zu bringen.
Und ich möchte, geehrter Herr Vorsitzender, sagen, dass ich bereits
vor vielen Jahren, im Jahr 1988, bei einem Treffen bei Ministerpräsident
Yitzhak Shamir mit den Ministern des Likud gesagt habe, dass meiner Meinung
nach das Gebiet aufgeteilt werden muss, wenn wir nicht zu den Grenzen
von 1967 zurückgedrängt werden wollen.
Als jemand, der in allen Kriegen Israels gekämpft hat, habe ich am
eigenen Leibe erfahren, dass wir ohne Stärke keine Chance haben,
in diesem Gebiet zu überleben, das den Schwachen keine Gnade zeigt.
Aber ich habe aus unserer Erfahrung auch gelernt, dass das Schwert alleine
diesen bitteren Kampf in diesem Land nicht entscheiden kann.
Man sagt mir, dass die Abkopplung als schmählicher, unter Druck erzwungener
Rückzug ausgelegt werden könnte, und dass sie die Terroroffensive
verstärken wird, Israel in seiner Schwäche und unser Volk als
ein Volk darstellen wird, das nicht bereit ist, zu kämpfen und auf
das zu bestehen, was ihm zusteht.
Ich lehne diese Aussage kategorisch ab.
Wir haben die Stärke, dieses Land zu verteidigen und den Feind, der
uns zerstören will, tödlich zu treffen.
Und es gibt solche, die sagen, dass sie für einen wahren, unterzeichneten
Frieden auch zu diesem schmerzvollen Verzicht bereit sind. Doch leider
haben wir keinen Partner für ernsthafte Verhandlungen zu einem Friedensabkommen
gegenüber. Sogar den Ministerpräsidenten Israels, die ihre Bereitschaft
erklärt haben, auf große Teile der Heimat zu verzichten, wurde
mit Feuer und Feindschaft geantwortet. Erst vor Kurzem gab der Vorsitzende
der Palästinensischen Autonomiebehörde bekannt, dass "eine
Million Shahidim nach Israel durchbrechen werden."
Bei der Wahl zwischen einer vernünftigen und verantwortungsvollen
Tat in der Geschichte, die zu einem schmerzvollen Kompromiss führen
kann, und einem "Heiligen Krieg" zur Zerstörung Israels
hat Yasser Arafat den Weg des Blutes, des Feuers und der Shahidim gewählt.
Er versucht, einen nationalen Konflikt, der durch gegenseitiges Einvernehmen
beendet werden kann, zu einem Religionskrieg zwischen dem Islam und den
Juden zu machen und hat sogar das Blut von Juden, die weit entfernt von
hier leben, vogelfrei gemacht.
Israel hat viele Hoffnungen und steht vielen Gefahren gegenüber.
Die herausragendste Gefahr ist der Iran, der jede Anstrengung unternimmt,
um sich mit Atomwaffen und ballistischen Raketen auszurüsten und
zusammen mit Syrien und dem Libanon ein enormes Terrornetzwerk aufzubauen.
Und ich frage Sie:
Womit beschäftigen wir uns und warum kämpfen wir, während
wir diesen schrecklichen Gefahren gegenüberstehen? Sind wir nicht
in der Lage, eine Einheit zu bilden, um das Übel abzuwehren? Das
ist die wahre Frage.
Der Abkopplungsplan kommt nicht anstelle von Verhandlungen und soll nicht
die Situation, die geschaffen wurde für lange Zeit einfrieren.
Es ist ein notwendiger, beispielloser Schritt, in einer Situation, die
derzeit keine wirklichen Friedensverhandlungen ermöglicht.
Alles bleibt offen für ein Abkommen, das nach dem Ende des Terrors
kommen wird, dieser mörderische Terror, und mit dem Bewusstsein,
das unsere Nachbarn durchdringen wird, dass sie uns in diesem Land nicht
besiegen können.
Herr Vorsitzender,
ich möchte einige Zeilen aus einem Aufsatz vorlesen, der inmitten
der blutigen Unruhren im Jahre 1936 veröffentlicht wurde. Und wir
müssen dabei im Auge behalten, dass die Jüdische Gemeinde in
Israel weniger als 400.000 betrug.
Den Artikel in der Zeitung "Dawar" hat Moshe Beilinson geschrieben
und zwar, wie ich bereits erwähnt habe, in den Tagen der blutigen
Unruhen im Jahre 1936:
"Bis wann? So fragt man. Bis wann? Bis die Stärke Israels in
seinem Land jeden Angriff des Feindes, noch bevor er anfängt, zur
Niederlage verurteilt? Bis der Begeistertste und Kühnste in jedem
Feindeslager wissen wird:
Es gibt keine Mittel, die Stärke Israels in seinem Land zu brechen,
denn der Lebensdrang ist mit ihm, und die Wahrheit des Lebens ist mit
ihm, und es gibt keinen anderen Weg, als mit ihm Frieden zu schließen.
Das ist der Sinn dieses Feldzugs."
(Zitat Ende)
Ich bin überzeugt, dass alles, was wir seither und bis heute getan
haben, diese starken Worte bestätigt. Wir wollen nicht ewig über
Millionen Palästinenser herrschen, deren Zahl sich mit jeder Generation
verdoppelt. Israel, das ein vorbildlicher demokratischer Staat sein will,
kann diese Realität auf lange Sicht nicht tragen. Der Abkopplungsplan
ist entstanden, um das Tor einer anderen Realität aufzustoßen.
Ich möchte unsern arabischen Nachbarn heute folgende Worte ins Ohr
sagen: Schon in unserer Unabhängigkeitserklärung, inmitten eines
grausamen Krieges, hat Israel, das in Blut geboren ist, seine Hand zum
Frieden an diejenigen ausgestreckt, die kämpften und versuchten,
es mit dem Schwert zu zerschlagen, und ich zitiere: "Wir wenden uns
- selbst inmitten mörderischer Angriffe, denen wir seit Monaten ausgesetzt
sind - an die in Israel lebenden Araber mit dem Aufrufe, den Frieden zu
wahren und sich aufgrund voller bürgerlicher Gleichberechtigung und
entsprechender Vertretung in allen provisorischen und permanenten Organen
des Staates an seinem Aufbau zu beteiligen." (Zitat Ende)
Seither vergingen viele Tage. Dieses Land und dieses Gebiet haben weitere
Kriege gesehen und all die Kriege zwischen den Kriegen, den Terror und
die schweren Vergeltungsaktionen von Seiten Israels, das um sein Überleben
kämpft. In diesem andauernden Krieg starben sehr viele, die nicht
gekämpft haben, unschuldige Menschen. Und eine Träne folgte
der anderen. Ich möchte, dass Ihr wisst, dass wir unser Leben in
diesem Vaterland nicht auf Euren Trümmern errichten wollten. Ze'ev
Jabotinsky beschrieb in seinem Gedicht vor vielen Jahren die Vision von
Partnerschaft und Frieden unter den Söhnen des Landes (und ich zitiere):
"Dort wird er mit Freuden und Glück gesättigt sein, der
Sohn Arabiens, der Sohn Nazareths und mein Sohn." (Zitat Ende)
Wir wurden angegriffen und standen fest mit dem Rücken zum Meer.
Viele fielen bei Auseinandersetzungen, und viele verloren ihr Haus, ihr
Feld und ihren Garten, wurden Flüchtlinge. Dies ist der Weg der Kriege.
Aber Krieg ist kein himmlisches Dekret. Auch heute schmerzen uns die unschuldigen
Opfer in Eurer Mitte. Unser Weg ist nicht ein Weg des Mordens.
Vor achtundvierzig Jahren, dem Vorabend des Unabhängigkeitstages
1956, schrieb der hebräische Dichter Natan Alterman vor dem Hintergrund
der Übergabe der Leichen von Dutzenden Terroristen, die Verbrechen
in Israel, mörderische Taten in Israel begangen hatten, und die am
Grenzpunkt zum Gazastreifen in Holzsärgen in die Hände der Ägypter
übergeben wurden: [Zitat Natan Alterman]
Dies war zur Zeit der palästinensischen Mordüberfälle und
zur Zeit der Vergeltungsschläge.
Abgeordnete der Knesset,
Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich mit Worten von Ministerpräsident
Menahem Begin sel. A. schließen, die er auf diesem Podium Ende Dezember
1977 sprach (und ich zitiere):
"Woher kommt diese anarchistische Redensart und viele andere Sachen,
die gesagt wurden? Ich habe einmal während einer Diskussion mit Leuten
von Gush Emunim gesagt, dass ich sie heute liebe und werde sie auch morgen
gern haben. Ich sagte ihnen: Ihr seid wunderbare Pioniere, Erbauer des
Landes, Siedler auf felsigem Boden, bei Regen, im Winter, in Nöten.
Aber Ihr habt eine Schwäche - Ihr habt unter euch einen Komplex des
Messianismus entwickelt.
... Ihr müsst euch daran erinnern, dass es Tage gab, an denen Ihr
noch nicht geboren oder kleine Kinder wart, Tagen, in denen andere Menschen
Tag und Nacht ihr Leben riskierten, arbeiteten und sich abmühten,
brachten Opfer, erfüllten ihr Werk ohne einen Deut messianischen
Komplex.
Und ich rufe auch heute meine guten Freunde von Gush Emunim auf, ihr Werk
mit nicht weniger Bescheidenheit zu tun, wie es ihre Vorgänger in
anderen Tagen und in anderen Nächten taten.
Wir brauchen niemanden, der darauf achtet, ob wir koscher genug mit dem
Land Israel umgehen!
Unser gesamtes Leben widmeten wird dem Lande Israel und dem Kampf zu seiner
Befreiung, und so werden wir fortfahren".
(Zitat Ende)
Ich rufe das Volk Israel auf, sich in dieser entscheidenden Stunde zu
einigen. Wir müssen einen gemeinsamen Nenner für eine Art "notwendige
Einheit" finden, die uns ermöglicht, dies mit Verständnis
und in der Schicksalsgemeinschaft dieser Tage zu bewältigen und einen
Damm gegen den Bruderhass aufzubauen, der viele verrückt macht.
Wir haben schon einen ungeheuer teuren Preis für den mörderischen
Fanatismus gezahlt.
Wir müssen die Wurzel finden, die uns vereint, und unsere Taten mit
Vernunft und Verantwortung tun, die unser Leben hier als ein erwachsenes
und erfahrenes Volk ermöglichen.
Ich rufe Euch auf, mich in dieser Stunde der Entscheidung zu unterstützen.
Vielen Dank.
Quelle: Botschaft des Staates Israel
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