Genfer Initiative - "Zeichen der Hoffnung für Palästinenser und Israelis"
von Judith und Reiner Bernstein

Vor einem Jahr, am 2. Dezember 2003, ist in der Süddeutschen Zeitung eine Grußadresse an die Initiatoren der "Genfer Initiative" erschienen. Bekannte und Freunde in allen Teilen der Bundesrepublik haben dankenswerterweise dafür gesorgt, dass die Anzeige verschiedentlich nachgedruckt worden ist. Wir wissen, dass auch Ihnen die friedliche Regelung des israelisch-palästinensischen Konflikts am Herzen liegt. Deshalb möchten wir Sie über unsere Arbeit für dieses "Zeichen der Hoffnung für Palästinenser und Israelis" unterrichten.

Wie erinnerlich, löste die Präsentation des detaillierten Entwurfs für einen Friedensvertrag weltweit ein positives Echo aus. Nachdem das virtuelle Vertragswerk nach fast dreijähriger Vorarbeit am 1. Dezember 2003 zum Abschluss gebracht worden war, erhielten die beiden Hauptakteure Yossi Beilin und Yasser Abed Rabbo mit ihren Teams die Gelegenheit, in zahlreichen Hauptstädten dieses Dokument vorzustellen. Der Deutsche Bundestag debattierte im Februar und im Mai 2004 über die Lage im Nahen Osten und verabschiedete Anträge, in denen die "Genfer Initiative" gewürdigt wurde.

Wir waren uns von vornherein klar, dass es bei der Grußadresse vom Dezember 2003 nicht bleiben konnte. Wir haben uns deshalb binnen weniger Tage dazu entschlossen, die Ihnen bekannte Homepage www.genfer-initiative.de aufzubauen, für deren technische Betreuung wir Herrn Rudolf Süsske, Quakenbrück, gewinnen konnten. Ohne seine unermüdliche Mitarbeit wäre es nicht möglich gewesen, einen Fundus von Dokumenten, Kommentaren, Beiträgen, Nachrichten, Rezensionen und Veranstaltungshinweisen zu verarbeiten. Indem wir uns daran gehalten haben, die Perspektiven einer friedlichen Regelung zwischen beiden Völkern im Rahmen unserer Arbeit zu fördern und nicht jenen zu folgen, die tagtäglich die neuesten Katastrophenmeldungen verkünden, ist es gelungen, dass die Homepage im Monat weit mehr als tausend Mal genutzt wird. Es gibt also ein starkes Bedürfnis in Deutschland, den Stimmen der Vernunft im Nahen Osten Aufmerksamkeit zu schenken. Die nähere Auswertung ergibt, dass sich sämtliche Rubriken großer Aufmerksamkeit erfreuen.

Bedauerlicherweise findet mit bemerkenswerter Ausnahme der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die Berichterstattung über die Arbeit der "Genfer Initiative" vor Ort eine auffallend geringe Resonanz, anders auch als in der Schweiz, wo die "Neue Zürcher Zeitung" und der Zürcher "Tages-Anzeiger" regelmäßig darüber informieren. Die Zurückhaltung in Deutschland dürfte einer der Gründe sein, dass es nicht gelungen ist, ein prominent besetztes Kuratorium zusammenzurufen, das die Ideen der "Genfer Initiative" in die deutsche Öffentlichkeit hineinträgt. Auch bei den zahlreichen Begegnungen mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages, bei Besuchen in den Fraktionen und bei den Parteien sowie bei Gesprächen mit Angehörigen der politischen Stiftungen war die deutliche Skepsis unübersehbar, die wir in der skeptischen Frage zusammenfassen würden: "Nach all den gescheiterten Friedensinitiativen der vergangenen Jahrzehnte glauben Sie immer noch an die Chance der Koexistenz zwischen Israelis und Palästinensern?" Anders formuliert: Wir registrieren ein gewisses persönliches Wohlwollen, doch die politische Frustration und die Enttäuschung überwiegen deutlich - und damit die geringe Bereitschaft, den neuen Ansatz der "Genfer Initiative" zu würdigen. Denn erstmals haben sich prominente israelische und palästinensische Politiker und Diplomaten, hochrangige Militärs sowie Wissenschaftler und Intellektuelle, die ihren Regierungen zu Recht keinen friedenspolitischen Durchbruch zutrauen, in dem Willen zusammengefunden, den Kreislauf der Gewalt und der Hoffnungslosigkeit zu durchbrechen. Dass sie damit erhebliche Risiken eingegangen sind, ist in den vergangenen Tagen noch einmal bestätigt worden, als Israels Generalstaatsanwaltschaft keinen Anlass sah, gegen eine Siedler-Organisation eine Untersuchung einzuleiten, die in einem religiösen Rechtsgutachten die israelischen Akteure der "Genfer Initiative" des nationalen Verrats beschuldigte.

Wir haben in den vergangenen zehn Monaten mitgeholfen, auf Tagungen und Seminaren, in Vorträgen und bei Podien die "Genfer Initiative" vorzustellen sowie über das Für und Wider unter Palästinensern und Israelis zu berichten. Unter Israelis und Palästinensern sind die Erfolge und Leistungen erheblich eindrucksvoller als das, was wir erreichen konnten: Die Akteure der "Genfer Initiative" unterhalten in Tel Aviv, in Ramallah und in Gaza-City Verbindungsbüros und wirken von dort aus in ihre Öffentlichkeit hinein: Sie betreiben die Homepages www.heskem.org.il und www.geneva-initiative.net mit vielen relevanten Informationen. Doch ihr Hauptaugenmerk gilt der Arbeit in Einrichtungen der Jugend- und Erwachsenenbildung, in (palästinensischen) Flüchtlingslagern, in öffentlichen Veranstaltungen und Hauszirkeln, in der Zusammenarbeit mit örtlichen Partei- und Gewerkschaftsgliederungen, der Organisierung lokaler Kampagnen sowie der Beteiligung an internationalen Konferenzen. Starkes Interesse finden die regelmäßigen Exkursionen an die "Trennungsmauer" in und um Jerusalem. Dabei sei von den Teilnehmenden, so wird berichtet, immer wieder der erschrockene Ausruf zu hören: "Das haben wir nicht gewusst!" Die räumliche Nähe zur palästinensischen Bevölkerung verbürgt also keineswegs die Kenntnis über die häufig unerträglichen Konsequenzen der israelischen Besatzung. Ich bin erfreut darüber, dass zu den genannten Büros kontinuierliche Arbeitskontakte bestehen. Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Menachem Klein von der Bar-Ilan-Universität, der in Israel zum inneren Kreis der Beteiligten gehört. Menachem Klein steht mir mit Rat und Tat auch bei meinem Buchprojekt über die "Genfer Initiative" zur Seite.

Wer regelmäßig die Nachrichten aus der Region verfolgt, gerät kontinuierlich unter den Zwang, sich Rechenschaft über sein Tun zu geben. Ich räume ein, dass wir von der Versuchung nicht verschont worden sind, unsere Arbeit einzustellen. Doch wenn wir Palästinensern und Israelis begegnen, die zu Hause nicht müde werden, für den Frieden zwischen ihren Völkern zu kämpfen, und sich dabei erheblichen Risiken aussetzen, dann fragen wir uns, ob wir uns aus der Ferne den "Luxus" der Verzweiflung und der Untätigkeit erlauben können. Unsere Antwort ist eindeutig. Sosehr Israelis und Palästinenser die politische Einmischung in ihre Angelegenheiten scheuen, so sehr sind sie auf Ermutigungen und praktische Hilfen angewiesen.

Unsere Tätigkeit ist strikt ehrenamtlich gewesen. Nach der Begleichung der Anzeige ist etwas Geld übriggeblieben, das wir für die Betreuung der Homepage verwendet haben. Jetzt ist der "Topf" fast aufgebraucht. Damit wird auch unser Bemühen um die "Genfer Initiative" eingestellt werden müssen. Für uns würde dies persönlich eine große Erleichterung mit sich bringen, weil wir viele Stunden für diese Arbeit aufwenden. Andererseits ist uns bewusst, dass die Perspektive des israelisch-palästinensischen Friedens langen Atem braucht. Ariel Sharon hat mehr als einmal betont, dass ihm die weitreichenden Konsequenzen, die sich in der "Genfer Initiative" niederschlagen, große Sorgen bereiten. Von ihm stammt die Formel "Gaza oder Genf" - womit er die israelische Öffentlichkeit vor die Wahl stellen will, entweder seinen Plänen eines Teilrückzugs aus dem Gazastreifen bei gleichzeitiger Verstärkung der israelischen Präsenz in der Westbank oder einem souveränen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 zuzustimmen. Auch die Palästinenser stehen vor der Alternative "Gewalt oder Verhandlungen". Unter ihnen haben viele prominente Politiker und Intellektuelle eine klare Aussage über die politischen Ziele verlangt.

Wir wissen, dass die Akteure der "Genfer Initiative" noch viel Arbeit vor sich haben; unsere Homepage berichtet darüber ausführlich. Es geht vor allem um die fünfzig im Dokument gekennzeichneten Lücken ("Anhang X") und um die Artikel 12 bis 14, deren Thematik der Konkretion bedarf. Die Belagerung der palästinensischen Städte und Ortschaften sowie der Bau der "Trennungsmauer" behindern die Weiterarbeit physisch als auch psychisch. Durch unsere Kontakte wissen wir, an welchen Stellen die politischen Diskussionen besonders schwierig sind. Das Schweizer Auswärtige Amt hat ein "Geneva Initiative Network" auf internationaler Ebene begründet, um im Meinungs- und Ideenaustausch den Protagonisten in der Region zu helfen und jenen Regierungen beratend zur Seite zu stehen, die sich für den israelisch-palästinensischen Friedensschluss einsetzen. In der Europäischen Union lassen sich die dezidierten Töne nicht länger überhören, die auf einen Kurs einzuschwenken gewillt sind, für den die "Genfer Initiative" steht.

Am 1. Dezember jährt sich zum ersten Mal ihre Präsentation. Wir möchten gern diese Gelegenheit nutzen, beide Seiten nochmals zur konstruktiven Fortsetzung ihres Weges zu ermutigen. Dazu wollen wir wiederum eine Anzeige in einer überregionalen deutschen Tageszeitung platzieren. Wir würden uns über Ihre Hilfe freuen und fügen einen Entwurfstext bei. Wir bitten um Verständnis dafür, dass wir am politischen Duktus des Textes festhalten möchten. Es versteht sich, dass wir auf Wunsch Zuwendungen zurückerstatten, sollte die Annonce nicht zustande kommen.

Der deutsche Text des Genfer Abkommens unter
http://www.reiner-bernstein.de/genfer_initiative_deutsch.html

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