10 Leitsätze zum christlich-jüdischen Verhältnis
von Peter von der Osten-Sacken


In den letzten Jahrzehnten sind mit Blick auf das christlich-jüdische Verhältnis wichtige Erkenntnisse gewonnen oder wiedergewonnen worden. Dazu hören:
1. Juden und Christen leben in der Bindung an denselben Gott, auch wenn sich Glaube und Leben beider Gemeinschaften auf unterschiedliche Weise Ausdruck verschaffen.
2. Die Kirche ist durch Jesus Christus mit der sehr viel älteren Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel auf Dauer verbunden.
3. Christen haben mit Juden deren Heilige Schriften (Jüdische Bibel / Altes Testament) gemeinsam und sie bekennen sich zu dem Juden Jesus von Nazareth als Messias. Durch beide Tatbestände stehen Christen in einem besonderen Verhältnis zum jüdischen Volk.
4. Die Erwählung Israels (die Zuwendung Gottes zu Israel) ist deshalb, weil Israel Jesus nicht als Messias anerkennt, nicht beendet. Sie bleibt vielmehr nach Aussage des Neuen Testaments gültig (Paulus, Römerbrief, Kap. 9-11, bes. Kap. 11). In der Kirchengeschichte ist dies zum Schaden von Juden und Christen oft vergessen, verdrängt oder bestritten worden.
5. Die Beziehung von Christen zu Juden schließt die Achtung der jüdischen Gemeinschaft in ihrem Selbstverständnis ein. In einem durch Achtung bestimmten Verhältnis sind stets auch kritische Fragen in bestimmten, konkreten Zusammenhängen möglich.
6. Das "Gesetz" (= die 5 Bücher Mose / die Tora) hat in biblisch-jüdischem Verständnis eine sehr viel reichere Bedeutung als das Wort "Gesetz" in christlicher Sicht. Für Israel ist das Gesetz / die Tora Unterpfand der Erwählung und bindendes Wort Gottes, Gabe und Verpflichtung.
7. Beide Gemeinschaften - Juden und Christen - haben dasselbe Recht auf ihre Wahrheitsgewissheit und dasselbe Recht, ihr durch Wort und Schrift Ausdruck zu verschaffen. Dies gilt im Sinne des Grundgesetzes, aber auch gemäß heutiger kirchlicher Auffassung.
8. Angemessen ist ein Zugang auf das jüdische Volk im Sinne des Gesprächs, des wechselseitigen Hörens und Verstehens, des Fragen und Antwortens. In einem solchen Gespräch kommt wie von selbst das zum Ausdruck und wird das bezeugt, wovon jede Seite lebt. Solche Gespräche werden jedoch verengt und letztlich beendet, wenn sie mit dem Ziel geführt werden, den anderen zu "bekehren".
9. Das christlich-jüdische Verhältnis wird dann eine heilsame Zukunft haben, wenn es von Vertrauen bestimmt ist. Gefragt ist entsprechend ein glaubwürdiges, sich bewährendes christliches Verhalten.
10. Der jüdische religiöse Denker Martin Buber hat einmal gesagt, Juden und Christen hätten ein Buch und eine Hoffnung gemeinsam. Das Buch kommt aus der Vergangenheit, die Hoffnung ist auf die Zukunft (Reich Gottes) gerichtet. Zwischen beiden liegen die Aufgaben und Chancen der Gegenwart.

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