Verlassen von seiner Kirche
Gedenken an Friedrich Weißler

1937 ermordeten die Nationalsozialisten den Demokraten und Richter Friedrich Weißler im KZ Sachsenhausen. Eine Gedenkveranstaltung an diesem Samstag ist Weißler gewidmet, der auch Mitglied der Bekennenden Kirche war.

"Von seiner Kirche verlassen" steht auf dem Mahnmal. Es könnte hinzugefügt werden: "Zuerst von der Justiz verraten." 68 Jahre nachdem er ermordet wurde - die Schergen des NS-Regimes trampelten Weißler am 19. Februar zu Tode - wird offiziell an den ersten Märtyrer der Bekennenden Kirche im Dritten Reich erinnert. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, nehmen am Gedenken teil.

Weißler, geboren 1891, evangelischer Christ jüdischer Herkunft, war im 1. Weltkrieg Leutnant. Im Jahr 1932 wird er Landgerichtsdirektor in Magdeburg. Schon in den ersten Tagen der NS-Herrschaft gerät er mit den neuen Machthabern in Konflikt. Gegen einen angeklagten SA-Mann verhängt er eine Ordnungsstrafe, weil der in SA-Uniform vor Gericht steht ("Versuch, das Gericht einzuschüchtern").

Der SA-Mob rächt sich, stürmt das Gericht, zwingt Weißler, die Hakenkreuzfahne zu grüßen. Deutscher Richterbund und Preußischer Richterverein versagen Hilfe. Im Juli wird Weißler entlassen, die Urkunde unterschreibt der spätere Präsident des berüchtigten Volksgerichtshofs, Roland Freisler, damals in Preußens Justizdienst.

Zusammenarbeit mit Niemöller

Weißler wird in Berlin Kanzleichef der Bekennenden Kirche (BK), erarbeitet zusammen mit BK-Gründer Martin Niemöller eine an Adolf Hitler gerichtete Schrift. Darin kritisieren die beiden Willkürakte der Gestapo, Konzentrationslager, Antisemitismus und Judenhass, die fast religiöse Verehrung des "Führers", Bespitzelungen, Heuchelei und knechtische Gesinnung, die "zur Aufhebung echter sittlicher Hemmungen führen müssen".

Die Schrift erscheint acht Tage vor den Olympischen Spielen 1936 in der New York Herald Tribune und in der Londoner Morning Post als "freimütigste Äußerung der Bekenntniskirche". Weißler gerät in Verdacht, Informant zu sein. Die Kirche löst sein Arbeitsverhältnis Ende September, liefert ihn damit der Gestapo aus. Er wird am 6. Oktober verhaftet, kommt am 13. Februar 1937 ins Konzentrationslager Sachsenhausen. Laut Zeitzeugen wird er noch im selben Monat umgebracht.

In Kirchen- wie in Justizkreisen ist Weißler kaum bekannt. In Oranienburg heißt ein kirchliches Seniorenheim nach ihm, in der Gemeinde Stahndorf bei Berlin - dort ist er beerdigt - ist ein Platz nach ihm benannt.

Frankfurter Rundschau, 19.02.2005

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