"Historisches Datum im deutschen Kirchenkampf"
Vor 70 Jahren über 500 evangelische Pfarrer wegen Kanzelabkündigung
inhaftiert
Am 17. März 1935 - vor 70 Jahren - wurden wegen einer
regimekritischen Kanzelabkündigung - vornehmlich in den östlichen
Kirchenprovinzen Preußens - über 500 Pfarrer inhaftiert. Dies
ist einzigartig in der Geschichte der Auseinandersetzung der Bekennenden
Kirche mit den Machthabern des Dritten Reichs. Daran erinnert der Präsident
der Kirchenkanzlei der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK), Wilhelm
Hüffmeier, in diesen Tagen, weil die Inhaftierung von über 500
evangelischen Geistlichen heute nahezu vergessen ist.
Zwei Wochen früher, am 5. März 1935, hatte die
preußische Bekenntnissynode in Berlin-Dahlem ein "Wort an die
Gemeinden" verabschiedet, in dem das Deutsche Volk vor der "tödlichen
Gefahr einer neuen Religion" gewarnt wurde: In dieser Religion, so
das Wort der Bekenntnissynode, werde "Blut und Rasse, Volkstum, Ehre
und Freiheit zum Abgott". Die preußische Bekenntnissynode hatte
die Pfarrer aufgerufen, dieses Wort von den Kanzeln zu verlesen. Reichsinnenminister
Frick aber sah in dem Wort "einen heimtückischen Angriff auf
Staat und Volk, der strafrechtliche Sühne fordert". Doch trotz
Bedrohung durch die Gestapo oder die örtliche Polizei wurde das Wort
mit einer zeitlichen Verzögerung am 17. März 1935 in vielen
Gemeinden abgekündigt. Die meisten der gefangen gesetzten 500 Pfarrer
und Vikare wurden freilich nach wenigen Tagen wieder aus der Haft entlassen.
In dem Synodenbeschluss vom 5. März 1935 heißt
es: "Dieser Wahnglaube macht sich seinen Gott nach des Menschen Bild
und Wesen
Solche Abgötterei hat mit positivem Christentum
nichts zu tun. Sie ist Antichristentum". Die Bekenntnissynode protestierte
deshalb gegen die "Verweltlichung kirchlicher Sitte zu wehren, der
Entheiligung ihres Sonntags, der Entchristlichung ihrer Feste zu widerstehen".
Sie rief zum Widerstand gegen einen "Weltanschauungs- und Religionsunterricht"
auf, der "unter Verstümmelung und Beiseiteschiebung der Heiligen
Schrift Alten und Neuen Testaments zum Glauben an den neuen Mythos erzieht".
Angesichts des überall geforderten und praktizierten Eids auf den
Führer stellte sie klar: "Jeder Eid wird vor Gottes Angesicht
geleistet und stellt die in ihm übernommene Verpflichtung unter die
Verantwortung vor Gott. Der Eid findet seine Grenze darin, dass allein
Gottes Wort uns unbedingt bindet".
Während des Kirchenkampfes sei es zu keinem weiteren
so breiten gemeinschaftlichen Protest und Widerspruch von Pfarrern gegen
den nationalsozialistischen Ungeist gekommen. Mit Recht habe die Zeitung
"Basler Nachrichten" damals von einem "historischen Datum
im deutschen Kirchenkampf" gesprochen, erklärt der Präsident
des Kirchenamts der UEK. Das Nachlassen des Protests hänge auch damit
zusammen, dass die Kirchenleitung wegen der massiven Verhaftungswelle
weitere Abkündigungen des "Wortes an die Gemeinden" mit
der Bemerkung verknüpfte, dass dieses Wort sich lediglich gegen die
neuheidnische Religion wende und nicht gegen den Staat. Andererseits wollte
auch Adolf Hitler Ruhe haben, weil er beabsichtigte, im Sommer mit den
Briten einen Flottenvertrag abzuschließen. Von jenseits des Kanals
drangen allerdings schon im Oktober 1934 besorgte Stimmen über die
ernste kirchliche Lage in Deutschland.
Als anderthalb Jahre später Friedrich Weißler
als Mitverfasser einer Denkschrift an Hitler, die ähnliche Kritik
wie die preußische Bekenntnissynode 1935 äußerte, verhaftet
wurde, kam es zu keinem Aufschrei mehr. Im Gegenteil. Friedrich Weißler
blieb in Haft und wurde als erster Märtyrer der Bekennenden Kirche
am 19. Februar 1937 im KZ Sachsenhausen ermordet.
Quelle: EKD
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