Zuhause im Gazastreifen

Israel macht Ernst mit seinen Absichten, die jüdischen Siedlungen im Gazastreifen zu räumen. Die Palästinenser träfe es unvorbereitet, die Siedler wollen sowieso bleiben. Bilder aus einem kargen, begehrten Landstrich.

Der Palästinenser Mohammed Kanal ist Bauer und Fischer. Seit zwei Jahren konnte er wegen der jüdischen Siedlungen im Gazastreifen aber weder auf seine Felder noch zu seinen Booten. Nur wenige hundert Meter entfernt, in der Siedlung Neve Dekalim, feiert Hagai Bachar ein Fest mit seinen Kindern.

Das Leben beider Männer wird sich in wenigen Monaten drastisch ändern, wenn sich Israel, wie geplant, aus dem Gazastreifen zurückzieht. UNO-Generalsekretär Kofi Annan ist optimistisch: Es gebe wieder mehr Hoffnung auf einen souveränen Staat Palästina. Doch die Menschen, die es beträfe, scheinen noch überhaupt nicht mit einem Rückzug Israels zu rechnen.

Bislang sind die Regierungsmitglieder von Ministerpräsident Scharon offenbar die einzigen, die sich tatsächlich auf den Abzug vorbereiten: Pläne für die Evakuierung der Siedler werden entworfen, über die weitere Verwendung der Gebäude und Gewächshäuser beraten und Szenarien für den Umgang mit möglichen Widerstandsaktionen der Siedler durchdiskutiert.

Das Parlament hat vier Milliarden Schekel als Entschädigung für die 9000 Menschen bereitgestellt, die derzeit in den betroffenen 21 Siedlungen im Gazastreifen und den vier Siedlungen im Westjordanland leben. Das Kabinett hat den Abzugsplan mit deutlicher Mehrheit gebilligt. Auch viele Israelis gehen fest von einer Räumung der Siedlungen aus. Nicht aber die jüdischen Siedler.

Diejenigen, die die Entschädigung anzunehmen gedenken, geben dies allerdings nur hinter vorgehaltener Hand zu - die Widerstandsfront der Siedler soll nach außen hin geschlossen bleiben. Die Siedlung Gusch Katif will eine halbe Million Geschenkkörbe mit Gemüse in Israel verteilen, mit handgeschriebenen Bittbriefen der Kinder. Das werde Gusch Katif "in die Herzen und Köpfe der Menschen" bringen, sagt der Siedler Rafi Seri. Andere denken an militantere Widerstandsformen.

Mohammed Kanal ist sich sicher, dass die Israelis nicht abziehen werden. Der Plan werde scheitern, wie alle anderen vor ihm auch. Warum also sollte er sich auf eine Aussaat auf seinen Feldern vorbereiten oder seine Boote reparieren? "Ich glaube es nicht, auch wenn ich auf meinem Land stehen sollte", sagt Kanal. Auch Bachar glaubt nicht an den Abzug. Er hofft, dass Gott noch einschreiten und ihn retten werde. "Es gibt nichts, worüber ich mir Sorgen machen müsste", sagt Bachar. "Wir vertrauen darauf, dass der Messias kommt."

Unklar ist nach wie vor, was mit den Gebäuden der Siedlungen geschehen soll. Erste Pläne, sie abzureißen, wurden inzwischen aufgegeben. Berichten zufolge gibt es Gespräche mit arabischen Immobilienfirmen. Sicher ist aber noch nichts. Bei den palästinensischen Behörden scheint es hingegen noch nicht einmal die geringsten Vorbereitungen zu geben. Es wird befürchtet, dass die Immobilien im Zuge der Günstlingswirtschaft an Parteigänger einflussreicher Palästinenser fallen. Die Hamas hat vorgeschlagen, die Wohnungen den Familien zu geben, die bei den Kämpfen der vergangenen Jahre Angehörige verloren haben.

Der Abzug der Israelis könne zur Katastrophe für die Palästinenser werden, warnt der palästinensische Wirtschaftswissenschaftler Omar Ismail. Er könne auch das letzte Vertrauen der Palästinenser in ihre politische Führung zerstören. Derweil sitzt der Palästinenser Kanal in seinem Haus und trinkt einen bitteren Kaffee, mit der leisen Hoffnung, vielleicht eines Tages doch wieder auf sein Land zu können. Der Siedler Bachar spielt weiter mit seinen Kindern - fest in seinem Glauben, dass er dieses Land nie verlassen wird. (arn)

Quelle: Deutsche Welle, 14.2.2005

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