Handwerker des Todes
Topf & Söhne, die Ofenbauer von Auschwitz. Eine Ausstellungsrundgang mit einem Familienmitglied
von Christian Böhme

Topf & Söhne. Eigentlich ein ganz harmloser Name für ein deutsches Familienunternehmen. Ein Name, der nach Tradition, Verläßlichkeit, Erfahrung und Pflichterfüllung klingt. Topf & Söhne. Ein Name, der für Überlebende der Schoa nach Feuer, Krematorien und millionenfachem Tod klingt. Topf & Söhne, das waren die Ofenbauer von Auschwitz. Hartmut Topf weiß das, seit er ein Jugendlicher ist.

Kurz nach Kriegsende: Der Urenkel des Firmengründers sitzt mit ein paar Freunden im Kino und sieht die Wochenschau. Plötzlich wird das Logo der Erfurter Firma eingeblendet. Der Sprecher bringt den Namen direkt mit der Vernichtung der Juden in einen Zusammenhang. Hartmut ist schockiert. Topf & Söhne, das war doch immer ein Name, der ihn stolz gemacht hatte. Ein Unternehmen mit tadellosem Ruf, das Mälzereien, Brauereianlagen und Schornsteine in alle Welt lieferte. Deutsche Wertarbeit eben. Und dann das. Topf & Söhne: Kollaborateure der Massenvernichtung.

Das ist bald sechzig Jahre her. Jetzt steht Hartmut Topf im ersten Stock des Jüdischen Museums in Berlin. Hinter ihm ein großes Zeichenbrett, vor ihm fünf Räume mit Briefen, Auftragsbestätigungen, Skizzen, kaputten Ofentüren und Dutzenden Aschekapseln aus dem KZ Buchenwald. In zwei Tagen wird hier eine Ausstellung über die "Techniker der Endlösung" eröffnet. Es ist die erste, die sich ausführlich mit der rauchdunklen Geschichte von Topf & Söhne beschäftigt. Wer will, kann sich nun über die Handwerker des Todes informieren, kann sich anhand der Dokumente ein Bild von einem ganz normalen deutschen Unternehmen machen, deren Mitarbeiter keine Skrupel hatten, sich in die praktischen Probleme der Vernichtung hineinzudenken und dafür Lösungen zu entwickeln.

Hartmut Topf ist froh, daß es diese Ausstellung gibt, vielleicht sogar ein wenig erleichtert. Seit vielen Jahren beschäftigt sich der Einundsiebzigjährige mit der unrühmlichen Familiengeschichte. Immer wieder hält er Vorträge, nimmt an Diskussionsveranstaltungen teil, will die Menschen zum Nachdenken ermutigen. "Lernt ehrlich, redlich zu zweifeln." Das sagt er seinen Zuhörern. In Deutschland, wenn es um die NSZeit geht, in Serbien, wenn es um Kriegsverbrechen der jüngsten Vergangenheit geht. Das ist er sich selbst schuldig, also seiner Herkunft. Für die kann er nichts, aber er spürt - anders als der Rest der Familie - eine innere Verpflichtung. Topf & Söhne, das ist ein schweres Erbe. "Aber keine Last", sagt Hartmut Topf. "Sich der Vergangenheit zu stellen, empfinde ich als Befreiung." Große Worte, ausgesprochen ohne Pathos, eher als eine Selbstverständlichkeit.

Ab und zu hält Hartmut Topf an einer Glasvitrine an, setzt kurz die Lesebrille auf und beugt sich über ein Dokument. Der Mann mit dem dunkelgrauen Haar und dem gleichfarbigen Bart kennt nicht jedes der ausgestellten Schriftstücke. Aber er weiß mehr als genug über die Rolle, die das 1878 gegründete Unternehmen in der NSZeit spielte: eine schreckliche, eine skrupellose. Dabei waren die Firmenbesitzer, die Ingenieure und die Monteure nach allem was man weiß keine fanatischen Nazis oder Antisemiten. Auch Profitgier kann die vorbehaltlose, keinesfalls erzwungene Zusammenarbeit mit dem mörderischen Regime nicht erklären. Die Aufträge der SS machten gerade mal zwei Prozent des Umsatzes aus. Vielleicht wollten sie Deutschland "dienen", zeigen, was mit technischem Ehrgeiz alles machbar war. Auch, wenn es um Massenmord ging. Millionenfache Tötung und Leichenbeseitigung ohne Unterbrechung, kostengünstig, brennstoffsparend und dabei möglichst wenig Spuren hinterlassen - das war die Herausforderung für die Experten. Stets gern zu Diensten, so lautete das Firmenmotto. Nach dem Krieg verteidigten sich die führenden Angestellten mit dem Hinweis auf die Technik: Die Öfen seien doch "unschuldig" gewesen. "Die wußten, was sie taten", sagt Hartmut Topf. Die Ausstellung beweist es.

Bleibt das Warum? Auch Hartmut Topf hat keine Antwort auf diese Frage. Er hat sie gesucht, aber nicht gefunden. Wie auch. Es waren ganz normale Menschen, keine Monster. Ihnen lag daran, daß die Öfen in Auschwitz und in anderen Vernichtungslagern gut arbeiteten. Das Böse - Hartmut Topf konnte es bis heute nicht entdecken. Das macht die Sache noch unvorstellbarer. Dennoch engagiert er sich weiter und freut sich, daß die Ausstellung bald auch in Erfurt gezeigt wird, wo es lange Widerstand gegen eine Aufarbeitung der Firmengeschichte gab. Ob er schon einmal daran gedacht habe, die Vergangenheit der Familie Vergangenheit sein zu lassen? Dumme Frage, könnte Hartmut Topf jetzt antworten. Er aber schüttelt nur kurz den Kopf.

Bis zum 18. September im Jüdischen Museum Berlin, Lindenstraße 9-14.
Weitere Informationen: www.topfundsoehne.de
Jüdische Allgemeine, 23.6.2005

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