Yad Vashem mit neuen Räumen und neuem Konzept
von Michael Krupp

"Die Eröffnung der neuen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ist nicht nur für die Juden und den Staat Israel ein einschneidendes Ereignis, auch für uns, Deutsche und Christen, ist es das in besonderer Weise. Deshalb sind wir hier und dabei", sagte der zweite Vorsitzende der deutschen Freunde von Yad Vashem, Albrecht Fürst zu Castell-Castell, am Tag der feierlichen Einweihung der neuen Gedenkstätte unter der Beteiligung von Präsidenten, Ministerpräsidenten und Ministern von mehr als 30 Staaten der Welt. Aus seiner ganz persönlichen Erfahrung als Christ und Deutscher wisse er, dass zum Überleben das Gedenken gehöre und die Umkehr. Durch das Auffinden der antisemitischen Spuren in seiner eigenen Familiengeschichte habe er zur Überwindung von Steroptypen gefunden. Dass in dem deutschen Freundeskreis Juden und Deutsche, Überlebende der Schoah und Nachkommen der Tätern, zusammenarbeiten können, gebe Hoffnung für die Zukunft.

Der Vorstand des Freundeskreises mit ihrer Vorsitzenden, der Parlamentarierin Rita Süssmuth, war ein Teil der deutschen Delegation, die an der Einweihung der neuen Gedenkstätte teilnahm. Geleitet wurde sie vom deutschen Außenminister, Joschka Fischer. Ein solches Aufgebot von Staatsgästen hatte Israel seit der Beerdigung des ermordeten israelischen Ministerpräsidenten, Jitzhak Rabin, nicht mehr erlebt. Dies zeigt, welche Bedeutung die Welt dem Gedenken an den Holocaust einräumt. Die neuen Ausstellungsräume sind dafür angetan, das Erinnern an den Holocaust auch im 21. Jahrhundert wach zu halten, sechzig Jahre nach dem Ende der größten Katastrophe in der modernen Zeit.

Die Gedenkstätte versucht, sich dieser Anforderung zu stellen. In einer Zeit, in der die Zeitzeugen aussterben, gibt die Ausstellung in zahlreichen Videofilmen auf Hunderten von Bildschirmen auf dem über 4000 qm großen Ausstellungsgelände, den Schilderungen der letzten Überlebenden Gehör, auch wenn sie selbst nicht mehr da sein werden. Das Schwergewicht liegt auf dem individuellen Erleben der Millionen Opfer. Das kommt auch in der Fülle persönlicher Gegenstände, die die Opfer zurücklassen mussten, zum Ausdruck, die überall in den Vitrinen ausgestellt sind.

Die architektonische Anlage nimmt den Besucher in Beschlag und führt ihn durch das Grauen der Jahre der Judenverfolgung, bis sie ihn auf eine Plattform hinausbefördern, wo sich ihm ein atemberaubender Blick über die Landschaft der Jerusalemer Berge eröffnet, die ihm sagen wollen, das Leben geht weiter, der Holocaust hat das Ziel Hitlers nicht erreicht, die Vernichtung des Judentums.

Auf einer schmalen Brücke führt ein Weg in einen 180 m langen Gang, der den ganzen Gedenkberg durchquert und an beiden Seiten aus ihm herausragt. Erleuchtet wird der nach oben spitz zu laufende Gang durch eine Glasabdeckung. Diesen Gang kann der Besucher gradlinig nicht durchwandern, durch Vertiefungen und Absperrungen ist er genötigt, den Gang im Zickzack zu durchqueren, entlang den verschiedenen unterirdischen Ausstellungshallen, die jede für sich ein bestimmtes Kapitel des Holocausts festhält, angefangen mit der deutschen Geschichte vor Hitler, darunter ein Kapitel des christlichen Antisemitismus mit antijüdischen Darstellungen in Kirchen und öffentlichen Plätzen.

Auf dem langen Weg durch die Geschichte steht der Besucher vor aufgeschichteten Bücherstapeln jüdischer Autoren, die bereits zu Beginn der Naziherrschaft öffentlich verbrannt wurde, Originalaufnahmen der damaligen Zeit veranschaulichen den historischen Hintergrund. Der Besucher durchwandert rekonstruierte Straßenzüge mit originalem Sraßenpflaster und Straßenbahnschienen des Warschauer Ghettos, vorbei an Loren aus den Steinbrüchen der Zwangsarbeiter, den Viehwagen der der deutschen Reichsbahn, mit denen die Juden in die Vernichtung transportiert wurden, durch eine Baracke des Konzentrationslagers Auschwitz mit den dreistöckigen Bettgestellen. Er durchquert Werkstätten des jüdischen Untergrunds, wo Waffen hergestellt und Papiere gefälscht wurden.

Er kommt vorbei an bisher leeren Hallen, wo Sprüche an die Wand geworfen werden wie der des australischen Delegierten der Konferenz von Evian aus dem Jahr 1938: "Unter den gegebenen Umständen kann Australien nicht mehr machen. Wir haben kein Rassenproblem, und haben kein Verlangen, eins zu importieren." So leicht konnte man damals die Tore vor den flüchtenden Juden in aller Welt zusperren und sie der Vernichtungspolitik der Nazis überlassen.

Der letzte Saal vor der Rückkehr ins Licht und zurück ins Leben ist der Saal mit den 3 Millionen Namen von Holocaustopfern, die man inzwischen verifizieren konnte, ihre Namen, und manchmal auch letzte Bilder und Fragmente ihrer unvollendeten Labensgeschichte. Eine Kuppel enthält die Fotografien zahlreicher Opfer, Kinder, Greise, Gelehrte und ganz einfache Menschen, die alle eins gemeinsam hatten, dass sie Juden waren und die Nazis sie vernichten wollten und darin leider erfolgreich waren, weil es nicht genug Menschen gab, sie daran zu hindern. In einer tief in den Felsen geschlagenen Grube befindet sich direkt unter der Kuppel ein Spiegel, ein großer See, der die Gesichter von oben noch einmal wiederspiegelt, so dass es jetzt 6 Millionen sind, die 6 Millionen toten Juden des Holocaust.

Vor der ebenfalls neuen Eingangshalle findet sich das Symbol der 50 Jahre der Gedenkstätte Yad Vashem: Aus einem verrosteten Stück Stacheldraht wächst ein junger grüner Ölzweig, das Zeichen der Hoffnung und der Zukunft. Er will das Motto von Yad Vashem in diesen fünzig Jahren veranschaulichen: Remembering the past - Shaping the future. An die Vergangenheit erinnern - die Zukunft gestalten. Nie wieder.

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Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau
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