Plagges Name ist jetzt in Stein gemeißelt
Posthume Ehrung des Darmstädters in Jerusalem
von Gemma Pörzgen

Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hat Anfang April das Andenken des aus Darmstadt stammenden Wehrmachtsmajors Karl Plagge mit dem Titel "Gerechter unter den Völkern" geehrt. In einer feierlichen Zeremonie überreichte in Jerusalem der Direktor von Yad Vashem, Avner Schalev, eine entsprechende Urkunde an den Präsidenten der Technischen Universität Darmstadt, Johann-Dietrich Wörner. An der Technischen Hochschule hatte Plagge einst Maschinenbau studiert. Der am 19. Juni 1957 in Darmstadt gestorbene Plagge hatte nach seinem Tod keine direkten Nachkommen hinterlassen. Er ist einer von 410 Deutschen, die diese hohe Ehrung in Yad Vashem bislang zuteil kam.

"Mit der heutigen Zeremonie wird eine Persönlichkeit geehrt, die große Aufmerksamkeit verdient, weil sie in einem unmenschlichen System menschlich gehandelt hat", würdigte Wörner die Verdienste von Plagge. An der Feierstunde auf dem Berg des Gedenkens in Jerusalem nahmen auch der deutsche Botschafter Rudolf Dressler sowie Holocaust-Überlebende teil, die von Plagge gerettet wurden. Der US-amerikanische Arzt Michael Good aus Connecticut hatte zusammen mit Nachfahren von Überlebenden umfangreiches Material gesammelt, das ein ganz neues historisches Bild von Plagges Kommandantur im Heerkraftfahrpark (HKP) im litauischen Vilnius entwarf. Plagge hatte Goods Mutter und sieben ihrer Verwandten gerettet, was den Sohn dazu veranlasste, Nachforschungen aufzunehmen. Er verfasste darüber das Buch "Die Suche nach Major Plagge".

Es gelang Good schließlich zu beweisen, dass Plagge trotz langjähriger NSDAP-Mitgliedschaft seine Position als Hauptmann der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg ab Sommer 1941 dazu genutzt hatte, möglichst viele jüdische Männer und Frauen als "kriegsentscheidende Arbeiter" im Fuhrpark der Wehrmacht einzusetzen. Auf diese Weise schaffte er es, 1000 bis 1500 Juden zu schützen. Kurz vor der Befreiung von Vilnius durch die Sowjetarmee warnte Plagge seine Arbeiter vor der drohenden Räumung und Deportation durch die SS. So gelang 35 Juden die Flucht. Rund 250 konnten sich retten, in dem sie tagelang mit Plagges Wissen in verborgenen Unterschlüpfen ausharrten.

In der Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem war Good zunächst auf erheblichen Widerstand gestoßen, als er seine Bitte vortrug, Plagge als "Gerechten unter den Völkern" zu ehren. Erst ein dritter Antrag hatte Erfolg, nachdem Good, auch mit Hilfe der TUD-Archivarin Marianne Viefhaus, neues historisches Material vorlegen konnte. Plagge wurde am 22. Juli 2004 in Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern" anerkannt.

Nach den Regeln der Holocaust-Gedenkstätte werden als "Gerechte unter den Völkern" nur Nichtjuden anerkannt, bei denen bewiesen ist, dass sie bewusst ein Risiko auf sich nahmen, um einen oder mehrere Juden vor dem Tod oder der Verschleppung in ein Vernichtungslager zu retten - ohne dafür Geld zu verlangen.

Im Fall Plagge bedurfte es nach Auskunft von Yad Vashem einer intensiven Untersuchung, da er Angehöriger der Wehrmacht war. Das zuständige Komitee kam aber nach eingehender Prüfung zu dem Schluss, dass es Plagge mit der Errichtung eines Arbeitslagers vor allem darum ging, das Leben seiner jüdischen Arbeiter und deren Familien zu retten und nicht etwa die Produktionsquoten der deutschen Armee einzuhalten. Dabei wird von Yad Vashem auf den Bericht eines Überlebenden von Plagges Arbeitslager verwiesen, den er für die Jüdische Historische Kommission in Landsberg/Bayern anfertigte. Darin schreibt der längst verstorbene Arzt Mosche Feigenberg bereits im November 1946: "Anfang September 1943 erhielt der Kommandant des HKP, Major Plagge, die Information, dass das Ghetto in kurzem liquidiert werden sollte. Er war ein kultivierter und liberaler Mann und wollte seine jüdischen Arbeiter retten, und so errichtete er für seine jüdischen Arbeiter ein geschlossenes Lager (...) in den beiden großen jüdischen Gebäuden in der Subocz Straße 37."

Diese Sicht auf Plagge hat sich inzwischen durchgesetzt. Deshalb wurde nun auch Plagges Name auf der Ehrenwand im "Garten der Gerechten" hoch über Jerusalem eingemeißelt.

Informationen über Karl Plagge http://isurvived.org/Rightheous_Folder/Plagge_Karl_MajGerman.html
http://hometown.aol.com/michaeldg/page24.html
www.dafacto.de Suchbegriff Plagge
Goods Ergebnisse finden sich im Internet unter
www.searchformajorplagge.com

Frankfurter Rundschau, 12.4.2005

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