Die Kippot der Kardinalim
Für christliche Fachbegriffe mußten Linguisten neue hebräische Wörter finden
von Wladimir Struminski

Mit dem Tod von Papst Johannes Paul II. und der Wahl seines Nachfolgers wurden auch die Israelis umfassender Berichterstattung über christlichen Glauben und christliche Bräuche ausgesetzt. Dadurch kamen sie mit einer Sprachwelt in Berührung, in die sich viele erst einmal einarbeiten mußten. Denn die hebräischen Terminologie für christliche Begriffe ist ein einmaliges Gebiet der Sprachwissenschaft. Schließlich mußten die jüdischen Linguisten Wörter für Dinge finden, für die es in ihrer eigenen Kultur oft keine oder nur vage Entsprechungen gab. Das in jahrhundertelanger Arbeit zustande gekommene Ergebnis ist deshalb eine beeindruckende Mischung von Begriffsübernahmen und Sprachanpassungen, zeigt aber auch bewußtes Abrücken von der christlichen Ursprungsbedeutung.

So wäre es auf den ersten Blick einfach gewesen, das griechische Wort Christos (der Gesalbte), das eine Übersetzung aus dem Hebräischen ist, ins Hebräische zurückzuübersetzen und alle verwandten Begriffe davon abzuleiten. Das Problem: "Gesalbter" heißt auf hebräisch "Maschiach". Gerade die Messiaseigenschaft erkennt das Judentum Jesus aber nicht zu. "Deshalb war die scheinbar logische Rückübersetzung aus jüdischer Sicht falsch", erklärt Ari Avnerre, Redakteur und Mitglied der Akademie für die Hebräische Sprache in Jerusalem. Die hebräischen Sprachschöpfer in den ersten Jahrhunderten nach der Zeitenwende griffen auf Jesus' Heimatort zurück und nannten die Christen Nazarener (Notzrim). Das Christentum heißt auf hebräisch also nicht "Messianismus", sondern Nazarenertum (Natzrut).

Auch die hebräische Version von "Papst" hält inhaltlich Distanz zum christlichen Original. Die griechisch-lateinische Vorlage bezeichnet das katholische Kirchenoberhaupt als "pappas" oder "papa", als (heiligen) Vater. Die Juden - deren Vater der Papst ja nicht ist - nennen ihn deshalb "Apifior". Das Wort ist aramäischen Ursprungs und heißt im Talmud soviel wie "Herrscher". Daß es später für den Papst verwendet wurde, liegt an der Lautähnlichkeit. Erstmals wurde das Wort Apifior im Sinne von "Papst" 1305 in einem hebräischen Buch erwähnt - in einem Bericht über die Verlegung des päpstlichen Amtssitzes von Rom nach Avignon.

Die Namen der Päpste sind ein besonderes Kapitel. Grundsätzlich gilt, daß he- bräische Namen in ihre ursprüngliche Form zurückgeführt werden, nichthebräische bleiben, wie sie sind. So hieß der im April verstorbene Papst auf hebräisch Jochanan Paulus - Johannes ist eine Verfremdung des hebräischen "Jochanan". Zwar war der Apostel Paul Jude und wurde als Schaul geboren, diesen Namen legte er aber ab, als er Christ wurde. "Jochanan Schaul" wäre also ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Ein Papstname wird auch dann nicht übersetzt, wenn es im Hebräischen einen Namen gibt, der dasselbe bedeutet. Ein Pius wird nicht etwa "Chassid" (der Fromme), betont Sprachexperte Avnerre. Deshalb wurde aus "Ha-Kardinal Ratzinger" im He bräischen auch "Ha-Apifior Benedictus ha-16" - und nicht "Baruch".

Weniger Probleme hat das Hebräische mit dem Bischof. Nach dem Religionswörterbuch der Akademie für die Hebräische Sprache lautet die offizielle Bezeichnung "Hegmon". Das aus dem Griechischen stammende Wort steht ursprünglich für einen ranghohen Amtsträger. Im modernen Hebräisch aber ist der Hegmon allenfalls als dichterisches Wort üblich. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch heißt der Bischof, als Fremdwort übernommen, schlicht "Bischof". Auch den Kardinal gibt es doppelt: im hebräischen Original als Chaschman oder als Fremdwort, "Kardinal". Andere christliche Geistliche werden Priester genannt. Allerdings hat das hebräische "Kohen" eine jüdische Bedeutung. Die christlichen Kohanim werden deshalb "Kohanei Dat" (Religionspriester) genannt. Ihre Konfessionszugehörigkeit wird durch Zusätze wie "katholi" oder "protestanti" gezeigt.

Auch in Fragen von Kultus und Ritual wechselt das Hebräische zwischen sprachlicher Nähe und theologischer Distanz. Die christliche Hostie bedeutungsgetreu ins Hebräische als "Opfertier" oder "Sühneopfer" zu übersetzen, wäre wegen des anderen Sinngehalts im Judentum problematisch. Deshalb heißt die Oblate "Lechem Kodesch" (heiliges Brot) - sprachlich anders, aber verständlich genug. Das "Neue Testament" wird wortgetreu als "Ha-Brit ha-chadascha" übersetzt (wörtlich: der neue Bund).

Manchmal wird der Grundsatz, jüdisch signifikante Wörter nicht für christliche Begriffe zu verwenden, allerdings durchbrochen. So heißt der Mönch auf Hebräisch Nasir, obwohl es auch jüdische Nesirim (Enthaltsame) gibt. Damit werden Juden bezeichnet, denen wegen eines religiösen Schwurs etwa Haareschneiden oder Weintrinken verboten sind. Aber sie dürfen eine Familie gründen. Trotz des Unterschieds wird die Bezeichnung Nasir auch für Mitglieder katholischer Orden verwendet. Komplett "judaisiert" wurde das von Bischöfen, Kardinälen und dem Papst getragene Scheitelkäppchen. Mit der Kippa hat ein Pileolus (so der kirchensprachliche Name) nichts zu tun, er sieht ihr aber täuschend ähnlich. Deshalb setzen die Bischofim, die Kardinalim und der Apifior für den Normalhebräer schlicht Kippot auf.

Die Akademie für hebräische Sprache wurde 1953 gegründet. Sie erforscht das historische Hebräisch und integriert neue Wörter in das moderne Iwrit, die israelische Landessprache. Ihre Entscheidungen sind verbindlich. Das Iwrit hatte der Publizist und Forscher Elieser Ben Jehuda (1858-1922) als überarbeitete Version des historischen Hebräisch entwickelt. Eine solche Wiederbelebung einer "toten" Sprache ist einmalig in der Geschichte.

Jüdische Allgemeine, 26.5.2005

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