Tag der Brände
Gaza nach dem Abzug der Israelis
von Thomas v. d. Osten-Sacken

Ein Mob stürmte die verlassenen jüdischen Siedlungen, plünderte, was nicht niet- und nagelfest war, und zündete Synagogen und Rabbinerseminare an. Im Schein dieser Brände schwadronierte Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas von einem "Tag der Freude und des Glücks".

Die Szenen, die sich im Gaza-Streifen nach dem Abzug der Israelis abspielten, waren vorhersehbar. In letzter Minute hatte das US-amerikanische Außenministerium eine von der israelischen Regierung gefällte Entscheidung kritisiert, verbleibende jüdische Gotteshäuser im Gaza-Streifen nicht abzureißen. Offenbar erstreckt sich auch in den USA der Optimismus bezüglich der Demokratisierung des Nahen Ostens nicht auf die Palästinensergebiete. Denn von der Annahme, dass Synagogen nicht brennen, wenn palästinensische Souveränität unter den momentan gegebenen Bedingungen ausgeübt wird, konnte und wollte auch die US-Regierung nicht ausgehen.

Schließlich wurden auch 1948, als arabische Truppen das jüdische Viertel in der Altstadt Jerusalems einnahmen, Synagogen entweder gesprengt oder symbolträchtig in Viehställe und Müllhalden verwandelt. Wer nach Jordanien reisen wollte, musste zuvor nachweisen, dass er kein Jude sei. Definitiv "judenfrei" ist nun auch der Gaza-Streifen. Man muss kein Freund der israelischen Siedlungspolitik sein um festzustellen, dass die Auslöschung jüdischer Existenz das erklärte Ziel des Mobs war, nicht die Wiederinbesitznahme unrechtmäßig annektierten Bodens. Was in Gaza geschah, war keineswegs Ausdruck spontaner Wut, sondern die symbolische Antizipation palästinensischer Staatlichkeit.

Entsprechend nutzte auch die Hamas, derzufolge ihre Märtyrerbrigaden die Israelis zum Abzug gezwungen haben, die Gunst der Stunde, um erneut zum Völkermord an den Juden aufzurufen. Hamas-Führer Mahmoud al-Zahar erklärte: "Dieses Land muss frei von Zionisten werden." Gemeint ist, man weiß es, ganz Palästina. Die Hamas werde deshalb, so ein anderer Sprecher der Organisation, die Waffen nicht niederlegen, solange es noch Juden in Palästina gäbe. Ähnliche Äußerungen verbreiteten die offiziellen Fernseh- und Radioprogramme der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Angesichts einer unfähigen palästinensischen Regierung und einer in sich zerstrittenen Fatah-Bewegung sehen Hamas und andere extremistische Gruppen goldenen Zeiten entgegen. Denn nicht die Verwaltung oder gar Entwicklung Gazas liegt ihnen am Herzen, vielmehr streben sie die Schaffung einer neuen Operationszentrale an, von der aus der Jihad gegen Israel und die "Kreuzfahrer" effektiver geführt werden kann. Schon sei eine erste Delegation von al-Qaida in Gaza eingetroffen, gab die Hamas dem Corriere de la sera zufolge bekannt.

In vier Tagen seien mehr Waffen aus Ägypten nach Gaza geschmuggelt worden als sonst in einem Jahr, erklärte ein israelischer Offizier. Die ägyptische Polizei, eigentlich vertraglich verpflichtet, fortan die Grenze zu sichern, unternahm nichts gegen Anhänger der Hamas, die zu diesem Zweck sogar Löcher in die Grenzbefestigungen sprengten.

Die so genannte internationale Gemeinschaft schaute ebenfalls zu, als in Gaza die Synagogen brannten. Auf verurteilende Worte wartete man vergebens. Eine Kampagne mit der Parole "Heute Gaza, morgen die Westbank und Jerusalem", die auf T-Shirts und Baseballmützen unters Volk gebracht worden ist, hatte schließlich die Unesco finanziert. Und es dürfte nicht lange dauern, bis die europäischen Diplomaten ihre "konstruktiven Dialoge" mit den Vertretern von Hamas, Jihad Islami und den Al-Aqsa-Brigaden fortführen werden.

Jungle World, 21.9.2005

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