Informationen aus Israel

von Michael Krupp, Jerusalem

 

Erhöhte Alarmbereitschaft zum Schutz von Moscheen

In Israel ist nach der Entweihung von Synagogen im Gazastreifen der Schutz von Moscheen im ganzen Land erhöht worden. Die Polizei befürchtet, dass jüdische Extremisten Angriffe auf Moscheen planen. Die verbotene Extremistengruppe Kach des ermordeten Meir Kahane hat die Regierung aufgefordert, die moslemischen Heiligtümer auf dem Tempelberg zu zerstören. Falls dies nicht geschehe, solle man sich nicht wundern, wenn einzelne von sich aus handeln würden.

Der orientalische Oberrabbiner, Schlomo Amar, hat angekündigt, jeden Juden, der sich an einer Moschee vergreife, in den Bann zu tun. Dies ist die höchste Strafe für einen Juden, die den Betreffenden aus der jüdischen Gemeinschaft ausschließt. "Welches Recht haben Juden, Gebetsstätten anderer Religionen zu verletzen?" fragt der Rabbiner, "es ist eine gute Sache, dass die Völker der Welt zu Gott beten". Über die zerstörten Synagogen äußerte sich Amar, dass auch Ruinen von Synagogen ihre Heiligkeit bewahren. Er werde bei seinem Besuch bei Benedikt XVI in der nächsten Woche den Papst bitten, sich für die Respektierung der zerstörten Synagogen einzusetzen.

Wie zu erwarten war, haben Palästinenser nach dem Abzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen die aufgegebenen jüdischen Siedlungen gestürmt und die noch stehenden Gebäude, die ehemaligen Synagogen, in Brand gesteckt, die Fenster eingeschlagen und mit Hämmern versucht, die Gebäude einzureißen. Nach israelischen Radioberichten sahen sich die palästinensischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage, die Massen von ihrem Zerstörungwerk abzuhalten. Einer der Offiziere sagte Journalisten gegenüber: "Die Leute haben ein Recht, das zu tun, was sie tun". Vor dem Rückzug hatte die Armee an den ehemaligen Synagogen Schilder in Arabisch und Englisch angebracht mit der Aufschrift: Heilige Stätte.

Zuvor hatte das israelische Kabinett einen Beschluss, auch die Synagogen abzureißen, um sie vor Vandalismus zu schützen, aufgehoben und beschlossen, die geräumten und von allen religiösen Symbolen bloßen Synagogen intakt zu lassen. Die amerikanische Regierung schloss sich der palästinensischen Seite an und kritisierte den israelischen Regierungsumschwung, die Palästinenser in eine Lage gebracht zu haben, die sie, was sie auch tun, ins Unrecht setzt. Die palästinensische Autonomiebehörde hat bekannt gegeben, alle öffentlichen Gebäude, die in Gaza stehen geblieben sind, einzureißen, einschließlich der ehemaligen Synagogen, um nicht den Eindruck zu erwecken, man zerstöre bewusst nur die Synagogen.

Auch in Israel meldete sich heftige Kritik an dem Beschluss der eigenen Regierung und an der Haltung der Rabbinen. Kritiker warfen den Rabbinen vor, unter dem Deckmantel der Religion Politik zu betreiben und die Palästinenser zu zwingen, die Synagogen einzureißen und damit den Rückzugsgegnern, die von denselben Rabbinern angeleitet worden seien, einen Vorwand gegenüber der palästinensischen Seite zu geben .

Die israelische Regierung hatte mit 14 gegen 2 Stimmen und einer Enthaltung beschlossen, die 24 Synagogen in den zerstörten jüdischen Siedlungen im Gazastreifen nicht abzureißen. Sie stimmte damit gegen den eigenen Beschluss vor zwei Wochen, auch die Synagogen zu zerstören, um sie vor einer eventuellen Entweihung durch die Palästinenser zu schützen.

Zuvor hatte das Oberste Gericht einer Klage verschiedener Kreise, vor allem der Rabbiner, gegen den Abriss nicht stattgegeben und grünes Licht für den Abriss erteilt.. Neben den Rabbinern des Landes schaltete sich auch der Staatspräsident, Mosche Katzav, ein und zahlreiche Minister, die die Regierung dringend ersuchten, den Beschluss rückgängig zu machen und die Synagogen zu erhalten. Besser die Palästinenser entweihten die Synagogen als die israelische Regierung selber.

Der Rechtsberater der Regierung, Menachem Mazuz, kritisierte den Meinungsumschwung der Regierung. Er habe vor dem Obersten Gericht den Standpunkt der Regierung verteidigt und Recht bekommen mit dem Ergebnis, dass die Regierung jetzt selber ihren Beschluss umstoße.

Jibril Rajoub, der Sicherheitsminister der Palästinenser, bedauerte vor dem israelischen Radio den Beschluss der Israelis und wiederholte den palästinensischen Standpunkt, dass die Palästinenser keine Verantwortung für die Synagogen übernehmen könnten, die vom palästinensischen Volk als Symbol der 38 jährigen Besetzung angesehen werden.

Der ehemalige Oberrabbiner, Israel Lau, begrüßte in einem Interview mit dem israelischen Radio den Beschluss der Regierung und sagte, er hoffe, die Palästinenser werden die Synagogen in öffentliche Bibliotheken oder Kulturhäuser umwandelt, was der Ehre der Gebäude keinen Abbruch tue. Zuvor hatte einer der ultraorthodoxen Rabiner und Gesetztesgeber, Rabbiner Josef Schalom Eljaschiv, erklärt, er habe nichts dagegen, wenn die Synagogen in Moscheen umgewandelt werden, denn auch die Moslems seien strikte Monotheisten und beten denselben Gott an wie die Juden.

Der ehemalige Oberrabbiner von Norwegen und Abgeordnete der Arbeiterpartei, Michael Melchior, schlug vor, die vier Hauptsynagogen in Zentren des Friedens und in Mittelpunkte humanitärer Hilfe für die Palästinenser umzuwandelt.

Die Aufgabe von Synagogen nach dem religionsgesetzlichen Standpunkt

In der Sitzung, in der die Regierung beschloss, die 24 Synagogen im Gazastreifen nicht zu zerstören, sondern zu erhalten und den Palästinensern zu übergeben, hatte Regierungschef Ariel Scharon die Gebäude als "Häuser, die als Synagogen dienten", benutzt. Er stimmte zwar auch für die Erhaltung der Gebäude, der Ausdruck aber, den er benutzte, hätte eine Zerstörung der Gebäude leichter gemacht. Wer schließlich den Ausschlag zur Erhaltung der Synagogen gab, waren nicht die Politiker, obwohl es sich um ein Politikum handelt, sondern die Rabbiner, die sich, nach anfänglicher anderer Entscheidung schließlich vehement gegen die Zerstörung der Gebäude durch die israelische Regierung wandten.

Die Frage ist, wie die religionsgesetzlichen Texte des Judentums mit dem Phänomen, der Aufgabe einer Synagoge, umgegangen sind. Schon in der frühsten Auseinandersetzung darüber waren die Ansichten dazu unterschiedlich. Die älteste Diskussion zu dem Problem findet sich in dem Mischnatraktat Megilla. Die Mischna ist die erste Gesetzeszusammenstellung des Judentums nach Abschluss der Bibel für das rabbinische Judentum, etwas später als das Neue Testament entstanden. Sie ist der erste Teil des Talmud.

In Traktat Megilla heißt es unter anderem zu dem Problem im dritten Kapitel: "Man verkauft keine Synagoge außer unter einer Bedingung, dass man sie wieder zurückerwerben kann, Worte Rabbi Meirs (um 150). Die Gelehrten sagen, man verkauft sie als endgültigen Verkauf, außer zu vier Verwendungszwecken: Als Badeanstalt, als Gerberei, als Tauchbad oder als Toilettenhaus. Rabbi Jehuda sagt: Man verkauft sie als Hof, und der Käufer kann damit machen, was er will". Gesetzesentscheidend ist das Votum der Gelehrten.

Die Mischna hatte allerdings nicht das Problem der Aufgabe von Synagogen nach einer Besetzung und der Übergabe der Gebäude an eine nicht befreundete Macht, obwohl auch die Antike in der Regel dem Judentum recht feindlich gegenüberstand.

Sarajevo Haggada erscheint als Faksimile-Ausgabe

Die berühmte Serajevo Haggada soll bis zum nächsten Pessachfest erscheinen. Mit dem Druck sei bereits begonnen worden, sagte der Vorsitzende der jüdischen Gemeinden in Bosnien, Jakob Finci. Die Haggada soll in 613 Exemplaren entsprechend den 613 biblischen Geboten im Judentum gedruckt werden, auf Pergament wie das Original. Der Druck sei so hervorragend, so Finci, dass er vom Original nicht zu unterscheiden sei. Die Ausgabe soll ca. 1000 Euro kosten.

Die Serajevo Haggada, die heute in einem besonderen Saal im Museum von Serajevo aufbewahrt wird, gilt als eine der schönsten spanischen Haggada-Bücher. Sie wurde in Spanien um 1350 geschrieben, kam mit Flüchtlingen nach der Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahr 1492 nach Bosnien, war lange in Familienbesitz, bis sie von einem Nachkommen der Familie, Josef Kohen, an das Museum von Serajevo verkauft wurde.

Die Nazizeit überstand die sofort nach dem Erwerb durch das Museum berühmt gewordene Haggada durch die mutige Tat eines katholischen und moslemischen Geistlichen, die die Handschrift entführten und so dem Zugriff eines SS-Offiziers entzogen, der direkt nach der Besetzung von Serajevo ins Museum geschickt worden war, um die Haggada zu beschlagnahmen. Es gelang den beiden Geistlichen, die Haggada durch die deutschen Kontrollen hindurchzuschmuggeln und sie unter dem Fußboden einer Moschee in den bosnischen Bergen zu verstecken, wo sie den Krieg unbeschädigt überlebte.

Auch den Bürgerkrieg in Jugoslawien 1992 bis 1995 überstand die Handschrift, nachdem sie ein Beamter des Museums unter serbischen Beschuss aus dem Museum schaffte und sie in dem Safe einer Bank einschloss. Das Museum selbst wurde im Krieg schwer beschädigt. 2002 wurde mit Mitteln der UNESCO, die die Handschrift zum Weltkulturerbe erklärt hatten, ein besonderer Raum gebaut, wo die Handschrift seitdem zusammen mit anderen heiligen Schriften christlicher und islamischer Gemeinschaften ausgestellt ist.

Die Handschrift ist besonders wegen der zahlreichen Illustrationen bemerkenswert. Im Vorspann schildert sie die biblische Geschichte von der Erschaffung der Welt bis zum Bau des Tempels. Das letzte Bild ist der Raum einer Synagoge nach der Vertreibung der Juden aus dem Heiligen Land. Der anschließende Text ist die Beschreibung des Auszugs der Kinder Israels aus Ägypten, wie er in jedem jüdischen Haus in der Pessachnacht gelesen wird. Die jugoslawische Regierung hatte seinerzeit eine Faksimileausgabe in einer billigen Massenauflage verbreitet, die 1963 mit deutscher Einleitung in der DDR erschien.

Schwere Ausschreitungen gegen Christen

Weil sie ein moslemisches Mädchen geschändet hätten, haben Anfang September junge Moslems aus dem Dorf Dir Jarir die christliche Nachbarstadt Taibe, nordwestlich von Ramala, in der Westbank angegriffen. Mindestens 14 Häuser sind zerstört worden. Auch eine Tankstelle wurde angesteckt, konnte aber kurz vor der Explosion gelöscht werden. Der Polizei gelang es auch, eine Bierfabrik, die einzige in der Westbank, vor der Zerstörung zu retten.

Angefangen hatte es damit, dass in der letzten Woche die palästinensische Polizei das Grab einer 23jährigen Moslemin öffnen ließ, um die Todesursache der jungen Frau zu ermitteln. Die Untersuchung ergab, dass sie ermordet worden war, wie sich später herausstellte von Anverwandten, weil sie ein Verhältnis mit einem Christen in Taibe gehabt habe. Aus Rache über die Aufdeckung des Dorfgeheimnisses überfielen die Moslems das Nachbarstädtchen. Die meisten Bewohner von Taibe sind Christen, griechisch-orthodox oder griechisch-katholisch. Der Gouverneur von Ramalla besuchte Taibe und traf sich mit dem Klerus des Dorfes, um die Gemüter zu beruhigen.

Konflikt zwischen Israel und dem Vatikan beigelegt

Der Streit zwischen dem Vatikan und Israel ist beigelegt worden. Nachdem Ministerpräsident Ariel Sharon in einem Brief an des Staatssekretär des Vatikans, Angelo Sodano, dem Vatikan versichert hatte, dass Israel in dem neugewählten Papst, Benediktos XVI, einen wahren Freund Israels sehe, hat jetzt auch der Vatikan eingeräumt, dass die Nichterwähnung Israels unter den Leidtragenden des Terrors ein Fehler war.

Der Konflikt war am 24. Juli ausgebrochen, nachdem Benediktos XVI in einer Aufzählung von Ländern, die unter Terror zu leiden haben, Israel nicht erwähnt hatte. Israel hatte darauf den Botschafter des Vatikans vorgeladen und eine offizielle Beschwerde eingelegt. Zuerst hatte man sich im Vatikan rechtfertigen wollen, dass der Papst nur jüngste Terroropfer erwähnt habe. Auf dem Hinweis aber, dass wenige Tage zuvor in Netanja mehrere Menschen durch ein Selbtmordkommando ums Leben gekommen seien, war die Antwort gewesen, den Terror in Israel habe man nicht erwähnen wollen, weil die Reaktion der israelischen Regierung auf jeden Terroranschlag überproportional hart sei.

Orthodoxe Kirche wählt Gegenpatriarch

Die 14 Mitglieder der Synode der orthodoxen Kirche des Heiligen Landes haben einstimmig einen neuen Patriarchen gewählt. Der Patriarch, der den Titel "Patriarch von Jerusalem" trägt, heißt Theophilos III. Er tritt an die Stelle des von der Kirche abgesetzten Patriarchen Ireneos I, der aber bisher nicht bereit ist, auf sein Amt zu verzichten. So hat die orthodoxe Kirche zur Zeit zwei rivalisierende Patriarchen. Bei der Einführung des neuen Patriarchen in der Grabeskirche nach der Wahl waren auch zwei Vertreter des israelischen Innenministerium zugegen, die für die christlichen Angelegenheiten zuständig sind.

Nach dem Kirchengesetz müssen die zuständigen Regierungen des kirchlichen Bereichs des Patriarchats ihre Zustimmung zu einer Neuwahl geben. Sie alleine auch können einen amtierenden Patriarchen absetzen. Zuständig sind Israel, Jordanien und Palästina. Jordanien und Palästina haben bisher der Absetzung Irineos I zugestimmt, Israel nicht. Der alte Patriarchat hatte in letzter Minute das Jerusalemer israelische Gericht angerufen, eine Neuwahl nicht zuzulassen, da Israel an ihm als Patriarchen weiter festhalte. Das Gericht weigerte sich aber, in die inneren Angelegenheiten der Kirche einzugreifen.

Theophilos III, mit bürgerlichem Namen Theophilos Janupolos, wurde 1952 in Griechenland geboren, kam als Student 1964 nach Jerusalem, wurde 1970 Priester. Bis vor zwei Jahren hatte er den eher unbedeutenden Posten eines Archimandriten in Kana, Galiläa, inne, der Stadt, in der nach dem Johannesevangelium Jesus sein erstes Wunder, die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kana tat. Noch heute hat Kana eine ansehliche christliche Bevölkerungsgruppe. Im Dezember des letzten Jahres wurde er zum Bischof ernannt und zum Verwalter der orthodoxen Teile der Grabeskirche.

Der neue Patriarch tritt ein schweres Erbe an. Zwar ist die orthodoxe Kirche im Heiligen Land der größte Großgrundbesitzer, sie ist aber auf der anderen Seite millionenfach verschuldet. Dies war sicher auch einer der Gründe, warum der abgesetzt Patriarch an Landvermietungen an israelische Investoren rechter Kreise in der Altstadt von Jerusalem und anderswo dachte. Dabei wurde der Patriarch von seinem Finanzberater Papadimos hinters Licht geführt. Papadimos ist mit den Anzahlungen verschwunden und seither flüchtig und von Interpol gesucht. Dieses und andere Versagen des Patriarchen hat ihm die Kirche nicht verziehen.

Wie weit sich die Dinge in der orthodoxen Kirche des Heiligen Landes beruhigen, hängt auch von der Haltung Israels ab, ob sie den alten Patriarchen fallen lässt und den neuen anerkennt.

Der Auszug aus Gaza

Es kam ganz anders als gedacht. Der Bürgerkrieg ist bisher ausgeblieben, die Palästinenser haben Ruhe bewahrt. Weder sie noch die jüdische Mehrheit hat sich durch die Attentate zweier jüdischer Terroristen, die acht unschuldige Araber erschossen, provozieren lassen. Der viel gefürchtete und bis ins Detail genau geplante Abzug der Siedler aus dem Gazastreifen und den vier Siedlungen aus der Westbank verlief bisher unblutig. Die Siedler wehrten sich, aber wendeten bis auf wenige Ausnahmen keine Gewalt an, brachen nicht das Gesetz und Bruder erhob nicht gegen Bruder und Schwester gegen Schwester die Hand, oder schlimmer, das Gewehr.

Es gab hässliche Szenen: Der Missbrauch der Kinder, der angelegte orangene Stern und der Abzug der Kinder weinend und mit erhobenen Händen wie der Judenjunge im Warschauer Ghetto. Aber niemand stand da mit einem Gewehr. Es gab keine Bedrohung des Lebens.

Es hat wohl niemals eine Demonstration gegeben, die mit so sanften Händen niedergeschlagen wurde. Die Hassreden der Siedler, die Beschimpfungen, das Besprühen mit Farbe, all das ließen die Soldatinnen und Soldaten, die Polizisten und Polizistinnen über sich ergehen, ohne irgendetwas zu erwidern. Die Geduld und das Mitgefühl war hin und wieder gegenseitig. Zum Schluss weinten Räumer und Geräumte und häufig geschah der Abtransport nach und in verzweifelter Umarmung. Bis zuletzt hatten die Siedler, die fast alle religiös waren, auf ein Wunder gehofft, so etwas wie das göttliche Eingreifen.

Es ist schwer, sein Zuhause zu verlieren. Zu sehen, dass das, was man in mühevollen Jahren langsam aufgebaut hat, in einem Tag zerstört wird, aus Gründen, die man nicht einsieht.

Der kluge Kommentator der israelischen Zeitung Haaretz, Ari Shavit, geht mit seinen Gesinnungsgenossen, den linken Intellektuellen, ins Gericht. "Hätten sie hier sein sollen", die Siedler in Gaza, fragt er und antwortet: "Nein. Musste man sie evakuieren?" fragt er weiter: "Ja, die dreißig Jahre sinnlosen Besiedelns der Gazaküste musste ein Ende haben. Die große Ungerechtigkeit, die den Palästinensern angetan worden war, musste aufhören." Aber die uninteressierte Haltung der Öffentlichkeit den Nöten der Siedler gegenüber sei ungerecht gewesen. Man machte sie zum Buhmann für eine Politik, die das ganze Volk beschlossen und mitgetragen hatte.

Die Gazasiedler "waren keine Fanatiker", schreibt er, "sie waren nicht der faschistische Feind. Sie waren gläubige Menschen, zwar glaubend an eine falsche Sache, aber gutgläubig, die sich mit ihrem ganzen Herzen und mit ihrer ganzen Seele einem falschen Ideal hingaben." Dafür gezieme es sich, in der Öffentlichkeit zu trauern.

Viel wird davon abhängen, wie der Riss, der in der Bevölkerung klafft, wieder geschlossen werden kann. Das ist für die Seele Israels von großer Bedeutung. Und viel wird auch darauf ankommen, wie es nun weitergehen wird, wenn die Räumung beendet ist. Denn wenn es zu einem Frieden kommen soll, muss es weitergehen. Ob die Kraft dazu bei Palästinensern und Israelis vorhanden ist, mag man bezweifeln. Aber auch dass der Rückzug stattfinden wird, hatte man bezweifelt. Für das erste sei beiden, Israelis und Palästinensern, eine Ruhepause gegönnt.

Evangelisch-Lutherische Kirche von Amerika fordert Abbau der Trennungsmauer

Die Evangelisch Lutherische Kirche von Amerika hat Israel aufgefordert, den Trennungswall zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten abzubauen und keine Bauten in den besezten Gebieten zu errichten. Sie startete zugleich eine Aktion "Friede statt Mauern". Die Kirche kam damit einer Aufforderung der lutherischen Kirche in Bethlehem nach, die durch videolink mit der Konferenz der Amerikaner verbunden war.

Im Gegensatz zu anderen Kirchen verhängten die amerikanischen Lutheraner aber keinen Boykott gegen Firmen, die mit Israel in Verbindung stehen. Allerdings heißt es in der Erklärung, man wolle auch finanzielle Mittel einsetzen. Auf eine Frage der Zeitung Haaretz erklärte ein Sprecher der Lutheraner, er verstehe das so, dass die Kirche stärker als bisher Friedensprojekte in Israel finanziell unterstützen wolle.

Friedlicher Fasttag am Tag der Tempelzerstörung

Alles in allem verlief der letzte Tag vor dem israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen und einigen Siedlungen in der Westbank ruhig. Es kam nicht zu den von der Polizei befürchteten Störungen. Und das ist sicher auch ein Verdienst der Polizei. Sie hatte die gesamte Jerusalemer Altstadt abgeriegelt, ließ nur eine Gasse für die jüdischen Beter zur sogenannten Klagemauer offen und hatte alle Zugänge zu den anderen Vierteln verbarrikadiert. Nach dem Mordanschlag eines jüdischen Terroristen auf israelische Araber im Norden des Landes wollte die Polizei eine solche Wiederholung in der Heiligen Stadt unter allen Umständen verhindern.

Ebenso erlaubte es die Polizei moslemischen Männern unter 45 Jahren nicht, den Tempelplatz zu betreten. Die jungen Männer versammelten sich vor der Stadtmauer am Rockefeller Museum zum Gebet unter freiem Himmel mit Rufen: Alla al akbar, Gott ist groß.

Vor den Mugrabitor zum Tempelplatz neben der Klagemauer staute sich eine kleine Gruppe von schwer mit israelischen Fahnen und orangenen Bändern der Rückzugsgegner bewaffneten "Tempelgetreuen", denen die Polizei ebenso keinen Zugang zum Tempelplatz wie in jedem Jahr an diesem Tag gewährte. Kein Nichtmoslem durfte auf den Tempelplatz. Lautstark schrieen sie ihre nationalistischen Parolen in die große Menge vor der Klagemauer, die aber mit anderen Dingen beschäftigt schien.

Männer und Frauen saßen nach alter Tradition auf dem Boden und lasen die Klagelieder Jeremias, möglichst im Schatten der Mauer, denn die Temperaturen stiegen Mittags auf 35 Grad Celsius. Das 25 stündige Fasten an diesem Tag, an dem nach der Tradition der Erste und Zweite Tempel zerstört und viele weitere Unheile dem jüdischen Volk in seiner langen Geschichte beschert worden waren, ging am Abend zu Ende. Dann begann wieder der Alltag der Rückzugsgegner mit den letzten Versuchen, den Rückzug in letzter Minute noch zu stoppen.

Holocaustüberlebende stark selbstmordgefährdet

Entgegen der allgemeinen Auffassung, dass Holocaustüberlebende nach der überlebten Katastrophe besonders stabil im Leben sind, hat eine neue Studie genau das Gegenteil erwiesen. In einer Untersuchung israelischer Ärzte in Gerontologie-Zentren hat sich ergeben, dass die Gefährdung von Holocaustüberlebenden dreieinhalb mal größer ist als unter Altersgenossen, die diese Erfahrung nicht durchleben mussten.

Die Studie des Abarbanel Mental Health Center der Tel Aviver Universität unter der Leitung von Professor Yoram Barak kommt zu dem Ergebnis, dass 90 von 350 Holocaustüberlebenden, die Insassen gerontologischer Zentren in Israel sind, Selbstmordversuche in der Vergangenheit unternommen haben, im Gegensatz zu 45 von 502 Insassen, die keine Holocausterfahrung hinter sich haben.

Holocaustüberlebende leiden mit zunehmendem Alter stärker unter Albträumen, Schlaf- und Essenstörungen, Depressionen und anderen schweren seelischen Erkrankungen. Mit den Neueinwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion leben heute noch 200.000 Holocaustüberlebende in Israel, davon einige Tausend in den verschiedenen Nervenanstalten.

Deutsch-israelische Ausgrabungen der Philisterstadt Gat

Die deutsch-israelischen Ausgrabungen der Philisterstadt Gat (Tell es-Safi) östlich von Aschdod bestätigen den biblischen Bericht über die Einnahme und Zerstörung dieser wichtigen Stadt der Philister durch die Syrer im 8. vorchristlichen Jahrhundert. Die Ausgrabungen haben zahlreiche Gegenstände der Kultur der Philister ans Licht gebracht, die die Erforschung der Welt der Philister mit neuem Material versorgen. Die Ausgrabungen werden gemeinsam von Professor Aren Meir von der Bar Ilan Universität und D. Stefan Wimmer von der Universität München geleitet. Finanziert werden sie durch die Deutsch-Israelische Stiftung für Wissenschaft und Forschung.

Neben den Einzelfunden wurde ein riesiger Graben und Wall von 2,5km um die Stadt entdeckt, den die Syrer in monatelanger Arbeit um die Stadt ausgehoben haben, um ein Ausbrechen der Bewohner zu verhindern und um die Stadt auszuhungern. Der Graben ist in den Felsen gehauen, 5 m tief und 4 m breit. Dies ist der erste Nachweis einer systematischen Belagerung einer Stadt in dieser Region. Die Eroberung der Stadt durch König Hasael findet sich im 2. Königsbuch im 12. Kapitel. König Hasael versuchte auch Jerusalem einzunehmen, was aber der judäische König Joasch vereiteln konnte.

Die Philister sind ein indo-germanisches Seevolk, das vom Meer aus die Küste Palästinas eroberten und 600 Jahre beherrschte. Es wurde von den Assyrern im 6. Jahrhundert völlig vernichtet und ins babyonische Exil gebracht, aus dem es nicht zurückkehrte. Die heutigen Palästinenser bezeichnen sich zwar als Nachkommen der Philister, was aber unhistorisch ist. Die Philister als einzige Nichtsemiten in diesem Raum hatten eine eigene Kultur, die an die Seevölker der griechischen Inseln erinnert.

Papst Benedikt XVI ist großer Gewinn für das Judentum

Zum Abschluss des akademischen Jahres der Israel Interfaith Association sprach Rabbiner David Rosen vor dem vollbesetzten Raum des American Jewish Committees in Jerusalem. Sein Thema "Von Papst zu Papst, von Johannes Paul II zu Gregor XVI - die katholische Kirche heute - aus jüdischer Sicht". Rabbiner David Rosen ist der Internationale Direktor des American Jewish Committees für Interreligiöse Fragen. Er vertritt in dieser Funktion nicht nur Israel, sondern das Judentum in der Welt. Er gehört dem internationalen jüdischen Dialogkomitee an, das Gespräche mit dem Vatikan wie mit dem Weltrat der Kirchen führt. Rosen war die federführende Person von jüdischer Seite, die die Gespräche über die Anknüpfung diplomatischer Beziehungen mit dem Vatikan führte. In seiner Laufbahn war Rosen zuvor Oberrabbiner von Irland und danach von Südafrika, bis er in den achtziger Jahren nach Israel einwanderte.

Schon als Oberrabbiner von Irland habe er mehrfach Papst Johannes Paul II und den damaligen Kardinal Ratzinger getroffen und später beide mehrere Dutzend Male mehr. Als Delegierter der jüdischen Gesprächsgruppe habe er im letzten Monat den neu inthronisierten Papst Benedikt XVI aufgesucht. Dieser Besuch sei zugleich Programm gewesen. Die jüdische Gesprächsrunde sei die erste religiöse Gruppe gewesen, die der neue Papst empfangen habe, noch vor der Delegation des Weltkirchenrats.

Der neue Papst habe einige sehr gute Freunde in Jerusalem, so den ehemaligen Bürgermeister Jerusalems, Teddy Kollek, und Professor Zvi Werblowsky von der Hebräischen Universität, beide deutschsprachig. Er selber, Rosen, habe den damaligen Kardinal Ratzinger 1994 zu einem Kongress eingeladen, wo er mit erstaunlicher Deutlichkeit den neuen Kurs der katholischen Kirche in der Begegnung mit dem Judentum vertreten und untermauert habe. Ratzinger sei ein Inquisitor seiner Kirche, der darauf zu achten hatte, dass es keine Abweichungen von der reinen Lehre gebe, aber als weitsichtiger Staatsmann des Vatikans habe er auch immer den Dialog mit Leuten gesucht, von denen er überzeugt war, dass sie auf dem falschen Weg sind. Das gelte vor allem über seine Kontakte zum Islam, den er theologisch als Irrlehre ansehe, weil der Koran kein echtes Offenbarungsbuch sei, weltpolitisch aber habe er immer gewusst, dass das Gespräch mit dem Islam unumgänglich ist.

Dasselbe treffe so nicht für das Judentum zu. Für das Judentum habe er immer ein tiefes und echtes Verständnis gehabt. Das sei auch durch die antinazistische Familientradition der Ratzingers bedingt. Das Judentum, so glaubt Rabbiner Rosen, sei ihm näher als die nichtkatholischen Christen. Nach der Veröffentlichung von Domus Jesus, das den Wahrheitsgehalt der nichtkatholischen Christen in Frage stellt, habe Ratzinger zu Rosen gesagt, euch Juden, unsere Brüder haben wir nicht damit gemeint. Für das Judentum sei Ratzinger ein einziger großer Gewinn, das bei der Revolution der katholischen Kirche, die mit dem Papst Johannes XXIII begonnen habe und durch Papst Johannes Paul II fortgesetzt worden sei, einen überzeugten Vertreter gefunden habe.

Bei der lebhafte Diskussion, an der ehemalige Minister, der Botschafter von Kasachstan und mehrere Professoren der hebräischen Universität beteiligt waren, fragte eine nichtkatholische Christin aus Nazareth den Referenten, wie es denn komme, dass ein Rabbiner ein so glühender Verehrer zweier Päpste sein könne, und ob die anderen Konfessionen dabei nicht zu kurz kämen. Hier winkte Rosen ab, dies sei sein Thema gewesen, er liebe alle Christen.

zur Titelseite

zum Seitenanfang

Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau
Pfr. U.Schwemer, Theodor-Storm Str.10, 64646 Heppenheim;
Tel: 06252-71270 / Fax: 06252-72606