Erhöhte Alarmbereitschaft
zum Schutz von Moscheen
In Israel ist nach der Entweihung von Synagogen im Gazastreifen
der Schutz von Moscheen im ganzen Land erhöht worden. Die Polizei
befürchtet, dass jüdische Extremisten Angriffe auf Moscheen
planen. Die verbotene Extremistengruppe Kach des ermordeten Meir Kahane
hat die Regierung aufgefordert, die moslemischen Heiligtümer auf
dem Tempelberg zu zerstören. Falls dies nicht geschehe, solle man
sich nicht wundern, wenn einzelne von sich aus handeln würden.
Der orientalische Oberrabbiner, Schlomo Amar, hat angekündigt,
jeden Juden, der sich an einer Moschee vergreife, in den Bann zu tun.
Dies ist die höchste Strafe für einen Juden, die den Betreffenden
aus der jüdischen Gemeinschaft ausschließt. "Welches Recht
haben Juden, Gebetsstätten anderer Religionen zu verletzen?"
fragt der Rabbiner, "es ist eine gute Sache, dass die Völker
der Welt zu Gott beten". Über die zerstörten Synagogen
äußerte sich Amar, dass auch Ruinen von Synagogen ihre Heiligkeit
bewahren. Er werde bei seinem Besuch bei Benedikt XVI in der nächsten
Woche den Papst bitten, sich für die Respektierung der zerstörten
Synagogen einzusetzen.
Wie zu erwarten war, haben Palästinenser nach dem
Abzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen die aufgegebenen jüdischen
Siedlungen gestürmt und die noch stehenden Gebäude, die ehemaligen
Synagogen, in Brand gesteckt, die Fenster eingeschlagen und mit Hämmern
versucht, die Gebäude einzureißen. Nach israelischen Radioberichten
sahen sich die palästinensischen Sicherheitskräfte nicht in
der Lage, die Massen von ihrem Zerstörungwerk abzuhalten. Einer der
Offiziere sagte Journalisten gegenüber: "Die Leute haben ein
Recht, das zu tun, was sie tun". Vor dem Rückzug hatte die Armee
an den ehemaligen Synagogen Schilder in Arabisch und Englisch angebracht
mit der Aufschrift: Heilige Stätte.
Zuvor hatte das israelische Kabinett einen Beschluss,
auch die Synagogen abzureißen, um sie vor Vandalismus zu schützen,
aufgehoben und beschlossen, die geräumten und von allen religiösen
Symbolen bloßen Synagogen intakt zu lassen. Die amerikanische Regierung
schloss sich der palästinensischen Seite an und kritisierte den israelischen
Regierungsumschwung, die Palästinenser in eine Lage gebracht zu haben,
die sie, was sie auch tun, ins Unrecht setzt. Die palästinensische
Autonomiebehörde hat bekannt gegeben, alle öffentlichen Gebäude,
die in Gaza stehen geblieben sind, einzureißen, einschließlich
der ehemaligen Synagogen, um nicht den Eindruck zu erwecken, man zerstöre
bewusst nur die Synagogen.
Auch in Israel meldete sich heftige Kritik an dem Beschluss
der eigenen Regierung und an der Haltung der Rabbinen. Kritiker warfen
den Rabbinen vor, unter dem Deckmantel der Religion Politik zu betreiben
und die Palästinenser zu zwingen, die Synagogen einzureißen
und damit den Rückzugsgegnern, die von denselben Rabbinern angeleitet
worden seien, einen Vorwand gegenüber der palästinensischen
Seite zu geben .
Die israelische Regierung hatte mit 14 gegen 2 Stimmen
und einer Enthaltung beschlossen, die 24 Synagogen in den zerstörten
jüdischen Siedlungen im Gazastreifen nicht abzureißen. Sie
stimmte damit gegen den eigenen Beschluss vor zwei Wochen, auch die Synagogen
zu zerstören, um sie vor einer eventuellen Entweihung durch die Palästinenser
zu schützen.
Zuvor hatte das Oberste Gericht einer Klage verschiedener
Kreise, vor allem der Rabbiner, gegen den Abriss nicht stattgegeben und
grünes Licht für den Abriss erteilt.. Neben den Rabbinern des
Landes schaltete sich auch der Staatspräsident, Mosche Katzav, ein
und zahlreiche Minister, die die Regierung dringend ersuchten, den Beschluss
rückgängig zu machen und die Synagogen zu erhalten. Besser die
Palästinenser entweihten die Synagogen als die israelische Regierung
selber.
Der Rechtsberater der Regierung, Menachem Mazuz, kritisierte
den Meinungsumschwung der Regierung. Er habe vor dem Obersten Gericht
den Standpunkt der Regierung verteidigt und Recht bekommen mit dem Ergebnis,
dass die Regierung jetzt selber ihren Beschluss umstoße.
Jibril Rajoub, der Sicherheitsminister der Palästinenser,
bedauerte vor dem israelischen Radio den Beschluss der Israelis und wiederholte
den palästinensischen Standpunkt, dass die Palästinenser keine
Verantwortung für die Synagogen übernehmen könnten, die
vom palästinensischen Volk als Symbol der 38 jährigen Besetzung
angesehen werden.
Der ehemalige Oberrabbiner, Israel Lau, begrüßte
in einem Interview mit dem israelischen Radio den Beschluss der Regierung
und sagte, er hoffe, die Palästinenser werden die Synagogen in öffentliche
Bibliotheken oder Kulturhäuser umwandelt, was der Ehre der Gebäude
keinen Abbruch tue. Zuvor hatte einer der ultraorthodoxen Rabiner und
Gesetztesgeber, Rabbiner Josef Schalom Eljaschiv, erklärt, er habe
nichts dagegen, wenn die Synagogen in Moscheen umgewandelt werden, denn
auch die Moslems seien strikte Monotheisten und beten denselben Gott an
wie die Juden.
Der ehemalige Oberrabbiner von Norwegen und Abgeordnete
der Arbeiterpartei, Michael Melchior, schlug vor, die vier Hauptsynagogen
in Zentren des Friedens und in Mittelpunkte humanitärer Hilfe für
die Palästinenser umzuwandelt.
Die Aufgabe von Synagogen nach
dem religionsgesetzlichen Standpunkt
In der Sitzung, in der die Regierung beschloss, die 24
Synagogen im Gazastreifen nicht zu zerstören, sondern zu erhalten
und den Palästinensern zu übergeben, hatte Regierungschef Ariel
Scharon die Gebäude als "Häuser, die als Synagogen dienten",
benutzt. Er stimmte zwar auch für die Erhaltung der Gebäude,
der Ausdruck aber, den er benutzte, hätte eine Zerstörung der
Gebäude leichter gemacht. Wer schließlich den Ausschlag zur
Erhaltung der Synagogen gab, waren nicht die Politiker, obwohl es sich
um ein Politikum handelt, sondern die Rabbiner, die sich, nach anfänglicher
anderer Entscheidung schließlich vehement gegen die Zerstörung
der Gebäude durch die israelische Regierung wandten.
Die Frage ist, wie die religionsgesetzlichen Texte des
Judentums mit dem Phänomen, der Aufgabe einer Synagoge, umgegangen
sind. Schon in der frühsten Auseinandersetzung darüber waren
die Ansichten dazu unterschiedlich. Die älteste Diskussion zu dem
Problem findet sich in dem Mischnatraktat Megilla. Die Mischna ist die
erste Gesetzeszusammenstellung des Judentums nach Abschluss der Bibel
für das rabbinische Judentum, etwas später als das Neue Testament
entstanden. Sie ist der erste Teil des Talmud.
In Traktat Megilla heißt es unter anderem zu dem
Problem im dritten Kapitel: "Man verkauft keine Synagoge außer
unter einer Bedingung, dass man sie wieder zurückerwerben kann, Worte
Rabbi Meirs (um 150). Die Gelehrten sagen, man verkauft sie als endgültigen
Verkauf, außer zu vier Verwendungszwecken: Als Badeanstalt, als
Gerberei, als Tauchbad oder als Toilettenhaus. Rabbi Jehuda sagt: Man
verkauft sie als Hof, und der Käufer kann damit machen, was er will".
Gesetzesentscheidend ist das Votum der Gelehrten.
Die Mischna hatte allerdings nicht das Problem der Aufgabe
von Synagogen nach einer Besetzung und der Übergabe der Gebäude
an eine nicht befreundete Macht, obwohl auch die Antike in der Regel dem
Judentum recht feindlich gegenüberstand.
Sarajevo Haggada erscheint als Faksimile-Ausgabe
Die berühmte Serajevo Haggada soll bis zum nächsten
Pessachfest erscheinen. Mit dem Druck sei bereits begonnen worden, sagte
der Vorsitzende der jüdischen Gemeinden in Bosnien, Jakob Finci.
Die Haggada soll in 613 Exemplaren entsprechend den 613 biblischen Geboten
im Judentum gedruckt werden, auf Pergament wie das Original. Der Druck
sei so hervorragend, so Finci, dass er vom Original nicht zu unterscheiden
sei. Die Ausgabe soll ca. 1000 Euro kosten.
Die Serajevo Haggada, die heute in einem besonderen Saal
im Museum von Serajevo aufbewahrt wird, gilt als eine der schönsten
spanischen Haggada-Bücher. Sie wurde in Spanien um 1350 geschrieben,
kam mit Flüchtlingen nach der Vertreibung der Juden aus Spanien im
Jahr 1492 nach Bosnien, war lange in Familienbesitz, bis sie von einem
Nachkommen der Familie, Josef Kohen, an das Museum von Serajevo verkauft
wurde.
Die Nazizeit überstand die sofort nach dem Erwerb
durch das Museum berühmt gewordene Haggada durch die mutige Tat eines
katholischen und moslemischen Geistlichen, die die Handschrift entführten
und so dem Zugriff eines SS-Offiziers entzogen, der direkt nach der Besetzung
von Serajevo ins Museum geschickt worden war, um die Haggada zu beschlagnahmen.
Es gelang den beiden Geistlichen, die Haggada durch die deutschen Kontrollen
hindurchzuschmuggeln und sie unter dem Fußboden einer Moschee in
den bosnischen Bergen zu verstecken, wo sie den Krieg unbeschädigt
überlebte.
Auch den Bürgerkrieg in Jugoslawien 1992 bis 1995
überstand die Handschrift, nachdem sie ein Beamter des Museums unter
serbischen Beschuss aus dem Museum schaffte und sie in dem Safe einer
Bank einschloss. Das Museum selbst wurde im Krieg schwer beschädigt.
2002 wurde mit Mitteln der UNESCO, die die Handschrift zum Weltkulturerbe
erklärt hatten, ein besonderer Raum gebaut, wo die Handschrift seitdem
zusammen mit anderen heiligen Schriften christlicher und islamischer Gemeinschaften
ausgestellt ist.
Die Handschrift ist besonders wegen der zahlreichen Illustrationen
bemerkenswert. Im Vorspann schildert sie die biblische Geschichte von
der Erschaffung der Welt bis zum Bau des Tempels. Das letzte Bild ist
der Raum einer Synagoge nach der Vertreibung der Juden aus dem Heiligen
Land. Der anschließende Text ist die Beschreibung des Auszugs der
Kinder Israels aus Ägypten, wie er in jedem jüdischen Haus in
der Pessachnacht gelesen wird. Die jugoslawische Regierung hatte seinerzeit
eine Faksimileausgabe in einer billigen Massenauflage verbreitet, die
1963 mit deutscher Einleitung in der DDR erschien.
Schwere Ausschreitungen gegen
Christen
Weil sie ein moslemisches Mädchen geschändet
hätten, haben Anfang September junge Moslems aus dem Dorf Dir Jarir
die christliche Nachbarstadt Taibe, nordwestlich von Ramala, in der Westbank
angegriffen. Mindestens 14 Häuser sind zerstört worden. Auch
eine Tankstelle wurde angesteckt, konnte aber kurz vor der Explosion gelöscht
werden. Der Polizei gelang es auch, eine Bierfabrik, die einzige in der
Westbank, vor der Zerstörung zu retten.
Angefangen hatte es damit, dass in der letzten Woche die
palästinensische Polizei das Grab einer 23jährigen Moslemin
öffnen ließ, um die Todesursache der jungen Frau zu ermitteln.
Die Untersuchung ergab, dass sie ermordet worden war, wie sich später
herausstellte von Anverwandten, weil sie ein Verhältnis mit einem
Christen in Taibe gehabt habe. Aus Rache über die Aufdeckung des
Dorfgeheimnisses überfielen die Moslems das Nachbarstädtchen.
Die meisten Bewohner von Taibe sind Christen, griechisch-orthodox oder
griechisch-katholisch. Der Gouverneur von Ramalla besuchte Taibe und traf
sich mit dem Klerus des Dorfes, um die Gemüter zu beruhigen.
Konflikt zwischen Israel und
dem Vatikan beigelegt
Der Streit zwischen dem Vatikan und Israel ist beigelegt
worden. Nachdem Ministerpräsident Ariel Sharon in einem Brief an
des Staatssekretär des Vatikans, Angelo Sodano, dem Vatikan versichert
hatte, dass Israel in dem neugewählten Papst, Benediktos XVI, einen
wahren Freund Israels sehe, hat jetzt auch der Vatikan eingeräumt,
dass die Nichterwähnung Israels unter den Leidtragenden des Terrors
ein Fehler war.
Der Konflikt war am 24. Juli ausgebrochen, nachdem Benediktos
XVI in einer Aufzählung von Ländern, die unter Terror zu leiden
haben, Israel nicht erwähnt hatte. Israel hatte darauf den Botschafter
des Vatikans vorgeladen und eine offizielle Beschwerde eingelegt. Zuerst
hatte man sich im Vatikan rechtfertigen wollen, dass der Papst nur jüngste
Terroropfer erwähnt habe. Auf dem Hinweis aber, dass wenige Tage
zuvor in Netanja mehrere Menschen durch ein Selbtmordkommando ums Leben
gekommen seien, war die Antwort gewesen, den Terror in Israel habe man
nicht erwähnen wollen, weil die Reaktion der israelischen Regierung
auf jeden Terroranschlag überproportional hart sei.
Orthodoxe Kirche wählt Gegenpatriarch
Die 14 Mitglieder der Synode der orthodoxen Kirche des
Heiligen Landes haben einstimmig einen neuen Patriarchen gewählt.
Der Patriarch, der den Titel "Patriarch von Jerusalem" trägt,
heißt Theophilos III. Er tritt an die Stelle des von der Kirche
abgesetzten Patriarchen Ireneos I, der aber bisher nicht bereit ist, auf
sein Amt zu verzichten. So hat die orthodoxe Kirche zur Zeit zwei rivalisierende
Patriarchen. Bei der Einführung des neuen Patriarchen in der Grabeskirche
nach der Wahl waren auch zwei Vertreter des israelischen Innenministerium
zugegen, die für die christlichen Angelegenheiten zuständig
sind.
Nach dem Kirchengesetz müssen die zuständigen
Regierungen des kirchlichen Bereichs des Patriarchats ihre Zustimmung
zu einer Neuwahl geben. Sie alleine auch können einen amtierenden
Patriarchen absetzen. Zuständig sind Israel, Jordanien und Palästina.
Jordanien und Palästina haben bisher der Absetzung Irineos I zugestimmt,
Israel nicht. Der alte Patriarchat hatte in letzter Minute das Jerusalemer
israelische Gericht angerufen, eine Neuwahl nicht zuzulassen, da Israel
an ihm als Patriarchen weiter festhalte. Das Gericht weigerte sich aber,
in die inneren Angelegenheiten der Kirche einzugreifen.
Theophilos III, mit bürgerlichem Namen Theophilos
Janupolos, wurde 1952 in Griechenland geboren, kam als Student 1964 nach
Jerusalem, wurde 1970 Priester. Bis vor zwei Jahren hatte er den eher
unbedeutenden Posten eines Archimandriten in Kana, Galiläa, inne,
der Stadt, in der nach dem Johannesevangelium Jesus sein erstes Wunder,
die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kana tat. Noch
heute hat Kana eine ansehliche christliche Bevölkerungsgruppe. Im
Dezember des letzten Jahres wurde er zum Bischof ernannt und zum Verwalter
der orthodoxen Teile der Grabeskirche.
Der neue Patriarch tritt ein schweres Erbe an. Zwar ist
die orthodoxe Kirche im Heiligen Land der größte Großgrundbesitzer,
sie ist aber auf der anderen Seite millionenfach verschuldet. Dies war
sicher auch einer der Gründe, warum der abgesetzt Patriarch an Landvermietungen
an israelische Investoren rechter Kreise in der Altstadt von Jerusalem
und anderswo dachte. Dabei wurde der Patriarch von seinem Finanzberater
Papadimos hinters Licht geführt. Papadimos ist mit den Anzahlungen
verschwunden und seither flüchtig und von Interpol gesucht. Dieses
und andere Versagen des Patriarchen hat ihm die Kirche nicht verziehen.
Wie weit sich die Dinge in der orthodoxen Kirche des Heiligen
Landes beruhigen, hängt auch von der Haltung Israels ab, ob sie den
alten Patriarchen fallen lässt und den neuen anerkennt.
Der Auszug aus Gaza
Es kam ganz anders als gedacht. Der Bürgerkrieg ist
bisher ausgeblieben, die Palästinenser haben Ruhe bewahrt. Weder
sie noch die jüdische Mehrheit hat sich durch die Attentate zweier
jüdischer Terroristen, die acht unschuldige Araber erschossen, provozieren
lassen. Der viel gefürchtete und bis ins Detail genau geplante Abzug
der Siedler aus dem Gazastreifen und den vier Siedlungen aus der Westbank
verlief bisher unblutig. Die Siedler wehrten sich, aber wendeten bis auf
wenige Ausnahmen keine Gewalt an, brachen nicht das Gesetz und Bruder
erhob nicht gegen Bruder und Schwester gegen Schwester die Hand, oder
schlimmer, das Gewehr.
Es gab hässliche Szenen: Der Missbrauch der Kinder,
der angelegte orangene Stern und der Abzug der Kinder weinend und mit
erhobenen Händen wie der Judenjunge im Warschauer Ghetto. Aber niemand
stand da mit einem Gewehr. Es gab keine Bedrohung des Lebens.
Es hat wohl niemals eine Demonstration gegeben, die mit
so sanften Händen niedergeschlagen wurde. Die Hassreden der Siedler,
die Beschimpfungen, das Besprühen mit Farbe, all das ließen
die Soldatinnen und Soldaten, die Polizisten und Polizistinnen über
sich ergehen, ohne irgendetwas zu erwidern. Die Geduld und das Mitgefühl
war hin und wieder gegenseitig. Zum Schluss weinten Räumer und Geräumte
und häufig geschah der Abtransport nach und in verzweifelter Umarmung.
Bis zuletzt hatten die Siedler, die fast alle religiös waren, auf
ein Wunder gehofft, so etwas wie das göttliche Eingreifen.
Es ist schwer, sein Zuhause zu verlieren. Zu sehen, dass
das, was man in mühevollen Jahren langsam aufgebaut hat, in einem
Tag zerstört wird, aus Gründen, die man nicht einsieht.
Der kluge Kommentator der israelischen Zeitung Haaretz,
Ari Shavit, geht mit seinen Gesinnungsgenossen, den linken Intellektuellen,
ins Gericht. "Hätten sie hier sein sollen", die Siedler
in Gaza, fragt er und antwortet: "Nein. Musste man sie evakuieren?"
fragt er weiter: "Ja, die dreißig Jahre sinnlosen Besiedelns
der Gazaküste musste ein Ende haben. Die große Ungerechtigkeit,
die den Palästinensern angetan worden war, musste aufhören."
Aber die uninteressierte Haltung der Öffentlichkeit den Nöten
der Siedler gegenüber sei ungerecht gewesen. Man machte sie zum Buhmann
für eine Politik, die das ganze Volk beschlossen und mitgetragen
hatte.
Die Gazasiedler "waren keine Fanatiker", schreibt
er, "sie waren nicht der faschistische Feind. Sie waren gläubige
Menschen, zwar glaubend an eine falsche Sache, aber gutgläubig, die
sich mit ihrem ganzen Herzen und mit ihrer ganzen Seele einem falschen
Ideal hingaben." Dafür gezieme es sich, in der Öffentlichkeit
zu trauern.
Viel wird davon abhängen, wie der Riss, der in der
Bevölkerung klafft, wieder geschlossen werden kann. Das ist für
die Seele Israels von großer Bedeutung. Und viel wird auch darauf
ankommen, wie es nun weitergehen wird, wenn die Räumung beendet ist.
Denn wenn es zu einem Frieden kommen soll, muss es weitergehen. Ob die
Kraft dazu bei Palästinensern und Israelis vorhanden ist, mag man
bezweifeln. Aber auch dass der Rückzug stattfinden wird, hatte man
bezweifelt. Für das erste sei beiden, Israelis und Palästinensern,
eine Ruhepause gegönnt.
Evangelisch-Lutherische Kirche
von Amerika fordert Abbau der Trennungsmauer
Die Evangelisch Lutherische Kirche von Amerika hat Israel
aufgefordert, den Trennungswall zwischen Israel und den palästinensischen
Gebieten abzubauen und keine Bauten in den besezten Gebieten zu errichten.
Sie startete zugleich eine Aktion "Friede statt Mauern". Die
Kirche kam damit einer Aufforderung der lutherischen Kirche in Bethlehem
nach, die durch videolink mit der Konferenz der Amerikaner verbunden war.
Im Gegensatz zu anderen Kirchen verhängten die amerikanischen
Lutheraner aber keinen Boykott gegen Firmen, die mit Israel in Verbindung
stehen. Allerdings heißt es in der Erklärung, man wolle auch
finanzielle Mittel einsetzen. Auf eine Frage der Zeitung Haaretz erklärte
ein Sprecher der Lutheraner, er verstehe das so, dass die Kirche stärker
als bisher Friedensprojekte in Israel finanziell unterstützen wolle.
Friedlicher Fasttag am Tag der
Tempelzerstörung
Alles in allem verlief der letzte Tag vor dem israelischen
Rückzug aus dem Gazastreifen und einigen Siedlungen in der Westbank
ruhig. Es kam nicht zu den von der Polizei befürchteten Störungen.
Und das ist sicher auch ein Verdienst der Polizei. Sie hatte die gesamte
Jerusalemer Altstadt abgeriegelt, ließ nur eine Gasse für die
jüdischen Beter zur sogenannten Klagemauer offen und hatte alle Zugänge
zu den anderen Vierteln verbarrikadiert. Nach dem Mordanschlag eines jüdischen
Terroristen auf israelische Araber im Norden des Landes wollte die Polizei
eine solche Wiederholung in der Heiligen Stadt unter allen Umständen
verhindern.
Ebenso erlaubte es die Polizei moslemischen Männern
unter 45 Jahren nicht, den Tempelplatz zu betreten. Die jungen Männer
versammelten sich vor der Stadtmauer am Rockefeller Museum zum Gebet unter
freiem Himmel mit Rufen: Alla al akbar, Gott ist groß.
Vor den Mugrabitor zum Tempelplatz neben der Klagemauer
staute sich eine kleine Gruppe von schwer mit israelischen Fahnen und
orangenen Bändern der Rückzugsgegner bewaffneten "Tempelgetreuen",
denen die Polizei ebenso keinen Zugang zum Tempelplatz wie in jedem Jahr
an diesem Tag gewährte. Kein Nichtmoslem durfte auf den Tempelplatz.
Lautstark schrieen sie ihre nationalistischen Parolen in die große
Menge vor der Klagemauer, die aber mit anderen Dingen beschäftigt
schien.
Männer und Frauen saßen nach alter Tradition
auf dem Boden und lasen die Klagelieder Jeremias, möglichst im Schatten
der Mauer, denn die Temperaturen stiegen Mittags auf 35 Grad Celsius.
Das 25 stündige Fasten an diesem Tag, an dem nach der Tradition der
Erste und Zweite Tempel zerstört und viele weitere Unheile dem jüdischen
Volk in seiner langen Geschichte beschert worden waren, ging am Abend
zu Ende. Dann begann wieder der Alltag der Rückzugsgegner mit den
letzten Versuchen, den Rückzug in letzter Minute noch zu stoppen.
Holocaustüberlebende stark
selbstmordgefährdet
Entgegen der allgemeinen Auffassung, dass Holocaustüberlebende
nach der überlebten Katastrophe besonders stabil im Leben sind, hat
eine neue Studie genau das Gegenteil erwiesen. In einer Untersuchung israelischer
Ärzte in Gerontologie-Zentren hat sich ergeben, dass die Gefährdung
von Holocaustüberlebenden dreieinhalb mal größer ist als
unter Altersgenossen, die diese Erfahrung nicht durchleben mussten.
Die Studie des Abarbanel Mental Health Center der Tel
Aviver Universität unter der Leitung von Professor Yoram Barak kommt
zu dem Ergebnis, dass 90 von 350 Holocaustüberlebenden, die Insassen
gerontologischer Zentren in Israel sind, Selbstmordversuche in der Vergangenheit
unternommen haben, im Gegensatz zu 45 von 502 Insassen, die keine Holocausterfahrung
hinter sich haben.
Holocaustüberlebende leiden mit zunehmendem Alter
stärker unter Albträumen, Schlaf- und Essenstörungen, Depressionen
und anderen schweren seelischen Erkrankungen. Mit den Neueinwanderern
aus der ehemaligen Sowjetunion leben heute noch 200.000 Holocaustüberlebende
in Israel, davon einige Tausend in den verschiedenen Nervenanstalten.
Deutsch-israelische Ausgrabungen
der Philisterstadt Gat
Die deutsch-israelischen Ausgrabungen der Philisterstadt
Gat (Tell es-Safi) östlich von Aschdod bestätigen den biblischen
Bericht über die Einnahme und Zerstörung dieser wichtigen Stadt
der Philister durch die Syrer im 8. vorchristlichen Jahrhundert. Die Ausgrabungen
haben zahlreiche Gegenstände der Kultur der Philister ans Licht gebracht,
die die Erforschung der Welt der Philister mit neuem Material versorgen.
Die Ausgrabungen werden gemeinsam von Professor Aren Meir von der Bar
Ilan Universität und D. Stefan Wimmer von der Universität München
geleitet. Finanziert werden sie durch die Deutsch-Israelische Stiftung
für Wissenschaft und Forschung.
Neben den Einzelfunden wurde ein riesiger Graben und Wall
von 2,5km um die Stadt entdeckt, den die Syrer in monatelanger Arbeit
um die Stadt ausgehoben haben, um ein Ausbrechen der Bewohner zu verhindern
und um die Stadt auszuhungern. Der Graben ist in den Felsen gehauen, 5
m tief und 4 m breit. Dies ist der erste Nachweis einer systematischen
Belagerung einer Stadt in dieser Region. Die Eroberung der Stadt durch
König Hasael findet sich im 2. Königsbuch im 12. Kapitel. König
Hasael versuchte auch Jerusalem einzunehmen, was aber der judäische
König Joasch vereiteln konnte.
Die Philister sind ein indo-germanisches Seevolk, das
vom Meer aus die Küste Palästinas eroberten und 600 Jahre beherrschte.
Es wurde von den Assyrern im 6. Jahrhundert völlig vernichtet und
ins babyonische Exil gebracht, aus dem es nicht zurückkehrte. Die
heutigen Palästinenser bezeichnen sich zwar als Nachkommen der Philister,
was aber unhistorisch ist. Die Philister als einzige Nichtsemiten in diesem
Raum hatten eine eigene Kultur, die an die Seevölker der griechischen
Inseln erinnert.
Papst Benedikt XVI ist großer
Gewinn für das Judentum
Zum Abschluss des akademischen Jahres der Israel Interfaith
Association sprach Rabbiner David Rosen vor dem vollbesetzten Raum des
American Jewish Committees in Jerusalem. Sein Thema "Von Papst zu
Papst, von Johannes Paul II zu Gregor XVI - die katholische Kirche heute
- aus jüdischer Sicht". Rabbiner David Rosen ist der Internationale
Direktor des American Jewish Committees für Interreligiöse Fragen.
Er vertritt in dieser Funktion nicht nur Israel, sondern das Judentum
in der Welt. Er gehört dem internationalen jüdischen Dialogkomitee
an, das Gespräche mit dem Vatikan wie mit dem Weltrat der Kirchen
führt. Rosen war die federführende Person von jüdischer
Seite, die die Gespräche über die Anknüpfung diplomatischer
Beziehungen mit dem Vatikan führte. In seiner Laufbahn war Rosen
zuvor Oberrabbiner von Irland und danach von Südafrika, bis er in
den achtziger Jahren nach Israel einwanderte.
Schon als Oberrabbiner von Irland habe er mehrfach Papst
Johannes Paul II und den damaligen Kardinal Ratzinger getroffen und später
beide mehrere Dutzend Male mehr. Als Delegierter der jüdischen Gesprächsgruppe
habe er im letzten Monat den neu inthronisierten Papst Benedikt XVI aufgesucht.
Dieser Besuch sei zugleich Programm gewesen. Die jüdische Gesprächsrunde
sei die erste religiöse Gruppe gewesen, die der neue Papst empfangen
habe, noch vor der Delegation des Weltkirchenrats.
Der neue Papst habe einige sehr gute Freunde in Jerusalem,
so den ehemaligen Bürgermeister Jerusalems, Teddy Kollek, und Professor
Zvi Werblowsky von der Hebräischen Universität, beide deutschsprachig.
Er selber, Rosen, habe den damaligen Kardinal Ratzinger 1994 zu einem
Kongress eingeladen, wo er mit erstaunlicher Deutlichkeit den neuen Kurs
der katholischen Kirche in der Begegnung mit dem Judentum vertreten und
untermauert habe. Ratzinger sei ein Inquisitor seiner Kirche, der darauf
zu achten hatte, dass es keine Abweichungen von der reinen Lehre gebe,
aber als weitsichtiger Staatsmann des Vatikans habe er auch immer den
Dialog mit Leuten gesucht, von denen er überzeugt war, dass sie auf
dem falschen Weg sind. Das gelte vor allem über seine Kontakte zum
Islam, den er theologisch als Irrlehre ansehe, weil der Koran kein echtes
Offenbarungsbuch sei, weltpolitisch aber habe er immer gewusst, dass das
Gespräch mit dem Islam unumgänglich ist.
Dasselbe treffe so nicht für das Judentum zu. Für
das Judentum habe er immer ein tiefes und echtes Verständnis gehabt.
Das sei auch durch die antinazistische Familientradition der Ratzingers
bedingt. Das Judentum, so glaubt Rabbiner Rosen, sei ihm näher als
die nichtkatholischen Christen. Nach der Veröffentlichung von Domus
Jesus, das den Wahrheitsgehalt der nichtkatholischen Christen in Frage
stellt, habe Ratzinger zu Rosen gesagt, euch Juden, unsere Brüder
haben wir nicht damit gemeint. Für das Judentum sei Ratzinger ein
einziger großer Gewinn, das bei der Revolution der katholischen
Kirche, die mit dem Papst Johannes XXIII begonnen habe und durch Papst
Johannes Paul II fortgesetzt worden sei, einen überzeugten Vertreter
gefunden habe.
Bei der lebhafte Diskussion, an der ehemalige Minister,
der Botschafter von Kasachstan und mehrere Professoren der hebräischen
Universität beteiligt waren, fragte eine nichtkatholische Christin
aus Nazareth den Referenten, wie es denn komme, dass ein Rabbiner ein
so glühender Verehrer zweier Päpste sein könne, und ob
die anderen Konfessionen dabei nicht zu kurz kämen. Hier winkte Rosen
ab, dies sei sein Thema gewesen, er liebe alle Christen.
|
|