Pilgern im 21. Jahrhundert
Reisen ins Land der Bibel sollte immer auch eine Reise in die Gegenwart
sein
von Otto Schenk
Der große Vogel der EL AL - Fluggesellschaft senkt
sich deutlich nach unten. Noch ist nur blaues Mittelmeer zu sehen. Spannend
erwartet der Reisende beim Blick aus dem Fenster die Küstenlinie
von Israel. Ganz plötzlich sieht man unter sich das weitausladende
Häusermeer von Tel Aviv, der größten Stadt Israels. Der
größten jüdischen Stadt der Welt. So weit das Auge reicht:
Häuserschluchten, Hochhäuser, kleine rote Ziegeldächer,
Grünflächen, Autobahnkreuze und viele, viele Autos sind als
kleine Punkte zu entdecken. Da dreht das Flugzeug eine Schleife und nun
sieht man trockenes, karstiges Gebirgsland, satte Orangenplantagen und
moderne Industriezonen. Jetzt kommt die Stadt Jaffa ins Bild. Ein direkt
am Meer gelegener uralter Hafen. Heute ein nostalgischer Vorort dieses
riesigen Lebensraumes von Tel Aviv.
Früher kamen die Pilger und Einwanderer in Jaffa
an, nach langer, beschwerlicher oder genussvoller Schiffsreise. Hier gingen
die Pilger an Land. Bestiegen, wie Kaiser Wilhelm der II., (1898) ein
Pferd und ritten die ca. 70 Kilometer mühsam hinauf nach Jerusalem.
Oder man nahm ein Kamel, vielleicht setzte man sich auch in eine unbequeme
Reisekutsche.
Die Gegenden waren unsicher und sehr unterentwickelt.
Jahrhunderte lang döste das Land der Bibel in einer vernachlässigten
Ecke des Osmanischen Reiches vor sich hin (bis 1917). Die Verwaltung war
korrupt und unwirksam.
Als dann die Engländer das Palästinamandat 1921
übernahmen, entwickelte sich das Land sprunghaft vorwärts, aber
auch die Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen - den Arabern
und Juden - wuchsen. Wer als Reisender kam musste schon sehr auf der Hut
sein, um nicht in Unruhen und Auseinandersetzungen verwickelt zu werden.
Es gab zwar die Engländer als zentrale Macht, trotzdem war alles
in Bewegung und unzuverlässig.
Seit 1948 gibt es den Staat Israel in einem Teil des Landes
der Bibel. Nach zahlreichen Kriegen mit den arabischen Nachbarn ist der
jüdisch geprägte Staat heute eine sichere und klare Autorität
im Land. Zum ersten Mal seit vielen Jahrhunderten bestimmen Juden wieder
das Geschehen im "gelobten Land."
Das merkt der Tourist gleich auf Israels einzigem internationalem
Flugplatz: Jüdische Soldaten sichern das Flugfeld, jüdisches
Zoll- und Passpersonal führt die Kontrollen durch, während sich
viele Menschen aus aller Welt in den attraktiven Empfangshallen des neuen
Flughafens drängeln. Zügig und bunt verläuft die Abreise:
Da gibt es einen modernen Bahnhof für Verbindungen nach Haifa oder
Jerusalem. Busse, Einzel- und Sammeltaxen bieten ihre Dienste an und schon
bald fädelt sich der Gast mit seinem Gefährt über Autobahnen
in das Verkehrsgewühl im Großraum von Tel Aviv ein.
Die Küstenstraße nach Norden bleibt immer in
der Nähe des Mittelmeeres. Hier ist das jüdische Hauptwohngebiet
des Staates. Mit den Städten Herzlia und Netania sind attraktive
aufstrebende Industrie- und Verwaltungszentren am Mittelmeer entstanden.
Ein Stück weiter trifft man auf die Reste der berühmten
römischen Metropole Cäsarea. Vergangene Pracht von vor 2000
Jahren lässt sich noch in den wertvollen Ruinen erahnen. Nicht weit
vom Antiken lebt heute eine wohlhabende Elite des Landes.
Viele landwirtschaftliche, jüdische Siedlungen sind
zu sehen. Auch Weinberge und Fischteiche gehören dazu. In der Nähe
von Haifa, im Umfeld des Karmel Gebirges entstanden die jüdischen
Zentren, die heute zum Pulsieren der Wirtschaft entscheidend beitragen.
Immer wieder durchquert der Besucher auch arabische Dörfer.
Je näher man an Galiläa kommt, um so deutlicher wird es, dass
hier Juden und Araber dicht nebeneinander wohnen.
Haifa, die elegante Hafenstadt, hat eine arabische Minderheit
und das mittelalterliche Akko beherbergt in seinen imponierenden alten
Mauern und in seiner modernen Neustadt eine jüdische und arabische
Bevölkerung.
Wenn der Reisende den Norden Israels erkunden will, hat
er viele Möglichkeiten. Es wird ihm nicht gelingen nur ein Ziel konsequent
verfolgen zu können.
Will er auf den Spuren Jesu reisen, wird er es immer wieder
mit der vitalen jüdischen Gegenwart zu tun haben müssen. Er
wird ebenso die aufstrebenden großen arabischen Gemeinden - sowohl
muslimische wie christliche- nicht übersehen können.
Will der Besucher sich ganz diesem spannenden Bezirk Galiläa
von heute widmen, in dem Juden und Araber fast zu gleichen Teilen leben,
dann kann er die Fundamente der Vergangenheit, seien sie nun römisch
oder christlich, nicht ignorieren. Auch die kontroverse aktuelle Geschichte
ist überall heftig anwesend.
Eine rein meditative, nur nach innen orientierte Pilgerreise
sollte nicht versucht werden. Die aufregende, sich ständig ändernde
Gegenwart macht den unverwechselbaren Reiz des heutigen "Pilgerns"
aus.
Die Reise führt von der Mittelmeerstadt Naharia ins
Innere der galiläischen Provinz. Es geht immer bergauf. Bis zu 1000
Meter hoch. In den breiten Tälern liegen oft große arabische
Dörfer mit manchmal mehr als 5000 Einwohnern, übrigens alles
israelische Staatsbürger.
Nach kurzer Zeit taucht die jüdische Stadt Karmiel
auf. Sehr jung. Vielleicht 40 Jahre alt.
Schöne Wohnviertel, ganz modern, völlig anders
gebaut als die arabischen Häuser der Umgebung, fallen dem Besucher
auf. Karmiel hat wichtige Industrien, die Arbeitsplätze für
Juden und Araber bieten. Die Entstehung dieser Stadt war aber heftig umstritten,
denn der Grund und Boden für die jüdischen Wohnviertel gehörte
galiläischen Arabern.
Vorbei an riesigen Olivenplantagen nähert man sich
biblischen, neutestamentlichen Orten: Da ist einmal Kana und schließlich
Nazareth. Nun befindet sich der Besucher in der größten arabischen
Stadt Israels! Hier ist der Sonntag der wöchentliche Feiertag und
nicht der Schabbat wie sonst im Land. Aber die Mehrheit der Araber dieser
Jesusstadt sind Muslime! Die alte Stadt mit ihren etwa 40.000 Einwohnern
wird beherrscht von der römisch - katholischen Verkündigungsbasilika,
die von einer jüdischen Baufirma in den 60-ziger Jahren des 20. Jahrhunderts
errichtet wurde.
Viele Christen in Nazareth gehören der griechisch-
orthodoxen Kirche an und haben eine eigene Verkündigungskirche: St
Gabriel. Das Zusammenleben der Bewohner ist nicht spannungsfrei. In den
letzten Jahren kam es immer wieder zu Handgreiflichkeiten, weil christliche
und muslimische Gewohnheitsrechte aufeinander stießen.
Besonders bemerkenswert ist das jüdische Ober-Nazareth.
Eine moderne Stadt oberhalb der Altstadt. Hier prallen wieder modernes
und traditionelles Leben aufeinander. Viele Araber wollen nicht mehr in
den sanierungsbedürftigen Wohnungen in der Altstadt bleiben, sondern
ins moderne Ober Nazareth ziehen. Juden und Araber müssen mühsam
nach einem erträglichen Miteinander suchen.
Schließlich erreicht der Reisende von heute über
gute, ausgebaute Straßen den See Genezareth (200 Meter unterhalb
des Meeresspiegels). Die Straße windet sich mühsam durch die
Stadtteile von Tiberias hinunter zum See. Heute ist Tiberias eine aufstrebende
Kur- und Touristenstadt. Sie hat römische Wurzeln, jüdische
Blütezeiten und nimmt jetzt den Platz als Verwaltungszentrum ein.
Die fruchtbare Gegend um den See wird von Kibbuzim beherrscht,
die hier mehrere Ernten im Jahr erwirtschaften können. Gemüse,
Südfrüchte, Fische und üppigste Blumenpracht lassen die
Landschaft zu einem Stück Paradies werden.
Der See Genezareth: Hier also lebte Jesus. Hier lehrte
er. Hier vollbrachte er seine Wunder. Hier sammelte er Jünger und
hier predigte er in dem auch damals zerrissenen und explosiven Land.
Das milde Klima um den größten Süßwassersee
des Landes lässt die Spannungen leicht vergessen.
Aber drüben im Dunst sind die umstrittenen Golanhöhen,
die einmal syrisch waren, und gleich neben dem Badeort El Hamma mit den
heißen Quellen beginnt das jordanische Königreich.
Wer noch ein bisschen träumen möchte von der
Zeit Jesu, kann das am See Genezareth am besten tun. Die Landschaft wurde
nur vorsichtig verändert und die historischen Plätze sind in
ihrer Einfachheit der Fantasie nicht hinderlich. Nur wenige Christen leben
am See, darunter fast keine einheimischen, sondern meistens ausländische
Christen. Diese romantische Idylle täuscht aber über die brodelnden
Probleme hinweg, die z. B. mit der Trinkwasserfrage besonders nah sind.
Israel und die Nachbarländer Syrien und Jordanien sind auf die Versorgung
durch den Jordan angewiesen.
Nach einigen Tagen der intensiven Begegnung mit der Welt
um den See Genezareth sollte sich der Reisende rüsten auf die Fahrt
hinauf nach Jerusalem.
Hier bieten sich mehrere Wege an: Man kann durch die bevölkerte
arabische Westbank fahren und über Samaria und die Stadt Nablus Jerusalem
erreichen. Heute jedoch nicht ratsam.
Oder man fährt auf der alten Handelsstraße
durch die Jesreel Ebene, Megiddo und dann parallel zur Mittelmeerküste,
bis man zur Hauptstraße Tel Aviv - Jerusalem kommt.
Die klassische Route führt durch das Jordantal: Immer
bergab bis zur Oase Jericho (400 Meter unter dem Meeresspiegel!).
Diese gut ausgebaute Straße zeigt die ganze Zerrissenheit
des Landes.
Zunächst führt sie durch das breite, fruchtbare
Jordantal, voll mit reichen jüdischen Dörfern und reichen jordanischen
Siedlungen jenseits der scharf markierten und hermetisch geschlossenen
Grenze zwischen Israel und Jordanien. In der Nähe der historischen
Stadt Beth Shean gibt es eine Brücke als Grenzübergang zwischen
den beiden Ländern.
Dann führt die Straße durch die Westbank. Also
durch jordanisch - palästinensisches Gebiet, das von Israel seit
1967 kontrolliert wird. Die Gegend ist karg, arm, leer und wenig einladend,
im Sommer auch brütend heiß.
Mit Erleichterung wird die große Oase Jericho begrüßt.
Eine Umgehungsstraße führt an der Stadt vorbei in Richtung
Totes Meer und Jerusalem. Will man in das autonome, arabische - palästinensische
Jericho einreisen, ist das meistens problemlos möglich.
Die Fahrt hinauf nach Jerusalem, 800 Meter hoch gelegen,
führt durch die judäische Wüste. Die steile, kurvenreiche,
moderne Straße bringt den Autofahrer innerhalb von einer halben
Stunde ins berühmte Jerusalem!
Die Pilger der früheren Zeiten zogen durch das fruchtbare
Tal Wadi Kelt. Steil windet sich der schmale Pfad neben den Ruinen der
herodianischen Königspaläste hinter den Flüchtlingslagern
von Jericho hinauf.
Reste von christlichen Einsiedeleien und kleinen Klöstern
erinnern an die Blütezeit des frühen Christentums im Land. Eine
moderne Wasserleitung führt an den steilen Hängen frisches Trinkwasser
zur Oase Jericho. Dieser Wanderweg ist heute gefährlich und wird
nur noch selten benutzt, weil er an das autonome palästinensische
Gebiet grenzt und an das israelisch kontrollierte, die Sicherheitsrisiken
sind hoch.
Der eilige Pilger-Tourist rast auf dem Highway hinauf
in die heilige Stadt. Vom Auto aus sieht man nur Wüste. Steile, kahle,
nackte, wenig einladende Steppe. Ab und zu passiert man eine einfache
Beduinenansiedlung, sonst sieht man keine Dörfer, weder jüdische
noch arabische. Von der "Herberge des barmherzigen Samariters"
aus hat man den ersten Blick auf Jerusalem. Für alle Pilger war zu
allen Zeiten dieser Moment erfreulich, erhebend und beruhigend. Nun haben
wir es bald geschafft!
Der Reisende nähert sich vom Osten her der Stadt.
Von hier aus kamen auch die Galiläer, wenn sie - wie Jesus und seine
Familie - zu den hohen jüdischen Feiertagen zum Tempel wallfahrten.
Heute sieht man drei Türme auf dem Ölberghang: Den spitzen Kirchturm
der russisch orthodoxen Himmelfahrtskirche, den stämmigen, wuchtigen
Kirchturm der deutschen Auguste Viktoria Stiftung und den Wasserturm der
hebräischen Universität auf dem Skopusberg.
Jetzt durchfährt man eine Gegend, die sich in den
letzten Jahren dramatisch veränderte. Die moderne jüdische Stadt
Maale Adomim taucht auf. Etwa 30.000 Juden leben heute hier mit allen
neuzeitlichen Errungenschaften: Schulen, Einkaufszentren, Kinos, Parks,
Synagogen, großzügigen Wohnungen und besten Straßen.
Hier war bis 1970 nichts. Wüste, ein paar Beduinen mit ihren Herden
waren manchmal hier unterwegs. Heute verbinden sehr großzügige
Autostraßen den Vorort Jerusalems mit dem Zentrum der Stadt.
Man könnte nun die alte Straße fahren und durch
Bethanien kommend die Stadt erreichen. Aber seit einigen Monaten baut
Israel um Jerusalem herum eine hohe Mauer, um jüdisches Wohngebiet
von arabischem zu trennen.
Mit deutlicher Anstrengung brummt das Auto die letzten
Steigungen hinter dem Ölberg hinauf und kreuzt nun die Hauptstraße
zwischen Jerusalem und Ramallah, der heimlichen Hauptstadt des autonomen
Palästinas. Ein sehr starker Verkehr zwingt zu einer längeren
Pause.
Wenn der Pilger hier in Richtung Norden abbiegen würde,
käme er durch Samarien und bald zur großen arabischen Stadt
Nablus, (dem jüdischen Sichem, dem römischen Samaria). Er befände
sich auf dem historischen Territorium des biblischen Nordreiches: Israel!
Aber das heutige Reiseziel ist Jerusalem: Also links abbiegen
und nun befindet man sich in dem arabischen Teil Jerusalems. Trotzdem
durchfährt man gleich ein jüdisches Stadtviertel: Ramat Eschkol,
das unmittelbar nach dem Sechstagekrieg 1967 entstand.
Zum arabischen Jerusalem (etwa 180.000 Einwohner) zählen
die gesamte ummauerte historische Altstadt, geschäftige Vororte und
zum Teil rückständige arabische Wohngebiete. Das jüdische
Jerusalem (500.000 Einwohner) hat ein Zentrum aus der britischen Mandatszeit
und riesige moderne Wohngebiete, die sich kilometerlang nach Westen in
das judäische Land Richtung Mittelmeer erstrecken.
Jerusalem ist die Hauptstadt Israels. Hier sitzen die
Regierungszentren, viele Behörden, zahlreiche religiöse Institute
und viele Kirchen, Klöster und heilige Stätten. Jerusalem ist
aber vor allem eine sehr lebendige, laute, etwas schmutzige Metropole.
Sie sucht ihren Platz zwischen Gegenwart und bombastischer Vergangenheit.
Die Konflikte der Region prallen in Jerusalem besonders scharf und kontrovers
aufeinander.
Ein Pilger findet nur mühsam seinen Weg bei der Hektik
und Gegensätzlichkeit. Trotzdem ist es möglich in dieser brodelnden
Aufgeregtheit einen Leitfaden zum Nachdenken und zur Begegnung mit der
Botschaft zu finden, die von dieser Stadt einst ausging. (Ölberg,
Garten Gethsemane, Zionsberg, Himmelfahrtszentrum der Auguste Viktoria
Stiftung, En Karim mit dem Gedenken an Johannes den Täufer, Holocaust
Gedenkstätte Jad va Schem, Israelmuseum, österreichisches Hospiz
in der Via Dolorosa u.a.)
Auch beim Wohnen sollte der Pilger sich bewusst entscheiden:
Will ich in einer arabischen Umwelt leben? Oder mehr in einer jüdischen,
koscheren vielleicht, oder aber ganz abgehoben vom realen Alltag: In einem
christlichen Haus?
Jerusalem und sein vitales Leben zehrt an den Kräften
des Pilgers; deshalb sollte er sich nach dem faszinierenden Leben in der
"heiligen Stadt" in die Wüste zum Besinnen zurückziehen.
Nun verlässt der Pilger Jerusalem über die Hauptschlagader,
nämlich die Jaffastraße und reiht sich in den Superverkehr
Richtung Mittelmeerküste ein.
Aus der kleinen, kurvenreichen Straße ist inzwischen
eine Autobahn geworden und - wenn nicht gerade wieder einmal ein Stau
alles zum Stehen bringt - kann man in schneller Fahrt die jüdäische
Bergwelt verlassen und erreicht die Latrunebene.
Der Strom der Autos strebt nach Tel Aviv, der Pilger biegt
jetzt ab in Richtung Beer Schewa. Das mächtige Kloster von Latrun
erinnert an die biblische Geschichte von den Emmaus Jüngern und dem
auferstandenen Jesus, die trutzige frühere britische Polizeistation
mahnt an die Kämpfe um den Staat Israel 1948 und das breit gezogene
Dorf Neve Schalom (Oase des Friedens) auf dem Hügel will zeigen:
Juden und Araber können auch in Frieden miteinander leben. An vielen
jüdischen Siedlungen vorbei, führt die Straße durch fruchtbare
Anbaugebiete.
Die Straße überquert den Schienenstrang der
Eisenbahn. Es handelt sich um die Linie von Jerusalem zur Küste und
um die Verbindung zwischen Tel Aviv und Beer Schewa. Seit einigen Jahren
wächst die Bedeutung der Eisenbahn in Israel sprunghaft, da die großen
Zentren im Autoverkehr ersticken. Noch 50 Kilometer bis Beer Schewa. Die
moderne Wüstenstadt Kiriat Gat taucht neben der Straße auf.
Das biblische Lachischgebiet ist erreicht. Nahe sind dieMittelmeerhäfen
Aschkalon und Aschdot. Auch zum Gazazstreifen ist es nicht mehr weit.
In Kiriat Gat sollte man eine Pause im jüdischen Kinderheim "Neve
Hanna" machen und sich über die Erziehungsarbeit informieren
lassen www.nevehanna.de. Besonders die langjährigen Projekte mit
der Beduinenstadt Rahat sind sehenswert.
Die Landschaft wird immer eintöniger und trockener.
Die Negevwüste beginnt. Bald erkennt man am Horizont die Neubauten
der Wüstenmetropole Beer Schewa. Fast 200.000 Menschen leben heute
hier. Viele jüdische Neueinwanderer aus der alten Sowjetunion mischen
sich mit den "Ureinwohnern", das sind Juden aus der ganzen Welt
und Beduinen. Beer Schewa blickt auf eine weit zurückreichende Geschichte,
die bis zum Stammvater Abraham zurück gehen soll. Das pulsierende
Leben heute fing aber erst mit dem ersten Weltkrieg bei den Türken
und Engländern an.
Der Pilger befindet sich nun im Versorgungszentrum für
den ganzen Negev, denn hinter Beer Schewa, also südlich, beginnt
tatsächlich die Wüste.
Die Negevwüste ist das Südland der Bibel. Etwa
die Hälfte des Staates Israel, ca. 10.000 Quadratkilometer beträgt
diese gebirgige, steppenähnliche Wüste. Es leben in mehreren
Kleinstädten und bescheidenen Dörfern ca. 200.000 jüdische
Bewohner. Außerdem sind ca. 120.000 Beduinen in diesen Gebieten
zu Hause. Ihre ärmlichen Dörfer, oft sind es sogar illegale,
wirken zwar romantisch, sind jedoch voller sozialem Sprengstoff. Nur wenige
Beduinenfamilien verdienen ihren Lebensunterhalt noch mit Herden oder
primitiver Landwirtschaft. Die meisten Stämme sind sesshaft, wohnen
in festen Häusern in Beduinenstädten wie Rahat oder Tel Schewa.
Die Beduinen befinden sich in einer Transitgesellschaft und suchen ihren
Platz im Staat Israel.
Für den Pilger bietet die Wüste - neben der
atemberaubenden Landschaft- vor allem eine Begegnung mit einer beeindruckenden
Vergangenheit. Die berühmten nabatäischen Städte, die später
Zentren des byzantinischen Christentums (bis 7. Jahrhundert) waren, sind
als stille Ruinenplätze höchst sehenswert. Etwa das abgelegene
Shivta oder das stolze Avdat beweisen rückblickend wie kultiviert
und gekonnt man damals lebte. Besonders imponierend sind die Überreste
von Tausenden von Farmen. Man betrieb Sturzflutwasser - Landwirtschaft
mit verblüffenden Ergebnissen. Einige antike Bauernhöfe sind
restauriert und lassen den heutigen Besucher respektvoll vor den Leistungen
der Alten stehen.
Bis zum großen Mörserabbruch - dem Maktesch
Ramon- neben dem immer wirtschaftlich kränkelnden Wüstenstädtchen
Mizpe Ramon, geht diesmal die Reise.
Es wären noch ca. 150 Kilometer bis zur Hafenstadt
Elath am Roten Meer zu fahren. Dort herrscht großes Touristenleben
und Badevergnügen auf internationalem Niveau. Ganz dicht ist dort
die Grenze zu Ägypten und dem Sinaigebirge. Auch die jordanische
Hafenstadt Aqaba ist durch einen Grenzübergang leicht zu erreichen.
Wer in Israel Kontakte zur Bevölkerung haben will,
hat viele Möglichkeiten.
Zum Beispiel: Das Evangelische Pilger- und Begegnungszentrum,
POB 14076 Auguste Viktoria Compound Jerusalem www.avzentrum.de. Und die
Internationale Jugendbegegnungsstätte der Aktion Sühnzeichen/Friedensdienste
in Jerusalem, Haus PAX, Rechov En Gedi 28 www.asf-ev.de/freiwilligendienste/laender/israel/
Es ist sehr ratsam vor Reisebeginn mit den Veranstaltern
deutlich die Wünsche und Schwerpunkte der Reise abzusprechen. Auch
was man nicht möchte! Vom Klima her sind die besten Reisenzeiten:
März bis Mai und Oktober/November. Dann herrscht im Land ein zuverlässiger,
gut erträglicher Sommer.
Die Sicherheitslage ist großen Schwankungen unterworfen.
Man sollte sich aktuell informieren.
Israel ist ein touristisch gut ausgestattetes Land. Man
findet viele Kategorien zum Übernachten und Reisen. Grundsätzlich
gilt: Israel ist nicht billig. Eine organisierte Gruppenreise von 14 Tagen
kostet ca. 2000 Euro (Stand: 2006).
Israel ist ein wunderschönes, sehr anregendes und
vielfältiges Land. Mit großem Gewinn lässt sich dort im
21. Jahrhundert pilgern!
Dieser Text erscheint als Sonderdruck aus:
MATERIALDIENST Nr. 3 / Juni 2006
Herausgegeber: Evangelischer Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen
und Nassau, Theodor-Storm-Str. 10, 64646 Heppenheim, www.Lomdim.de
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